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Es sind nur noch sieben Punkte: Lewis Hamilton feiert in Spa seinen fünften Sieg im zwölften Saisonrennen und rückt Sebastian Vettel im WM-Kampf auf die Pelle. Mercedes ist in Spa aber weniger dominant, als Sportchef Toto Wolff auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke gehofft hätte.
Ausgerechnet in Spa, in Michael Schumachers Wohnzimmer, stellt Hamilton mit seiner 68. Pole-Position dessen alten Rekord ein. Ross Brawn gratuliert im Namen der Schumacher-Familie - und Hamilton ist zu Tränen gerührt. Lokalmatador Stoffel Vandoorne startet als Letzter: 65 Plätze Strafe wegen Komponentenwechsel.
Der Start: Die Top 6 kommen sauber durch die Haarnadel La Source, und auch dahinter herrscht Disziplin im Feld. Fernando Alonso trifft den Kupplungspunkt am besten und schießt von P10 auf P7. Während sich Hamilton vor Vettel behauptet, ...
... aber durch Eau Rouge so viel Windschatten spendiert, dass es beim Anbremsen von Les Combes ganz schön eng wird. Letztendlich fehlt dem Ferrari auf der Kemmel-Geraden die nötige Power, um zwingend nach vorne zu stechen.
Im Kampf um P8 kracht es bei Force India: Sergio Perez wählt den falschen Motorenmodus, hat zu wenig Hybrid-Power und ist plötzlich mit Nico Hülkenberg beschäftigt, den er bereits abgeschüttelt wähnte. Auf der anderen Seite will Esteban Ocon vorbei. Dass beide Autos heil bleiben, gleicht einem Wunder.
Zwei Runden lang liefern sich Hülkenberg und Alonso dann ein erfrischendes Duell um P7, ehe der McLaren-Star mangels Honda-Power klein beigeben muss. Als er wenig später auf den Geraden auch für die Force Indias Kanonenfutter ist, funkt er: "Peinlich!"
Mindestens 40.000 "Oranjes" fällt die Kinnlade runter, als ihr Held Max Verstappen in der achten Runde an fünfter Stelle liegend ausscheidet. "No power", funkt er - und macht seinem Frust Luft: "Unglaublich. Ich kann das nicht glauben!" Es ist bereits das sechste Mal 2017, dass er von der (Renault-)Technik im Stich gelassen wird.
Weil wegen Verstappen bei Kemmel Doppel-Gelb geschwenkt wird und Kimi Räikkönen trotzdem Vollgas durch Eau Rouge zischt, nicht einmal lupft, kassiert der Ferrari-Fahrer eine harte Strafe: zehn Sekunden Stop & Go. Das wirft ihn vom vierten auf den siebten Platz zurück - hinter Hülkenberg und Ocon, die er rasch überholt.
An der Spitze ist der Abstand zwischen Hamilton und Vettel, die den Sieg untereinander ausmachen, mal größer (3,5 Sekunden nach dem Boxenstopp), mal kleiner (0,6 Sekunden in Runde 17). Aber Vettel dämmert: Wenn beide auf den gleichen Reifen (Soft) durchfahren, muss er auf einen Fehler hoffen.
In der 26. Runde ist Alonsos Rennen vorbei. "Engine, engine", funkt er entnervt. Später stellen die Honda-Ingenieure fest: Der Motor wies keinen Defekt auf. Hatte der Spanier einfach keine Lust mehr? Ein Indiz dafür sein knurriger Funkspruch kurz davor: "Kein Funk mehr bis zum Ende des Rennens!"
Teil 2 des Force-India-Kriegs: Ocon ist sauer, weil Perez früher Reifen wechseln durfte (wegen Zusammenlegung mit Fünf-Sekunden-Strafe) und plötzlich vor ihm liegt. Der Franzose probiert's noch einmal vor Eau Rouge - und wieder kommt es zur Kollision!
