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Endlich! Nico Rosberg gewinnt zum ersten Mal in Monza, stellt nach Saisonsiegen gegen Lewis Hamilton auf 7:6 und kommt in der WM wieder bis auf zwei Punkte heran. Dass er eigentlich das ganze Wochenende der langsamere Mercedes-Fahrer ist, rückt da in den Hintergrund.
Besonders tief sitzt der Stachel nach dem Qualifying. Hamilton deklassiert seinen Teamkollegen um eine halbe Sekunde, sodass der nur gratulieren kann: "Lewis war einfach sauschnell." Ferrari fehlt eine Sekunde auf Mercedes. Immerhin reicht's dank dreier Motoren-Token für die zweite Startreihe, ...
... und die reicht dank Supersoft-Reifen am Start beinahe aus, um die Silberpfeile (Soft) zu überrumpeln: Sebastian Vettel kommt am besten weg und fährt Seite an Seite mit Rosberg auf die erste Kurve zu, ...
... während bei Polesetter Hamilton beim Hochschalten in den zweiten Gang die Räder durchdrehen. Der Brite fällt auf Platz sechs zurück. Hinter Rosberg, Vettel und Kimi Räikkönen fädeln sich zunächst Valtteri Bottas und Daniel Ricciardo ein.
Neben Hamilton verschläft auch Max Verstappen den Start. Der Niederländer fällt von P7 auf P12 zurück - und liegt damit hinter Raketenstarter Pascal Wehrlein im Manor, der kurzzeitig sensationell an elfter Stelle fährt.
Hamilton setzt zur Aufholjagd an: Den Topspeed-unterlegenen Red Bull (mit als TAG Heuer getarntem Renault-Motor) greift er sich in der zweiten Runde im Nachfassen: In der Bremszone nach Start und Ziel muss er noch zurückstecken, in der Variante della Roggia ist Ricciardo dann aber fällig.
Im Kampf um Platz 14 kollidieren in Runde zwei Felipe Nasr und Jolyon Palmer. Für die FIA-Kommissare und den Rest der Welt ist der Fall sonnenklar: Nasrs Schuld, zehn Sekunden Strafe. Für Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn nicht: "Unverständlich. Ein unverschuldeter Unfall." Letztendlich scheiden beide aus.
Indes macht Verstappen seinen verpatzten Start nach und nach wieder wett und greift sich erst Wehrlein, dann Nico Hülkenberg und Fernando Alonso. Felipe Massa (P8) wird ihm durch den Strategie-Undercut "geschenkt".
Mit Mercedes-Power im Heck ist der Bottas-Williams keine leichte Kost für Hamilton. Es dauert bis zur elften Runde, ehe er vorbeikommt und P4 einnimmt, und selbst da braucht's ein smartes, schon in der Parabolica angetragenes Manöver. Endlich vorbei, fehlen auf Rosberg bereits 11,0 Sekunden.
Ferrari wechselt beim ersten Stopp von Supersoft auf Supersoft und fertigt Vettel in 3,9, Räikkönen in 2,4 Sekunden ab. Das reicht beinahe, um den "Iceman" auf Podiumskurs zu bringen - nur beinahe deshalb, weil man ihm kurz zuvor aufgetragen hat, er möge in dieser Phase des Rennens Tempo rausnehmen.
An 14. Stelle liegend ist in der 27. Runde Endstation für Wehrlein. Ein Ölleck beendet sein Rennen in Monza, von dem er sich insgeheim eine Minichance auf einen weiteren WM-Punkt ausgerechnet hat. Davon war Manor dann doch weit entfernt. Trotz Mercedes-Power.
In Runde 31 schmilzt der Vorsprung von Rosberg auf Hamilton auf 9,4 Sekunden. "Lewis macht ganz schön Druck im Moment", funkt man dem Leader. "Sieh zu, dass du gut durch den Überrundungsverkehr kommst!" Spätestens in Runde 41 ist die Entscheidung gefallen, als Hamilton die Schikane abkürzt und 1,6 Sekunden verliert.
In einem ansonsten vor sich hin plätschernden Grand Prix sorgt Ricciardo für ein spannendes Finish, als er mit frischeren und weicheren Reifen Jagd auf Bottas macht und den Williams in Runde 47 von 53 tatsächlich packt. Der Überraschungsangriff in der Rettifilo ist das Manöver des Tages.
Nur Augenblicke später klatschen die Red-Bull-Mechaniker erneut Beifall, als Verstappen Sergio Perez in einen Fehler hetzt und Platz sieben übernimmt. "P5/6 wäre das Maximum gewesen", glaubt Teamchef Christian Horner. "Da ist P5/7 gar nicht so schlecht."
Fernando Alonso kurios: Als ihn sein Team auffordert, er möge doch bitte Esteban Gutierrez jagen, bricht er in hämisches Gelächter aus - ein Jahr nach dem legendären "GP2-Engine"-Funkspruch. Wenig später holt er frische Supersofts ab, um ein bisschen Spaß zu haben - und fährt die schnellste Runde des Rennens. Für Punkte reicht's nicht.
