• 06. Mai 2014 · 17:29 Uhr

Die große Spanien-Vorschau: Das Rennen der Weisheit?

Warum Spanien ein Schlüsselrennen für den weiteren Saisonverlauf ist, aber die alte Weisheit, der Barcelona-Triumphator sei automatisch WM-Favorit, nicht mehr gilt

(Motorsport-Total.com) - Der Grand Prix von Spanien in Barcelona, er gilt in der Formel 1 als Rennen der Weisheit. Das hat unterschiedliche Gründe: Beim Europaauftakt bringen die Teams umfangreiche Updates für ihre Boliden. Die Erkenntnisse der ersten vier Rennen fließen in die Konstruktionen ein - gerade dieses Jahr, wo die Autos und die Antriebseinheiten durch die Reglementänderungen völlig neu sind, könnten sich dadurch deutlich Änderungen im Kräfteverhältnis ergeben. Fakt ist nämlich: Vor keinem anderen Rennen werden die Boliden so massiv überarbeitet wie vor Barcelona.

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Kann Red Bull in Barcelona gegen Mercedes zum Gegenschlag ausholen? Zoom Download

Zudem gilt seit mehr als einem Jahrzehnt die Weisheit: Funktioniert dein Auto auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya, dann sollte es eigentlich überall gut laufen. Das liegt an der Tatsache, dass man in Barceloan stets ein perfekt harmonierendes Gesamtpaket haben musste, um erfolgreich zu sein. "Die Strecke stellt die Autos vor einige Herausforderungen: Sie verlangt nach der besten Kombination aus Leistung, Handling und Aerodynamik im gesamten Jahr", bestätigt der für den technischen Bereich zuständige Mercedes-Teamchef Paddy Lowe.

Und bestätigt: "Man sagt oft, dass ein Auto, das in Barcelona gut funktioniert, für die gesamte Saison gut sein wird. Demnach sind wir gespannt darauf, wo wir im Vergleich zu unseren Konkurrenten stehen."

Bist du in Barcelona schnell, bist du überall schnell...

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Alonso sorgte 2013 für den bislang letzten Ferrari-Sieg - und zerstörte einen Mythos Zoom Download

Eine genaue Analyse der vergangenen Jahre zeigt aber, dass diese Weisheit inzwischen zumindest mit Vorsicht zu genießen ist: Denn demnach hätte 2013 eigentlich Fernando Alonso mit Ferrari die WM gewinnen müssen, 2012 wäre es gar der damalige Williams-Pilot Pastor Maldonado gewesen. Fakt ist aber: Beide Fahrer haben seit ihren Triumphen in Montmelo kein weiteres Rennen mehr gewonnen.

Was Alonso und Maldonado beziehungsweise Ferrari und Williams verbindet: Diese beiden Autos waren in ihren Saisons die "Reifenflüsterer" im Feld. Und in beiden Saisons hatten alle Teams große Probleme, mit den Pirelli-Reifen zurechtzukommen.

Traditionelle Reifenschlacht

Tatsächlich gilt der Kurs in Barcelona als enorme Herausforderung für das schwarze Gold der Formel 1. Durch die langgezogenen und schnellen Rechtskurven - vor allem die Kurve drei beansprucht die Reifen enorm - sind die auf die linke Wagenhälfte einwirkenden Kräfte die zweithöchsten der Saison. Insbesondere vom linken Hinterreifen wird enorme Traktion erfordert.

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Angst vor Kurve drei: Hier wird der linke Reifen besonders belastet Zoom Download

"Aufgrund der hohen Energiemengen, denen die Mischungen ausgesetzt sind, kann die Lauffläche der Reifen bis zu 130 Grad Celsius heiß werden", verrät Pirellis Motorsportchef Paul Hembery. "Weil es nur eine lange Gerade gibt, haben die Pneus während einer Runde kaum die Chance, sich abzukühlen."

Der Brite ergänzt: "Der Asphalt der Strecke ist ziemlich rau, und es kann hier richtig warm werden." Also herrscht Alarmstufe Rot auf dem Reifensektor. Das ist auch der Grund, warum die Italiener mit Hard und Medium die härtesten Mischungen nach Barcelona bringen. Diese wurden vor der Saison überarbeitet, also hofft Hembery, dass nur drei Boxenstopps notwendig sein werden. Zur Erinnerung: 2013 siegte Alonso mit vier Stopps.

