• 13. Mai 2022 · 10:39 Uhr

Andrettis Problem: Warum selbst 200 Millionen die anderen nicht überzeugen

Andretti hat eigentlich alle Zutaten für ein Formel-1-Team zusammen und würde auch das horrende Antrittsgeld zahlen: Trotzdem reagieren die anderen Teams frostig

(Motorsport-Total.com) - Der geplante Formel-1-Einstieg von Andretti ist eine richtig komplizierte Angelegenheit. Obwohl der amerikanische Rennstall ein großer Name im Motorsport ist und das Antrittsgeld von 200 Millionen Dollar bezahlen möchte, werden die Pläne von Michael Andretti in der Formel 1 recht frostig empfangen.

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Michael Andretti braucht für seinen Formel-1-Einstieg weiter Geduld Zoom Download

Der Sohn von Ex-Formel-1-Weltmeister Mario Andretti hatte zuletzt beim Rennwochenende in Miami einige Gespräche mit Teamchefs, Formel-1-Verantwortlichen und auch FIA-Präsident Mohammed Ben Sulayem geführt, der den Einstieg laut Andretti unterstützt. Trotzdem bleibt der Weg für den potenziellen Neueinsteiger weiter steinig.

"Viele Leute begrüßen es. Es sind im Moment nur nicht die richtigen Leute", hatte der Amerikaner am Wochenende gesagt.

Dabei würde Andretti zum vorherrschenden Boom in den USA passen. Das Interesse in den Staaten wächst (auch dank der Netflix-Dokumentation Drive to Survive), und schon bald gibt es mit Austin, Miami und Las Vegas drei Rennen in den USA. Was allerdings fehlt, ist ein einheimischer Fahrer, was Andretti aber etwa mit Colton Herta ändern könnte.

Ein zweites US-Team neben Haas, die aber kaum wirklich ihre nationale Identität zeigen, wäre ein echter Coup für den Grid - vor allem wenn es sich um einen solchen Namen handelt. Andretti operiert weltweit in vielen Meisterschaften wie der IndyCar-Serie, der Formel E, der Extreme E oder den Supercars und weiß, welche Zutaten man für Erfolg braucht.

Trotz großem Namen: Aktuelle Teams reserviert

"Der Name Andretti hat eine lange Geschichte in der Formel 1 und in verschiedenen Formen des Motorsports, und ich denke, er würde einen großen Mehrwert darstellen", sagt etwa McLaren-Geschäftsführer Zak Brown. "Ein sehr glaubwürdiger Rennstall mit einer glaubwürdigen Marke, mit den richtigen Ressourcen, ist meiner Meinung nach eine Bereicherung für den Sport."

Andretti wäre auf jeden Fall ein anderes Kaliber als Caterham, HRT und Marussia, die 2010 zur Formel 1 stießen und alle innerhalb weniger Jahre wieder verschwanden. Doch genau aus diesem Grund sind die anderen Teams zurückhaltend, wenn es um einen weiteren Kandidaten in ihrer geschlossenen Gesellschaft geht.


Die Preisgeldverteilung in der Formel 1

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"Wir haben aktuell zehn Teams, und wir verteilen das Preisgeld unter diesen zehn Teams", sagt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. "Wir haben in den vergangenen Jahren eine Menge investiert. Alle Teams hier (in der Pressekonferenz; Anm. d. Red.) haben in den vergangenen Jahren vermutlich mehr als eine Milliarde in Formel-1-Projekte investiert."

"Es muss also ein Gewinn sein. Wenn ein Team hinzukommt, wie können Sie dann nachweisen, dass Sie mehr Geld einbringen, als es tatsächlich kostet?", sagt der Österreicher. "Denn das elfte Team bedeutet eine zehnprozentige Verwässerung für alle anderen."

Wolff: Wollen Franchise-Wert nicht verwässern

Genau diese Sorge wollten die Formel-1-Teams bei der Unterzeichnung des neuesten Concorde-Agreements 2020 angegangen wissen. Weil ein neues Team bedeutet, dass jeder andere einen kleineren Teil vom Kuchen bekommt, wurde ein Antrittsgeld ("Anti Dilution Fee") von 200 Millionen Dollar festgesetzt, das unter den anderen zehn Teams verteilt wird.

