• 19. Mai 2021 · 19:21 Uhr

Keine US-Fahrer in der Formel 1: Am Talent liegt es nicht

Die FIA will amerikanische Fahrer in die Formel 1 holen, aber wie kann das gelingen? Michael Andretti und Alexander Rossi erklären, wo es hakt und was es braucht

(Motorsport-Total.com) - Vor zwei Wochen, nach der Ankündigung, dass ab 2022 ein Grand Prix in Miami in den Rennkalender Einzug hält, wurde Formel-1-CEO Stefano Domenicali gefragt, ob es notwendig sei, US-Fahrer in die Startaufstellung zu bringen.

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Alexander Rossi ist der letzte US-Fahrer, der ein Formel-1-Rennen bestritt Zoom Download

"Die Antwort ist für mich ganz klar, sie lautet ja", war seine Antwort. "Wir arbeiten mit den Teams zusammen, um zu verstehen, welche Möglichkeiten es für amerikanische Fahrer gibt. Das könnte kommen. Ich sehe das, wenn man sehr pragmatisch und realistisch ist, nicht in den nächsten zwei oder drei Jahren kommen. Aber vielleicht danach."

Die Kommentare zogen eine Menge Zynismus der Open-Wheel-Fans in den USA auf sich. Graham Rahal twitterte: "Bei allem Respekt, Mr. Domenicali, haben Sie jemals Colton Herta gesehen? Er braucht keine zwei bis drei Jahre, und er ist erst 21. Steckt ihn in ein gutes Auto und er wird gewinnen. #RespectAmericanDrivers"

Es stellt sich die Frage: Was war zuerst da - der gefühlte Mangel an Respekt der Formel 1 gegenüber amerikanischen Open-Wheel-Fahrern oder das scheinbare Desinteresse amerikanischer Fahrer, es in der Formel 1 zu schaffen?

Das Wort "scheinbar" ist dabei nicht unbedacht gewählt. Natürlich sind amerikanische Fahrer vom Grand-Prix-Sport fasziniert. Wenn sie keine anderen Verpflichtungen haben, schauen sie sich die Grands Prix vom Start bis zur karierten Flagge an.

Aber die Vorstellung, einen Sponsor zu finden - oder ein Konglomerat von Investoren zu finden - um eine sieben- oder achtstellige Summe zu zahlen und dann Jahr für Jahr in einem Auto am Ende das Feldes zu sitzen, ist nicht attraktiv für einen Fahrer, für den der Wettbewerb das A und O ist, seit er sich in ein Kart gezwängt hat.

"Wie kannst du damit leben, Millionen zu zahlen, um bei einem Team zu sein, mit dem du an seinen besten Tagen nur auf Platz 15 landest?", fragte ein IndyCar-Veteran vor ein paar Jahren.

"Warum kommst du nicht hierher und erhältst für die Hälfte des Geldes oder weniger eine Chance, die deine Karriere verändern könnte, wenn du einige Jungs in den großen Teams schlagen kannst, weil du im Grunde die gleiche Ausrüstung hast?"

"Die Formel 1 ist so... geschichtet: zwei Teams an der Spitze, drei Teams dahinter, drei Teams dahinter und ein paar Teams ganz hinten. Du gehst also in jedes Rennen mit dem Wissen, dass du realistisch gesehen nur ein paar andere Jungs in der Startaufstellung schlagen musst - deinen Teamkollegen und die anderen in deiner Schicht."

"Wenn du in der hinteren Hälfte der Startaufstellung stehst, wirst du vielleicht bemerkt und steigst ein oder zwei Ebenen auf - aber normalerweise wird ein Team mit einem Nachwuchsprogramm einen von 'seinen' Jungs nehmen, also könntest du für immer dort hinten feststecken", analysierte er die Situation in der Königsklasse.

"Schaut auch (Nico) Hülkenberg an: Er gewinnt alles, was es auf dem Weg nach oben zu gewinnen gibt, aber er hat noch nicht einmal ein Podium in der Formel 1, weil er nie im richtigen Team ist. Ich verstehe das nicht."

"Warum willst du all diese Serien durchlaufen und versuchen andere Jungs mit dem gleichen Auto zu schlagen, um zu gewinnen, und dann Millionen bezahlen, um ein Auto zu fahren, das zwei Sekunden langsamer ist als der Typ, der am schnellsten ist? Ernsthaft, was ist das für ein Sport, bei dem man bezahlt, um zu verlieren? Das ist verrückt."

