Warum die neue Führungsstruktur von Aston Martin nicht in Stein gemeißelt ist
Aston Martin überrascht mit einer neuen Führungsstruktur - doch hinter den Kulissen deutet vieles auf eine nur vorläufige Lösung hin
(Motorsport-Total.com) - Die doppelte Disqualifikation von McLaren in Las Vegas war schnell vergessen, denn am ersten Tag des Wochenendes in Katar dominierte ein anderes Thema: Adrian Newey übernimmt ab sofort das Amt des Teamchefs von Aston Martin.
Eigentlich sollte die offizielle Bestätigung des Rollenwechsels von Andy Cowell - sein Abgang als CEO und Teamchef - die brodelnden Gerüchte beruhigen. Doch das Gegenteil trat ein. Im Paddock sorgten sowohl der Zeitpunkt als auch die Art der Neubesetzung für Verwunderung.
Insider berichten, dass Newey schon lange davon träumt, eine gesamte Formel-1-Mannschaft zu führen. Er wolle verhindern, dass seine genialen Konstruktionen erneut an operativen Schwächen scheitern - wie in früheren Jahren, als überlegene Autos am Ende trotzdem keine Titel holten. Manche behaupten sogar, Newey habe den Posten angenommen, um seine Autonomie innerhalb des Teams zu vergrößern.
Politische Machtspiele - und alte Spannungen
Es hält sich hartnäckig der Verdacht, dass Aston Martin die neue Struktur vor allem deshalb präsentierte, um die wachsenden Spekulationen über Cowells Zukunft zu ersticken. Gleichzeitig sollte die öffentliche Ernennung Neweys weitere Gerüchte im Keim ersticken - inklusive jener spektakulären Geschichten, Christian Horner könnte zu Aston Martin wechseln.
Horner hatte im Sommer tatsächlich fast jeden Teambesitzer kontaktiert, darunter auch Lawrence Stroll, um mögliche Positionen auszuloten. In Singapur musste Cowell seine gesamte Medienrunde damit verbringen, Fragen zu einem potenziellen Horner-Wechsel abzuwehren - was die Situation fast absurd wirken ließ.
Das sportliche Abschneiden des Teams liefert reichlich Stoff für Umbrüche: ein untermotorisiertes Auto, operative Fehler, fragwürdige Strategien. Hinzu kommt Neweys Ruf, kompromisslos durchzugreifen, wenn Mitarbeiter seiner Perfektionsphilosophie nicht folgen. Es heißt, eine der Hauptspannungen zwischen Newey und Cowell sei Cowells Zögern gewesen, im technischen Bereich radikale Personalentscheidungen zu treffen.
Am Ende setzte sich jener Mann durch, dessen Autos zwölf Fahrer- und dreizehn Konstrukteurstitel hervorgebracht haben - und der damit naturgemäß mehr Einfluss auf Stroll ausübt.
Die Frage nach der Belastbarkeit - und mögliche Alternativen
Doch trotz aller Machtfülle Neweys stellt sich eine grundlegende Frage: Wie viel kann er neben seiner Rolle als leitender Technikpartner überhaupt übernehmen? Schon jetzt gilt es als unrealistisch, dass er bei mehr als zehn Grands Prix pro Saison vor Ort sein kann.
Ebenso schwer vorstellbar ist, dass Newey sich intensiv Medien- und Sponsorenverpflichtungen widmet - klassische Aufgaben eines Teamchefs. Während Aston Martin am Donnerstag die Motorsportwelt mit der Nachricht beschäftigte, lud Williams-Teamchef James Vowles zeitgleich Investoren und Sponsoren zu einem entspannten Mittagessen ein. Ein Kontrast, der zeigt: Der Job besteht aus weit mehr als technischer Expertise.
Genau deshalb vermuten viele, dass die neue Struktur nur vorläufig ist. Sie könnte als Übergangsmodell dienen, während Stroll und Newey prüfen, welche Spitzenkräfte in den nächsten Monaten verfügbar werden. Tatsächlich soll mindestens ein externer Kandidat, der schon zuvor mit dem Teamchefposten in Verbindung gebracht wurde, weiterhin aktiv mit Stroll und Newey sprechen.
Dabei handelt es sich ausdrücklich nicht um Christian Horner - trotz der Berichte, Newey habe ihm diese Woche eine heimliche Werksführung gegeben. Horner soll vielmehr abwarten wollen, bis sich 2026 die Teams zeigen, die bei den neuen Regeln scheitern und deren Führungspositionen frei werden.
Mike Krack - der wahre Mann fürs Tagesgeschäft?
Währenddessen spielt Mike Krack weiterhin eine zentrale Rolle. Der Luxemburger wurde Anfang des Jahres in ein neues Amt versetzt - als "Chief Trackside Officer". Sein früherer Teamchefposten war ihm im Zuge der von Cowell initiierten Umstrukturierung entzogen worden.
Krack ist bei jedem Rennen an der Strecke und übernimmt bereits jetzt zahlreiche Aufgaben, die traditionell der Teamchef verantwortet. Es gilt als nahezu sicher, dass Krack an Rennwochenenden ohne Newey die Leitung übernimmt - und damit faktisch wieder in die Rolle des Teamchefs rückt, zumindest temporär.
All dies nährt den Verdacht, dass Aston Martins jüngster Führungsumbau nicht das letzte Wort ist. Die kommenden Wochen und Monate werden zeigen, ob die neue Machtstruktur Bestand hat oder ob Stroll und Newey hinter den Kulissen bereits an der nächsten Überraschung arbeiten.

