• 25. Februar 2022 · 09:40 Uhr

Vettel fordert Fahrerkollegen auf: "Dazu kann man nicht schweigen"

Nach seinem vielbeachteten Auftritt in der PK hat Sebastian Vettel noch einmal nachgelegt und klare Worte für den Umgang der Formel 1 mit Russland gefunden

(Motorsport-Total.com) - Die Invasion russischer Streitkräfte in der Ukraine war am Donnerstag auch im Formel-1-Paddock am Rande der Wintertests in Barcelona ein großes, bedrückendes Thema. Das Haas-Team traf die Entscheidung, die Logos des russischen Sponsors Uralkali von den Autos zu entfernen, am Abend tagten die Teamchefs, um über den Grand Prix von Russland zu beraten, und die Formel 1 als Rennserie erklärte vage, man "beobachte" die Situation, bevor man Entscheidungen treffe.

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Sebastian Vettel bei TV-Interviews nach dem Formel-1-Test in Barcelona am Donnerstag Zoom Download

Mit Fernando Alonso, Charles Leclerc, Yuki Tsunoda und Max Verstappen saßen zu Mittag dann vier Fahrer in der offiziellen Pressekonferenz, die sonst selten um einen flotten Spruch verlegen sind. Doch wenn's um politisch schwierige Themen geht, wird's wie so oft schnell ganz still im Milliardenbusiness Formel 1.

Nur einer hatte am Donnerstag die Courage, klar Position zu beziehen. Sebastian Vettel kündigte bereits beim offiziellen PK-Termin an, er werde nicht am Grand Prix von Russland 2022 teilnehmen, sollte dieser stattfinden. Als er am Abend aus seinem Aston Martin stieg, ruderte er nicht zurück, sondern er verlieh seiner Boykottandrohung zusätzlichen Nachdruck.

Die Entscheidung der Formel 1, das Rennwochenende in Sotschi abzusagen, sei "unausweichlich", findet Vettel und kritisiert die Chefs seines Sports dafür, dass sie diese noch nicht getroffen haben: "Für mich ist die Konsequenz klar. Unter diesen Umständen kann ich nicht verstehen, wie man ein Rennen in Russland haben kann und wie man da zögern kann."

Vettel hofft, dass auch andere Position beziehen

Aus seiner Sicht ist die Situation klar: "Wir haben ein Rennen in Russland im Kalender. Mit Sicherheit werde ich da nicht hingehen, wenn es so weitergeht. Ich glaube, diese Konsequenz muss man daraus ziehen. Ich würde mir wünschen, dass andere das ähnlich sehen und dass auch unser Sport in dieser Hinsicht Stellung bezieht", sagt Vettel.


Bei Test in Barcelona: Vettel droht mit Boykott!

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Klare Kante von Sebastian Vettel: Er kündigt nach dem Einmarsch russischer Truppen in der Ukraine einen Boykott des Formel-1-Rennens in Sotschi an. Weitere Formel-1-Videos

Eine Hoffnung, die bisher enttäuscht wurde. Auch von seinen Fahrerkollegen hat sich noch kein einziger klar positioniert. Fahrer und Teams verweisen unisono darauf, dass die den Entscheidern der Formel 1 und der FIA vertrauen, die richtigen Schritte zu setzen. Vettel zeigt dafür Verständnis: "Ich bin mir sicher, über kurz oder lang werden auch andere ihre Meinung kundtun."

Er selbst sei aber "nicht so tolerant, was eine andere Meinung angeht, ganz ehrlich. Es ist einfach nur verrückt. Ich bin schockiert", sagt der 34-Jährige. "Manchmal bewegen wir uns in unserer Blase und scheren uns nur um Grip und Reifen. Wir dürfen aber nicht vergessen: Wir alle sind Erdenbürger. Als Europäer war ich geschockt, als ich in der Früh nach dem Aufwachen davon gehört habe."

Vettel lässt die menschliche Tragödie, die sich gerade abspielt, nicht kalt. "Furchtbar" sei das, sagt er, offensichtlich mitgenommen. "Ich glaube, wir alle sind schockiert. Es ist absolut unnötig, dass Menschen sterben müssen. Ich habe in den vergangenen Tagen natürlich die Hoffnung gehabt, dass sich irgendwie alles wieder einpendelt. Aber ich glaube, es ist außer Kontrolle geraten."

Formel 1 wird zur ganz unwichtigen Nebensache

Die Formel 1 mit ihren Wintertests in Barcelona sei jetzt erstmal "gar nicht wichtig", betont der Aston-Martin-Pilot. Es falle ihm schwer, seiner Arbeit nachzugehen, "wenn Leute in den Krieg ziehen und sterben. Ich kann mir das gar nicht vorstellen." Am Donnerstagmorgen sei der Schock "riesengroß" gewesen: "Schon die vergangenen Tage. Aber heute war nochmal ein herber Schlag."

