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Die Formel-1-WM 2017 steht ganz im Zeichen des Duells der Giganten: Nach dem Europa-Auftakt in Barcelona haben Sebastian Vettel und Lewis Hamilton je zwei Siege auf dem Konto. Vorteil Vettel: sechs Punkte mehr. Vorteil Hamilton: die vielleicht besseren technischen Updates.
94.623 überwiegend spanische Fans kommen nach Barcelona, um Landsmann Fernando Alonso anzufeuern. Das Wochenende beginnt mit P20 und einem Motorschaden am Freitag. Aber am Samstag liefert der Lokalmatador mit P7 eine kleine Sensation ab. "Ein Wunder, was der aus diesem Auto holt", sagt Experte Marc Surer.
Vettel hört schon in Q1 (nach Motorwechsel über Mittag) den Befehl: "Stop the Car!" Widersetzt sich diesem aber und holt fast die Pole. Sein Fehler im letzten Sektor kostet mehr als die fehlenden 0,051 Sekunden. Beim Pole-Interview auf Start und Ziel lacht Hamilton: "Jetzt habt ihr auch die Startsequenz geändert, nicht wahr?"
Und Vettel macht das Beste aus der neuen Kupplungstechnik, geht am Start vor Hamilton in Führung. Dahinter wird die Kurve zu knapp für drei Autos: Valtteri Bottas kann sich innen nicht in Luft auflösen, Kimi Räikkönen kracht daher außen in den Red Bull von Max Verstappen.
Als die beiden gerade auf die Strecke zurückfahren, scheint Alonso schon Fünfter zu sein. Im Gerangel mit Felipe Massa, das von der Rennleitung ungeahndet bleibt, zieht er aber den Kürzeren und fällt auf P11 zurück. Am Ende wird der Spanier dann Zwölfter. Massa humpelt mit Reifenschaden an die Box.
Während Verstappen immerhin noch an die Box fahren kann und erst dort aufgibt, stellt Räikkönen noch auf der Strecke ab. 55 Punkte Rückstand nach fünf von 20 Rennen: Unter normalen Umständen ist das WM-Rennen für den "Iceman" gelaufen.
Für Vettel läuft es wie am Schnürchen: 2,2 Sekunden Vorsprung nach der ersten Runde, 2,7 nach drei. Erst in Runde 13 kommt Hamilton wieder bis auf 2,1 Sekunden heran. "Mach so weiter, Lewis!" Und als Vettel in Runde 14 an die Box kommt, gibt's eine Mercedes-Doppelführung: Hamilton 9,5 Sekunden vor Bottas.
Vettel kommt im Verkehr wieder auf die Strecke zurück, läuft zuerst auf Daniel Ricciardo auf (der am Ende Dritter werden sollte), mit dem er keine Probleme hat, und dann auf Bottas, dessen erster Stint von Mercedes verlängert wird, um Vettel aufzuhalten. Als sich Bottas in der 24. Runde verbremst, droht Vettel der Kragen zu platzen, ...
... eine Runde später macht er dann aber kurzen Prozess. Vorwurf an den Mercedes-Kommandostand gibt es keinen: "Wir hätten es wahrscheinlich genauso gemacht", gibt Vettel zu. Sein Vorsprung auf Hamilton schmilzt in diesen zwei Runden von 7,3 auf 3,7 Sekunden.
Unauffällig, aber effizient entwickelt sich Force India zum Punktehamster der Saison. Obwohl bei Sergio Perez' Boxenstopp ein Rad klemmt, belegen der Mexikaner und Esteban Ocon die Plätze vier und fünf. In der WM hat das Mallya-Team auf P4 mehr als doppelt so viele Punkte wie Verfolger Toro Rosso!
Massa, der McLaren-Magnet: Nach Alonso gerät er auch noch mit Stoffel Vandoorne aneinander, was den Belgier das Rennen kostet. Später gibt Vandoorne den Fehler zu: Massa sei am Beginn der Geraden noch so weit weg gewesen, dass er in Kurve 1 nicht mit ihm gerechnet habe. Ein "Kompliment" an den Honda-Motor.
Inzwischen verraucht der Mercedes-Motor bei Sotschi-Sieger Bottas an dritter Stelle liegend. Bitter: Eigentlich hätte er in Barcelona mit dem neuen P2-Motor fahren sollen, an dem wurde aber am Freitag erst ein Elektrikdefekt, dann ein Wasserleck festgestellt. Also kam wieder der P1-Motor rein, der schon vier Rennen auf dem Buckel hatte.