Erstmals seit langem kein Wintertest in Barcelona

Der Spanier sorgte mit seinem Heimsieg auch für einen Rekord: Noch nie triumphierte auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya ein Pilot, der aus der dritten Startreihe losgefahren war. Alle anderen Sieger fuhren aus den ersten zwei Reihen los. Früher galt die Pole-Position in Barcelona bereits als die halbe Miete zum Sieg, weil auch das Überholen extrem schwierig war. In den vergangenen Jahren brachten die unberechenbaren Reifen sowie der verstellbare Heckflügel aber etwas Zündstoff in die Rennen. Alles wird also dieses Jahr davon abhängen, in welcher Form sich die Reifen in Spanien präsentieren.


Fotostrecke: Triumphe & Tragödien in Spanien

Die Wintertests geben 2014 erstmals seit langem keinen Aufschluss darüber, denn statt in Barcelona wurde diesmal in Bahrain gefahren. Das ist auch der Grund, warum die Fans an der Strecke am Freitag mit etwas mehr Betrieb auf der Strecke als sonst rechnen dürfen - die vielen Updates erfordern ebenfalls Testkilometer.

Auch akustisch könnte es für die Besucher auf den Tribünen interessant werden: Mercedes hat angekündigt, dieses Wochenende unterschiedliche Lösungen beim Auspuff ausprobieren zu wollen, damit der umstrittene Sound der V6-Triebwerke etwas lauter wird. "Die Ansätze gehen dabei von sehr komplexen Lösungen innerhalb des Auspuffsystem bis zu simplen Megaphons hinten drauf", gibt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff interessante Einblicke.

Motoren diesmal nicht im Mittelpunkt

Für die Motoren gilt der Circuit de Barcelona-Catalunya als durchschnittlicher Kurs - auch der Spritverbrauch und die Kühlung sollten keine großen Probleme bereiten. Zumal die Teams diesbezüglich mit Melbourne (Sprit) sowie Bahrain und Malaysia (Kühlung) die Herkulesaufgaben bereits hinter sich haben und gerüstet sind.

Trotzdem spielen die Antriebseinheiten dieses Jahr in Barcelona eine größere Rolle als bei den vergangenen Ausgaben des Grand Prix von Spanien. Im Zentrum steht die große Frage: Hat es Renault geschafft, den Rückstand von den Überseerennen aufzuholen? In Viry-Chatillon hat man jedenfalls die drei Wochen seit dem Rennen in Schanghai genutzt, um Klassenprimus Mercedes endlich Konkurrenz zu bieten.

Einsatzleiter Remi Taffin kündigt die zweite große Ausbaustufe nach Bahrain an - die überarbeitete Software sollte "die Fahrbarkeit und damit die allgemeine Leistung weiter verbessern. Dieser Grand Prix könnte zeigen, dass das Rennen an der Motorenfront deutlich enger ist, da der Kurs dank seiner durchschnittlichen Charakteristik viel repräsentativer ist."

Layout kommt Vettel und Red Bull entgegen

All das sollte Red Bull Hoffnung geben. Weltmeister Sebastian Vettel glaubt, dass der Kurs in Montmelo dem RB10 auf den Leib geschneidert sein könnte: "Die langen, schnellen Kurven bedeuten, dass es zu einem Auto mit hocheffizienter Aerodynamik passen wird." Und genau dafür ist sein Bolide aus der Feder von Stardesigner Adrian Newey ja bekannt.

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Adrian Newey und Sebastian Vettel wollen in Spanien zurückschlagen Zoom Download

Auch im zuletzt bitteren Stallduell gegen Red-Bull-Neuzugang Daniel Ricciardo sollte Vettel an diesem Wochenende besser aussehen: Die fließenden Kurven erinnern eher an Sepang, wo der Weltmeister gegen den ehemaligen Toro-Rosso-Piloten besser aussah. Nur der letzte Sektor gilt mit der Schikane als Rhythmusbrecher - dort war auch in der Vergangenheit Mark Webber meist schneller als Vettel.