"Er wollte mich umbringen", tobt Ocon nach dem Rennen. Perez kontert: "Das erste Mal nehme ich auf meine Kappe. Das zweite Mal nicht mehr. Da war einfach kein Platz." Das Wortgefecht der beiden beschäftigt in den nächsten Tagen Facebook, Twitter & Co. Und Force India: Ab sofort gibt es kein freies Racing mehr.
Während der Safety-Car-Phase wechselt Hamilton auf Soft, Vettel auf Ultrasoft. Und Hamilton fällt es schwer, seine Reifen auf Temperatur zu halten: "Warum fährt der so langsam?", meckert er in Richtung Bernd Mayländer.
Vor dem Restart das gleiche Spiel wie in Baku: Mal beschleunigt er vor Vettels Nase, mal bremst er abrupt zusammen. Beim Restart wittert Vettel seine Chance, ist auch dran - zu nahe, sodass er bereits ausgangs Eau Rouge lupfen muss und Schwung verliert. Im Finish kann er trotz der weicheren Reifen nicht mehr attackieren.
Daniel Ricciardo stiehlt im Finish allen die Show: zuerst mit seinem tollen Manöver gegen Räikkönen und Valtteri Bottas bei Les Combes, dann auf dem Podium, als Mark Webber Sieger Hamilton interviewt - und Webber die Verstappen-Fans mit La Ola tröstet. Starker Sechster: Nico Hülkenberg.
(Motorsport-Total.com) - Ein über weiter Strecken an der Spitze sehr kontrolliertes Rennen der Formel 1 zum Grand Prix von Belgien in Spa-Francorchamps wurde am Sonntag 14 Runden vor Schluss durch die Safety-Car-Phase plötzlich wieder spannend. Durch die Neutralisierung wurde nicht nur der Vorsprung von Lewis Hamilton (Mercedes) auf Sebastian Vettel (Ferrari) eingeschmolzen. Nach einem Boxenstopp der beiden führenden Piloten fuhren diese in der Schlussphase auch auf unterschiedlichen Reifenmischungen.
Während Hamilton erneut softe Pirelli-Reifen aufzog, wechselte Vettel auf einen Satz frischer ultrasofter Slicks, die er sich im Qualifying aufgespart hatte. Mit den zwei Stufen weicheren Reifen hatte Vettel in der Schlussphase auf dem Papier einen klaren Vorteil. Daher hatten auch Reifelieferant Pirelli mit einem Sieg des Deutschen gerechnet.
"Ehrlich gesagt Ferrari", antwortet Sportchef Mario Isola auf die Frage, welches Team er nach der Safety-Car-Phase ganz oben auf dem Siegerpodium erwartet hatte, "denn der ultra war am Freitag 1,5 Sekunden schneller. Wir wussten, dass das Rundenzeiten-Delta im Rennen geringer wird, ich hatte mir aber 0,9 bis eine Sekunde vorgestellt."
Doch es kam anders. Nachdem Hamilton nach dem Neustart unter Zuhilfenahme sämtlicher Tricks einen ersten Angriff von Vettel abgewehrt hatte, kam der Ferrari-Pilot nicht mehr in eine Position, aus der er einen Überholversuch hätte wagen können. Doch warum war der Vorteil der ultrasoften Reifen nicht so groß wie erwartet? Dafür könnten nach Einschätzung von Pirelli die höheren Temperaturen am Renntag Schuld gewesen sein.
"Bei warmen Wetter hat der softe Reifen ein etwas größeres Arbeitsfenster, während der ultrasofte bei diesen Temperaturen ein wenig leidet. Daher wird der Unterschied zwischen beiden kleiner", erklärt Isola. "Außerdem war Lewis am Freitag auf den soften sehr schnell und hat das am Sonntag bestätigt." Schon im ersten Freien Training hatte Hamilton auf soft die Bestzeit von Kimi Räikkönen auf ultrasoft nur um wenige Hundertstelsekunden verpasst.