Das beste Rennen von...
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Re: Das beste Rennen von...
An Hockenheim 2000 kann ich mich auch noch gut erinnern. Vor allem an den Highspeed Crash von Alesi in der Ostkurve.
Die alte Strecke mit den langen Waldgeraden war halt auch irgendwie Kult. Dort konnten die Fahrer auch ohne DRS überholen.
Die alte Strecke mit den langen Waldgeraden war halt auch irgendwie Kult. Dort konnten die Fahrer auch ohne DRS überholen.
Vtec Just Kicked In Yo - https://www.youtube.com/watch?v=yNVwabR6LKE
Viele Leute kritisieren, die Formel 1 sei ein unnötiges Risiko. Aber was wäre das Leben, wenn wir immer nur das Nötige tun würden? - Niki Lauda -
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Re: Das beste Rennen von...
Ja der Alesi hat da mit Rädern um sich geworfen. Es sind noch Autos mit hoher Geschwindigkeit vorbei gekommen. Schon sehr gefährlich.
Auf der Waldgeraden selbst habe ich nur wenig Überholmanöver in Erinnerung, die passierten alle erst ganz am Ende, beim Ausbremsen in der Schikane. In dem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass weder die McLaren noch die Ferrari auf der Geraden an den Arrows vorbei kamen, so viel Topspeed hatten die. Ein Alonso hätte mit den Dingern vllt. Rennen gewonnen - wer weiß wie die Geschichte dann verlaufen wäre!
Auch die Jordans waren extrem gut unterwegs. Frentzen hatte eine reale Siegchance. Ich seh noch das Gesicht von Eddi Jordan am Kommandostand, als Frentzen kurz vor Ende der Motor eingeht. Die hätten wahrscheinlich die geilste Party der F1-Geschichte geschmissen an dem Abend...
In der SkyHD-Aufnahme (die ich mir zum Glück vor drei Jahren runtergeladen hatte) sieht man den "verrückten Fan" der später auf der Rennstrecke rumlief, schon beim Start. Ganz kurz für eine Viertelsekunde von der Kamera eingefangen, bevor die RTL-Regie wegschaltet. Der hat schon zu Beginn versucht, das Rennen zu stören, wurde von Streckenposten umgehauen und rücklings vom Rasen gezerrt. Wahnsinn, die Rennleitung gab Sekunden später den Start frei.
Also für mich ist Hockenheim 2000 zusammen mit Abu Dhabi 2021 klar in den Top 5 der denkwürdigsten Rennen in diesem Jahrtausend.
Auf der Waldgeraden selbst habe ich nur wenig Überholmanöver in Erinnerung, die passierten alle erst ganz am Ende, beim Ausbremsen in der Schikane. In dem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass weder die McLaren noch die Ferrari auf der Geraden an den Arrows vorbei kamen, so viel Topspeed hatten die. Ein Alonso hätte mit den Dingern vllt. Rennen gewonnen - wer weiß wie die Geschichte dann verlaufen wäre!
Auch die Jordans waren extrem gut unterwegs. Frentzen hatte eine reale Siegchance. Ich seh noch das Gesicht von Eddi Jordan am Kommandostand, als Frentzen kurz vor Ende der Motor eingeht. Die hätten wahrscheinlich die geilste Party der F1-Geschichte geschmissen an dem Abend...
In der SkyHD-Aufnahme (die ich mir zum Glück vor drei Jahren runtergeladen hatte) sieht man den "verrückten Fan" der später auf der Rennstrecke rumlief, schon beim Start. Ganz kurz für eine Viertelsekunde von der Kamera eingefangen, bevor die RTL-Regie wegschaltet. Der hat schon zu Beginn versucht, das Rennen zu stören, wurde von Streckenposten umgehauen und rücklings vom Rasen gezerrt. Wahnsinn, die Rennleitung gab Sekunden später den Start frei.
Also für mich ist Hockenheim 2000 zusammen mit Abu Dhabi 2021 klar in den Top 5 der denkwürdigsten Rennen in diesem Jahrtausend.
Ich bin nicht negativ, ich mag nur den ganzen Kommerz in der F1 nicht.
- Senninha
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Re: Das beste Rennen von...
Naja, so sieht eigentlich ein klassisches Überholmanöver aus. Diese frühen Überholungen haben wir doch erst in dieser Fülle seit Einführung des DRS.
An solche Tatsachen erinnere ich mich auch noch gut, also an Exoten, die in einer Disziplin überdurchschnittlich gut unterwegs waren. Ein wenig wie heute Williams und deren Schnelligkeit.In dem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass weder die McLaren noch die Ferrari auf der Geraden an den Arrows vorbei kamen, so viel Topspeed hatten die.

Re: Das beste Rennen von...
Das ist es ja! DRS hat nichts verbessert sondern nur eine Menge Spannung rausgenommen. Es gibt nicht wenige Fahrer im Feld, die kommen ohne DRS nirgends mehr vorbei. Wenn sie es versuchen, knattern sie hinten raus gerade durch die Schikane und die Rennleitung spricht eine Strafe aus. Tolle Verbesserung, echt.
Nachtrag: Wobei ich schon einsehe, dass solche Überholmanöver wie in den frühen 2000ern mit den heutigen Autos wahrscheinlich fast unmöglich sind. Beim Ausbremsen vor der Schikane arbeiten der abnehmende aerodynamische Abtrieb und das enorme Fahrzeuggewicht der modernen Autos dagegen. Eigentlich ist das heute eine völlig andere Rennserie als damals

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Re: Das beste Rennen von...
Damon Hill (Suzuka 1994)
Als eine tragische und traumatische Saison zu Ende ging, war Damon Hill nach Ayrton Sennas Tod in Imola in die Rolle der Nummer 1 bei Williams hineingewachsen. Durch die Disqualifikation und Sperre Michael Schumachers hatte Hill eine minimale Chance auf den WM Titel. Als Hill zum vorletzten Lauf nach Suzuka reiste, lag er fünf Punkte im Rückstand, nachdem Schumacher in Jerez gesiegt hatte. Jetzt gings ums die Wurst.
Die Bedingungen waren schlimm, starker Regen beim Start. Schumacher hatte den Vorteil, ohne Gischt in Führung liegend vom Feld wegzuziehen. Hill folgte ihm, doch dahinter bricht das Chaos aus. Aquaplaning und Boliden, die aufschwimmen, sorgen für neun Ausfälle binnen 13 Runden.
Nigel Mansell, der für die letzten Rennen der 94er Saison das zweite Williams Cockpit von David Coulthard übernahm kämpfte mit Jean Alesi auf der Strecke. Währenddessen fuhr Hill in einer ganz anderen Klasse und hatte bereits eine halbe Minute Vorsprung auf die beiden.
Unter normalen Bedingungen konnte Hill die ganze Saison über Schumacher nicht das Wasser reichen. Jetzt fuhr er blindlings in den Sprühnebel des Benetton bei dem verzweifelten Versuch, seine Chance auf den Titel zu halten.
Die anderen waren nicht zu sehen. Als Martin Brundle durch Aquaplaning in einen Streckenposten fuhr, der sich dabei das Bein brach, kam die rote Flagge.
Schumacher führte mit 5 Sekunden, aber jetzt wurde das Rennen neu gestartet und alle Abstände aus dem ersten Versuch wurden verrechnet.
Benetton hatte die ganze Saison über starke Taktik bewiesen, aber jetzt waren es Williams und Hill, die alles richtig machten.
Während Schumacher zweimal an die Box musste, schaffte es Hill mit nur einem Boxenstopp. Schumacher holte unnachgiebig auf, als Hill die letzte Runde mit nur 2,4 Sekunden Vorsprung startete. Vor ihm war zum Glück freie Bahn, während Schumacher an zwei anderen Autos vorbei musste. Hill hatte jedoch bei seinem Boxenstopp nur drei neue Reifen bekommen, weil eines der Hinterräder klemmte.
Als Damon über die Ziellinie fuhr, schrie sein Team "P1", aber die Sprechfunkqualität war schlecht und es dauerte eine Weile, bis er die Nachricht verstand...
Hill sagte später über dieses Rennen, das er Kopf und Kragen riskiert hatte und immer kurz vorm abfliegen war. Selbst Michael Schumacher gab später zu Protokoll, wie gut Damon Hill in diesem Rennen gefahren war.
Ich hatte das Rennen damals live bei RTL gesehen, es war extrem spannend zum Rennende hin. Für mich war Suzuka 94 knapp vor Ungarn 97, das beste Rennen von Damon Hill.
https://www.youtube.com/watch?v=BKoCV9v7MzQ
Als eine tragische und traumatische Saison zu Ende ging, war Damon Hill nach Ayrton Sennas Tod in Imola in die Rolle der Nummer 1 bei Williams hineingewachsen. Durch die Disqualifikation und Sperre Michael Schumachers hatte Hill eine minimale Chance auf den WM Titel. Als Hill zum vorletzten Lauf nach Suzuka reiste, lag er fünf Punkte im Rückstand, nachdem Schumacher in Jerez gesiegt hatte. Jetzt gings ums die Wurst.
Die Bedingungen waren schlimm, starker Regen beim Start. Schumacher hatte den Vorteil, ohne Gischt in Führung liegend vom Feld wegzuziehen. Hill folgte ihm, doch dahinter bricht das Chaos aus. Aquaplaning und Boliden, die aufschwimmen, sorgen für neun Ausfälle binnen 13 Runden.
Nigel Mansell, der für die letzten Rennen der 94er Saison das zweite Williams Cockpit von David Coulthard übernahm kämpfte mit Jean Alesi auf der Strecke. Währenddessen fuhr Hill in einer ganz anderen Klasse und hatte bereits eine halbe Minute Vorsprung auf die beiden.
Unter normalen Bedingungen konnte Hill die ganze Saison über Schumacher nicht das Wasser reichen. Jetzt fuhr er blindlings in den Sprühnebel des Benetton bei dem verzweifelten Versuch, seine Chance auf den Titel zu halten.
Die anderen waren nicht zu sehen. Als Martin Brundle durch Aquaplaning in einen Streckenposten fuhr, der sich dabei das Bein brach, kam die rote Flagge.
Schumacher führte mit 5 Sekunden, aber jetzt wurde das Rennen neu gestartet und alle Abstände aus dem ersten Versuch wurden verrechnet.
Benetton hatte die ganze Saison über starke Taktik bewiesen, aber jetzt waren es Williams und Hill, die alles richtig machten.
Während Schumacher zweimal an die Box musste, schaffte es Hill mit nur einem Boxenstopp. Schumacher holte unnachgiebig auf, als Hill die letzte Runde mit nur 2,4 Sekunden Vorsprung startete. Vor ihm war zum Glück freie Bahn, während Schumacher an zwei anderen Autos vorbei musste. Hill hatte jedoch bei seinem Boxenstopp nur drei neue Reifen bekommen, weil eines der Hinterräder klemmte.
Als Damon über die Ziellinie fuhr, schrie sein Team "P1", aber die Sprechfunkqualität war schlecht und es dauerte eine Weile, bis er die Nachricht verstand...
Hill sagte später über dieses Rennen, das er Kopf und Kragen riskiert hatte und immer kurz vorm abfliegen war. Selbst Michael Schumacher gab später zu Protokoll, wie gut Damon Hill in diesem Rennen gefahren war.
Ich hatte das Rennen damals live bei RTL gesehen, es war extrem spannend zum Rennende hin. Für mich war Suzuka 94 knapp vor Ungarn 97, das beste Rennen von Damon Hill.
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Re: Das beste Rennen von...
Ich möchte die Reihe an dieser Stelle nun fortführen. Zwar nicht mit einem meiner „Lieblingsfahrer“, doch mit einem altbekannten und von mir stets sehr geschätzten Piloten: Giancarlo Fisichella. Sein meiner Meinung nach bestes Rennen ist ein bereits hier thematisiertes: Hockenheim, 1997.

