Vettel chancenlos: Mercedes-Doppelsieg in Malaysia
Lewis Hamilton gewinnt in Sepang vor Nico Rosberg und Sebastian Vettel - Nico Hülkenberg starker Fünfter - Stunk bei Williams nach ignorierter Stallorder
(Motorsport-Total.com) - Die Dominanz von Mercedes in der Formel-1-Saison 2014 war auch beim zweiten Rennen erdrückend: Lewis Hamilton sicherte sich beim Grand Prix von Malaysia mit einer souveränen Vorstellung den Sieg, 17,3 Sekunden vor seinem Teamkollegen Nico Rosberg und 24,5 Sekunden vor Red-Bull-Pilot Sebastian Vettel. Der möglicherweise einzige Gegner, der den Silberpfeilen wirklich hätte gefährlich werden können, blieb Sepang heute fern: der Regen.
Zwar zogen in den letzten Runden dunkle Gewitterwolken auf, und Kimi Räikkönen (Ferrari) meldete am Funk sogar schon einsetzenden Regen, aber die Strecke blieb trocken. So konnte sich Mercedes den Luxus leisten, beide Fahrer immer wieder einzubremsen, um das Material nicht unnötig zu strapazieren. Eine Stallorder musste man im Gegensatz zum Vorjahr nicht aussprechen: "Ich habe versucht, Lewis zu jagen, aber er war heute ein bisschen zu schnell", muss Rosberg eingestehen.
Dem WM-Leader ging das heißeste Rennen des Jahres nicht ganz so leicht von der Hand wie Hamilton, weswegen er einmal sogar Gefahr lief, Vettel vorbeilassen zu müssen. Als Adrian Sutil mit dem Sauber ausrollte, wurden bei Start und Ziel gelbe Flaggen geschwenkt. Wäre das nicht der Fall gewesen, hätte Vettel möglicherweise mit DRS überholen können. Doch das Duell der beiden Deutschen war schon vor dem letzten Boxenstopp entschieden.
Vettel diesmal sehr nahe an Rosberg dran
Dabei hatte sich Vettel zwischendurch Hoffnungen gemacht, Rosberg noch abfangen zu können: "Rosberg scheint Öl oder Wasser zu verlieren, seit ein paar Runden schon", funkte er seinem Team. Aber sein Renningenieur klärte ihn auf: Kein Ölverlust, sondern nur ein paar Regentropfen. Trotzdem ist Red Bull näher dran als vor Saisonbeginn gedacht: "Das war schon zeitweise sehr eng", analysiert Formel-1-Experte Marc Surer das deutsch-deutsche Duell.
Dabei hatte Vettel keinen guten Start erwischt: Rosberg musste er schon vor der ersten Kurve durchlassen, Teamkollege Daniel Ricciardo nach sehenswertem Rad-an-Rad-Duell erst nach dem ersten Kurvenkomplex. In Runde vier war die gewohnte Hierarchie bei Red Bull aber wiederhergestellt - und auch als Ricciardo dank seines früheren ersten Boxenstopps noch einmal knapp an Vettel herankam, machte er keine Anstalten, etwas Riskantes zu versuchen.
Allerdings ließ er sich auch nicht auf die Bitte seines Teams ein, sich zurückfallen zu lassen, um das Material zu schonen: "Wenn etwas passiert, möchte ich dabei sein!" Weltklasse dann sein Konter gegen Fernando Alonso (Ferrari), hinter den er wegen eines späteren Boxenstopps beinahe zurückgefallen wäre. Aber am Ende gab es statt eines sicheren vierten Platzes wieder nur eine Nullnummer für den Pechvogel der bisherigen Saison.
Durchflussmengen-Sensor funktioniert wieder nicht
Zuerst stellte sein Team fest, dass der Sensor zur Messung der Benzindurchflussmenge schon wieder defekt war: "Leider hat er den Geist aufgegeben. Wir arbeiten jetzt mit den Referenzwerten, die wir von der FIA erhalten haben", seufzte Teamchef Christian Horner noch während des Rennens. Dann ging es Schlag auf Schlag für Ricciardo: loses Rad beim Boxenstopp, Stop-&-Go-Strafe wegen unsicherer Freigabe, auf einem Randstein locker gewordener Frontflügel, Aufgabe.
Fotostrecke: GP Malaysia, Highlights 2014
Das fängt ja gut an: Das Lotus-Team, einst mit Geldern des malaysischen Staatskonzerns Proton gegründet (und deswegen mit Spezialaufklebern dekoriert), kommt im Freitagstraining in Sepang erneut kaum zum Fahren. Romain Grosjean und Pastor Maldonado schaffen in den ersten eineinhalb Stunden volle sechs Runden - und keine einzige Zeit. Fotostrecke
Vettel hingegen fuhr unbehelligt ins Ziel - und freute sich am Ende über Platz drei, ohne euphorisch zu sein: "Danke Jungs, gut ausgeführtes Rennen. Wir sind noch nicht da, wo wir hinwollen, aber wir werden da hinkommen!" Am Ende habe er "nur noch versucht, das Auto nach Hause zu tragen. Daniel hat es ja nicht geschafft. Alles in allem tut es gut, auf dem Podium zu stehen, nachdem Daniel das in Australien gelungen ist." Und: "Unser Weg ist noch lang, Mercedes ist verdammt schnell."
Kaum direkte Zweikämpfe während des Rennens
Spannung kam auf den vorderen Rängen nach der unterhaltsamen Startphase nicht mehr wirklich auf, auch bei den Strategien (drei Boxenstopps) gab es keine großen Abweichungen. So lag es an Nico Hülkenberg (Force India), für Action zu sorgen: Der Deutsche wechselte nach tollem Start schon beim zweiten Boxenstopp von Medium auf Hard, fuhr auf diesem Reifensatz bis ins Ziel durch - verlor aber binnen zehn Runden 14,3 Sekunden Vorsprung auf Alonso und wurde am Ende Fünfter.
