• 21. Oktober 2021 · 15:10 Uhr

Doppelgelb-Kontroverse: Welche Lehren die Formel 1 daraus zieht

Fernando Alonsos Freispruch in der Türkei wird zum Anstoß für eine Neuerung, die endlich eine der ewigen Kontroversen in der Formel 1 beseitigen könnte

(Motorsport-Total.com) - An diesem Wochenende wird die FIA in Austin ein neues System testen, das automatisch jene Rundenzeiten streicht, die im Training und Qualifying während einer Doppelgelbphase erzielt werden. Denn Tempoüberschreitungen bei Gelb führten in der Vergangenheit immer wieder zu hitzigen Diskussionen.

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Unter Doppelgelb könnten Rundenzeiten künftig komplett gestrichen werden Zoom Download

Es ging stets um die Frage, wie sehr muss ein Fahrer abbremsen? Mit der neuen Regel soll den Fahrern von vornherein der Anreiz genommen werden, die Runde im Renntempo weiterzufahren, weil er weiß, dass sie ohnehin gestrichen wird. Er muss langsamer fahren und pusht erst wieder, wenn die Strecke freigegeben ist.

Szenarien mit doppelt geschwenkter gelber Flagge werden im Internationalen Sporting Code angesprochen, aber auch in den Hinweisen, die FIA-Renndirektor Michael Masi jedes Wochenende an die Teams verteilt. Die Standardformulierung lautet wie folgt:

"Jeder Fahrer, der eine Doppelgelbphase durchfährt, muss die Geschwindigkeit deutlich reduzieren und darauf vorbereitet sein, die Richtung zu ändern oder anzuhalten."

"Damit die Stewards sich davon überzeugen können, dass ein Fahrer diese Anforderungen erfüllt hat, muss deutlich werden, dass er nicht versucht hat, eine aussagekräftige Rundenzeit zu fahren, was in der Praxis heißt, dass der Fahrer die Runde abbrechen sollte."

Der Schlüsselbegriff ist hier "aussagekräftige Rundenzeit", der offen für Interpretationen ist, wie der Fall Alonso beim Grand Prix der Türkei gezeigt hat. Er war zu Beginn von Q1 trotz Doppelgelb deutlich schneller unterwegs als die unmittelbare Konkurrenz unter gleichen Bedingungen, blieb aber am Ende ohne Strafe.

Wann ist eine Runde "bedeutsam" und wann nicht?

In ihrer Begründung hielten die Stewards unter anderem fest, "dass die gelbe Flagge zu dem Zeitpunkt auftauchte, als der Fahrer seine erste gezeitete Runde fuhr" und dass es sich um keine aussagekräftige Rundenzeit handelte, "da seine nächste fliegende Runde etwa 3,5 Sekunden schneller war als die Runde unter Gelb".

Im Grunde genommen kam Alonso also ungeschoren davon, weil er anschließend eine schnellere Runde fuhr und die fragwürdige Runde somit nicht mehr "bedeutsam" war.

Die Konkurrenten argumentierten jedoch mit einiger Berechtigung, dass zu der betreffenden Zeit in Q1 die Gefahr von Regen bestand. Und wenn es in diesem Moment geregnet hätte, wäre Alonso Dritter in der Startaufstellung gewesen, und zwar mit einer Zeit, die während der doppelten Gelbphase gefahren wurde.


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Die Tatsache, dass die Rennkommissare zuvor bereits wegen einiger anderer Entscheidungen - etwa in Bezug auf die missglückte Boxeneinfahrt von Lando Norris in Russland - in die Kritik geraten war, heizte die Diskussion über die Regeln und ihre teils inkonsistente Anwendung unter den Fahrern zusätzlich an.

"Ich war wirklich überrascht", sagte etwa Pierre Gasly. "Bei den letzten beiden Ereignissen verstehe ich das Reglement nicht wirklich, denn für mich gibt es entweder schwarz oder weiß, und diese beiden Situationen waren für mich sehr eindeutig."