Meine Wahl mag vielleicht bei einigen Stirnrunzeln auslösen, immerhin ist er ein dreimaliger Rennsieger: 2003 gewann er auf Jordan in Brasilien, 2005 den Saisonauftakt in Melbourne und 2006 das zweite Rennen der Saison in Malaysien. Ich habe mich bewußt nicht für diese Rennen entschieden, obwohl er an jenen Sonntagen natürlich eine gute Leistung zeigte. Doch in Sao Paolo waren es vielmehr die chaotischen Umstände, welche ihm zum Siege verhalfen. 2005 und 2006 erstritt er seine Rennerfolge auf Renault, dem damaligen Titelaspiranten. Die Triumphe in allen Ehren, doch für mich, der sich damals als selbst als achtjähriger Zuschauer in seiner ersten Formel 1 Saison befand, ragen sie nicht so deutlich empor wie Hockenheim aus dem besagten Jahr. Und die besten Rennen eines Fahrers müssen ja nicht unweigerlich dessen Siege sein. Ich versuche derweil, die Ereignisse so akkurat wie möglich wiederzugeben. Meine Erinnerungen werden mit Hilfe von Videoaufnahmen, zeitgenössischen Berichten und Statistiken aufgefrischt. Sollte sich dennoch irgendwo ein Fauxpas einschleichen, bitte ich um eine rasche PN zur Korrektur.
Fisichella befand sich im zweiten Jahr seiner bis 2009 andauernden Karriere. Nachdem er 1996 für Minardi ein paar Rennen an den Start ging, bekam er zur neuen Saison von Eddie Jordan seinen ersten Jahresvertrag. Jordan selbst war seit 1991 in der Königsklasse vertreten und durchaus in der Lage, sporadische Achtungserfolge zu erzielen. Man erinnere sich an die Überraschungspole in Spa aus dem Jahr 1994. Alles in allem war das in Silverstone ansässige Team jedoch ein klassischer Mittelfeldkandidat, wenngleich es ab Mitte der 90er eher im vorderen Mittelfeld zu finden war. 1997 hatten sie einen durchaus manierlichen Boliden konstruiert, welcher von Peugeot angetrieben wurde. Darüber hinaus gehörte das V10-Aggregat der Franzosen nun nicht unbedingt zu den schlechtesten Motoren der Serie! Betrachtet man die Phase der zweiten Hälfte des Jahrzehnts als Ganzes, so kann man eindeutig eine positive Entwicklung feststellen. Insgesamt befand sich das Team auf einem aufsteigenden Ast. Jene Episode sollte schließlich im Jahre 1999 kulminieren, als man mit Frentzen WM-Dritter wurde. Wenngleich das Auto 1997 zu WM-Platz 5 fähig war, bei 11 Teams durchaus beachtlich, kämpfte man - eigentlich wie die meisten zu jener Zeit - desöfteren mit der Haltbarkeit der lieben Technik.
1997 verlief für Giancarlo bis zum Wochenende am altehrwürdigen Hockenheimring relativ solide: Ein 4. Platz in San Marino, 6. in Monaco und schließlich ein 3. Platz in Montreal, sein erstes Podium überhaupt. Wenn er ins Ziel kam, dann war er stets unter den ersten 10. Ich brauche hier wohl niemandem zu erklären, daß es nur für die Positionen 1 bis 6 Punkte gab. Bei 22 Fahrzeugen einen Punkt in Monaco zu ergattern war eine durchaus imposante Leistung. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Damals hat man den einen Punkt, den es für Platz 6 gab, höher wertgeschätzt als den heutigen für P10.
Unmittelbar vor dem Großen Preis von Deutschland fanden in Monza Testläufe statt. Fisichella konnte dabei den zweiten Testtag auf dem lombardischen Hochgeschwindigkeitskurs für sich entscheiden: Ein Jordan führte das Klassement an - etwa ein Omen für das nicht weniger schnelle Hockenheim? Daß der Jordan jedenfalls nicht zu unterschätzen war, bewies am 4. Testtag Ralf Schumacher mit der schnellsten Rundenzeit.
Auch am Schreibtisch ging es für Fisichella vorwärts: Vor dem Großen Preis von Deutschland wurde bekannt, daß er für 1998 bei Benetton unterschrieb. Das Weltmeisterteam von 1995 hatte 1997 summa summarum das drittbeste Auto, hinter Williams und Ferrari. Ein Aufstieg, sollte man meinen. Doch Benetton befand sich längst in einer Abwärtsspirale - 1998 wird man nicht über P5 hinauskommen, ironischerweise sogar hinter Jordan, die von Peugeot auf Honda umsattelten. Diesen Wechsel zu beurteilen liegt mir an dieser Stelle allerdings fern.
In Hockenheim angekommen, zeigte Jordan relativ zügig, daß sie ein konkurrenzfähiges Paket an den Start gebracht hatten. Sowohl im ersten als auch im zweiten Freien Training landete ein gelber Bolide mit Schlangennase auf Platz 1. Fisichella hatte zu Beginn noch mit Problemen zu kämpfen, anders ließ sich sein Abschneiden auf P19 im 1. Training nicht erklären. Das zweite beendete er jedoch auf dem vierten Rang, 0.362 Sekunden hinter Ralf, allerdings noch vor dem späteren Rennsieger Berger sowie den WM-Kandidaten Schumacher und Villeneuve. Man durfte im Team also mit breiter Brust und einer Packung Optimismus in die heiße Phase des Wochenendes schreiten!
Am Samstag dann die kleine Sensation: Die Trainings waren keine Eintagsfliegen, nein, Fisichella sicherte sich tatsächlich Startplatz 2! Einzig dem Altmeister Gerhard Berger mußte er sich geschlagen geben, und das denkbar knapp. Die beiden trennten lediglich 0.023 Sekunden! Hinter seinem gelben Jordan reihten sich die Favoriten: Ein McLaren-Mercedes (Häkkinen), ein Ferrari (Schumacher) und ein Williams (Frentzen). Noch nie stand Fisichella so weit vorne und, ganz nebenbei bemerkt: Seinem Teamkollegen, der noch in den Trainings überzeugt hatte, nahm er satte 0.6 Sekunden ab. Ein Statement des jungen Italieners!
Wer nun dachte, Giancarlo würde - wie einst Rubens von der Pole aus startend - relativ schnell geschnupft werden, der sollte eines Besseren belehrt werden. Der Start war gelungen: Sowohl Berger als auch Fisico kamen gut vom Fleck. Lediglich Mika auf Rang drei hatte seine Probleme und wurde noch vor Kurve 1 von Michael überholt, der mit Geschwindigkeit bis ans Heck des Jordans herankam, sich aber hinter diesen einordnen mußte.

Die erste Gefahr mag zwar gebannt sein, doch die ewigen Waldgeraden mit den scheinbar endlosen Windschatten-Passagen lagen noch vor dem blau-gelb-roten Trio - und Schumacher war heiß auf den Heimsieg.
Vorne konnte sich Gerhard bereits in der ersten Runde um ein paar Wagenlängen absetzen, doch hinter dem Tiroler war es zeitweise knapp. Schumacher versuchte beinahe vor jeder Schikane am Jordan vorbeizukommen. Wie im Formationsflug schossen Fisichella und Schumacher ins Motodrom:

Selbst Häkkinen mußte ein Stück weit ablassen. Vor den Augen von 120.000 Fans ging es in die Sachskurve und über die Start-und-Ziel.
Die folgenden Runden waren vergleichsweise ruhig. Nach fünf Umläufen lag Berger ca. fünf Sekunden vor Fisichella, der wiederum hatte weniger als eine Sekunde Vorsprung auf Michael. Heute würde man sagen, Schumacher läge im DRS-Fenster. Halt, nein. Schumacher wäre längst per Knopfdruck vorbei. So war in Runde 5 bereits klar: Fisichella wird nicht zügig geschnupft, er wird nicht durchgereicht, er hält dem Druck stand, er begeht keinen Fehler. Nach 15 Runden ein ähnliches Bild: Berger lieferte souverän ab und lag zwölf Sekunden von dem Jordan, dieser weiterhin mit Schumacher im Schlepptau. Dahinter bereits ein größerer Abstand auf den McLaren-Mercedes von Mika Häkkinen. Villeneuve war im Nirgendwo.
Als Gerhard zum ersten Boxenstopp einbog übernahm Giancarlo zum ersten Mal in seiner Karriere die Führung eines Formel 1 Rennens.

Ganz ohne spontane Wetterkapriolen, ganz ohne Chaos und ganz ohne Pech des Gegners. Er fuhr das Rennen seines Lebens und war ein ernstzunehmender Kandidat für den Sieg. Wenngleich man an dieser Stelle nicht vergessen sollte, daß Berger ein fabelhaftes Rennen bestritt und bereinigt natürlich an erster Stelle lag. Aber wir wissen alle, daß Fortuna es nicht immer gut mit Formel 1 Fahrern meint. Daher konnte man Fisichella mit Recht die Chance auf einen Sensationssieg einräumen. Nach etwa 20 Runden lag Fisico immer noch in Führung, mittlerweile mit mehreren Längen Abstand zu Schumacher. Allerdings holte Berger mit mächtigen Schritten auf, entledigte sich seiner ersten Kontrahenten und lag zum genannten Zeitpunkt bereits keine 11 Sekunden mehr hinter Giancarlo, der natürlich noch zur Box mußte. Benetton wählte für dieses Rennen eine Zweistopp-Strategie, die unmittelbare Konkurrenz hingegen die Einstopp-Variante. Der Italiener spulte derweil besonnen seine Runden ab, so gut der leichter werdende Jordan mit den mehr als 20 Runden alten Reifen noch unterwegs sein konnte. Berger holte etwa eine Sekunde pro Runde auf, wodurch der Rückstand auf den Führenden nach 23 Runden nur noch 8.6 Sekunden betrug. Schumacher absolvierte in der Zwischenzeit seinen Stopp und jeder (auch das Kommentatoren-Duo) rechnete damit, daß Fisichella es dem Ferrari-Fahrer unmittelbar im Anschluss, also zur nächsten Runde, gleichtun würde. Doch dieser hatte freie Fahrt und wollte noch den letzten Tropfen Sprit aus dem Tank herauspressen. Er blieb noch zwei weitere Runden „draußen“. Daß Berger aufholte und im Zuge des gelben Boxenstopps erneut die Führung übernehmen würde, war für jeden ersichtlich. Allerdings ließ sich Fisichella dadurch nicht beirren oder gar in einen „Fehler hetzen“, wie es Motorsport-Total zu nennen vermochte. Noch nicht.
In Runde 24 fuhr Giancarlo schließlich zur Box.

Bedauerlicherweise blieb die Uhr bei 5.7 Sekunden stehen, obwohl die Standzeit fast doppelt so lange war. Damals durfte nachgetankt werden, weshalb bei einer Einstoppstrategie nicht selten zwischen acht und zehn Sekunden gestanden wurde. In jener Zeit galten Stopps zwischen sechs und sieben Sekunden als „schnell“ - die heutige TikTok-Fangeneration würde da leicht die Konzentration verlieren und umschalten. Der Stopp an sich verlief reibungslos und Fisico fuhr erwartungsgemäß auf P2 zurück ins Rennen, 16 bereinigte Sekunden hinter dem Spitzenreiter. Dahinter folgten Jean Alesi, der inzwischen auf Rang drei vorgefahren war, sowie Michael Schumacher. Beide duellierten sich mit einigen Sekunden Abstand zum Jordan.
Bei noch 20 zu fahrenden Runden war klar: Wenn nichts Unvorhergesehenes passiert, wird das ein zweiter Platz. Berger ist zu stark und zu mehr war der Jordan dann doch nicht in der Lage. Aber Rang 2 zu erstreiten und sich dabei gegen Schumacher zu behaupten, hätte für ihn nicht nur eine Nacht bedeutet, in der er gut geschlafen hätte. Es wäre vielmehr der Höhepunkt der noch jungen Karriere geworden und ein ganz großer Wink in Richtung Top-Teams, ungeachtet des bereits unterzeichneten Vertrages für 1998.
Nach etwa 28 Runden tat Ford das, was sie damals am besten konnten: In die Luft fliegen und ausrollen.

Ein Geschehen, das damals noch gänzlich ohne Safety-Car bereinigt wurde! Zuerst explodierte der Motor von Jan Magnussen, wenige Runden später jener von Rubens Barrichello. Im Grunde eine Randnotiz in einem Rennen, das schon alleine wegen der für 1997 untypischen Kräfteverhältnisse für Spannung sorgte. Doch die Auswirkungen waren weitreichende: Berger hätte eigentlich einen komfortablen Vorsprung auf Fisichella gehabt, um nach seinem zweiten Stopp vor ihm zu bleiben - wäre da nicht die Ford'sche Nebelwolke gewesen, die ihn der Sicherheit wegen auf der Geraden zum Abbremsen zwang. Das war das oben genannte Pech des Gegners, Fortuna ließ Berger im Stich. Dieser verlor in einer Runde mehr als vier Sekunden Vorsprung auf den Zweitplatzierten. Da nützte auch der rasante Stopp von 6.4 Sekunden nichts, Fisichella schoß mit überhöhter Geschwindigkeit an Berger vorbei und beschleunigte als Führender in den Wald hinein.


Das Bild, welches sich den Zuschauern ergab, war ein bereinigtes Klassement mit Giancarlo Fisichella auf dem ersten Platz, dicht gefolgt vom Benetton des Tirolers. Sehr dicht. Zu dicht.

Man wird Fisichella gesagt haben, daß Berger im Windschatten hinter ihm seine Chance wittern würde. Daß Berger, der an diesem Wochenende voller Emotionen war, den Sieg unbedingt erkämpfen wollte. Man wird ihm gesagt haben, daß niemand mehr zur Box kommen müßte. Daß es die tatsächliche Rennführung wäre, bei noch elf zu fahrenden Runden. So stelle ich mir den Druck vor, den Fisico in diesem Moment verspürte. Vielleicht hat er aber auch nur zu lange in den Spiegel geschaut. Wie auch immer, die Führung hielt nur zwei Geraden: Beim Anbremsen zur Ostkurve traf er den Scheitelpunkt nicht korrekt.

