• 30. Juli 2022 · 10:43 Uhr

Warum die Formel-1-Fahrer mehr Konstanz von den Kommissaren fordern

Die Formel-1-Fahrer konnten sich in Frankreich noch einmal mit Szenen aus Österreich auseinandersetzen und wollen weniger Fluktuation bei den Kommissaren

(Motorsport-Total.com) - Strafen waren in der Formel 1 schon immer ein kontroverses Thema, doch in dieser Saison scheint das Problem noch einmal neue Dimensionen angenommen zu haben. So wie Michael Masi manchmal eine andere Linie wählte als dessen Vorgänger Charlie Whiting, so treffen seine Nachfolger Niels Wittich und Eduardo Freitas ebenfalls eigene Interpretationen der Regeln.

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George Russell stand im Zentrum der Diskussionen Zoom Download

Das kam bislang aber nicht immer bei allen gut an. Immer wieder herrschte unter den Fahrern ein wenig Frustration, auch weil sie sich an gleich zwei neue Rennleiter gewöhnen mussten. Wittich und Freitas wechseln sich in der Führung ab, sind aber aufgrund von anderen Engagements auch nicht bei jedem Rennen dabei.

Natürlich leidet darunter auch manchmal die Konstanz - nicht nur gegenüber den Vorjahren, sondern auch zwischen den beiden Rennleitern, die es bezüglich der Regeln manchmal sehr genau nehmen und dem Wortlaut nachgehen. Die Aufregung darum, dass Fahrer im Auto Schmuck tragen, ist nur ein Beispiel davon.

Die Frustration über diese Dinge bleibt meistens hinter verschlossenen Türen, doch in Österreich hat Max Verstappen seinen Standpunkt klargestellt: "Ich denke nicht, dass es unbedingt von einem Rennleiter abhängt", sagte der Weltmeister zum Thema Beständigkeit. "Ich denke, es geht mehr darum, mit den Fahrern zusammenzuarbeiten, anstatt einfach nur stur zu sein."

"Wir wollen es für alle besser machen, und es ist nicht so, dass wir für uns selbst kämpfen", betont der Niederländer. "Wir haben gute Gespräche unter den Fahrern, und am Ende des Tages sind wir uns in den meisten Dingen mehr oder weniger einig. Natürlich hat jeder seine eigene Meinung zu bestimmten Dingen."

Fahrerbesprechung mit Szenen aus Österreich

Beim Rennen in Frankreich am vergangenen Wochenende haben Freitas und Wittich auf Veranlassung der GPDA bei der Fahrerbesprechung am Freitagabend einen Rückblick auf einige Vorfälle der letzten Zeit gegeben, sie aus verschiedenen Kameraperspektiven gezeigt und dann um Meinungen gebeten, ob die Kommissare eine Strafe hätten verhängen sollen oder nicht.

Dazu gehörten unter anderem die Kollisionen zwischen George Russell und Sergio Perez sowie zwischen Alexander Albon und Sebastian Vettel in Österreich. Erstere mündete in einer Strafe, die zweite hingegen nicht, sodass es interessante Fallstudien gab.

Die meisten Anwesenden waren der Meinung, dass Russell die Schuld trägt, zudem sprachen sich viele auch für eine Strafe für Albon aus.

Ein wenig unfreiwillige Komik kam auf, als sich die Aufmerksamkeit auf den Zwischenfall in der letzten Runde in Montreal richtete, als Fernando Alonso eine Strafe erhielt, weil er vor Valtteri Bottas mehr als einmal die Linie gewechselt hatte.

Alonso hatte die Strafe in späteren Besprechungen als unfair bezeichnet, und in Frankreich wurde die Szene für alle seine Kollegen von den Kameras beider Autos und von oben gezeigt. Anscheinend war Alonsos energisches Zacken so unsubtil, dass alle im Raum lachten, und nur der Spanier und sein Teamkollege Esteban Ocon waren nicht der Meinung, dass dies eine Strafe verdient hätte.

Keine Kommissare aus Österreich dabei

Wie üblich waren im Fahrerbriefing auch die vier Rennkommissare für den Frankreich-Grand-Prix anwesend. Keiner davon war in die Entscheidungen von Österreich involviert, Gerd Ennser war jedoch beim Alonso-Fall in Kanada schon im Einsatz.


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Eine Neuheit war es nicht, dass beim Fahrerbriefing Vorfälle aus der Vergangenheit gezeigt wurden. Unter Whiting und Masi war das öfter der Fall, aber für 2022 war das eine Premiere.

Festhalten muss man auch, dass Wittich und Freitag seitens der FIA von Journalisten ferngehalten werden. Das ist eine direkte Antwort auf Abu Dhabi und soll verhindern, dass sie ein ähnliches Profil wie Masi bekommen. Das bedeutet aber auch, dass Fahrer und Teams in den Medien keine zusätzliche FIA-Ansicht zu Vorfällen nach dem Rennen mehr finden.

