• 28. Oktober 2022 · 07:30 Uhr

Irres Protestchaos endet mit nächster Wende: Alonso darf P7 behalten!

Alpines Protest gegen Haas' Protest wurde in erster Instanz abgewiesen, doch diese Entscheidung wurde in der Nacht wieder gekippt: Fernando Alonso bleibt Siebter

(Motorsport-Total.com) - Jetzt spielt die Formel 1 vollkommen verrückt! Nachdem der Protest von Alpine gegen den Protest von Haas in erster Instanz abgelehnt worden war, wurde Alpine in zweiter Instanz nun doch Recht gegeben, sodass Fernando Alonso seinen siebten Platz beim Grand Prix der USA wieder bekommt.

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Fernando Alonso (Alpine A522) im Formel-1-Rennen von Austin 2022 Zoom Download

Zunächst hatten die FIA-Rennkommissare den Protest des Alpine-Teams mit dem Ziel, einen Protest des Haas-Teams gegen Alonso in Austin, Texas, als unzulässig zu erklären, in erster Instanz abgewiesen. Das wurde am Donnerstagabend beim Grand Prix von Mexiko entschieden.

Damit blieb die Entscheidung der Kommissare nach dem Rennen in Austin vorerst bestehen. Die Kommissare hatten Fernando Alonso mit einer Stop-&-Go-Strafe belegt, weil er nach seinem Unfall mit Lance Stroll ohne rechten Rückspiegel unterwegs war. Weil diese erst nach Rennende ausgesprochen wurde, wurde sie in 30 Sekunden Addition auf die Rennzeit umgewandelt.

Doch damit war das letzte Wort noch nicht gesprochen. Alpine machte in einem letzten Versuch, die Entscheidung der Kommissare anzufechten, vom sogenannten "Right of Review" Gebrauch. Dafür musste Alpine Beweise vorlegen, die "signifikant" und "neu" sind. Ein Videomeeting, um diese Beweise zu präsentieren, wurde auf den späten Donnerstagabend (20:45 Uhr Ortszeit) angesetzt.

Haas wurde von der Rennleitung falsch informiert

In den FIA-Dokumenten zu dem Fall finden sich einige spannende Details. Etwa die Begründung der FIA dafür, dass der Haas-Protest in Austin zugelassen wurde, obwohl er um 24 Minuten zu spät eingereicht wurde. Die Rennleitung rund um Niels Wittich hatte das amerikanische Team nämlich informiert, dass es für den Protest eine Stunde lang Zeit habe.

Das war eine Fehlinformation. Tatsächlich sieht Artikel 13.3.5 des Sportgesetzbuchs vor, dass ein Protest maximal 30 Minuten nach Veröffentlichung des provisorischen Rennergebnisses durch die FIA eingereicht werden muss.

Alpine, im Meeting vertreten durch Teamchef Otmar Szafnauer, den Technischen Direktor Pat Fry und Sportdirektor Alan Permane, argumentierte, dass es für Haas keineswegs unmöglich gewesen sei, den Protest rechtzeitig einzureichen, schließlich sei das Büro der Kommissare nur ein paar hundert Meter von der Haas-Box entfernt.

Man hätte handschriftlich innerhalb der 30 Minuten einen Protest einlegen können, meint Alpine. Kurios: Um den Begriff "unmöglich" zu definieren, kramte die Alpine-Seite sogar ein Oxford-Wörterbuch hervor.

Bizarr: Darum wurde Alpines Protest abgewiesen!

Letztendlich wurde der Alpine-Protest gegen den Haas-Protest mit fast bizarrer Begründung abgewiesen. Erstens: Gegen eine Entscheidung der Kommissare kann laut FIA-Statuten kein Protest eingelegt werden. Und zweitens: Alpine hat, genau wie Haas in Austin, den Protest nicht fristgerecht eingereicht, nämlich erst 1:08 Stunden nach der Entscheidung der Kommissare!

Die Kommissare können, so sieht es Artikel 14 des Sportgesetzbuchs vor, nur dann einen "Review" ihrer ursprünglichen Entscheidung vornehmen, wenn es neue Beweise gibt, die signifikant sind. Der formell korrekte Weg, den Alpine hätte gehen müssen, wäre also kein Protest gegen einen anderen Protest gewesen, sondern das Internationale Berufungsgericht der FIA anzurufen.

Im Nachhinein freilich kann das Berufungsgericht jetzt nicht mehr beigezogen werden. Dafür hätte Alpine bereits in Austin maximal eine Stunde nach der Strafe gegen Alonso die Absicht, das Berufungsgericht anzurufen, hinterlegen müssen. Dann hätte man weitere 48 Stunden Zeit gehabt, um eine Begründung zu formulieren. Das ist jedoch nicht passiert.

Rolle rückwärts

Aber: Da argumentierte Alpine, dass "das Team erst um 20:53 Uhr am Tag des Rennens erfuhr, dass der ursprüngliche Protest 24 Minuten nach der üblichen 30-Minuten-Frist eingereicht worden war."

Alpine argumentierte auch, dass es erst bei der Anhörung am Sonntagabend in Austin erfuhr, dass Haas von der Rennleitung informiert worden war, was wiederum ein neues und wichtiges Beweiselement darstellt.

Da der Protest somit zulässig war, fand am Donnerstagabend in Mexiko eine weitere Anhörung statt, bei der festgestellt wurde, dass Haas innerhalb der 30-Minuten-Frist einen handschriftlichen Protest hätte einreichen können - was bedeutet, dass es nicht unmöglich war, die Anforderungen des Reglements zu erfüllen.