Dadurch verlor er Schwung durch die Kurvenkombination, Geschwindigkeit auf der Geraden und schließlich die Position an Berger - noch vor der Senna-Schikane.

Das „ooohhh“ von Marc Surer (16:36) war da bezeichnend. „Berger hat sich die Führung zurückgekämpft“ (O-Ton Jacques Schulz) mag zwar stimmen, da dieser ein tadelloses Rennen absolvierte und am Ende auch mehr als verdient gewann. Doch schlußendlich, bei all dem Glück und bei all dem Pech, lag er nur durch den einzigen Fehler des Italieners in Führung. Ein Fehler, der an und für sich noch nicht einmal brenzlig war, da Fisico den Jordan abfing und in der Kurve hielt. Ein Fehler, der ihm jedoch wohl den Sieg kostete. Surer beschrieb die Situation, als Antwort auf die Aussage Schulz', wie folgt: „Fisichella hat sie [die Führung] weggeworfen (...). Er hat uns eigentlich dieses Duell jetzt versaut, indem er sich vertan hat“. Direkt, nicht ganz zimperlich, aber nun einmal die Wahrheit.
Schade, doch Grund zur Trauer? Keineswegs, immerhin lag Fisichella auf Platz 2 und hatte Berger in Sichtweite. Bei noch sieben Runden zu fahren betrug der Rückstand etwas mehr als drei Sekunden. Es galt, das Auto heil ins Ziel zu bringen und das für ihn bis dato beste Ergebnis einzufahren. Schumacher lag ein gutes Stück hinter dem Italiener auf Rang 3. Es schien eine ruhige Schlussphase zu werden.
Dann kam natürlich das, was kommen mußte: Die höhere Gewalt des Motorsports wählte an diesem Tag den Jordan von Fisichella, genauer gesagt den linken Hinterreifen, als Opfergabe aus. Und wie sich der Akt in Szene setzte!

Bei mehr als 300 Stundenkilometern explodierte der Goodyear gar fast schon in Pirelli-Manier beim Anbremsen zur Agip Kurve, dem Eingang ins Motodrom.

Der kaum mehr manövrierfähige Bolide rutschte ins Kiesbett und Fisico tat sein Bestes, ihn unter Kontrolle zu halten.

Ihm gelang es, den havarierten Wagen in die Box zu retten und auf Rang 7 das Rennen wiederaufzunehmen. Doch die Luft war raus. Am Ende rollte der Jordan durch einen Defekt aus, den er sich vermutlich aufgrund der umherfliegenden Reifenteile einfing.

Ein glanzloses Scheitern nahm seinen Lauf im Deutschen Wald bei Hockenheim. Inzwischen fuhr der von den Massen gefeierte Berger seinen letzten Sieg ein, einen Sieg für die Geschichtsbücher. Fisichella blieb nahe der Clark-Schikane liegen und wurde in der Auslaufrunde von Michael per „Huckepack“ mitgenommen, wodurch eines der ikonischsten Bilder der Saison entstand.
Bei Rennende wurde Fisichella noch als 11. geführt, doch eine nüchterne Betrachtung des Ergebnisses wird ihm hier nicht gerecht. Ich wiederhole mich gerne: Fisico fuhr meines Erachtens das beste Rennen seiner Karriere. Bei insgesamt 231 absolvierten Rennen ist Hockenheim 1997 das erste, welches mir in den Sinn kommt, wenn ich an seine Laufbahn denke. Und ja, mitnichten war es seine einzige Sternstunde, immerhin stand er 19 Mal auf dem Podium und wurde 2006 WM-Vierter. So dürfte der Große Preis von Belgien im Jahre 2009 bei der Auflistung seiner Höhepunkte ebenfalls genannt werden. Oder Japan 2005, als er sich in der allerletzten Runde einem entfesselt fahrenden Kimi Räikkönen geschlagen geben mußte. Doch 2005 saß er, wie eingangs gesagt, im Top-Auto und war erfahren genug. Er wußte, wie man Akzente setzte, Rennen gewann und mit Druck umging. 2009 war er sogar ein Routinier - er, Rubens, Jarno Trulli und Ersatzmann Badoer waren die einzigen Fahrer, die noch in den 1990ern debütierten. 1997 war er hingegen noch fast grün hinter den Ohren, ein Jungspund in einem Mittelfeldteam. Ein Bursche, der sich in seinem 18. Formel 1 Rennen befand, vorher ganze zehn Mal die Zielflagge sah und sich in Hockenheim aus dem Nichts heraus in die erste Startreihe stellte. Dann im Rennen mit Gerhard-202-Rennstarts-Berger duellierte, gegen den zweifachen Weltmeister Schumacher bestand und am Ende des Tages einen Reifesprung nach vorne machte. Dabei schließlich eine Art „Fisichella-Moment“ kreierte, der so vielen jungen Fahrern von damals verwehrt blieb und ebenso vielen Fahrern von heute verwehrt bleiben wird.
Fisico ist kein ganz Großer der Rennfahrerzunft gewesen und war, selbst bei Renault, alles andere als ein Weltmeister-Aspirant. Stand er doch konsequent im Schatten von Alonso. Meiner Meinung nach ist er nicht einmal in den Top 20 der 1990er und 2000er (zusammengefasst) vertreten.
Aber: Ein Blick in seine Statistik genügt, um ihm allemal Respekt zu zollen: Siege, Podien und wenn das Auto lief, heimste er Punkte ein. Der perfekte Teamkollege eben, inklusive Hilfestellungen wie in Brasilien. War er insgesamt vielleicht „oberes Mittelmaß“? Entspricht seine Karriere einer 2-? Sei es drum, ich bin mir jedenfalls sicher, daß nicht wenige Fahrer überaus gerne mit ihm getauscht hätten.
Besonders gefreut hat es mich für ihn, daß er im Spätherbst seiner Formel 1-Laufbahn noch für Ferrari fahren konnte - als Italiener wohl die reinste Erfüllung. Anlaß war Massas Verletzung und die Tatsache, daß Badoer nicht überzeugte. An dieser Stelle hätte auch „fahren durfte“ gepaßt, immerhin stand Fisichella in Diensten von Force India. Doch dort hatte man glücklicherweise Nachsicht. Ich erinnere mich noch gut daran, wie sehr ihn der rote Rennanzug mit Stolz erfüllte. Für einen Vertrag 2010 hat es dann leider nicht gereicht, zumal Fernando anklopfte. Doch wieviele Piloten träumen davon, die eigene Karriere bei der Scuderia ausklingen zu lassen?
Wie auch immer. Hockenheim 1997 war nicht nur für Berger ein Grand Prix für die Ewigkeit, sondern auch für den sympathischen Italiener. Am Ende wirkte er etwas betrübt, trotz perfekter Frisur. Freilich hatte er an diesem Tag Grund zur Enttäuschung. Doch für ihn leuchtete das Morgenrot am Horizont. Er befand sich am Anfang seiner Karriere, er bewies Haltung trotz Scheitern und er kam in dieser Phase der Saison endgültig in der Königsklasse an. An ihn wird man sich auch in 50 Jahren noch erinnern, und ich allen voran an sein Geschick rund um den Großen Preis von Deutschland des Jahres 1997.

Meine Wahl mag vielleicht bei einigen Stirnrunzeln auslösen, immerhin ist er ein dreimaliger Rennsieger: 2003 gewann er auf Jordan in Brasilien, 2005 den Saisonauftakt in Melbourne und 2006 das zweite Rennen der Saison in Malaysien. Ich habe mich bewußt nicht für diese Rennen entschieden, obwohl er an jenen Sonntagen natürlich eine gute Leistung zeigte. Doch in Sao Paolo waren es vielmehr die chaotischen Umstände, welche ihm zum Siege verhalfen. 2005 und 2006 erstritt er seine Rennerfolge auf Renault, dem damaligen Titelaspiranten. Die Triumphe in allen Ehren, doch für mich, der sich damals als selbst als achtjähriger Zuschauer in seiner ersten Formel 1 Saison befand, ragen sie nicht so deutlich empor wie Hockenheim aus dem besagten Jahr. Und die besten Rennen eines Fahrers müssen ja nicht unweigerlich dessen Siege sein. Ich versuche derweil, die Ereignisse so akkurat wie möglich wiederzugeben. Meine Erinnerungen werden mit Hilfe von Videoaufnahmen, zeitgenössischen Berichten und Statistiken aufgefrischt. Sollte sich dennoch irgendwo ein Fauxpas einschleichen, bitte ich um eine rasche PN zur Korrektur.
Fisichella befand sich im zweiten Jahr seiner bis 2009 andauernden Karriere. Nachdem er 1996 für Minardi ein paar Rennen an den Start ging, bekam er zur neuen Saison von Eddie Jordan seinen ersten Jahresvertrag. Jordan selbst war seit 1991 in der Königsklasse vertreten und durchaus in der Lage, sporadische Achtungserfolge zu erzielen. Man erinnere sich an die Überraschungspole in Spa aus dem Jahr 1994. Alles in allem war das in Silverstone ansässige Team jedoch ein klassischer Mittelfeldkandidat, wenngleich es ab Mitte der 90er eher im vorderen Mittelfeld zu finden war. 1997 hatten sie einen durchaus manierlichen Boliden konstruiert, welcher von Peugeot angetrieben wurde. Darüber hinaus gehörte das V10-Aggregat der Franzosen nun nicht unbedingt zu den schlechtesten Motoren der Serie! Betrachtet man die Phase der zweiten Hälfte des Jahrzehnts als Ganzes, so kann man eindeutig eine positive Entwicklung feststellen. Insgesamt befand sich das Team auf einem aufsteigenden Ast. Jene Episode sollte schließlich im Jahre 1999 kulminieren, als man mit Frentzen WM-Dritter wurde. Wenngleich das Auto 1997 zu WM-Platz 5 fähig war, bei 11 Teams durchaus beachtlich, kämpfte man - eigentlich wie die meisten zu jener Zeit - desöfteren mit der Haltbarkeit der lieben Technik.
1997 verlief für Giancarlo bis zum Wochenende am altehrwürdigen Hockenheimring relativ solide: Ein 4. Platz in San Marino, 6. in Monaco und schließlich ein 3. Platz in Montreal, sein erstes Podium überhaupt. Wenn er ins Ziel kam, dann war er stets unter den ersten 10. Ich brauche hier wohl niemandem zu erklären, daß es nur für die Positionen 1 bis 6 Punkte gab. Bei 22 Fahrzeugen einen Punkt in Monaco zu ergattern war eine durchaus imposante Leistung. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Damals hat man den einen Punkt, den es für Platz 6 gab, höher wertgeschätzt als den heutigen für P10.
Unmittelbar vor dem Großen Preis von Deutschland fanden in Monza Testläufe statt. Fisichella konnte dabei den zweiten Testtag auf dem lombardischen Hochgeschwindigkeitskurs für sich entscheiden: Ein Jordan führte das Klassement an - etwa ein Omen für das nicht weniger schnelle Hockenheim? Daß der Jordan jedenfalls nicht zu unterschätzen war, bewies am 4. Testtag Ralf Schumacher mit der schnellsten Rundenzeit.
Auch am Schreibtisch ging es für Fisichella vorwärts: Vor dem Großen Preis von Deutschland wurde bekannt, daß er für 1998 bei Benetton unterschrieb. Das Weltmeisterteam von 1995 hatte 1997 summa summarum das drittbeste Auto, hinter Williams und Ferrari. Ein Aufstieg, sollte man meinen. Doch Benetton befand sich längst in einer Abwärtsspirale - 1998 wird man nicht über P5 hinauskommen, ironischerweise sogar hinter Jordan, die von Peugeot auf Honda umsattelten. Diesen Wechsel zu beurteilen liegt mir an dieser Stelle allerdings fern.
In Hockenheim angekommen, zeigte Jordan relativ zügig, daß sie ein konkurrenzfähiges Paket an den Start gebracht hatten. Sowohl im ersten als auch im zweiten Freien Training landete ein gelber Bolide mit Schlangennase auf Platz 1. Fisichella hatte zu Beginn noch mit Problemen zu kämpfen, anders ließ sich sein Abschneiden auf P19 im 1. Training nicht erklären. Das zweite beendete er jedoch auf dem vierten Rang, 0.362 Sekunden hinter Ralf, allerdings noch vor dem späteren Rennsieger Berger sowie den WM-Kandidaten Schumacher und Villeneuve. Man durfte im Team also mit breiter Brust und einer Packung Optimismus in die heiße Phase des Wochenendes schreiten!
Am Samstag dann die kleine Sensation: Die Trainings waren keine Eintagsfliegen, nein, Fisichella sicherte sich tatsächlich Startplatz 2! Einzig dem Altmeister Gerhard Berger mußte er sich geschlagen geben, und das denkbar knapp. Die beiden trennten lediglich 0.023 Sekunden! Hinter seinem gelben Jordan reihten sich die Favoriten: Ein McLaren-Mercedes (Häkkinen), ein Ferrari (Schumacher) und ein Williams (Frentzen). Noch nie stand Fisichella so weit vorne und, ganz nebenbei bemerkt: Seinem Teamkollegen, der noch in den Trainings überzeugt hatte, nahm er satte 0.6 Sekunden ab. Ein Statement des jungen Italieners!
Wer nun dachte, Giancarlo würde - wie einst Rubens von der Pole aus startend - relativ schnell geschnupft werden, der sollte eines Besseren belehrt werden. Der Start war gelungen: Sowohl Berger als auch Fisico kamen gut vom Fleck. Lediglich Mika auf Rang drei hatte seine Probleme und wurde noch vor Kurve 1 von Michael überholt, der mit Geschwindigkeit bis ans Heck des Jordans herankam, sich aber hinter diesen einordnen mußte.