Fahrer begrüßen Vorstoß

In dem derzeit angespannten Umfeld wurde die Zusammenarbeit mit der neuen Rennleitung in Frankreich von den Fahrern sehr geschätzt. GPDA-Chef George Russell sagt: "Ich denke, wir wollen uns alle zusammensetzen, diese Vorfälle gemeinsam betrachten, die Meinung der Fahrer einholen und versuchen, die Denkweise der Kommissare zu verstehen, damit wir alle auf dieselbe Seite kommen können."

"Letztendlich ist es das, was wir alle wollen. Und wir alle wollen diese Beständigkeit, aber wir müssen verstehen, wie die Kommissare über die Vorfälle denken, und sie müssen auch verstehen, wie wir uns fühlen. Ich denke, es war konstruktiv, und wir brauchen wahrscheinlich mehr davon", so der Brite.


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Russell war direkt in einen der gezeigten Vorfälle involviert, von daher hatte er besonderes Interesse daran, was besprochen wurde. "Sie haben sich an den Wortlaut der Regeln gehalten", sagt er über seine Strafe in Spielberg. "Und ich war im Unrecht, aber manchmal muss man es von Fall zu Fall betrachten."

"Und wenn ein Auto auf der Außenseite eine saubere Linie hat, saubere Luft, und einlenkt und der Fahrer auf der Innenseite keine Chance hat, selbst wenn er vorne ist, dann kommt es zu einem Kontakt."

"Es ist ein bisschen wie beim Tackling im Fußball, man kann nicht einfach sagen: 'So musst du tacklen, so nicht'. Jeder ist immer ein bisschen anders. Und man muss ein Gefühl für das Racing entwickeln", sagt er.

Albon: Meeting war hilfreich

Albon, der einer Strafe in Österreich entging, sich aber trotzdem bei Vettel entschuldigt hatte, meldete sich im Meeting ebenfalls zu Wort: "Nun, ich habe nicht gesagt, dass ich schuld war", erklärt er.

"Ich habe die Gründe dafür erklärt und was die Kommissare gesagt haben, denn ich glaube, niemand im Raum hat verstanden, warum ich keine Strafe bekommen habe und warum George eine bekommen hat. Also habe ich die Gründe erklärt, warum die Kommissare das gesagt haben."

Albon stimmt zu, dass die Videobesprechung hilfreich war: "Ich denke, es zeigt erstens, dass es für sie nicht so einfach ist", sagte er. "Wir wissen, dass es keine leichte Aufgabe für die FIA ist, aber es geht mehr darum, dass wir verstehen, warum zum Beispiel George eine Strafe bekommen hat und ich nicht, und wie können wir lernen, wie die Kommissare das kontrollieren? So können wir Fahrer auch wissen, wie man im Kampf vorgeht. Es ging mehr darum."

Alonso "sehr zufrieden"

Auch Alonso, der nach einer Strafe häufig nicht mit Kritik an den Offiziellen geizt, schätzt die Möglichkeit der Diskussion: "Ich denke, dass es etwas ist, um die Dinge zu verbessern und um uns einige Vorfälle zu zeigen und warum sie Strafen geben und warum nicht", sagt er. "Ich denke, es ist zum Wohle aller, wenn wir versuchen, ihren Ansatz besser zu verstehen."

"Wir werden es bei den kommenden Events sehen. Es kann aber einen doppelten Effekt haben, denn wenn man ein Video sieht, und das war eine Strafe, dann haben wir es vielleicht [im Rennen] im Kopf, und es war genau dasselbe, aber sie haben keine Strafe gegeben."

"Wir könnten also eine Reihe von Videos sehen, die interessant sein könnten. Zumindest zeigt die FIA, dass sie gewillt ist, Dinge zu verbessern, alles möglich zu machen und über den Tellerrand zu schauen, denn das haben wir in der Vergangenheit nie getan. Damit bin ich sehr zufrieden", so Alonso.

"Manchmal ist es fair und manchmal nicht"

Auch andere stimmen zu, dass die Videorunde eine positive Entwicklung ist: "Es war sehr nützlich, weil wir es geschafft haben, zwischen uns Fahrern und der Rennleitung zu diskutieren, warum es bei einigen Zwischenfällen Fünf-Sekunden-Strafen gibt und bei anderen nicht", sagt Carlos Sainz.

"Es war schade, dass die Kommissare [aus Österreich] nicht da waren, um es uns zu erklären, aber die Rennleitung hat ihr Bestes getan, um es zu erklären. Wir werden sehen, ob diese Treffen weiterhin zu unserem gegenseitigen Verständnis beitragen", so der Ferrari-Pilot.

"Es gab viele verschiedene Meinungen über viele verschiedene Dinge", sagt Lance Stroll über das Treffen. "Wie immer. Ich denke, die Kommissare tun ihr Bestes. Ich denke, wir alle wissen, wie man Rennen fährt, und manchmal ist es schwierig, fair zu sein, wenn sie Entscheidungen treffen müssen."