Noch ein weiterer Faktor spricht für Red Bull: Das österreichische Team mit Sitz in Milton Keynes hat für Spanien ein neues Benzin angekündigt. "Das bringt uns zwei, vielleicht sogar drei Zehntel", hofft Motorsportkonsulent Helmut Marko. Eine nicht unrealistische Prognose, denn auch Ferrari hatte in Schanghai wegen eines neuen Treibstoffes einen Sprung nach vorne gemacht.

Barcelona für Lauda ein Schlüsselrennen

Trotz aller positiven Signale aus Milton Keynes muss aber auch klar sein: Red Bull ist in Spanien dazu verdammt, Mercedes endlich gefährlich zu werden. Können die Silberpfeile den Vorteil behaupten, dann sieht es für das Weltmeisterteam im Titelkampf düster aus.

"Das Rennen auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya ist richtungsweisend für den weiteren Saisonverlauf."Niki Lauda
"Das Rennen auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya ist richtungsweisend für den weiteren Saisonverlauf", weiß Mercedes-Aufsichtsratsvorsitzender Niki Lauda. "Wenn man in Barcelona vorne ist, wird es ein bisschen einfacher.". Mercedes hat wie die meisten Teams Updates am F1 W05 angekündigt - Motorsportchef Wolff hat sogar eingefordert, dass der Vorsprung ausgebaut wird. Gelingt dies, wäre das ein demütigendes Signal für die Rivalen.

Auch Ferrari muss dringend nachlegen, doch Starpilot und Lokalheld Alonso hält den Ball flach: "Wir müssen ruhig bleiben. Für Barcelona können wir nichts versprechen, außer, dass wir wieder einhundert Prozent geben und kämpfen werden." Alles werde davon abhängen, ob man "neue Teile für Barcelona" erhalte. Eine überraschende Aussage, da kaum ein Team in diesen drei Wochen an der Update-Front schläft.

Hülkenberg: Perez in Spanien eine Gefahr?

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Bereits in Bahrain wurde es zwischen Perez und dem schnellen Hülkenberg eng Zoom Download

Einige Male hatte die Scuderia in den ersten Saisonrennen sogar Mühe, Force India hinter sich zu halten. Die indische Truppe mit Sitz in Silverstone rasselt auch vor dem Auftakt der Europasaison mit den Säbeln. Die Aerodynamik des Boliden wurde deutlich überarbeitet, zudem funktioniert der VJM07 laut Teamchef Vijay Mallya "bei wärmeren Bedingungen besser". Das hat man bereits in Bahrain bewiesen, wo Sergio Perez für das Team den ersten Podestplatz seit langem einfuhr. "Einige der kommenden Rennen werden unseren Stärken eher entgegenkommen", warnt der Inder die Rivalen.

Force-India-Ass Nico Hülkenberg wird sich in Barcelona vermutlich warm anziehen müssen, denn Teamkollege Perez wird auf Strecken zur Gefahr, wo die Reifen eine große Rolle spielen. Vermutlich nicht auf Force-India-Niveau, aber dafür deutlich verbessert sollte sich Hülkenbergs Ex-Team auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya präsentieren: Sauber hat für den Europa-Auftakt nach dem katastrophalen Saisonstart enorme Verbesserungen angekündigt.

Rückkehr der Motorhomes

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Red Bull und Co. werden wieder ihre gigantischen Motorhomes präsentieren Zoom Download

Der C33 hatte bislang rund 20 Kilogramm Übergewicht, was vor allem Adrian Sutil leidvoll erfahren musste. Das kostete den Gräfelfinger im Vergleich zu seinem leichteren Teamkollegen Esteban Gutierrez fast eine halbe Sekunde. Somit fängt für Sutil und Sauber die Saison in Spanien von neuem an - erste WM-Punkte sind für die Truppe aus Hinwil bald Pflicht.

Auch abseits der Rennstrecke könnte das Wochenende in Spanien interessant werden: Üblicherweise verirren sich beim Start der Europasaison zahlreiche Prominente in die Startaufstellung, erstmals in diesem Jahr werden auch wieder die überdimensionalen Motorhomes das Fahrerlager aufwerten. Insgesamt bringen die Teams eine Fracht von rund 50 Tonnen Material nach Barcelona - an mangelndem Aufwand wird das Wochenende also mit Sicherheit nicht scheitern.

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