Die erste Gefahr mag zwar gebannt sein, doch die ewigen Waldgeraden mit den scheinbar endlosen Windschatten-Passagen lagen noch vor dem blau-gelb-roten Trio - und Schumacher war heiß auf den Heimsieg.
Vorne konnte sich Gerhard bereits in der ersten Runde um ein paar Wagenlängen absetzen, doch hinter dem Tiroler war es zeitweise knapp. Schumacher versuchte beinahe vor jeder Schikane am Jordan vorbeizukommen. Wie im Formationsflug schossen Fisichella und Schumacher ins Motodrom:

Selbst Häkkinen mußte ein Stück weit ablassen. Vor den Augen von 120.000 Fans ging es in die Sachskurve und über die Start-und-Ziel.
Die folgenden Runden waren vergleichsweise ruhig. Nach fünf Umläufen lag Berger ca. fünf Sekunden vor Fisichella, der wiederum hatte weniger als eine Sekunde Vorsprung auf Michael. Heute würde man sagen, Schumacher läge im DRS-Fenster. Halt, nein. Schumacher wäre längst per Knopfdruck vorbei. So war in Runde 5 bereits klar: Fisichella wird nicht zügig geschnupft, er wird nicht durchgereicht, er hält dem Druck stand, er begeht keinen Fehler. Nach 15 Runden ein ähnliches Bild: Berger lieferte souverän ab und lag zwölf Sekunden von dem Jordan, dieser weiterhin mit Schumacher im Schlepptau. Dahinter bereits ein größerer Abstand auf den McLaren-Mercedes von Mika Häkkinen. Villeneuve war im Nirgendwo.
Als Gerhard zum ersten Boxenstopp einbog übernahm Giancarlo zum ersten Mal in seiner Karriere die Führung eines Formel 1 Rennens.

Ganz ohne spontane Wetterkapriolen, ganz ohne Chaos und ganz ohne Pech des Gegners. Er fuhr das Rennen seines Lebens und war ein ernstzunehmender Kandidat für den Sieg. Wenngleich man an dieser Stelle nicht vergessen sollte, daß Berger ein fabelhaftes Rennen bestritt und bereinigt natürlich an erster Stelle lag. Aber wir wissen alle, daß Fortuna es nicht immer gut mit Formel 1 Fahrern meint. Daher konnte man Fisichella mit Recht die Chance auf einen Sensationssieg einräumen. Nach etwa 20 Runden lag Fisico immer noch in Führung, mittlerweile mit mehreren Längen Abstand zu Schumacher. Allerdings holte Berger mit mächtigen Schritten auf, entledigte sich seiner ersten Kontrahenten und lag zum genannten Zeitpunkt bereits keine 11 Sekunden mehr hinter Giancarlo, der natürlich noch zur Box mußte. Benetton wählte für dieses Rennen eine Zweistopp-Strategie, die unmittelbare Konkurrenz hingegen die Einstopp-Variante. Der Italiener spulte derweil besonnen seine Runden ab, so gut der leichter werdende Jordan mit den mehr als 20 Runden alten Reifen noch unterwegs sein konnte. Berger holte etwa eine Sekunde pro Runde auf, wodurch der Rückstand auf den Führenden nach 23 Runden nur noch 8.6 Sekunden betrug. Schumacher absolvierte in der Zwischenzeit seinen Stopp und jeder (auch das Kommentatoren-Duo) rechnete damit, daß Fisichella es dem Ferrari-Fahrer unmittelbar im Anschluss, also zur nächsten Runde, gleichtun würde. Doch dieser hatte freie Fahrt und wollte noch den letzten Tropfen Sprit aus dem Tank herauspressen. Er blieb noch zwei weitere Runden „draußen“. Daß Berger aufholte und im Zuge des gelben Boxenstopps erneut die Führung übernehmen würde, war für jeden ersichtlich. Allerdings ließ sich Fisichella dadurch nicht beirren oder gar in einen „Fehler hetzen“, wie es Motorsport-Total zu nennen vermochte. Noch nicht.
In Runde 24 fuhr Giancarlo schließlich zur Box.

Bedauerlicherweise blieb die Uhr bei 5.7 Sekunden stehen, obwohl die Standzeit fast doppelt so lange war. Damals durfte nachgetankt werden, weshalb bei einer Einstoppstrategie nicht selten zwischen acht und zehn Sekunden gestanden wurde. In jener Zeit galten Stopps zwischen sechs und sieben Sekunden als „schnell“ - die heutige TikTok-Fangeneration würde da leicht die Konzentration verlieren und umschalten. Der Stopp an sich verlief reibungslos und Fisico fuhr erwartungsgemäß auf P2 zurück ins Rennen, 16 bereinigte Sekunden hinter dem Spitzenreiter. Dahinter folgten Jean Alesi, der inzwischen auf Rang drei vorgefahren war, sowie Michael Schumacher. Beide duellierten sich mit einigen Sekunden Abstand zum Jordan.
Bei noch 20 zu fahrenden Runden war klar: Wenn nichts Unvorhergesehenes passiert, wird das ein zweiter Platz. Berger ist zu stark und zu mehr war der Jordan dann doch nicht in der Lage. Aber Rang 2 zu erstreiten und sich dabei gegen Schumacher zu behaupten, hätte für ihn nicht nur eine Nacht bedeutet, in der er gut geschlafen hätte. Es wäre vielmehr der Höhepunkt der noch jungen Karriere geworden und ein ganz großer Wink in Richtung Top-Teams, ungeachtet des bereits unterzeichneten Vertrages für 1998.
Nach etwa 28 Runden tat Ford das, was sie damals am besten konnten: In die Luft fliegen und ausrollen.

Ein Geschehen, das damals noch gänzlich ohne Safety-Car bereinigt wurde! Zuerst explodierte der Motor von Jan Magnussen, wenige Runden später jener von Rubens Barrichello. Im Grunde eine Randnotiz in einem Rennen, das schon alleine wegen der für 1997 untypischen Kräfteverhältnisse für Spannung sorgte. Doch die Auswirkungen waren weitreichende: Berger hätte eigentlich einen komfortablen Vorsprung auf Fisichella gehabt, um nach seinem zweiten Stopp vor ihm zu bleiben - wäre da nicht die Ford'sche Nebelwolke gewesen, die ihn der Sicherheit wegen auf der Geraden zum Abbremsen zwang. Das war das oben genannte Pech des Gegners, Fortuna ließ Berger im Stich. Dieser verlor in einer Runde mehr als vier Sekunden Vorsprung auf den Zweitplatzierten. Da nützte auch der rasante Stopp von 6.4 Sekunden nichts, Fisichella schoß mit überhöhter Geschwindigkeit an Berger vorbei und beschleunigte als Führender in den Wald hinein.


Das Bild, welches sich den Zuschauern ergab, war ein bereinigtes Klassement mit Giancarlo Fisichella auf dem ersten Platz, dicht gefolgt vom Benetton des Tirolers. Sehr dicht. Zu dicht.

Man wird Fisichella gesagt haben, daß Berger im Windschatten hinter ihm seine Chance wittern würde. Daß Berger, der an diesem Wochenende voller Emotionen war, den Sieg unbedingt erkämpfen wollte. Man wird ihm gesagt haben, daß niemand mehr zur Box kommen müßte. Daß es die tatsächliche Rennführung wäre, bei noch elf zu fahrenden Runden. So stelle ich mir den Druck vor, den Fisico in diesem Moment verspürte. Vielleicht hat er aber auch nur zu lange in den Spiegel geschaut. Wie auch immer, die Führung hielt nur zwei Geraden: Beim Anbremsen zur Ostkurve traf er den Scheitelpunkt nicht korrekt.

Dadurch verlor er Schwung durch die Kurvenkombination, Geschwindigkeit auf der Geraden und schließlich die Position an Berger - noch vor der Senna-Schikane.

Das „ooohhh“ von Marc Surer (16:36) war da bezeichnend. „Berger hat sich die Führung zurückgekämpft“ (O-Ton Jacques Schulz) mag zwar stimmen, da dieser ein tadelloses Rennen absolvierte und am Ende auch mehr als verdient gewann. Doch schlußendlich, bei all dem Glück und bei all dem Pech, lag er nur durch den einzigen Fehler des Italieners in Führung. Ein Fehler, der an und für sich noch nicht einmal brenzlig war, da Fisico den Jordan abfing und in der Kurve hielt. Ein Fehler, der ihm jedoch wohl den Sieg kostete. Surer beschrieb die Situation, als Antwort auf die Aussage Schulz', wie folgt: „Fisichella hat sie [die Führung] weggeworfen (...). Er hat uns eigentlich dieses Duell jetzt versaut, indem er sich vertan hat“. Direkt, nicht ganz zimperlich, aber nun einmal die Wahrheit.
Schade, doch Grund zur Trauer? Keineswegs, immerhin lag Fisichella auf Platz 2 und hatte Berger in Sichtweite. Bei noch sieben Runden zu fahren betrug der Rückstand etwas mehr als drei Sekunden. Es galt, das Auto heil ins Ziel zu bringen und das für ihn bis dato beste Ergebnis einzufahren. Schumacher lag ein gutes Stück hinter dem Italiener auf Rang 3. Es schien eine ruhige Schlussphase zu werden.
Dann kam natürlich das, was kommen mußte: Die höhere Gewalt des Motorsports wählte an diesem Tag den Jordan von Fisichella, genauer gesagt den linken Hinterreifen, als Opfergabe aus. Und wie sich der Akt in Szene setzte!

Bei mehr als 300 Stundenkilometern explodierte der Goodyear gar fast schon in Pirelli-Manier beim Anbremsen zur Agip Kurve, dem Eingang ins Motodrom.

Der kaum mehr manövrierfähige Bolide rutschte ins Kiesbett und Fisico tat sein Bestes, ihn unter Kontrolle zu halten.

Ihm gelang es, den havarierten Wagen in die Box zu retten und auf Rang 7 das Rennen wiederaufzunehmen. Doch die Luft war raus. Am Ende rollte der Jordan durch einen Defekt aus, den er sich vermutlich aufgrund der umherfliegenden Reifenteile einfing.