Das bedeutet, dass der ursprüngliche Protest nicht zulässig und damit ungültig war, was wiederum bedeutet, dass Alonso den siebten Platz zurück erhält.

Alpine bedankt sich in einer Erklärung bei den Kommissaren "für die Einberufung und das positive Ergebnis" und "begrüßt die Entscheidung". Weiter: "Wir freuen uns darauf, unsere Zusammenarbeit mit der FIA fortzusetzen, um sicherzustellen, dass das Rennspektakel auf höchstem Niveau gehalten wird."

Austin: Wie alles angefangen hat

Alonso hatte in Austin ursprünglich den siebten Platz belegt, fiel durch die Strafe aber auf den 15. Platz zurück. Einer der Profiteure war das Haas-Team, das dank Kevin Magnussens achtem Platz noch zwei zusätzliche Punkte bekam.

Stein des Anstoßes war, dass Magnussen in dieser Saison schon dreimal die schwarz-orange Flagge für einen kaputten Frontflügel gesehen hatte. Als aber das Auto von Alonso in Austin beschädigt war und der Spiegel später sogar abflog, reagierte die Rennleitung nicht. Haas legte dagegen Protest ein.

"Das geht nicht gegen Alpine oder irgendwen, es geht generell um Konstanz", verteidigt Haas-Teamchef Günther Steiner den Protest. "Wir haben dreimal die schwarz-orange Flagge gesehen. Und dann fahren Leute 30 Runden lang mit wackelndem Rückspiegel herum, der dann abfällt und das Auto illegal macht. Aber es gab keine Konsequenzen. Ich halte das nicht für korrekt."

Für Steiner geht's "vorrangig ums Prinzip"

Auch gegen Sergio Perez und Red Bull hatte Haas wegen einer kurzzeitig losen Frontflügel-Endplatte einen Protest eingelegt, der aber abgewiesen wurde. Doch das ist Steiner nicht so wichtig: "Für mich ging es vorrangig ums Prinzip", sagt er. "Das zeigt, wir wollten hier ein Zeichen setzen. Wir wollen nicht erreichen, dass das halbe Feld disqualifiziert wird. Darum geht es nicht."

"Wir wollten einfach aufzeigen, dass es Konstanz braucht und dass das, was da passiert, nicht fair ist gegenüber kleineren Teams. Denn die werden anders behandelt als die großen Teams", kritisiert er. "Wenn du 30 Runden mit einem wackelnden Rückspiegel fährst, sind das 30 Runden zu viel, schätze ich. Dann fehlt der Spiegel, weil er abgefallen ist. Das ist das schlimmste Szenario."

Interessant war in der Begründung der Rennkommissare in Austin, dass diese Kritik an Wittichs Rennleitung beinhaltete. Der Deutsche war es übrigens nicht, der Magnussen die sogenannte "Spiegelei-Flagge" gezeigt hatte - das war dreimal Eduardo Freitas, der 2022 nicht mehr als Rennleiter eingesetzt wird.

Steiner betont, dass er nichts zu der Kritik beigetragen habe: "Wir haben unseren Protest darauf aufgesetzt, was unserer Meinung nach falsch war. Dann haben die Sportkommissare ein Urteil geschrieben. Sie haben geschrieben, was sie denken, und nicht, was wir denken."

Steiner will mehr Verantwortung bei den Teams

Der Südtiroler wünscht sich, dass die Rennleitung in Zukunft wieder mehr auf die Teams vertraut, anstatt so etwas über den Kopf des Rennstalls hinweg zu entscheiden: "Warum sollte ein Team ein Auto auf die Strecke schicken, das nicht sicher ist?", fragt er.

"Wir entwickeln ein Auto, das alle Crashtests übersteht. Das ist das Erste. Wir machen es sicher. Das liegt in unserer Verantwortung. Warum also sollten wir dann etwas tun, das als nicht sicher eingestuft werden könnte? Darum geht es mir", so Steiner.

Lange Zeit habe man keine "Spiegelei-Flagge" in der Formel 1 gesehen - laut Steiner zwölf Jahre lang -, "weil man den Teams vertraut hat, dass sie sich selbst um die Sicherheit kümmern. Das müssen sie auch tun."

"Kann man dabei einen Fehler machen? Na klar. Aber man macht es nicht absichtlich falsch", meint er. "Ein Querlenker kann brechen, wenn man auf einen Randstein trifft. Manchmal sieht man den Schaden nicht. Wenn man aber weiß, die Belastung war zu groß, dann nimmst du das Auto aus dem Rennen. Denn das Erste, was man macht, ist, das Fahren sicher zu gestalten."

Wechsel sollte im Ermessen des Teams liegen

Im Fall der Haas-Frontflügel in Spanien, Kanada und Ungarn sei es daher nicht notwendig gewesen, einzugreifen: "Wenn dein Frontflügel schiefhängt, dann musst du ihn ohnehin wechseln. Dann fängst du an zu rechnen: Ist es schneller, den Frontflügel zu wechseln, oder verlierst du mehr Zeit, weil du vorne keinen Abtrieb hast?"

"Wenn du auf der Strecke bleibst, kannst du den Flügel dranlassen, sofern deine Berechnungen sagen, er fällt nicht ab, selbst wenn er einen Schaden hat. Falls also die Leistungseinbußen nicht zu groß sind, lässt du den Flügel dran."

"Das liegt meiner Meinung nach im Ermessensspielraum des Teams und sollte nicht von jemandem außerhalb beurteilt werden, der überhaupt nicht weiß, wie unser Flügel aufgebaut ist."

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