"Ich denke, die Regeln müssen einheitlich sein", ergänzte Lance Stroll, der seine Runde im Gegensatz zu Alonso abgebrochen hatte. "Besonders bei einer doppelten Gelbphase, wie es sie gab, kann man nicht weiter pushen, man kann keine Rundenzeit setzen. Man sollte die Runde bei einewr doppelten Gelbphase aufgeben."

Kritik an inkonsistenter Anwendung der Regeln

Strolls Team Aston Martin war besonders verärgert. Nicht nur, weil Stroll seine Runde wegen der gleichen Flaggen aufgegeben hatte, unter denen Alonso weiterfuhr, sondern auch weil Sebastian Vettel vor ein paar Monaten in Bahrain für ein Vergehen unter Gelb bestraft worden war, das einige als marginal empfanden.

"In Bahrain fuhr Sebastian an dem Unfall vorbei, bevor Doppelgelb geschwenkt wurde", sagte Teamchef Otmar Szafnauer gegenüber Motorsport.com. "Aber er befand sich in dem Sektor und bekam eine Gridstrafe von drei Startplätzen."

"Offenbar hat Alonso keine Strafe bekommen, weil er keine aussagekräftige Rundenzeit fuhr. Ich denke, die Rundenzeit war aussagekräftig, aber wir müssen das mit der FIA besprechen und die Regeln verstehen, damit sie von Rennen zu Rennen einheitlich sind."

"Das Letzte, was wir wollen, ist, die Fahrer zu ermutigen, bei Doppelgelbphasen Vollgas zu geben. Das wollen wir nicht. Also muss das weiter diskutiert werden", so Szafnauer.

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Michael Masi will die neue Doppelgelb-Regelung in Austin testen Zoom Download

Als Motorsport.com Rennleiter Masi nach dem Sonntagsrennen bezüglich des Urteils fragte, bestätigte er, dass die Stewards eine Strafe ausgesprochen hätten, wenn es anschließend geregnet hätte und die Zeit von Alonso somit relevant gewesen wäre.

"Aber Tatsache ist, dass es unter den gegebenen Umständen keine aussagekräftige Rundenzeit war", bekräftigte Masi. "Aber wir werden eine Diskussion darüber führen, und vielleicht werden wir eine angepasste Formulierung für die Zukunft ausarbeiten, um jeglichen Anreiz in diesem Szenario zu beseitigen."

Testlauf in Austin als Fingerzeig für die Zukunft

In der Tat hatten einige Teams bereits am Sonntagmorgen in der Türkei mit Masi über den Vorfall gesprochen, und es zeichnete sich eine mögliche Lösung ab. Anstatt darüber zu diskutieren, wie aussagekräftig eine Runde ist, warum wird sie nicht einfach gestrichen, wenn doppelt geschwenkte gelbe Flagge zu sehen sind?

Das Verfahren, das für die Tracklimits angewendet wird, hat gezeigt, dass dies möglich ist. Masi griff die Idee schnell auf und hatte noch vor dem Rennen am Nachmittag die ersten Weichen gestellt, um sie beim nächsten Event in den USA zu testen.

"Auf den ersten Blick klingt es, als könnte es eine gute Lösung sein", sagte der Renndirektor und erörterte das Thema in der Sportbeiratssitzung vergangene Woche, wo sich die zehn Teamchefs/Sportdirektoren darauf einigten, dass es eine gute Idee und eine faire Lösung für ein Problem ist, das seit Jahren besteht.

Die Fahrer müssen während der Gelbphase immer noch Tempo herausnehmen. Und die Rennleitung kann im Einzelfall weiterhin eine Untersuchung anordnen. Da die Runde aber wertlos ist, steht für die Fahrer nun nicht mehr zu befürchten, dass der nächste nicht mehr so stark verlangsamt wie sie selbst und somit profitiert.

In einer Zeit, in der die FIA wegen kontroverser Entscheidungen unter Beschuss steht, sollte das neue System das Leben für alle einfacher machen. Es bleibt abzuwarten, wie es sich an diesem Wochenende bewährt und welche Schlüsse man zieht.

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