Ein glanzloses Scheitern nahm seinen Lauf im Deutschen Wald bei Hockenheim. Inzwischen fuhr der von den Massen gefeierte Berger seinen letzten Sieg ein, einen Sieg für die Geschichtsbücher. Fisichella blieb nahe der Clark-Schikane liegen und wurde in der Auslaufrunde von Michael per „Huckepack“ mitgenommen, wodurch eines der ikonischsten Bilder der Saison entstand.
Bei Rennende wurde Fisichella noch als 11. geführt, doch eine nüchterne Betrachtung des Ergebnisses wird ihm hier nicht gerecht. Ich wiederhole mich gerne: Fisico fuhr meines Erachtens das beste Rennen seiner Karriere. Bei insgesamt 231 absolvierten Rennen ist Hockenheim 1997 das erste, welches mir in den Sinn kommt, wenn ich an seine Laufbahn denke. Und ja, mitnichten war es seine einzige Sternstunde, immerhin stand er 19 Mal auf dem Podium und wurde 2006 WM-Vierter. So dürfte der Große Preis von Belgien im Jahre 2009 bei der Auflistung seiner Höhepunkte ebenfalls genannt werden. Oder Japan 2005, als er sich in der allerletzten Runde einem entfesselt fahrenden Kimi Räikkönen geschlagen geben mußte. Doch 2005 saß er, wie eingangs gesagt, im Top-Auto und war erfahren genug. Er wußte, wie man Akzente setzte, Rennen gewann und mit Druck umging. 2009 war er sogar ein Routinier - er, Rubens, Jarno Trulli und Ersatzmann Badoer waren die einzigen Fahrer, die noch in den 1990ern debütierten. 1997 war er hingegen noch fast grün hinter den Ohren, ein Jungspund in einem Mittelfeldteam. Ein Bursche, der sich in seinem 18. Formel 1 Rennen befand, vorher ganze zehn Mal die Zielflagge sah und sich in Hockenheim aus dem Nichts heraus in die erste Startreihe stellte. Dann im Rennen mit Gerhard-202-Rennstarts-Berger duellierte, gegen den zweifachen Weltmeister Schumacher bestand und am Ende des Tages einen Reifesprung nach vorne machte. Dabei schließlich eine Art „Fisichella-Moment“ kreierte, der so vielen jungen Fahrern von damals verwehrt blieb und ebenso vielen Fahrern von heute verwehrt bleiben wird.
Fisico ist kein ganz Großer der Rennfahrerzunft gewesen und war, selbst bei Renault, alles andere als ein Weltmeister-Aspirant. Stand er doch konsequent im Schatten von Alonso. Meiner Meinung nach ist er nicht einmal in den Top 20 der 1990er und 2000er (zusammengefasst) vertreten.
Aber: Ein Blick in seine Statistik genügt, um ihm allemal Respekt zu zollen: Siege, Podien und wenn das Auto lief, heimste er Punkte ein. Der perfekte Teamkollege eben, inklusive Hilfestellungen wie in Brasilien. War er insgesamt vielleicht „oberes Mittelmaß“? Entspricht seine Karriere einer 2-? Sei es drum, ich bin mir jedenfalls sicher, daß nicht wenige Fahrer überaus gerne mit ihm getauscht hätten.
Besonders gefreut hat es mich für ihn, daß er im Spätherbst seiner Formel 1-Laufbahn noch für Ferrari fahren konnte - als Italiener wohl die reinste Erfüllung. Anlaß war Massas Verletzung und die Tatsache, daß Badoer nicht überzeugte. An dieser Stelle hätte auch „fahren durfte“ gepaßt, immerhin stand Fisichella in Diensten von Force India. Doch dort hatte man glücklicherweise Nachsicht. Ich erinnere mich noch gut daran, wie sehr ihn der rote Rennanzug mit Stolz erfüllte. Für einen Vertrag 2010 hat es dann leider nicht gereicht, zumal Fernando anklopfte. Doch wieviele Piloten träumen davon, die eigene Karriere bei der Scuderia ausklingen zu lassen?
Wie auch immer. Hockenheim 1997 war nicht nur für Berger ein Grand Prix für die Ewigkeit, sondern auch für den sympathischen Italiener. Am Ende wirkte er etwas betrübt, trotz perfekter Frisur. Freilich hatte er an diesem Tag Grund zur Enttäuschung. Doch für ihn leuchtete das Morgenrot am Horizont. Er befand sich am Anfang seiner Karriere, er bewies Haltung trotz Scheitern und er kam in dieser Phase der Saison endgültig in der Königsklasse an. An ihn wird man sich auch in 50 Jahren noch erinnern, und ich allen voran an sein Geschick rund um den Großen Preis von Deutschland des Jahres 1997.

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Re: Das beste Rennen von...
Dem Barrichello lag SilverstoneRossoPerSempre hat geschrieben: ↑09.04.2023, 20:53 Rubens Barrichello - Silverstone 2003
Rubens, auch in der Saison 2003 bereits als Nummer 2 (bzw. selbstgenannte Nummer 1B) hinter Michael Schumacher verschien, machte in Silverstone recht schnell klar, an diesem Wochenende der schnellere der beiden Ferrari-Piloten zu sein. Dies stellte er u.a. mit der Pole-Position unter Beweis, über 6 Zehntel schneller als z.B. Schumacher.
Der Start ist Barrichello nicht so gut geglückt, fiel er gleich hinter der Renault-Startrakete Trulli und hinter dem McLaren von Räikkönen zurück, mutmaßlich auch aufgrund des schnelleren Reifenaufwärmens der Michelin-bereiften Teams. P2 von Räikkönen holte er sich allerdings recht bald nach einigen Runden zurück, mit einem bärenstarken Überholmanöver außen(!) in Abbey, welches noch nicht sein letztes an der Stelle gewesen sein wird.
Danach kam jene Szene, an die sich vermutlich jeder noch erinnern kann, der das Rennen gesehen hat: Ein "Fan" auf der Strecke, mitten auf der Hangar-Straight wo die Piloten an die 300km/h drauf haben. Es stellte sich später heraus, dass der "Fan" Neil Horan, ein irischer Ex-Priester war, welcher Parolen aus der Bibel zitierte und mit den Inschriften eine Streckeninvasion machen wollte. Horan machte auch später noch bei Sportveranstaltungen und der Politik auf sich aufmerksam, verweise dazu aber auf den Wiki-Artikel, da hier Offtopic.![]()
Die darauf folgende Safety Car-Phase nutzten die allermeisten Fahrer für einen Boxenstopp, was zu hektischem Treiben an der Box führte, wodurch Barrichello auf P8, Teamkollege Schumacher sogar auf P14 zurückfiel. Die beiden Toyota von Da Matta und Panis waren bereits vor der SC-Phase an der Box, wodurch sie erstmals in der Teamgeschichte eine Doppelführung in einem GP hatten. Nach Ende der SC-Phase blieben die Toyota auch noch kurzzeitig vorne, wobei die McLaren von Coulthard und insbesondere Räikkönen bereits rasch Druck nach vorne machen. Allerdings übt auch Barrichello von P8 weg rasch Druck aus, Firman im Jordan war gleich auf der ersten Runde nach dem SC dran, kurz darauf auch Ralf Schumacher, welchen er derart zur Kampflinie zwang, dass Barrichello ihn erneut in Abbey, und erneut außen(!) überholen konnte. Später war ebenso auch Trulli dran, womit Barrichello in Runde 26 bereits wieder auf P5 nach vorne gekommen ist, hinter Da Matta, Räikkönen, Panis und Coulthard. Kurz danach überholte Barrichello als auch der hinter ihm liegende Montoya fast gleichzeitig Panis, wodurch Rubens bereits auf P4 nach vorne kam, was sich rasch in P2 umwandelte, weil sowohl Coulthard als auch Da Matta für Sprit an die Box mussten.
Ab Rennhalbzeit entwickelte sich das Rennen zunehmend zum Zweikampf zwischen Kimi und Rubens, wobei der Finne zuerst an die Box musste, während der nun vorne liegende Brasilianer auf der Strecke mit dem leichteren Ferrari gezwungen war, die Boxenstopp-bereinigte Lücke zu schließen. In Runde 38 kam auch Barrichello an die Box, fiel dabei zwar hinter Räikkönen zurück, war aber bereits wieder in Schlagdistanz. Barrichello fuhr wie entfesselt, wodurch es bereits in Runde 42 von 60 soweit war: Rubens setzte Kimi bereits über zig Kurven hinweg unter Druck, dieser musste sich bereits von der Idealline weg auf Kampflinie umstellen. Diesmal konnte er sich zwar in Abbey vor Barrichello halten, dafür war er in Bridge gezwungen durch den Druck des Ferrari-Piloten zu schnell unterwegs, wodurch Räikkönen auf die Wiese kam, und Barrichello innen durchschlüpfen konnte. Ein wenig später musste Raikkönen auch Montoya durchlassen, wodurch der lange führende Finne nun auf P3 zurückgereicht wurde.
Barrichello währenddessen lässt bis zum Rennende absolut keinen Zweifel mehr an seinem insgesamt 6.GP-Sieg in der F1 aufkommen, welchen er vor Montoya, Räikkönen und auf P4 nach ebenso vielen Überholmanöver nach vorne gekommenen M.Schumacher feierte.
An diesem Tag, dem 20. Juli 2003 feierte Rubens Barrichello einen ohne überlegenem Ferrari aus eigener Kraft herausgefahrenen Sieg, gegen Rubens war an diesem Tag kein Kraut gewachsen, kein Juan-Pablo Montoya, kein Kimi Raikkönen, kein Fernando Alonso und auch kein zu dem Zeitpunkt 5-maliger F1-Weltmeister wie Michael Schumacher. Auch ein nicht optimaler Start und nichtmal ein irischer Ex-Priester konnte einen GP-Sieg von Barrichello verhindern. Zum Unterschied zu seinem ersten Sieg in Hockenheim 2000 etwa hat ihm die diesmalige Streckeninvasion in Sachen Renntaktik geschadet, wodurch er sich diesmal erst wieder durchs Feld pflügen musste. Zum weiteren Unterschied zu seinen GP-Siegen 2002 hatte er diesmal z.B. keinen überlegenen Ferrari als Untersatz, sondern musste sich selbst seine Gegner in gleichwertigem Material zurechtlegen, was er an diesem Tag fast weltmeisterlich zustande brachte.
Nach dem Rennen lag Barrichello in der WM mit 49 Punkten zwar "nur" auf Platz 5, allerdings waren Michael mit 69 Pkt., Kimi 62 Pkt., JPM mit 55 und Ralf mit 53 Punkten nicht weit weg von Rubens. Nicht wenige haben nach diesem bärenstarken Auftritt von Barrichello ab Silverstone sogar bereits von einem WM-Fünfkampf gesprochen. Die weitere Geschichte eines möglichen WM-Kampfs mit Beteiligung des Brasilianers verlief allerdings leider recht schnell wieder in den Sand. Aber das ist eine andere Geschichte...
2008 war auch ein Megarennen von ihm
Im absoluten unterlegenem Honda, stürmt er im Regen auf P3
Das gesamte Feld kreiselt vor sich hin, Massa 5 mal, Kimi 3 mal, Auch Hamilton drehte sich, Kubica und andere komplett von der Strecke
Aber Rubens als einziger mit Regenreifen, alle anderen spekulierten auf safe t car oder rote Flagge, stürmte aufs Podium
Half of me, you will never be
Re: Das beste Rennen von...
Wow, vielen Dank für die ausführlichen, tollen und interessanten Beiträge der letzten Tage und Wochen
Das war eine sehr schöne Lektüre!
Bei mir soll es heute um meinen Zweitlieblingsfahrer der 1990er Jahre gehen. Als kleiner, 11 Jahre alter Schumacher-Fan war die 1997er Saison für mich keine ganz einfache Zeit, hatte ich doch zuvor so ein bisschen einen Narren an Jacques Villeneuve gefressen. Mein Vater hatte mich mit der Formel-1-Geschichte über die Schumacher-Manie hinaus vertraut gemacht, indem ich seine Sammlung von Ulrich-Schwab-Jahrbüchern über die Formel 1 in den 70ern und 80ern verschlungen hatte. Ein Fahrer hatte dabei eine besondere Faszination bei mir hinterlassen: Gilles Villeneuve mit seinem draufgängerischen Fahrstil, seiner Fahrzeugbeherrschung, seinen nahezu unmöglich scheinenden Siegen (Jarama 1981!), der Begeisterung, die er bei den Tifosi entfachte, und schließlich seinem frühen Unfalltod.
Dass jetzt neuerdings der Sohn dieses Gilles Villeneuve in der Formel 1 antrat, nachdem er vorher blutjung bei den Indycars die Meisterschaft geholt hatte, fand ich aufregend! Und dann kam er, ein unbekümmerter und etwas vorlauter Schlacks mit Schlabberlook, 1996 in die Formel 1, fuhr gleich beim ersten Rennen in Melbourne Damon Hill um die Ohren und hätte ohne Ölleck sogar gewonnen - etwas Besseres konnte ich mir kaum vorstellen. Zudem fuhr Michael Schumacher in jenem Jahr schließlich noch nicht um den Titel, sodass Villeneuve keine so direkte Konkurrenz darstellte. Im folgenden Jahr sollte sich das ändern; trotzdem behielt ich in den nächsten Jahren eine gewisse Schwäche für den Frankokanadier und war traurig, dass das BAR-Projekt letztlich mit Ansage scheiterte und Villeneuves Karriere damit faktisch zuende war.
Trotzdem wollte ich den Fokus nochmal auf Villeneuves Debütsaison legen, die nach meinem Empfinden (und nach meiner subjektiven Erinnerung) seine beste war. Schließlich war er mit dem Indycartitel im Vorjahr sportlich auf einem Zenit und schlug in der Formel 1 ein wie eine Bombe. In einer Saison, die zu einem langweiligen Alleingang von Hill im überlegenen Williams-Renault zu werden drohte, war Villeneuve das Salz in der Suppe. Mit seinem aus meiner Sicht stärksten Rennen des Jahres (und vielleicht seiner Formel-1-Karriere) gelang es ihm, die Titelentscheidung bis ins letzte Rennen zu vertagen.
Ort und Zeit des Geschehens: Estoril, am 22. September 1996.
Damon Hill hat Villeneuve im Qualifying die Pole Position weggeschnappt. Die beiden WM-Rivalen und Teamkollegen trennen nur 9 Tausendstel. Der letzte große Showdown der beiden war im Abschlusstraining ausgeblieben, da es in den letzten Minuten angefangen hatte zu regnen. Abseits der Strecke ist längst klar, dass Hill im Williams-Team die Sympathien der beiden Bosse, Frank Williams und Patrick Head, verspielt hat, bereits wegen der schwachen Gesamtleistung im Vorjahr, aber auch, weil er sich gegen den Frankokanadier sichtlich schwer tut. Seinen Platz wird Frentzen erhalten, erklärter Wunschkandidat des Teamchefs mit Villeneuve als neuem Teamleader. Dass letzterer die Nerven für einen engen Titelkampf hat, zeigt er spätestens in Estoril.
Am Start wird Villeneuve von Blitzstarter Alesi abgekocht und musste sich zu allem Überfluss außerdem Schumacher geschlagen geben. Damon Hill konnte seine Pole Position verteidigen und konnte in die erste Kurve hinein den anstürmenden Alesi niederringen. Nun konnte ihn offenbar nichts mehr aufhalten und er setzte sich Runde um Runde vom Feld ab. Noch schien es, als könne Hill seinen Matchball zur Meisterschaft bereits in Portugal verwandeln.
Weiter hinten kämpfte Villeneuve an Platz 4 mit Schumacher, der sich ohne besondere Rücksicht auf die Meisterschaftsbestrebungen seines Gegners breit machte. Überholen ist in Estoril traditionell quasi unmöglich: Die Gerade ist ein Quäntchen zu kurz, das Infield zu verwinkelt. Ein Überraschungsmanöver musste also her, und die schon sehr bald anstehenden Überrundungen boten vielleicht eine Chance.
Das Duo läuft auf den Minardi von Giovanni Lavaggi auf, seines Zeichens der vielleicht langsamste Fahrer der 90er Jahre in seinem siebten und letzten Rennen. Er hatte sich mit sagenhaften 1,1 Sekunden Rückstand auf Teamkollegen Pedro Lamy gerade so qualifiziert und rollt nun auf die letzte Kurve, die "Parabolica" zu, als er Zeuge des Überholmanövers des Jahres wurde.
Die Parabolica ähnelt der gleichnamigen Kurve in Monza in geometrischer Form und Kurvencharakter, ist aber noch etwas schneller als ihre italienische Schwester und außerdem leicht überhöht. Im Training zum Rennen hatte Jacques Villeneuve eine angeregte Diskussion mit seinem Renningenieur geführt. Der Frankokanadier insistierte, dass man die Kurve mit Vollgas durchfahren könne (was in Monza zu einem Horrorunfall führen würde) und dass man zudem - ausgerechnet dort! - überholen könne. Die Williams-Ingenieure antworteten sinngemäß, dass sie dann zur Stelle sein würden, um Villeneuve von der Leitplanke zu kratzen, wenn er dies versuchen würde. Villeneuve bleibt dabei: Nein, dies würde sicher funktionieren - und denkt dabei an seine Erfahrungen in Amerika, als er im Oval reihenweise Autos auf der Außenbahn überholt hat.
Schumacher bewegt sich also innen auf die Kurve zu, steckt aber hinter dem Minardi fest, Villeneuve noch dahinter im Windschatten. Plötzlich kommt links außen neben Schumacher die Williams-Nase ins Bild, dann Vorderreifen und Helm des Kanadiers. Wenn Schumacher jetzt Gegenwehr leistet, ist der Horrorcrash vorprogrammiert. Doch Villeneuve zieht seine Linie unwiderstehlich durch, und als die Kurve sich zur Start-Ziel-Geraden öffnet, ist er vorbei.

