Turbulenzen bei Audi gehen weiter: Wackelt das Formel-1-Projekt?
Das Formel-1-Projekt verliert seine Unterstützer im Vorstand: Audi-CEO Gernot Döllner hat offenbar vor, Entwicklungsvorstand Oliver Hoffmann zu versetzen
(Motorsport-Total.com) - Weiterhin Turbulenzen rund um den geplanten Formel-1-Einstieg von Audi zur Saison 2026: Nachdem bereits im Juni 2023 Markus Duesmann als Vorstandsvorsitzender entfernt wurde, der als wichtigster Verfechter der Formel 1 bei der Marke galt, scheint es nun auch den zweiten großen Treiber zu erwischen, nämlich Entwicklungsvorstand Oliver Hoffmann.
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Beide bald weg? Oliver Hoffmann (CTO) und Markus Duesmann (CEO) von Audi ... Zoom Download
Hoffmanns Vertrag als Entwicklungsvorstand war erst 2023 um angeblich fünf Jahre verlängert worden. Schon damals hatten zynische Beobachter aber angekündigt, dass Hoffmann den Posten trotzdem verlieren könnte. Und jetzt scheint das tatsächlich einzutreten: "Audi-Boss will Technik-Vorstand rausschmeißen", berichtet unter anderem die Bild-Zeitung.
Grund für den Rauswurf: Hoffmann und Duesmanns Nachfolger als Audi-CEO, Gernot Döllner, sollen nicht viel voneinander halten. Hoffmann wird zudem angelastet, dass Audi mit schleppenden Absatzzahlen kämpft und die unter seiner Regie geplanten Modelle nicht so eingeschlagen haben, wie man sich das erhofft hatte, oder immer wieder verschoben werden mussten.
Am Donnerstag soll sich der Audi-Aufsichtsrat mit der Hoffmann-Frage auseinandersetzen; danach könnte der Aufsichtsrat des Volkswagen-Konzerns Anfang März das letzte Wort haben. Und Döllner scheint schon eine Idee dafür zu haben, was mit Hoffmann nach der Entmachtung im Vorstand geschehen soll. Nämlich eine "Versetzung" zum Formel-1-Projekt.
Das wäre insofern ein logisches "Trostpflaster", als Hoffmann bei der Präsentation von Audis Formel-1-Plänen im August 2022 in Spa neben Duesmann derjenige aus dem Vorstand war, der an vorderster Front neben einem in Audi-Farben lackierten Formel-1-Modell in die Kameras lächelte. Duesmann und Hoffmann, das waren bei Audi die Gesichter für die Formel 1. Jetzt sind anscheinend beide weg.
Was soll Hoffmann beim Formel-1-Team machen?
Sollte Hoffmann wirklich zum Formel-1-Projekt "abgeschoben" werden (wie das neben der Bild-Zeitung übrigens auch das Handelsblatt berichtet), dann stellt sich die Frage, in welcher Position er dort tätig werden soll. Zumal es bei (derzeit noch) Sauber in Hinwil mit Andreas Seidl eigentlich schon einen Chef gibt.
Eine zusätzliche Entscheiderebene zwischen Seidl und dem Vorstand einzuziehen, kann nicht im Sinne einer agilen Führung sein, wie sie zwingend erforderlich ist, um in der Formel 1 erfolgreich zu sein. Zumal Hoffmann sich bisher zwar als großer Fan der Formel 1 hervorgetan hat, aber in seiner Karriere noch nie operativ mit Motorsport zu tun hatte.
Seidl kämpft beim Aufbau des Formel-1-Teams ohnehin mit schwierigen Rahmenbedingungen. Erstens, weil ein Umzug in die Schweiz für viele Topingenieure nicht so locker von der Hand geht wie ein Wechsel von einem britischen Rennstall in den nächsten. Und zweitens, weil die Investitionen nicht so schnell erfolgen, wie er sich das wahrscheinlich wünschen würde.
Ist Audi die Sache falsch angegangen?
Diesbezüglich steckt der Fehler im Gesamtkonzept des Formel-1-Projekts, das erst ab 2026 komplett als Audi-Werksteam auftreten wird. Denn bis dato hält im Zuge der verschachtelten Transaktion noch Alteigentümer Finn Rausing die Anteilsmehrheit, und dass der aus seiner eigenen Tasche nicht im gleichen Stil investieren will wie Audi, liegt nahe.
Sollte jetzt auch noch Hoffmann eine leitende Funktion in Audis Formel-1-Projekt übernehmen, wäre das für Seidls Handlungsfähigkeit mutmaßlich keine Verbesserung, sondern eher ein Rückschlag. Zumal Motorsport-Total.com aus Insiderkreisen erfahren hat, dass ein Ende von Audis Formel-1-Plänen noch immer nicht komplett ausgeschlossen ist.
Markenchef Gernot Döllner hatte sich zwar im Dezember 2023 in einem Handelsblatt-Interview endlich zum Einstieg in die Formel 1 bekannt. "Es gibt eine klare Entscheidung vom Vorstand, von den Aufsichtsräten von Audi und Volkswagen, dass Audi 2026 in die Formel 1 einsteigt. Der Plan steht", sagte er damals, nach Ende der 100-tägigen "Schweigepflicht" zu Beginn seiner Amtszeit.
Doch ein wirklich klares und leidenschaftliches Bekenntnis zur Formel 1 klingt anders. Was auch den Grund hat, dass Döllner angeblich immer noch offen ist für einen Verkauf der Sauber-Anteile, sollte sich ein Investor finden, der es Audi ermöglichen würde, finanziell und imagetechnisch ohne großen Schaden aus der Sache herauszukommen.
Der Zeitpunkt dafür könnte günstig sein: Die Formel 1 boomt, interessierte Käufer gibt es genug, und es ist nicht völlig ausgeschlossen, dass jemand bereit wäre, sogar mehr als jene kolportierten rund 600 Millionen Euro zu zahlen, die Audi seinerzeit angeblich bieten musste, um eine Anteilsmehrheit bei Sauber übernehmen zu können.
Ständige Gerüchte belasten Aufbau des Teams
Audi hat eine Anfrage von Motorsport-Total.com zum angeblichen Wechsel im Vorstand bisher nicht beantwortet. Der Bild-Zeitung hatte ein Sprecher zuvor ausrichten lassen: "Personalangelegenheiten kommentieren wir grundsätzlich nicht." Somit stehen Berichte über Hoffmanns Wechsel vom Vorstand in die Formel 1 unwidersprochen im Raum.
Für den Aufbau des Teams in Hinwil und Neuburg sind die ständigen Turbulenzen beim Audi-Konzern kontraproduktiv. Topingenieure oder mögliche Fahrer wie Carlos Sainz davon zu überzeugen, zu Sauber/Audi zu kommen, ist angesichts der Perspektive, dass Audi am Ende womöglich gar nicht werksseitig einsteigen könnte, schwierig.
Und das noch dazu in einer Zeit, in der Helmut Marko bei Red Bull in Österreich angeblich schon über eine Liste mit möglichen Teamchef-Kandidaten diskutiert hat, falls Christian Horner seine Disziplinaruntersuchung nicht überstehen sollte. Gut möglich, dass Seidl einer derjenigen ist, die dann einen Anruf aus Graz erhalten ...