"Da war leider nicht mehr so viel zu machen", sagt Hülkenberg. "Fernando war einfach viel zu stark und hat mich lebend aufgefressen. Es war klar, dass ich von Anfang an nicht viel entgegenzusetzen habe. Ich habe es versucht, aber meine Reifen haben nicht mehr so viel hergegeben. Auf dem letzten langen Stint war unser Auto heute leider ziemlich schwach." Trösten kann er sich damit, das Rennen während der ersten Serie der Boxenstopps einmal kurz angeführt zu haben.
Alonso, in der Fahrer-WM nun mit 19 Punkten Rückstand Dritter, wirkt trotz des gewonnenen Duells gegen Hülkenberg ernüchtert, wenn er sagt: "Wir hatten nicht die Pace von Mercedes und Red Bull." Teamkollege Räikkönen wurde gar nur Zwölfter, konnte dafür aber nichts: McLaren-Rookie Kevin Magnussen schlitzte ihm in der ersten Runde den rechten Hinterreifen auf. Später kassierte Magnussen eine Fünf-Sekunden-Strafe dafür, neben dem beschädigten Frontflügel.
McLaren und Williams auf dem Boden der Realität
Trotzdem nahm er zwei Punkte für Platz neun mit nach Hause, Jenson Button wurde im zweiten McLaren sogar Sechster - aber 36 ernüchternde Sekunden hinter Hülkenberg. Das britische Team ist damit die kurze Führung in der Konstrukteurs-WM wieder los. Zwischen Button und Magnussen im McLaren-Sandwich: Die Williams-Teamkollegen Felipe Massa und Valtteri Bottas, am Ende nur durch 0,461 Sekunden voneinander getrennt.
Bottas war mit acht gewonnenen Positionen der große Sieger der Startphase, machte sich gleich zu Beginn in Massas Rückspiegel breit. Der brasilianische Altstar reagierte verschnupft: "Habt ihr gesehen, was er getan hat?" Worauf der junge Finne mit ruhiger Stimme konterte: "Ich bin viel schneller als er." Das gleiche Spielchen wiederholte sich am Ende, als Massa (zweimal) angefunkt wurde: "Felipe, Valtteri ist schneller als du, halte ihn nicht auf!"
Hintergrund: Vor den beiden fuhr Button, der für Bottas möglicherweise noch zu packen gewesen wäre, der für Massa aber zu schnell war. Doch der vom Kommandostand orchestrierte Positionswechsel fand nicht statt. Bottas: "Wir sollten zuerst im Team besprechen, was da passiert ist und welche Nachricht sie an Felipe gegeben haben." Aber er stellt klar: "Ich denke, für mich bestand eine sehr gute Chance, Jenson noch zu kriegen."
Massa sorgt für Stunk bei Williams
Das sieht Massa naturgemäß anders: "Valtteri konnte mich nicht überholen, von daher wäre es auch schwierig geworden, Jenson zu überholen", sagt er und gießt Öl ins Feuer: "Ich hatte großen Respekt vor dem Team, als ich unterschrieben habe, auch noch vor ein paar Stunden. Ich glaube auch nicht, dass sich das deswegen ändern wird." Aber auf die Frage, ob es fair sei, eine Stallorder zu ignorieren, entgegnet er trotzig: "Ist es fair, sein Bestes zu geben?"
Platz zehn staubte Daniil Kwjat (Toro Rosso) ab, der in seinem zweiten Rennen zum zweiten Mal WM-Punkte sammelte und damit ein insgesamt starkes Wochenende krönte. Sein Teamkollege Jean-Eric Vergne hingegen hatte einen kurzen Arbeitstag: 19. nach Kollision mit Jules Bianchi (Marussia) in der ersten Runde, aus den Top 10 kommend, und noch vor Halbzeit das endgültige Aus. Genau wie bei Pastor Maldonado, dessen Renault-Antrieb von Lotus präventiv abgestellt wurde.
Perez nach technischen Problemen nicht am Start
Maldonado war gleich zu Beginn in eine Kollision mit Bianchi verwickelt, für die allerdings Bianchi neben einem Reifenschaden die Fünf-Sekunden-Strafe kassierte, obwohl Vergne in ihn reingerauscht war. Den ruhigsten Arbeitstag hatte aber Sergio Perez (Force India), der wegen eines technischen Defekts gar nicht erst in die Startaufstellung fahren konnte und zuschauen musste. Insgesamt gab es heute sieben Ausfälle, darunter auch beide Sauber-Piloten.
"Der Motor ist einfach ausgegangen, in den letzten Runden wurde ich immer langsamer", seufzt Sutil, für den es schon vor dem Ausfall ein Tag zum Vergessen war: "Vom Grip her war es wie auf Schmierseife. Das ist nicht normal. Wir müssen daran arbeiten, damit wir das verstehen. Es ist eine schwierige Situation. Wir müssen jetzt zusammenhalten und einfach nach vorne schauen. Bahrain ist aber leider nicht ganz unsere Strecke und es bleibt wenig Zeit."
In der Weltmeisterschaft führt nach zwei von 19 Grands Prix Auftaktsieger Rosberg mit 43 Punkten vor Hamilton (25) und Alonso (24). Titelverteidiger Vettel liegt mit 15 Punkten an siebter Position. Bei den Konstrukteuren hat Mercedes (68) das Zepter von McLaren (43) übernommen. Ferrari (30) ist Dritter, Red Bull (15) Sechster. Das dritte Rennen der Formel-1-Saison 2014 findet bereits in einer Woche in Bahrain statt.