Es ist das Sensationsmanöver des Jahres, an das sich garantiert noch viele Formel-1-Fans lange erinnern - doch das Rennen ist noch längst nicht gewonnen. Weiterhin deutet alles auf einen Damon-Hill-Sieg hin, der damit automatisch als Weltmeister feststünde. Doch Villeneuve kämpft wie ein Löwe. Williams holt ihn schon in der 18. Runde zum Boxenstopp rein; der Plan ist, damit einen Undercut gegen Alesi zu schaffen, dem er auf Rang 2 immer näher kommt - aber ein langwieriger Zweikampf auf der Strecke kostet Zeit und ist gegen den mit allen Wassern gewaschenen Franzosen gefährlich. Die Strategie geht auf. Als Alesi Runden später reinkommt und wieder aus der Box fährt, hat er nicht nur gegen Villeneuve, sondern sogar noch gegen Schumacher das Nachsehen.
Der Kanadier kann sich nun auf Hill konzentrieren, der mit 15 Sekunden Vorsprung führt. Das Polster scheint solide zu sein, doch Hill ist immer wieder damit aufgefallen, bei Überrundungen sehr zaghaft zu Werke zu gehen. So auch in Estoril. Als er auf einen Pulk aus Hinterbänklern aufläuft und Katayama und Rosset sich vor ihm beharken, zögert er und verliert gegen den von hinten anstürmenden Villeneuve ganze sechs Sekunden in einer einzigen Runde. Zwar muss anschließend auch sein Kontrahent durch den Verkehr und verliert wieder etwas Zeit auf den Briten, doch nach den nächsten Boxenstopps mit langsamen In- und Outlaps von Hill hat sich der Vorsprung in Luft aufgelöst.
Der nächste Stint sieht die beiden Williams in engem Formationsflug, Villeneuve immer im Lauermodus hinter dem amtierenden Vizeweltmeister. Der Kanadier hat alles zu verlieren und will keinen direkten Zweikampf riskieren aus Sorge darum, dass dann die Reifen in die Knie gehen. Es kommt auf die letzte Runde der Boxenstopps an, dem restlichen Feld sind die beiden längst weit enteilt.
Zuerst kommt Hill zum Reifenwechsel. In der Inlap ist er diesmal schneller als beim ersten Stopp und schenkt Villeneuve keinen Zentimeter. Als er jedoch auf neuen Pneus aus der Box kommt, hat er Schwierigkeiten, die Reifen auf Temperatur zu bringen. Villeneuve fährt an die Box. Hill bringt die Outlap in der Hoffnung zuende, dass es trotzdem reicht, da sieht er jedoch, wie vor ihm ein Auto aus der Boxengasse herausschießt. Zunächst denkt er noch, es sei ein Tyrrell, doch dann sieht er das unverkennbare Rothmans-Logo - Villeneuve hat es geschafft.

Nun fliegt er Richtung Ziel. Hill merkt sofort, dass gegen den Kanadier nun kein Kraut mehr gewachsen ist. Zu allem Überfluss kündigt sich nun noch ein Defekt an: Die Box vermeldet ein Getriebeproblem, das sich in den Telemetriedaten ankündigt. Hill gibt den Kampf nach vorne auf und beschließt, das Auto wenigstens auf dem zweiten Platz ins Ziel zu tragen.
Villeneuve fährt seinen vierten Grand-Prix-Sieg schließlich ungefährdet nach Hause und hält die WM offen in einer Manier, die nicht zum ersten Mal für Staunen über den Kanadier sorgt. Mit dem Überholmanöver gegen Schumacher ist klar: Hier ist ein Typ in der Formel 1, der vor keinem etablierten Fahrer und vor keinem Weltmeister Respekt hat und nicht antritt, um sich hinter den Platzhirschen einzureihen. Spätestens in Estoril ist vorgezeichnet, dass er der Kontrahent Nr. 1 sein würde, gegen den Schumacher würde kämpfen müssen, wenn er mit dem Ferrari endlich auch wieder um den Titel fahren könnte.
Gerade weil ich in Bezug auf dieses berühmte Überholmanöver mit beiden beteiligten Piloten mitfieberte, hat sich mir die Erinnerung an dieses Rennen eingebrannt. Im folgenden Jahr galten meine Sympathien dann natürlich wieder Schumacher, und ich war bitter enttäuscht, wie die Saison 1997 in Jerez zuende ging. Langfristig konnte ich mit einem Weltmeister Jacques Villeneuve aber gut leben und finde bis heute, dass er in der Rückschau zu den unterschätzten Fahrern der 90er Jahre gehörte, weil seine Karriere in den darauffolgenden Jahren eben so unrühmlich versandete. Nicht nur, aber vor allem das Rennen in Estoril sollte alle Zweifel an seiner fahrerischen Klasse beseitigen.

Bei mir soll es heute um meinen Zweitlieblingsfahrer der 1990er Jahre gehen. Als kleiner, 11 Jahre alter Schumacher-Fan war die 1997er Saison für mich keine ganz einfache Zeit, hatte ich doch zuvor so ein bisschen einen Narren an Jacques Villeneuve gefressen. Mein Vater hatte mich mit der Formel-1-Geschichte über die Schumacher-Manie hinaus vertraut gemacht, indem ich seine Sammlung von Ulrich-Schwab-Jahrbüchern über die Formel 1 in den 70ern und 80ern verschlungen hatte. Ein Fahrer hatte dabei eine besondere Faszination bei mir hinterlassen: Gilles Villeneuve mit seinem draufgängerischen Fahrstil, seiner Fahrzeugbeherrschung, seinen nahezu unmöglich scheinenden Siegen (Jarama 1981!), der Begeisterung, die er bei den Tifosi entfachte, und schließlich seinem frühen Unfalltod.
Dass jetzt neuerdings der Sohn dieses Gilles Villeneuve in der Formel 1 antrat, nachdem er vorher blutjung bei den Indycars die Meisterschaft geholt hatte, fand ich aufregend! Und dann kam er, ein unbekümmerter und etwas vorlauter Schlacks mit Schlabberlook, 1996 in die Formel 1, fuhr gleich beim ersten Rennen in Melbourne Damon Hill um die Ohren und hätte ohne Ölleck sogar gewonnen - etwas Besseres konnte ich mir kaum vorstellen. Zudem fuhr Michael Schumacher in jenem Jahr schließlich noch nicht um den Titel, sodass Villeneuve keine so direkte Konkurrenz darstellte. Im folgenden Jahr sollte sich das ändern; trotzdem behielt ich in den nächsten Jahren eine gewisse Schwäche für den Frankokanadier und war traurig, dass das BAR-Projekt letztlich mit Ansage scheiterte und Villeneuves Karriere damit faktisch zuende war.
Trotzdem wollte ich den Fokus nochmal auf Villeneuves Debütsaison legen, die nach meinem Empfinden (und nach meiner subjektiven Erinnerung) seine beste war. Schließlich war er mit dem Indycartitel im Vorjahr sportlich auf einem Zenit und schlug in der Formel 1 ein wie eine Bombe. In einer Saison, die zu einem langweiligen Alleingang von Hill im überlegenen Williams-Renault zu werden drohte, war Villeneuve das Salz in der Suppe. Mit seinem aus meiner Sicht stärksten Rennen des Jahres (und vielleicht seiner Formel-1-Karriere) gelang es ihm, die Titelentscheidung bis ins letzte Rennen zu vertagen.
Ort und Zeit des Geschehens: Estoril, am 22. September 1996.
Damon Hill hat Villeneuve im Qualifying die Pole Position weggeschnappt. Die beiden WM-Rivalen und Teamkollegen trennen nur 9 Tausendstel. Der letzte große Showdown der beiden war im Abschlusstraining ausgeblieben, da es in den letzten Minuten angefangen hatte zu regnen. Abseits der Strecke ist längst klar, dass Hill im Williams-Team die Sympathien der beiden Bosse, Frank Williams und Patrick Head, verspielt hat, bereits wegen der schwachen Gesamtleistung im Vorjahr, aber auch, weil er sich gegen den Frankokanadier sichtlich schwer tut. Seinen Platz wird Frentzen erhalten, erklärter Wunschkandidat des Teamchefs mit Villeneuve als neuem Teamleader. Dass letzterer die Nerven für einen engen Titelkampf hat, zeigt er spätestens in Estoril.
Am Start wird Villeneuve von Blitzstarter Alesi abgekocht und musste sich zu allem Überfluss außerdem Schumacher geschlagen geben. Damon Hill konnte seine Pole Position verteidigen und konnte in die erste Kurve hinein den anstürmenden Alesi niederringen. Nun konnte ihn offenbar nichts mehr aufhalten und er setzte sich Runde um Runde vom Feld ab. Noch schien es, als könne Hill seinen Matchball zur Meisterschaft bereits in Portugal verwandeln.
Weiter hinten kämpfte Villeneuve an Platz 4 mit Schumacher, der sich ohne besondere Rücksicht auf die Meisterschaftsbestrebungen seines Gegners breit machte. Überholen ist in Estoril traditionell quasi unmöglich: Die Gerade ist ein Quäntchen zu kurz, das Infield zu verwinkelt. Ein Überraschungsmanöver musste also her, und die schon sehr bald anstehenden Überrundungen boten vielleicht eine Chance.
Das Duo läuft auf den Minardi von Giovanni Lavaggi auf, seines Zeichens der vielleicht langsamste Fahrer der 90er Jahre in seinem siebten und letzten Rennen. Er hatte sich mit sagenhaften 1,1 Sekunden Rückstand auf Teamkollegen Pedro Lamy gerade so qualifiziert und rollt nun auf die letzte Kurve, die "Parabolica" zu, als er Zeuge des Überholmanövers des Jahres wurde.
Die Parabolica ähnelt der gleichnamigen Kurve in Monza in geometrischer Form und Kurvencharakter, ist aber noch etwas schneller als ihre italienische Schwester und außerdem leicht überhöht. Im Training zum Rennen hatte Jacques Villeneuve eine angeregte Diskussion mit seinem Renningenieur geführt. Der Frankokanadier insistierte, dass man die Kurve mit Vollgas durchfahren könne (was in Monza zu einem Horrorunfall führen würde) und dass man zudem - ausgerechnet dort! - überholen könne. Die Williams-Ingenieure antworteten sinngemäß, dass sie dann zur Stelle sein würden, um Villeneuve von der Leitplanke zu kratzen, wenn er dies versuchen würde. Villeneuve bleibt dabei: Nein, dies würde sicher funktionieren - und denkt dabei an seine Erfahrungen in Amerika, als er im Oval reihenweise Autos auf der Außenbahn überholt hat.
Schumacher bewegt sich also innen auf die Kurve zu, steckt aber hinter dem Minardi fest, Villeneuve noch dahinter im Windschatten. Plötzlich kommt links außen neben Schumacher die Williams-Nase ins Bild, dann Vorderreifen und Helm des Kanadiers. Wenn Schumacher jetzt Gegenwehr leistet, ist der Horrorcrash vorprogrammiert. Doch Villeneuve zieht seine Linie unwiderstehlich durch, und als die Kurve sich zur Start-Ziel-Geraden öffnet, ist er vorbei.