Sieger Rosberg heizt mit "White-Stripes"-Sprechchören die Tifosi an, spricht auf Italienisch zu ihnen - eine Bewerbung als zukünftiger Ferrari-Pilot? Der Jubel gilt natürlich Vettel, der im zweiten Ferrari-Jahr zum zweiten Mal auf dem Podium steht. Und dem viertplatzierten Räikkönen. Hamiltons Lächeln wirkt eher aufgesetzt.
(Motorsport-Total.com) - Das Unmögliche möglich zu machen scheint für Weltmeister Lewis Hamilton in seiner derzeitigen Form die leichteste Übung. Doch die Herkulesaufgabe, die nach dem verpatzten Start zum Italien-Grand-Prix in Monza am Sonntag vor ihm lag, war selbst für den Mercedes-Star eine Nummer zu groß. Nachdem er wegen zu stark durchdrehender Räder auf Rang sechs zurückgefallen war, schien der Sieg schon nach wenigen Metern futsch zu sein. Wir fragen in unserer Rennanalyse: Wirklich?
Hamilton selbst ist überzeugt, dass gegen Nico Rosberg mit freier Fahrt nichts auszurichten war. Und zwar schon in der Anfangsphase. Als er sich nach elf Runden im Duell mit Williams-Fahrer Valtteri Bottas, der ihm mit dem hohen Topspeed seines Autos einige Umläufe vor eine knifflige Aufgabe stellte, auf den vierten Platz gekämpft hatte, klaffte eine Lücke von 11,0 Sekunden. Hinzu kam, dass das dichte Auffahren auf den Finnen die Hinterreifen in Mitleidenschaft gezogen hatte.
"Leider ist so ein Rückstand zu groß, als dass wir ihn mit diesen Reifen noch aufholen könnten. Ich musste es schaffen, das Rennen mit ihnen durchzustehen", bedauert Hamilton, der den Abbau im Funk weit vor seinem Boxenstopp vermeldet und sich mit der Niederlage gegen den Teamkollegen abgefunden hatte. "Es war schnell kein Rennen gegen Nico mehr, sondern eines gegen die Jungs dahinter - und darum, nicht mehr Punkte einzubüßen", nennt er die Mission Schadensbegrenzung.
Ergo fuhr er - dann mit freier Bahn hinter den Ferrari von Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen - das identische Tempo wie Rosberg, der an der Spitze den Schongang einlegen konnte. Bis zu den Boxenstopps der beiden Mercedes-Piloten in den Runden 24 respektive 25 wuchs der Rückstand geringfügig auf 11,7 Sekunden an. Weil es bei Rosberg klemmte, knabberte Hamilton mit dem um 1,7 Sekunden schnelleren Stopp noch etwas von seinem Polster ab. Doch es sah düster aus.
Denn zu diesem Zeitpunkt hätte Hamilton rund 0,4 Sekunden pro Runde aufholen müssen, um in der letzten Runde an Rosbergs Heck zu kleben - also ungefähr die Differenz, die er dem Erzrivalen in seinem Fabelumlauf im Qualifying aufbrummte. Doch die Rundenzeiten sprachen eine andere Sprache als am Samstag. In den drei Sektoren waren die beiden Silberpfeil-Asse im Rennen beinahe gleichauf, wie ein Vergleich der Bestwerte zeigt: Hamilton war nur 0,015 Sekunden, 0,035 Sekunden und 0,076 Sekunden schneller. Macht auf die Runde 0,136 Sekunden. Einfach zu wenig.
"Selbst wenn ich es geschafft hätte, wären die Reifen nicht mehr gut genug gewesen, um ihn zu überholen", winkt der Brite ab und glaubt, dass er selbst bei vollem Risiko chancenlos gewesen wäre. "Wenn ich mit meinem Tempo hätte weiterfahren können: Ich hätte die Lücke vielleicht auf sechs Sekunden eindampfen können, was aber nicht genug gewesen wäre, um zu gewinnen." Es war doppelt frustrierend, dass er Rosberg auf der Gegengeraden ständig sehen konnte - als er am Horizont der Parabolica-Kurve mit dem großen Pokal in den Händen verschwand.
Weil Hamilton die Pace drosselte, schrumpfte der Abstand nicht weiter zusammen als auf 9,4 Sekunden in Runde 31. Als er dann in Runde 41 - per Strategie längst vorbei an den Ferrari und auch real ärgster Rosberg-Verfolger bei einem Ausritt nochmals 1,6 Sekunden einbüßte, war die Messe gelesen. "Wenn ich acht Sekunden hinter ihm gewesen wäre, hätte ich es versucht", kommt Hamilton auf den kritischen Punkt nach dem Bottas-Manöver in Runde elf zurück.
Er ärgert sich über die Schlappe, die vermeidbar war. Denn mit einer umgemünzten Pole-Position hätte identisches Tempo ausgereicht. "Es ist nicht Weihnachten, wo man glücklich ist! Wir waren die Schnellsten und das ganze Wochenende über so dominant, um das Rennen dann in einer Zehntelsekunde zu verlieren", trauert Hamilton, macht sich aber Mut: "Wir kämpfen noch um die WM. So viel ist gegen uns gelaufen und wir sind immer zurückgekommen."