• 16. März 2023 · 18:17 Uhr

Lewis Hamilton niedergeschlagen: 2023 mit Mercedes wohl kein Titelanwärter

Wie sich Mercedes-Fahrer Lewis Hamilton über seine Chancen in der Formel-1-Saison 2023 äußert und welche Aussagen er rückblickend nicht mehr so tätigen würde

(Motorsport-Total.com) - Lewis Hamilton wirkt bedient, als er vor dem zweiten Rennen zur Formel-1-Saison 2023 in Dschidda zur Pressekonferenz erscheint. Und Hamilton hat zunächst auch nur ganz kurze Antworten für die Journalisten übrig: Ob er denn das Gefühl habe, in diesem Jahr näher dran zu sein an Red Bull. "Nein." Und ob der Abstand von Mercedes auf Red Bull in der Saison 2023 größer sei als im vergangenen Jahr. "Ja." Das sei eine "einfache Antwort" für ihn.

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Lewis Hamilton nachdenklich in der FIA-Pressekonferenz in Saudi-Arabien 2023 Zoom Download

Erst bei der dritten Frage äußert sich Hamilton etwas ausführlicher, als es darum geht, die Gründe für den Rückstand auf Red Bull zu benennen. Und Hamilton meint: Mercedes verliere 2023 "nicht auf den Geraden" Zeit auf die Konkurrenz.

Er erklärt: "Vergangenes Jahr hatten wir ein Auto mit hohem Luftwiderstand und hatten nicht nur auf den Geraden einige Probleme. Wir mussten mit einem viel größeren Flügel fahren. In den Kurven waren wir gleichauf oder haben ebenfalls etwas verloren."

"Dieses Jahr verlieren wir das meiste in den Kurven. Ich denke, auf den Geraden sind wir schnell. Aber: Red Bull hat gerade am Kurvenausgang viel Anpressdruck auf der Hinterachse, in der Mehrheit der Kurven."

"Und ich glaube: Im Rennen hat Red Bull nicht alles gezeigt. Das Team ist also noch schneller, als es den Anschein gemacht hat. Damit waren sie aber schon eineinhalb Sekunden pro Runde schneller über die Renndistanz, so was in der Art."

Braucht Mercedes schon jetzt neue Saisonziele?

Ob Mercedes und er selbst bereits nach dem ersten Grand Prix des Jahres die Saisonziele neu definieren müssten? Hamilton winkt ab: "Das macht man eigentlich schon, wenn man das Auto zum ersten Mal fährt. Du erfährst dabei mehr über das Auto und verstehst, wo die Baustellen liegen, was auf dich zukommt."

2023 sei diese Jungfernfahrt "natürlich ein Schock" für ihn gewesen, räumt Hamilton ein. Denn dabei habe er festgestellt, das "Auto ist nicht da, wo du es haben willst".

Teamintern hatte man dergleichen bereits geahnt: "Ich hatte gehört, dass wir [zu Saisonbeginn] wohl nicht ganz vorne mit dabei sein würden, aber dass wir dabei sein sollten. Daher war es ein Schock, als das so nicht eingetroffen ist."

Warum der erste Eindruck eine Enttäuschung war

Weitere Zweifel seien ihm bei der Autovorstellung gekommen: "Als ich das Auto zum ersten Mal gesehen habe, [merkte ich], es sah so viel anders aus als die Autos unserer Konkurrenten. So was ist immer nervenzehrend. Natürlich: Das Auto sah schön aus. Aber mir ist egal, wie es aussieht, es muss halt schnell sein. Es gelingt uns aber hoffentlich, irgendwann ein Siegerauto daraus zu machen."

Darin unterscheide sich die Situation in der aktuellen Saison nicht allzu sehr vom vergangenen Jahr, und er habe weiter "hundert Prozent Vertrauen" in sein Team: "Man verliert nicht einfach so die Fähigkeit, ein tolles Auto zu bauen. Wir stehen halt einfach nicht, wo wir stehen sollen und wollen. Daran müssen wir weiter arbeiten."

Seiner persönlichen Motivation tue das aber "wirklich keinen" Abbruch, betont Hamilton. Er lenke seine Energie nun einfach in neue Bahnen, unterstütze das Team bei der Fehlersuche und versuche, den Zusammenhalt bei Mercedes zu stärken.

Der WM-Titel ist für Hamilton derzeit kein Thema

Illusionen macht sich der siebenmalige Weltmeister aber nicht: Der Titel sei derzeit kein Thema. Auch Grand-Prix-Siege seien aktuell schwer vorstellbar.