Es ist das Sensationsmanöver des Jahres, an das sich garantiert noch viele Formel-1-Fans lange erinnern - doch das Rennen ist noch längst nicht gewonnen. Weiterhin deutet alles auf einen Damon-Hill-Sieg hin, der damit automatisch als Weltmeister feststünde. Doch Villeneuve kämpft wie ein Löwe. Williams holt ihn schon in der 18. Runde zum Boxenstopp rein; der Plan ist, damit einen Undercut gegen Alesi zu schaffen, dem er auf Rang 2 immer näher kommt - aber ein langwieriger Zweikampf auf der Strecke kostet Zeit und ist gegen den mit allen Wassern gewaschenen Franzosen gefährlich. Die Strategie geht auf. Als Alesi Runden später reinkommt und wieder aus der Box fährt, hat er nicht nur gegen Villeneuve, sondern sogar noch gegen Schumacher das Nachsehen.
Der Kanadier kann sich nun auf Hill konzentrieren, der mit 15 Sekunden Vorsprung führt. Das Polster scheint solide zu sein, doch Hill ist immer wieder damit aufgefallen, bei Überrundungen sehr zaghaft zu Werke zu gehen. So auch in Estoril. Als er auf einen Pulk aus Hinterbänklern aufläuft und Katayama und Rosset sich vor ihm beharken, zögert er und verliert gegen den von hinten anstürmenden Villeneuve ganze sechs Sekunden in einer einzigen Runde. Zwar muss anschließend auch sein Kontrahent durch den Verkehr und verliert wieder etwas Zeit auf den Briten, doch nach den nächsten Boxenstopps mit langsamen In- und Outlaps von Hill hat sich der Vorsprung in Luft aufgelöst.
Der nächste Stint sieht die beiden Williams in engem Formationsflug, Villeneuve immer im Lauermodus hinter dem amtierenden Vizeweltmeister. Der Kanadier hat alles zu verlieren und will keinen direkten Zweikampf riskieren aus Sorge darum, dass dann die Reifen in die Knie gehen. Es kommt auf die letzte Runde der Boxenstopps an, dem restlichen Feld sind die beiden längst weit enteilt.
Zuerst kommt Hill zum Reifenwechsel. In der Inlap ist er diesmal schneller als beim ersten Stopp und schenkt Villeneuve keinen Zentimeter. Als er jedoch auf neuen Pneus aus der Box kommt, hat er Schwierigkeiten, die Reifen auf Temperatur zu bringen. Villeneuve fährt an die Box. Hill bringt die Outlap in der Hoffnung zuende, dass es trotzdem reicht, da sieht er jedoch, wie vor ihm ein Auto aus der Boxengasse herausschießt. Zunächst denkt er noch, es sei ein Tyrrell, doch dann sieht er das unverkennbare Rothmans-Logo - Villeneuve hat es geschafft.

Nun fliegt er Richtung Ziel. Hill merkt sofort, dass gegen den Kanadier nun kein Kraut mehr gewachsen ist. Zu allem Überfluss kündigt sich nun noch ein Defekt an: Die Box vermeldet ein Getriebeproblem, das sich in den Telemetriedaten ankündigt. Hill gibt den Kampf nach vorne auf und beschließt, das Auto wenigstens auf dem zweiten Platz ins Ziel zu tragen.
Villeneuve fährt seinen vierten Grand-Prix-Sieg schließlich ungefährdet nach Hause und hält die WM offen in einer Manier, die nicht zum ersten Mal für Staunen über den Kanadier sorgt. Mit dem Überholmanöver gegen Schumacher ist klar: Hier ist ein Typ in der Formel 1, der vor keinem etablierten Fahrer und vor keinem Weltmeister Respekt hat und nicht antritt, um sich hinter den Platzhirschen einzureihen. Spätestens in Estoril ist vorgezeichnet, dass er der Kontrahent Nr. 1 sein würde, gegen den Schumacher würde kämpfen müssen, wenn er mit dem Ferrari endlich auch wieder um den Titel fahren könnte.
Gerade weil ich in Bezug auf dieses berühmte Überholmanöver mit beiden beteiligten Piloten mitfieberte, hat sich mir die Erinnerung an dieses Rennen eingebrannt. Im folgenden Jahr galten meine Sympathien dann natürlich wieder Schumacher, und ich war bitter enttäuscht, wie die Saison 1997 in Jerez zuende ging. Langfristig konnte ich mit einem Weltmeister Jacques Villeneuve aber gut leben und finde bis heute, dass er in der Rückschau zu den unterschätzten Fahrern der 90er Jahre gehörte, weil seine Karriere in den darauffolgenden Jahren eben so unrühmlich versandete. Nicht nur, aber vor allem das Rennen in Estoril sollte alle Zweifel an seiner fahrerischen Klasse beseitigen.
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Re: Das beste Rennen von...
@Plauze: Portugal 96 ist für mich ebenfalls das beste Rennen von Jaques Villeneuve und eines der coolsten Überholmanöver der 90er Jahre. Das Überholmanöver hatte ähnlichen Charakter wie das von Nigel Mansell, der in der Außenbahn der gefürchteten Peraltada Kurve beim Mexiko GP 1990 Gerhard Berger überholte.
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Viele Leute kritisieren, die Formel 1 sei ein unnötiges Risiko. Aber was wäre das Leben, wenn wir immer nur das Nötige tun würden? - Niki Lauda -
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Re: Das beste Rennen von...

Ein "Danke schön" für Eure äußerst interessanten & ausführlichen Beiträge!

Das Folgende ist an dieser Stelle zwar nicht das eigentliche Thema, möchte ich aber trotzdem kurz erwähnen:
Überholmanöver auf der Innenbahn (also ein "Reinstechen" - RIC war diesbezüglich damals richtig stark) sind das Eine.
Die wirklich tollen, sehenswerten & riskanten Überholmanöver jedoch finden (für mich persönlich) auf der Außenbahn statt.
Piquet vs Senna 1986 in Ungarn (https://www.youtube.com/watch?v=4v_2lfrzM0o) ab Minute 1:00 ist so ein Beispiel...
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Re: Das beste Rennen von...
@Pentar: Das Überholmanöver von Piquet gegen Senna beim Ungarn GP 86 ist für mich eines der besten überhaupt.
Womit wir ja eigentlich wieder beim Thema wären, Ungarn 1986 könnte womöglich Nelson Piquets bestes Rennen gewesen sein?!
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Re: Das beste Rennen von...
Nick Heidfeld
Silverstone 2008:
Allgemein kann zu diesem Rennen gesagt werden, dass das Podium in Silverstone 2008 von den in diesem Rennen stärksten Fahrern gebildet wurde und das mit Abstand. Da aber Hamilton noch fährt und somit hier noch nicht über sein bestes Rennen geschrieben werden darf, was für mich übrigens nicht Silverstone 2008 ist, aber dazu wenn es soweit ist und Barrichellos beste Rennen schon beschrieben wurden, bleibt der Dritte im Bunde.
Nick Heidfelds 2008er Saison verläuft für ihn, trotz zweier zweite Plätze, persönlich bisher enttäuschend. Kubica läuft ihm als aktueller Shootingstar klar den Rang sowohl in der Quali als auch in den Rennen ab, was seinen Höhepunkt in Montreal hatte, als er sich eben genau hinter Kubica auf Rang zwei anstellen musste. Das Zitat "Der Zweite ist der erste Verlierer" war wohl für Heidfeld noch nie so wahr, wie an jenem Renntag in Montreal.
Nach einem erneut enttäuschenden Rennwochende in Magny Cours, wo Heidfeld nur 13ter wurde, geht es nun nach Silverstone.
Dort sieht es nach einem starken fünften Platz in der Qualifikation unmittelbar hinter Hamilton schonmal deutlich rosiger für Heidfeld aus, als in den meisten bisherigen Rennen davor.
Am Renntag gibt es dazu auch noch Regen, was die Spannung und Hoffnung vieler Fahrer und vorallem der Zuschauer zusätzlich erhöht. Zu diesem Zeitpunkt ahnte noch niemand, was für eine Dreherorgie uns bevorstehen würde.
Der Start verläuft für Heidfeld, der seine Position halten kann, ziemlich unspektakulär und wirkt dazu noch geradezu handzahm im Vergleich zu Hamilton, welcher direkt von Platz vier aus unter frenetischem Jubel des Heimpublikums direkt nach der Führung greift, sich aber vorerst Kovalainen beugen muss.
Hamilton macht direkt seine Ambitionen deutlich und jedem wird klar, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis dieser die Führung übernehmt, was wenig später auch geschieht. Hinten geht es aber direkt richtig zur Sache. Direkt in der ersten Runde drehen sich Webber und Massa. Bei Letzterem ist es der erste von insgesamt fünf Drehern in diesem Rennen. Auch Kovalainen dreht sich raus, nachdem er bereits die Führung an seinem Teamkollegen abtreten musste.
Vettel und Coulthard drehen sich synchron an der gleichen Kurve von der Strecke und scheiden aus. Sutil fliegt ebenfalls quer über die Piste ins Aus. Schnell wird klar das eine fehlerfreie Leistung, kombiniert mit den richtigen Entscheidungen zu einem starken Resultat führen kann. Auch Hamilton muss einmal durchs Gras, aber dieser Fehler kostet ihn in Summe gar nichts und sollte auch sein Einziger bleiben.
Während alle um ihn herum mit den Bedingungen kämpfen, behält Heidfeld einen kühlen Kopf und fährt routiniert sein Rennen. Im Zuge der Boxenstopps fällt er hinter Glock und Alonso zurück auf die er nun aufläuft. In der Kurvenkombination kurz vor Start und Ziel setzt er dann zum Überholmanöver gegen Glock an und packt sich dabei gleich auch noch Alonso, den er dabei fast wie einen Rookie aussehen lässt. Das Rennen wird vom Regen und dessen Intensität bestimmt. Müssen jetzt die richtigen Regenreifen aufgezogen werden, oder reichen die Intermediates und wenn Inters reichen, neue oder die alten drauflassen? Diese Frage beschäftigt die Teams das ganze Rennen über und sorgt für unglaubliche Spannung, während Massa sich praktisch komplett aus der Entscheidung um Punkte rausdreht. Räikkönen wird genau dieser Poker zum Verhängnis, da bei seinem Stop die Inters draufgelassen, während Sie bei Hamilton zeitgleich gewechselt wurden und er nun dramatisch an Zeit gegenüber diesen verliert. Kovalainen holt infolgedessen auf und will ihm Platz Zwei wieder abluchsen, doch Kovalainen kommt nicht allein.
Direkt hinter ihm befindet sich Heidfeld auf Platz vier. Erneut geht es in die Kombination Brooklands, Luffield und Woodcote vor Start und Ziel. Kovalainen greift Raikkönen Ausgangs Luffield an und wird dabei nach außen getragen. Heidfeld nutzt diese Lücke aus und zieht erneut an zwei Autos auf einmal vorbei und erobert so Platz zwei und beginnt sich sogar von seinen Verfolgern abzusetzen. Später im Rennen versenkt Kubica, der im Vergleich zu Heidfeld auf keinen grünen Zweig kommt, seinen BMW ebenfalls mittels Dreher in den Kies, wie schon so Einige vor ihm.
Trotz zweier sensationeller Manöver und Platz Zwei hinter einem dominierenden Lewis Hamilton, ist für Heidfeld noch nicht alles in trockenen Tüchern. Im Zuge der sich wechselnden Intensität des Regens, bekommt Heidfeld plötzlich in der Schlussphase noch überraschend Konkurrenz in Form des beherzt fahrenden Rubens Barrichello, der genau im richtigen Moment auf die Regenreifen gewechselt und enorm an Boden gut gemacht hat. Dieser schafft es sogar, dank der besseren Bereifung Heidfeld zu überholen, muss sich diesem am Ende doch geschlagen geben, da ein Problem beim Nachtanken einen weiteren Boxenstopp Barrichellos zur Folge hat, wodurch Heidfeld Platz Zwei wieder übernehmen und ins Ziel bringen kann.
Leider geht diese großartige Leistung in der Rückschau immer durch den Hamilton-Sieg unter.