Damit wird sichergestellt, dass ein neues Team auch seriös ist, wenn es so viel Geld in die Hand nehmen muss, und es schützt auch den Wert der bestehenden Rennställe.


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Andretti hat von Beginn an klargestellt, dass das Antrittsgeld kein Problem sei und man die Summe bezahlen werde. Doch der Geschäftsgedanke in der Formel 1 ist damit nicht zu Ende: Nun fürchten die anderen Teams, dass das nicht genug sei, um die Verluste durch ein elftes Team aufzufangen.

"Der Wert der Formel 1 liegt darin, dass es nur eine begrenzte Anzahl von Franchises gibt", sagt Wolff. "Und wir wollen diesen Wert nicht verwässern, indem wir einfach Teams hinzufügen."

Horner: Mit 200 Millionen kommt man nicht weit

Red-Bull-Teamchef Christian Horner gibt zu, dass das Thema Geld immer ein "wichtiger Faktor" in den Gesprächen ist und dass die Verantwortung am Ende bei der Formel 1 liegt, welchen Ansatz sie für ihr Produkt wählen.

"Wenn sie mehr Teams wollen, müssen sie natürlich ihren eigenen Anteil verringern", sagt er. "Denn es wäre unfair, von den anderen Teams zu erwarten, dass sie indirekt für die zusätzlichen neuen Teilnehmer aufkommen."

Die 200 Millionen Dollar Antrittsgeld würden jedem Team zwar einen Grundwert verpassen, trotzdem sollte man auf das langfristige Bild schauen, meint er: "Es ist das erste Mal, dass wir zehn gesunde Franchises haben, soweit ich mich erinnern kann."


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"200 Millionen Dollar sind eine Menge Geld. Aber wenn man sie in diesem Business durch die Teilnehmer teilt, dann kommt man damit nicht weit", so der Brite. "Und außerdem ist das nur einmalig. Es sind nicht in jedem Jahr 200 Millionen Dollar. Am Ende des Tages kommt es bei solchen Gesprächen immer auf die Wirtschaft an."

Alfa-Romeo-Teamchef Frederic Vasseur betont: "Es ist wahr, dass, auch wenn die zehn Teams heute nachhaltig sind und wir mit der Formel 1 heute in eine sehr gute Richtung gehen, es vielleicht in den nächsten fünf oder zehn Jahren nicht so bleiben wird". Er möchte vermeiden, dass es wieder so wie vor und während der COVID-Pandemie sein wird, als das hintere Drittel der Formel 1 um das Überleben kämpfen musste.

Bestehende Teams überzeugen: Schwierig!

Die Herausforderung für Andretti wird sein, dass man nicht nur beweisen muss, dass man die Ressourcen für ein seriöses und konkurrenzfähiges neues Team hat, sondern dass man auch die Verluste durch das anders verteilte Preisgeld auffangen kann.

Als amerikanisches Team, das einen amerikanischen Fahrer wie Colton Herta haben möchte, hat man dabei sicherlich ein Argument. Skeptiker könnten angesichts der neuen Rennen in Miami und Las Vegas aber behaupten, dass diese für das Wachstum der Formel 1 mehr bringen als ein neues Team.


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Für Andretti wird es ein hartes Stück Arbeit, wenn man sich den Formel-1-Traum erfüllen möchte. Die FIA hat noch nicht einmal einen Ausschreibungsprozess für ein neues Team gestartet. Und doch muss das Team jetzt schon Nägeln mit Köpfen machen, will man 2024 dabei sein.

Laut Michael Andretti gibt es bereits Pläne für den Bau einer Fabrik in Indianapolis, der im August beginnen soll. Auch ohne feste Zusage muss der Amerikaner das Risiko eingehen: "Wir müssen den Ball ins Rollen bringen", sagt er.

Die Formel 1 muss schauen, welchen Wert ein neues Team bringt und wie es die Preisgeldverteilung beeinflusst. Zudem hätte man eine Sicherheit, sollte ein anderes Team aussteigen. Die aktuelle Struktur funktioniert allerdings für die ganz gut, die derzeit schon am Tisch sitzen. Es wird daher einige Überzeugungsarbeit abseits der 200 Millionen Dollar brauchen.

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