Oder wie es Hamilton formuliert: "Red Bull darf nicht ins Ziel kommen, auch Ferrari darf nicht ins Ziel kommen. Vielleicht darf nicht mal Aston Martin ins Ziel kommen. Nur dann haben wir aktuell eine Siegchance."

"Das bedeutet aber nicht, dass wir sie nicht einholen können. Das ist die Aufgabe, und niemand in unserem Team hat sich je um eine solche Herausforderung gedrückt. Das macht uns Spaß, wenngleich es uns lieber wäre, wir wären vorne. Aber es ist, wie es ist."

Hamilton findet seine Aussagen jetzt "nicht ideal"

Und in diesen Äußerungen schwingt etwas Niedergeschlagenheit mit. Vielleicht auch, weil Hamilton den Eindruck gewonnen hat, sein Team habe ihm bei der technischen Entwicklung nicht zugehört, wie er unlängst öffentlich erklärt hat.

Von diesen Aussagen nimmt Hamilton jetzt aber etwas Abstand: "Rückblickend muss ich sagen, da habe ich mich wahrscheinlich nicht ideal ausgedrückt. Aber ja, es gibt Momente, da hast du eine andere Meinung als gewisse Teammitglieder. Wichtig ist allerdings, dass wir weiter miteinander kommunizieren und weiter an einem Strang ziehen."

Eine Meinungsverschiedenheit lasse ihn jedenfalls nicht am Formel-1-Projekt von Mercedes zweifeln. Das Team sei "meine Familie", versichert Hamilton. Und: "Ich bin schon so lange hier am Start und plane deshalb nicht, woanders hinzugehen."

Warum Hamilton "mutige Entscheidungen" einfordert von Mercedes

Wenn er aber sehe, wie groß die Fortschritte bei Red Bull, Ferrari und Aston Martin ausfallen, dann müsse Mercedes jetzt nachziehen und "einige mutige Entscheidungen treffen", so sagt Hamilton. Es brauche "große Schritte, um die Lücke zu schließen, sonst fährt uns [Red Bull] in der WM wahrscheinlich davon".


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Hamilton glaubt: Einzig Ferrari könne Red Bull in der Saison 2023 Paroli bieten, will aber "noch abwarten", ob der italienische Traditionsrennstall wirklich als Herausforderer für Max Verstappen und Red Bull in Frage kommt.

Mercedes müsse derweil "hoffen, irgendwann in diesem Jahr dazu in der Lage zu sein, den Abstand aufzuholen. Dann wird es aber wohl zu spät sein für den Titelkampf", meint Hamilton. Er fügt hinzu: "Hoffentlich können wir wenigstens mal für Aufsehen sorgen."

Hamilton beteuert: Selbstvertrauen leidet nicht!

Sein Selbstvertrauen leide unter dem aktuellen Rückstand aber nicht. Auf die Frage, ob er an weitere Siege glaube, sagt Hamilton: "Ja, ich gewinne wieder. Es braucht halt etwas Zeit."

"Du weißt nie, was die Zukunft bringt. Im Leben treten immer wieder Dinge ein, die man am wenigsten erwartet hätte. Es geht aber vor allem darum, wie man damit umgeht, wie man weiter positiv bleibt, wie man die Dinge angeht. Darin investiere ich meine Energie und darauf konzentriert sich jeder Einzelne im Team."

Brief? Was für ein Brief?

Allerdings sah sich Mercedes nach dem schwachen Saisonstart auch dazu veranlasst, seinen Fans einen offenen Brief zu schreiben. Wie Hamilton über diese Botschaft denkt? Gar nicht, weil er den Brief "nicht gelesen" habe, so sagt er.

"Wenn ich in der Rennpause bin, dann stehe ich üblicherweise in Kontakt zu meinen Ingenieuren und wir konzentrieren uns auf das wirklich Wichtige. Ich verfolge meist keine Nachrichten und dergleichen. Ich habe erst heute davon erfahren. Daher habe ich eigentlich nichts dazu zu sagen, um ehrlich zu sein."

"Ich weiß nicht, was der Grund für diesen Brief war, weil ich ihn wie gesagt nicht gelesen habe", sagt Hamilton. "Ich weiß nur, was ich im Team sehe: Jeder ist fokussiert, es wird Rechenschaft abgelegt und wir stehen mehr denn je als ein Team zusammen."

"Egal, was auf uns zukommt, wir stehen zusammen. Jeder geht die Extrameile, um herauszufinden, was das Problem ist und wie wir es lösen können, kurzfristig wie langfristig."

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