Hier nochmal zum Genießen die Highliights des Rennens.
https://youtu.be/c0QHZZlsKCw
Abschließend möchte ich gerne festhalten, dass ich in Heidfeld den besten Fahrer sehe, der nie ein Rennen gewinnen konnte und der meiner Meinung nach rein fahrerisch viele GP-Sieger der Geschichte hinter sich lässt, wenn es um das Talent und die Konstanz geht. Ich denke da zum Beispiel an einen Trulli, Maldonado, Panis, Herbert, Kovalainen oder Alesi. Einem Webber, Ralf Schumacher, Frentzen, Irvine, Barrichello, Massa, Coulthard oder Montoya ist er nicht so klar unterlegen, wie man es anhand der Statistik wahrscheinlich heute herleiten würde.
Viele seiner Podien sind mit einer Leistung herausgefahren worden, die eben so gut war, dass man die Verdientheit des Sieges nicht hätte absprechen können, selbst wenn er durch einen Ausfall des Führenden, den Sieg abgestaubt hätte. Jene Leistung in Silverstone 2008 gehört zweifelsfrei zu genau diesen und ein mit technischem Defekt ausscheidender Hamilton, hätte nicht automatisch Heidfeld zu einem unverdienten Sieger gemacht.
Da gibt es andere Kandidaten, welche da mit deutlich mehr Glück gesegnet gewesen sind, was das angeht.
Ja, ich schaue dich an Johnny Herbert.
Silverstone 2008:
Allgemein kann zu diesem Rennen gesagt werden, dass das Podium in Silverstone 2008 von den in diesem Rennen stärksten Fahrern gebildet wurde und das mit Abstand. Da aber Hamilton noch fährt und somit hier noch nicht über sein bestes Rennen geschrieben werden darf, was für mich übrigens nicht Silverstone 2008 ist, aber dazu wenn es soweit ist und Barrichellos beste Rennen schon beschrieben wurden, bleibt der Dritte im Bunde.
Nick Heidfelds 2008er Saison verläuft für ihn, trotz zweier zweite Plätze, persönlich bisher enttäuschend. Kubica läuft ihm als aktueller Shootingstar klar den Rang sowohl in der Quali als auch in den Rennen ab, was seinen Höhepunkt in Montreal hatte, als er sich eben genau hinter Kubica auf Rang zwei anstellen musste. Das Zitat "Der Zweite ist der erste Verlierer" war wohl für Heidfeld noch nie so wahr, wie an jenem Renntag in Montreal.
Nach einem erneut enttäuschenden Rennwochende in Magny Cours, wo Heidfeld nur 13ter wurde, geht es nun nach Silverstone.
Dort sieht es nach einem starken fünften Platz in der Qualifikation unmittelbar hinter Hamilton schonmal deutlich rosiger für Heidfeld aus, als in den meisten bisherigen Rennen davor.
Am Renntag gibt es dazu auch noch Regen, was die Spannung und Hoffnung vieler Fahrer und vorallem der Zuschauer zusätzlich erhöht. Zu diesem Zeitpunkt ahnte noch niemand, was für eine Dreherorgie uns bevorstehen würde.
Der Start verläuft für Heidfeld, der seine Position halten kann, ziemlich unspektakulär und wirkt dazu noch geradezu handzahm im Vergleich zu Hamilton, welcher direkt von Platz vier aus unter frenetischem Jubel des Heimpublikums direkt nach der Führung greift, sich aber vorerst Kovalainen beugen muss.
Hamilton macht direkt seine Ambitionen deutlich und jedem wird klar, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis dieser die Führung übernehmt, was wenig später auch geschieht. Hinten geht es aber direkt richtig zur Sache. Direkt in der ersten Runde drehen sich Webber und Massa. Bei Letzterem ist es der erste von insgesamt fünf Drehern in diesem Rennen. Auch Kovalainen dreht sich raus, nachdem er bereits die Führung an seinem Teamkollegen abtreten musste.
Vettel und Coulthard drehen sich synchron an der gleichen Kurve von der Strecke und scheiden aus. Sutil fliegt ebenfalls quer über die Piste ins Aus. Schnell wird klar das eine fehlerfreie Leistung, kombiniert mit den richtigen Entscheidungen zu einem starken Resultat führen kann. Auch Hamilton muss einmal durchs Gras, aber dieser Fehler kostet ihn in Summe gar nichts und sollte auch sein Einziger bleiben.
Während alle um ihn herum mit den Bedingungen kämpfen, behält Heidfeld einen kühlen Kopf und fährt routiniert sein Rennen. Im Zuge der Boxenstopps fällt er hinter Glock und Alonso zurück auf die er nun aufläuft. In der Kurvenkombination kurz vor Start und Ziel setzt er dann zum Überholmanöver gegen Glock an und packt sich dabei gleich auch noch Alonso, den er dabei fast wie einen Rookie aussehen lässt. Das Rennen wird vom Regen und dessen Intensität bestimmt. Müssen jetzt die richtigen Regenreifen aufgezogen werden, oder reichen die Intermediates und wenn Inters reichen, neue oder die alten drauflassen? Diese Frage beschäftigt die Teams das ganze Rennen über und sorgt für unglaubliche Spannung, während Massa sich praktisch komplett aus der Entscheidung um Punkte rausdreht. Räikkönen wird genau dieser Poker zum Verhängnis, da bei seinem Stop die Inters draufgelassen, während Sie bei Hamilton zeitgleich gewechselt wurden und er nun dramatisch an Zeit gegenüber diesen verliert. Kovalainen holt infolgedessen auf und will ihm Platz Zwei wieder abluchsen, doch Kovalainen kommt nicht allein.
Direkt hinter ihm befindet sich Heidfeld auf Platz vier. Erneut geht es in die Kombination Brooklands, Luffield und Woodcote vor Start und Ziel. Kovalainen greift Raikkönen Ausgangs Luffield an und wird dabei nach außen getragen. Heidfeld nutzt diese Lücke aus und zieht erneut an zwei Autos auf einmal vorbei und erobert so Platz zwei und beginnt sich sogar von seinen Verfolgern abzusetzen. Später im Rennen versenkt Kubica, der im Vergleich zu Heidfeld auf keinen grünen Zweig kommt, seinen BMW ebenfalls mittels Dreher in den Kies, wie schon so Einige vor ihm.
Trotz zweier sensationeller Manöver und Platz Zwei hinter einem dominierenden Lewis Hamilton, ist für Heidfeld noch nicht alles in trockenen Tüchern. Im Zuge der sich wechselnden Intensität des Regens, bekommt Heidfeld plötzlich in der Schlussphase noch überraschend Konkurrenz in Form des beherzt fahrenden Rubens Barrichello, der genau im richtigen Moment auf die Regenreifen gewechselt und enorm an Boden gut gemacht hat. Dieser schafft es sogar, dank der besseren Bereifung Heidfeld zu überholen, muss sich diesem am Ende doch geschlagen geben, da ein Problem beim Nachtanken einen weiteren Boxenstopp Barrichellos zur Folge hat, wodurch Heidfeld Platz Zwei wieder übernehmen und ins Ziel bringen kann.
Leider geht diese großartige Leistung in der Rückschau immer durch den Hamilton-Sieg unter.

Hier nochmal zum Genießen die Highliights des Rennens.
https://youtu.be/c0QHZZlsKCw
Abschließend möchte ich gerne festhalten, dass ich in Heidfeld den besten Fahrer sehe, der nie ein Rennen gewinnen konnte und der meiner Meinung nach rein fahrerisch viele GP-Sieger der Geschichte hinter sich lässt, wenn es um das Talent und die Konstanz geht. Ich denke da zum Beispiel an einen Trulli, Maldonado, Panis, Herbert, Kovalainen oder Alesi. Einem Webber, Ralf Schumacher, Frentzen, Irvine, Barrichello, Massa, Coulthard oder Montoya ist er nicht so klar unterlegen, wie man es anhand der Statistik wahrscheinlich heute herleiten würde.
Viele seiner Podien sind mit einer Leistung herausgefahren worden, die eben so gut war, dass man die Verdientheit des Sieges nicht hätte absprechen können, selbst wenn er durch einen Ausfall des Führenden, den Sieg abgestaubt hätte. Jene Leistung in Silverstone 2008 gehört zweifelsfrei zu genau diesen und ein mit technischem Defekt ausscheidender Hamilton, hätte nicht automatisch Heidfeld zu einem unverdienten Sieger gemacht.
Da gibt es andere Kandidaten, welche da mit deutlich mehr Glück gesegnet gewesen sind, was das angeht.
Ja, ich schaue dich an Johnny Herbert.

Zuletzt geändert von schumi791 am 06.06.2023, 05:58, insgesamt 2-mal geändert.
Michael Schumacher will always be the greatest!
https://www.youtube.com/watch?v=I5ahkfc ... L&index=24
1994, 1995, 2000, 2001, 2002, 2003, 2004
https://www.youtube.com/watch?v=I5ahkfc ... L&index=24
1994, 1995, 2000, 2001, 2002, 2003, 2004
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Re: Das beste Rennen von...
Die Wahl kann ich durchaus nachvollziehen, für mich wäre aber mindestens zwei weitere Rennen auch in der Verlosung. Zum einen Malaysia 2011, mir dem Wahnsinn Start der Lotus, mit Heidfeld von sechs direkt auf zwei. Den Platz konnte er zwar nicht halten, kam aber zumindest noch als Dritter ins Ziel, knapp vor Mark Webber mit dem eigentlich wesentlich besseren RB. Dann Monaco 2005, wenn man von dort Platz sechs ins Rennen geht und kein Regen ansteht, dann würde man eigentlich nicht viel erwarten. Mit einer guten Strategie ging es aber doch nach vorne, um dann aber hinter Alonso festzuhängen. Anders als sein Teamkollege kam er relativ schnell an diesem in der neuen Hafenschikane vorbei, um Zweiter hinter dem an diesem Tag unschlagbar scheinenden Räikkönen zu werden.
Darüber hinaus könnte man sicher auch Nürburgring 2005, Ungarn 2006, Brasilien 2001, Kanada 2007...
Wie du schön beschreibst, hat bei allen diesen Rennen wohl das letzte Quäntchen gefehlt. Das kann man sehen wie man will, die die es nicht so mit ihm halten werden sagen das Talent. Dafür findet man Belege, auch weil im Jahr mit dem besten Fahrzeug (2008) die Qualiperformance nicht wirklich da war, gerade auch im Vergleich zum Teamkollegen. Damit macht man sich das Leben natürlich schwer, andererseits war es auch durchaus Pech, dass er in den anderen Jahren kein vergleichbares Material hatte, genauso wie eben das letzte Quäntchen Rennglück. Wobei ich das nicht mal nur an diesem einen Rennsieg festmachen will, das zieht sich ja generell durch seine Motorsportkarriere.
Darüber hinaus könnte man sicher auch Nürburgring 2005, Ungarn 2006, Brasilien 2001, Kanada 2007...
Wie du schön beschreibst, hat bei allen diesen Rennen wohl das letzte Quäntchen gefehlt. Das kann man sehen wie man will, die die es nicht so mit ihm halten werden sagen das Talent. Dafür findet man Belege, auch weil im Jahr mit dem besten Fahrzeug (2008) die Qualiperformance nicht wirklich da war, gerade auch im Vergleich zum Teamkollegen. Damit macht man sich das Leben natürlich schwer, andererseits war es auch durchaus Pech, dass er in den anderen Jahren kein vergleichbares Material hatte, genauso wie eben das letzte Quäntchen Rennglück. Wobei ich das nicht mal nur an diesem einen Rennsieg festmachen will, das zieht sich ja generell durch seine Motorsportkarriere.

RIP #77DW #17JB #25JW
Re: Das beste Rennen von...
als ich eben gesehen hab, dass hier ein neuer Beitrag geschrieben wurde, hatte ich angesichts des heutigen Rennens in Barcelona irgendwie erwartet , einen Barcelona-Eintrag zu lesen. Kurzum, ich dachte an den Namen Pastor Maldonado 
Re: Das beste Rennen von...
Dann schreib doch mal einen

@schumi791, danke für den schönen Beitrag. Ja, Heidfeld gehört gut und gerne zu den Fahrern, denen man einen GP-Sieg zugetraut und gewünscht hätte aufgrund ihrer fahrerischen Qualitäten. Der war schon gut, wenn auch vielleicht nicht stark und konstant genug für einen Titelkampf. Bei der Nennung im gleichen Atemzug wie die von dir genannten Fahrer aus seiner Zeit gehe ich aber ohne weiteres mit. Der Sargnagel seiner Karriere war letztlich das BMW-Aus und die immer gerade so nicht komplett konkurrenz- und titelfähige Performancekurve des Teams in den Jahren zuvor.
Are you gonna bark all day, little doggie, or are you gonna bite?