• 29. Mai 2016 · 16:05 Uhr

Formel 1 Monaco 2016: Hamilton gewinnt Regen-Thriller!

Chaotischer Grand Prix von Monaco: Red Bull kostet Daniel Ricciardo zum zweiten Mal hintereinander den sicheren Sieg, Nutznießer ist Lewis Hamilton

(Motorsport-Total.com) - Die Durststrecke des Weltmeisters ist vorbei: Beim sechsten Rennen der Formel-1-Saison 2016, dem Grand Prix von Monaco, sicherte sich Lewis Hamilton (Mercedes) seinen ersten Sieg seit dem WM-Gewinn in Austin 2015 und seinen ersten in Monte Carlo seit 2008. Zweiter wurde Polesetter Daniel Ricciardo (Red Bull), der Pechvogel des Nachmittags, Dritter Sergio Perez (Force India). WM-Leader Nico Rosberg (Mercedes) beendete ein verkorkstes Rennen an siebter Position.

Zunächst sah alles nach Sieg Ricciardo aus. Der Australier setzte sich sofort von Verfolger Rosberg ab, als das Rennen nach dem Safety-Car-Start in der achten Runde freigegeben wurde. Nach 15 Runden hatte er 13,1 Sekunden Vorsprung auf Rosberg, der offenbar wegen zu kühler Bremsen keinen Druck machen konnte. Mercedes sah die Chancen auf den Sieg dahinschwinden und bat Rosberg, für Hamilton Platz zu machen - was dieser, vermutlich eher widerwillig, auch tat.

Rosberg wechselte in der 20. Runde auf Intermediates, Ricciardo in der 23. Spitzenreiter Hamilton aber pokerte hoch und blieb draußen, um direkt von Full-Wets auf Slicks zu wechseln. Hamilton kam in der 31. Runde rein und wechselte auf Ultrasoft. Ricciardo, der zu diesem Zeitpunkt trotz Reifenwechsel längst wieder aufgeschlossen hatte, witterte seine große Chance, fuhr Bestzeit im zweiten Sektor und kam eine Runde später ebenfalls zum Reifenwechsel.

Aber dann lagen statt Slicks Intermediates bereit - was wertvolle Sekunden und letztendlich den Sieg kostete! "Zwei Rennen hintereinander gefickt. Das tut weh", ärgert er sich über seine Boxencrew, die ihm schon in Barcelona mit der falschen Strategie den ersten Platz gekostet hatte. "Ich wurde reingerufen, ich bin nicht selbst reingefahren. Sie hätten bereit sein müssen." Aber es sollte sich auch nach dem Boxenstopp noch eine Chance für ihn bieten.

Die kam in der 37. Runde, als Ricciardo im Tunnel schon fast neben Hamilton war. Hamilton, unter Druck, verbremste sich in der Hafenschikane, musste diese abkürzen, vom Gas gehen - und ausgangs Schikane war der Red Bull fast schon neben ihm. Hamilton freilich knallte beinhart die Tür zu, was ihm eine Untersuchung durch die Rennleitung, einen Shitstorm auf Twitter und ein Handzeichen von Ricciardo bescherte. Aber die FIA urteilte: No further action.

Von da an variierte der Abstand zwischen den beiden Führenden stets zwischen 0,2 und 2,0 Sekunden - je nachdem, ob Hamilton seine Ultrasoft-Pirellis gerade abkühlen musste oder nicht. Ricciardos Hoffnung, dass diese die Distanz nicht schaffen würden, ging nicht in Erfüllung. Die Ironie an der Geschichte: "Wir wussten von einem Red-Bull-Longrun am Donnerstag, dass der Reifen 40 Runden geht", grinst Mercedes-Sportchef Toto Wolff.

In den letzten Runden steckte Ricciardo dann zurück, auf der Ziellinie betrug der Abstand 7,3 Sekunden. Rosberg, der zu Beginn noch auf Podiumskurs gelegen war, hatte zu dem Zeitpunkt längst keine Chance mehr. Er verlor beim Boxenstopp Positionen, fuhr dann vermeintlich dem sechsten Platz entgegen, wurde aber auf der Zielgerade (!) auch noch von Nico Hülkenberg (Force India) überholt. Trotzdem bleibt er 24 Punkte vor Hamilton WM-Führender.

Warum Rosberg besonders in der Anfangsphase, aber auch später im Rennen viel zu langsam war, ist nicht restlos geklärt. Die Theorie von zu niedrigen Bremstemperaturen bestätigt Sportchef Wolff jedenfalls nicht: "Das Auto hat die Reifen einfach nicht auf Temperatur gebracht. Deswegen kein Grip. Nicht sein Fehler." Und: "Wenn nach einem virtuellen Safety-Car das Rennen wieder losgegangen ist, hatten wir einfach keinen Grip."

Rosberg selbst fühlte sich "wie auf Eiern", weil er im Nassen keinen Grip hatte: "Ich habe keine Erklärung dafür." Für die Stallorder hingegen schon: "Ich war hier, um das Rennen zu gewinnen. Mit der Pace im Nassen hatte ich aber keine Chance. Es ist verständlich, dass das Team es dann mit Lewis versuchen möchte, der zu dem Zeitpunkt viel schneller war. Das habe ich eingesehen und ihn vorbeigelassen. Somit konnte er auch gewinnen."