"Ich habe wie jeder andere im Geschichtsunterricht viel dagesessen und gelernt und viel zugehört. Ich fand das alles sehr interessant, was passiert ist. Ich finde es nach wie vor extrem wichtig, dass man diese Sachen weiter im Gewissen hat und weiter vor Augen geführt bekommt. Sowas darf man nicht vergessen. Und so was wird einem jetzt umso mehr bewusst."

"Der Vorteil ist: Wenn man im Auto sitzt, hat man so viel zu tun. Man muss nur auf die Straße schauen, was vor einem liegt, und wird dann ein bisschen abgelenkt. Es ist schwierig, ganz klar. Ich glaube, es ist heute das Thema. Ob einer schnell fährt oder langsam, ob das Auto gut ist oder nicht, das ist alles sekundär."

"Wir alle hatten ein Leben, in dem wir ohne Konfrontationen aufgewachsen sind, ohne Kriege. Es gab Ende der 1990er-Jahre mal eine Phase, aber da war ich ehrlicherweise noch ein kleines Kind und habe wenig mitbekommen oder verstanden. Das jetzt so mitzuerleben und zu hören, dass Leute an die Front geschickt werden und sich in Lebensgefahr begeben, teilweise schon verstorben sind, das ist furchtbar."

Vettel übt Kritik an Putin, ohne den Namen auszusprechen

Ohne den Namen des russischen Präsidenten Wladimir Putin auszusprechen, macht Vettel klar, gegen wen sich seine Kritik in erster Linie richtet: "Ich wünsche mir, dass es sich einpendelt, aber manche Leute scheinen vom Wahnsinn besessen zu sein. Sie haben, glaube ich, ihre eigene Wahrheit und eigene Realität. Dass dann andere dafür leiden müssen und mit ihrem Leben bestraft werden, das ergibt keinen Sinn."

Das oftmals von Fans genannte Argument, dass Sport und Politik streng zu trennen sind und Formel-1-Fahrer daher kein Recht haben, eine politische Meinung öffentlich zu äußern, kann Vettel übrigens nicht nachvollziehen. Ganz im Gegenteil: Für ihn ist es "sehr wichtig", die positive Strahlkraft des Sports zu nutzen, um die Sensibilität für unbequeme, aber wichtige Themen zu schärfen.

"Man kann sich diesen Themen nicht entziehen", findet Vettel. "Ich glaube, man muss ganz einfach anfangen, bei sich selbst. Was ist wichtiger? In der Hinsicht sollten die Werte und die Moral vor allem anderen stehen. Ich würde nicht verstehen, wenn man das nicht in dem Sinne teilen kann."


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"Auch wenn man als Sportler immer angehängt bekommt, man soll sich nicht einmischen, sondern raushalten: In der Hinsicht gibt es einfach gewichtigere Themen. Und ich habe kein Problem damit, meine Position zu teilen. Wir haben ein Rennen in Russland im Kalender. Unter den jetzigen Bedingungen werde ich da mit Sicherheit nicht hingehen", unterstreicht er.

Vettel: Keine Kritik am Schweigen anderer Fahrer

Für seine Fahrerkollegen, die nicht den Mut haben, ihre Meinung auch so öffentlich zu sagen, zeigt Vettel Verständnis: "Ich glaube, es hat jeder eine Haltung. Die Frage ist, ob sich jeder immer traut, die Haltung zu teilen. Ich habe da keine Scheu, ganz im Gegenteil. Ich glaube, es gibt gewisse Themen, zu denen kann man nicht schweigen."

"Es ist ein komisches Gefühl, überhaupt aus dem Bett zu kommen, wenn man mit solchen Nachrichten in den Tag startet; sich zu motivieren, wenn man genau weiß, es gibt Dinge, die viel wichtiger sind. Und wie gesagt: Es müssen jetzt schon unschuldige Menschen sterben. Man kann sich die Situation nicht ausmalen. Ich glaube, es gibt bei solchen Dingen keine Gewinnerseite."

"Es ist ein absoluter Schock, der nach wie vor sitzt. Und ich glaube, die Konsequenz ist ganz klar. Als Fahrer hatten wir noch nicht die Gelegenheit, darüber zu sprechen. Im Moment ist jeder mit sich selbst beschäftigt. Aber das ist natürlich ein Thema, was größer ist als alles andere. Ich bin mir sicher, dass alle anderen Fahrer die Meinung teilen. Alles andere würde mich überraschen."

"Es ist aber zunächst nicht wichtig, ob wir uns aussprechen oder nicht. Wichtig ist, dass sich die Lage vielleicht noch entspannt, dass es zu einem Ende kommt. Ich glaube, niemand will, dass es weiter eskaliert und weiter außer Kontrolle gerät - was aber im Moment sehr schwierig scheint", sagt Vettel über die russische Invasion in der Ukraine.

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