"Vettel hat sich gewehrt, aber nicht unfair", sagt Experte Marc Surer über das Duell in Runde 38. In Runde 44 nutzt Hamilton den Vorteil von DRS und weicheren Reifen und zieht locker am Ferrari vorbei: "Ich hatte keine Chance, keine Chance", funkt Vettel. Aber noch ist nichts entschieden, denn Hamilton meldet überhitzende Hinterreifen.
Weil er beim Boxenstopp spät reingerufen wird, überfährt Wehrlein eine Streckenmarkierung - und handelt sich dafür fünf Sekunden Zeitstrafe ein. Auf der Strecke kann er Carlos Sainz zwar tapfer hinter sich halten, am grünen Tisch fällt er aber hinter den Spanier auf P8 zurück. Für Sauber trotzdem die ersten Punkte der Saison.
Hamilton bekommt seine Reifen im Finish in den Griff, Vettel ist nicht schnell genug - und Ferrari schenkt sich auch die Idee, noch einmal Reifen zu wechseln, falls das Safety-Car kommen sollte (was nicht der Fall ist). Letztendlich gewinnt Hamilton 3,5 Sekunden vor Vettel - und 1:12.6 Minuten vor dem drittplatzierten Ricciardo.
(Motorsport-Total.com) - Als Sebastian Vettel beim Grand Prix von Spanien in Barcelona in Runde 44 von Lewis Hamilton überholt wurde, war das Rennen noch nicht verloren. Nur zwei Runden später beanstandete Hamilton am Mercedes-Funk Hinterreifen, die überhitzen. Vettels lapidarer Kommentar am Ferrari-Funk: "Das hätten sie vor ein paar Runden tun können, als er noch hinter mir war!"
Vettels Rückstand wuchs in den nächsten zehn Runden auf 4,3 Sekunden an, neun Runden waren noch zu fahren. Nach hinten hatte er über eine Minute Luft auf den drittplatzierten Daniel Ricciardo. Zeit genug also, ohne Platzverlust noch einmal an die Box zu kommen und von Medium auf Soft zu wechseln - um nach einer etwaigen Safety-Car-Phase im finalen Showdown gegen Hamilton mit frischeren Reifen voll attackieren zu können.
Am Ferrari-Funk war in jener Phase von einem "Plan C" die Rede. Vettel erklärt: "Wir hatten einen riesigen Vorsprung auf Daniel, also hätten wir alles tun können. Wir waren uns aber nicht sicher. Natürlich haben wir intensiv darüber diskutiert, noch etwas zu probieren."
Hätte Vettel unmittelbar nach dem Überholmanöver Reifen gewechselt, wären seine Soft-Pirellis für die letzten 22 Runden um acht Runden frischer gewesen als jene von Hamilton. Allerdings hätte er auch pro Runde eine volle Sekunde gutmachen müssen, um wieder an den führenden Mercedes ranzukommen - und in den letzten Runden wären seine Reifen aufgrund der Aufholjagd wohl zu sehr am Limit gewesen, um wirklich attackieren zu können.
Je länger Ferrari den Plan-C-Stopp also nicht umsetzte, desto mehr Sinn machte es, damit möglichst lange zu warten. Denn je später der Stopp, desto größer der Reifenvorteil bei einem etwaigen Safety-Car-Restart - freilich vorausgesetzt, dass nicht Mercedes auch reagiert. Schließlich hätte man Hamilton einfach eine Runde nach Vettel reinholen können, um das Risiko zu eliminieren.
"Wir hofften, dass Lewis gegen Ende mit den Reifen in Probleme geraten würde", erklärt Vettel. "Aber gegen Ende des Rennens liegt normalerweise viel Gummiabrieb, und da halten die Reifen länger. Also kam er gut durch. Wir haben versucht, ihn unter Druck zu setzen, aber ich kam nicht nahe genug ran."
Spätestens ab etwa Runde 60 war klar, dass Ferrari den Plan C eines zusätzlichen Boxenstopps nicht mehr umsetzen würde. Denn selbst wenn dann noch ein Safety-Car auf die Strecke gekommen wäre, wäre das Rennen wahrscheinlich unter Gelb zu Ende gegangen.
Letztendlich hätte es so oder so keinen Unterschied gemacht. Vettel kam 3,5 Sekunden hinter Hamilton ins Ziel.