"Denn es ist wie bei allen Sportarten, ob Fußball oder Basketball, es gibt Flaggen, Strafen, die manchmal für die einen fair sind und für die anderen nicht. Am Ende muss jemand diese Entscheidung treffen, und das ist nicht immer einfach", sagt er.

Vettel und die Randsteine

Bei der Diskussion in Frankreich ging es auch um andere strittige Punkte. Sebastian Vettel, der das Briefing in Österreich frustriert verlassen hatte und dafür eine Strafe von 25.000 Euro auf Bewährung bekam, wollte über die sogenannten Baguette-Randsteine sprechen.

Nicht zum ersten Mal wies er darauf hin, dass mehrere Fahrer in den Nachwuchskategorien Rückenverletzungen erlitten haben, nachdem sie ähnliche Randsteine getroffen hatten und abgeflogen waren, und er war der Meinung, dass sie in Frankreich nicht notwendig seien. Er war verärgert, als ihm gesagt wurde, dass sie für den Porsche-Supercup erforderlich seien.


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Freitas sagte, dass er über Nacht nachdenken würde, und bestätigte dann in seinen Notizen am Samstag, dass die Randsteine in den besprochenen Kurven entfernt wurden.

"Zumindest wurden sie entfernt", sagte Vettel nach dem Grand Prix am Sonntag. "Es ist einfach ein unnötiges Risiko. Wir haben in der Vergangenheit so viele Vorfälle mit diesen Randsteinen gesehen, daher denke ich, dass sie nie wieder zurückkommen sollten."

Laut ihm war das Briefing in Le Castellet nützlich: "Ich denke, wir wollen einfach miteinander reden, wir wollen einen Dialog eröffnen und ich denke, wir können uns verbessern. Ich denke, das ist immer nützlich. Es ist ja nicht so, dass wir die Regeln machen. Es geht nur darum, dass wir verstehen, was wir tun dürfen und was nicht. Ich denke, es ist immer gut, zu reden."

Sollte ein Kommissare vom Rennen zuvor dabei sein?

Man sollte dabei aber nicht vergessen, dass die Strafen von den vier Kommissaren ausgesprochen werden, nicht von den Rennleitern. Laut Russell wäre es nützlich gewesen, wenn zumindest einer der Kommissare anwesend gewesen wäre, die ihm in Österreich die Strafe gegeben hatten.

"Sie haben die Kommissare des aktuellen Rennwochenendes", sagt der Mercedes-Pilot. "Aber ich denke, da brauchen wir ein bisschen mehr Konstanz, dass zumindest einer der Kommissare des vorherigen Events mitkommt, um diese Erklärungen abzugeben. Wir haben einige Erklärungen von der Rennleitung bekommen. Wir arbeiten daran, das ist sicher."

Dass von Rennen zu Rennen andere Kommissare vor Ort sind, ist ein weiterer Punkt, der immer wieder von den Fahrern angesprochen wird. Wenn sie wegen angeblichen Fehlverhaltens vorgeladen werden, wissen sie nie, wen sie vor sich haben. An den zwölf ersten Rennwochenenden waren insgesamt 27 Männer und Frauen als Kommissare im Einsatz.

Dazu gehören vier ständige Vorsitzende (Ennser war in diesem Jahr bei vier Rennen im Einsatz, Garry Connelly bei vier, Nish Shetty bei drei und Tim Mayer bei einem) und sechs verschiedene Fahrerkommissars, wobei Enrique Bernoldi, Danny Sullivan, Emanuele Pirro, Mika Salo, Derek Warwick und Vitantonio Liuzzi abwechselnd diese Aufgabe übernehmen.

Teams wollen keinen ständigen Vorsitz

Zwischen den einzelnen Veranstaltungen findet ein intensiver Informationsaustausch zwischen den ständigen Beauftragten statt, um die Konstanz zu verbessern. Es ist jedoch unvermeidlich, dass 27 Personen nicht immer die gleiche Reaktion auf jeden einzelnen Vorfall haben werden.

Früher gab es nur einen ständigen Vorsitzenden. Das wurde von den Teams aber abgelehnt, weil man das Gefühl hatte, dass eine einzelne Person voreingenommen sein könnte. Zumindest wäre es aber an der Zeit, den Pool der vorhandenen Kommissare zu verkleinern.


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"Ich glaube, es wäre für uns alle von Vorteil, wenn wir von Rennen zu Rennen dieselben Kommissare hätten", sagt Russell. "Und selbst unter den Zuschauern oder Leuten im Fahrerlager ist es klar, dass bei einem bestimmten Vorfall nicht immer alle die gleichen Ansichten haben."

"Aber wenn es immer nur die Sichtweise einer Person ist, dann bekommt man mit der Zeit zumindest mit, wie sie diese Entscheidungen durchdacht hat, und das macht das Leben für alle etwas einfacher", so der Mercedes-Pilot.

"Wie ich schon sagte, müssen wir einfach zusammenarbeiten und den besten Kompromiss finden. Ich weiß nicht, ob es dabei logistische Einschränkungen gibt, dafür kenne ich mich nicht gut genug aus. Aber wir sind alle dafür."

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