Sebastian Vettel (Ferrari) lag zu Beginn an vierter Stelle, wurde auch am Ende Vierter. Allerdings hätte er den dritten Platz nicht an Perez verlieren dürfen. "Nach dem ersten Stopp auf Intermediates musste ich irgendwie an Felipe vorbeikommen. Dann hätte ich ein ganz anderes Rennen und auf jeden Fall ein Podium im Sack gehabt. Das geht also auf meine Kappe", meint er selbstkritisch. Am Ende fehlten zwei Sekunden auf das Podium.

Dabei hatte es zwischenzeitlich so gut ausgesehen. Als Vettel in der 13. Runde als erster Topfahrer auf Intermediates wechselte, sprach Formel-1-Experte Marc Surer von einem "guten Schachzug", weil alle anderen von Rosberg aufgehalten wurden. Aber Vettel verlor seine Zeit eben nicht hinter Rosberg, sondern hinter Massa. Teamkollege Kimi Räikkönen ging sogar komplett leer aus, sodass Ferrari in der Konstrukteurs-WM nur noch neun Punkte vor Red Bull liegt.

Räikkönen sorgte für eine der kuriosesten Szenen in einem verrückten Grand Prix, als er in der elften Runde in der Loews-Haarnadel in die Leitplanken rutschte. Der hinter ihm fahrende Williams musste stehen bleiben, um eine Kollision zu vermeiden. Ohne Frontflügel setzte sich der Ferrari wieder in Bewegung, rutschte in Portier erneut nach außen - und versperrte Romain Grosjean (13./Haas) den Weg. Erst unten am Hafen gab Räikkönen auf, mit dem Frontflügel unter den Rädern.

Es dauerte bis in die 35. Runde, ehe auch Max Verstappen (Red Bull) aus dem Rennen war. Der Barcelona-Sieger untersteuerte bei Massenet in die Leitplanken, wo Vettel etwas später die gleiche Situation wesentlich geschickter meisterte - zugegeben bei bereits trockeneren Bedingungen. Für Verstappen war es der dritte Crash eines verkorksten Wochenendes. "Die Räder haben blockiert, von da an war ich nur noch Passagier", gesteht der 18-Jährige den Fehler ein.

Einen völlig verkorksten Rennsonntag erlebte das Renault-Team. Erst crashte Jolyon Palmer bei der Freigabe in Runde acht, weil er auf der Zielgerade auf der weißen Linie zu enthusiastisch beschleunigte. Teamkollege Kevin Magnussen kam daraufhin prompt an die Box, um auf Intermediates zu wechseln. Da wurden Erinnerungen an "Crashgate" wach: Ein Auto bewusst opfern, um mit dem anderen die Safety-Car-Phase nutzen zu können?

Aber statt Bernd Mayländer im Mercedes kam nur das virtuelle Safety-Car, und Magnussen sollte ohnehin keine entscheidende Rolle mehr spielen. Erst wurde er in Rascasse Opfer von Daniil Kwjat (Toro Rosso), der da nach einem Lenkradwechsel schon Rundenrückstand hatte, und dann krachte er auch noch bei Mirabeau in die Leitplanken, diesmal ohne Feineinwirkung. So sahen am Ende nur 15 Fahrer die Zielflagge.

Nicht darunter die Sauber-Piloten, die sich mit einer peinlich anmutenden Kollision bei Rascasse selbst aus dem Rennen nahmen. Dass sich Felipe Nasr darüber lautstark am Boxenfunk beschwerte, ist nachvollziehbar, schließlich hatte man erst kurz zuvor abgesprochen, die Positionen zu tauschen. Viel besser lief es für McLaren: Fernando Alonso wurde Fünfter, Jenson Button Neunter - 17,4 Sekunden hinter Carlos Sainz (Toro Rosso), 3,6 vor Felipe Massa (Williams).

Pascal Wehrlein (Manor) belegte nach 78 (beziehungsweise für ihn nur 76) Runden den 14. Platz, eine Runde vor Teamkollege Rio Haryanto. Wehrlein setzte auf die gleiche Strategie wie Hamilton (von Full-Wets direkt auf Slicks wechseln), kassierte aber wegen überhöhter Geschwindigkeit während des virtuellen Safety-Cars eine Zehn-Sekunden-Strafe - und wenig später gleich noch eine zweite, wegen Ignorierens blauer Flaggen.

Sieger Hamilton waren solche Details freilich egal. Während Ricciardo in der Fürstenloge seinen Unmut nicht verbergen konnte und entsprechende Kraftausdrücke verwendete, crowdsurfte Hamilton ausgelassen durch die Mercedes-Mechaniker. "Er war das ganze Wochenende schneller als Rosberg. Er stand in Barcelona auf Pole. Den Speed hat er nicht verloren, nur das Glück. Und das scheint jetzt zurückzukommen", meint Experte Surer.

Übrigens: Zu den Helden gehört auch Perez, der im Finish den schnelleren Vettel blitzsauber in Schach hielt und jenes Podium holte, das Hülkenberg wollte. "Monaco im Regen: Ich wusste, dass das eine tolle Gelegenheit ist, mein Talent zu zeigen. Denn bei solchen Bedingungen stehen am Ende nur die besten Fahrer ganz vorne", freut er sich. "Vettel war viel schneller. Ich hatte aber Reifen gespart und in den wichtigen Phasen noch was übrig, um zu kontern."

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