Haben junge amerikanische Fahrer das einfach früher erkannt als ihre europäischen Kollegen? Warum gibt es einen so schockierenden Mangel an US-Fahrern, die überhaupt versuchen, den Weg in die Formel 1 zu finden? Mir kommen da Ryan Tveter, Jak Crawford, Cameron Das und Kaylen Frederick in den Sinn.

Amerikanische Unterrepräsentation hat Geschichte

Amerika hat bisher zwei Formel-1-Weltmeister hervorgebracht - Mario Andretti und Phil Hill - und einen weiteren Formel-1-Sieger, der offensichtlich Champion-Qualität hatte, nämlich Dan Gurney. Andere Amerikaner, die Rennen in der Formel 1 gewonnen haben (mit Ausnahme der 1950er Jahre, als das Indy 500 als Teil der Weltmeisterschaft eingestuft wurde), waren Richie Ginther und Peter Revson.

Zu den amerikanischen Fahrern, die auf einem Formel-1-Podium standen, gehören Harry Schell, Masten Gregory, Mark Donohue, George Follmer, Eddie Cheever und Michael Andretti.

Für eine wahrhafte Weltmeisterschaft ist die Repräsentation des drittbevölkerungsreichsten Land der Welt in der Formel 1 ziemlich miserabel. "Wussten Sie das nicht? Die Amerikaner sind einfach genetisch indisponiert, um in der Formel 1 der letzten 40 Jahre erfolgreich zu sein", schnaubt ein IndyCar-Teambesitzer, als ich ihn nach der gegenseitigen Apathie zwischen der Formel 1 und den USA frage.

Mario Andretti glaubt, dass ein schneller Amerikaner in einem guten Team alles wäre, was es bräuchte, um Amerika wieder für den Grand-Prix-Sport zu begeistern und sagte Motorsport.com im vergangenen Monat, dass er glaubt, dass Colton Herta das Potenzial hat, dieser Mann zu sein.

Romain Grosjean stand in der Formel 1 zehn Mal auf dem Podest. Wir haben ihn gefragt, wie er die Fahrer einschätzt, mit denen er jetzt in der IndyCar unterwegs ist, und wie er denkt, dass sie sich in der Formel 1 schlagen würden.

"Die Fahrer hier sind super talentiert", findet er. "Viele der amerikanischen Fahrer sind durch die Serien aufgewachsen - Indy Pro 2000, Indy Lights... die Road to Indy."

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Romain Grosjean fuhr von 2012 bis 2020 in der Formel 1, ist jetzt IndyCar-Pilot Zoom Download

"Aber die Atmosphäre ist ganz anders als in Europa. Du hast vielleicht einige Fahrer, die versucht haben, nach Europa zu kommen, und sie fühlen sich womöglich nicht so wohl, weil es anders ist. Alles ist wahrscheinlich strenger. 'Streng' ist nicht das richtige Wort, sondern eher 'formell'", zieht Grosjean den Vergleich.

"Die Autos sind anders zu fahren. Ich musste meinen Fahrstil ziemlich anpassen, als ich hierher kam. Von Europa nach Amerika ist es ein bisschen einfacher, sich anzupassen als umgekehrt. Ich war beeindruckt von dem Niveau, das man hier in der IndyCar hat. Ich bin sicher, dass die Jungs das Talent haben, aber es geht mehr um das Gesamtbild. Wird er in das europäische Modell passen?"

Colton Herta ist ein offensichtlicher Kandidat, oder?

Colton Herta passte in dieses Modell, so lange seine Eltern es sich leisten konnten. Er ging im Alter von 15 Jahren nach Europa, um in der MSA Formula zu fahren. Nachdem er die Strecken in der ersten Hälfte des Jahres kennengelernt hatte, erzielte er vier Siege und erwies sich als regelmäßiger Gegner von Carlin-Teamkollege Lando Norris, von dem wir alle wissen, dass er ein zukünftiger Formel-1-Superstar ist.

Im darauffolgenden Jahr trat Herta in der offenen Euroformula-Meisterschaft an und wurde mit vier Siegen erneut Dritter in den Punkten. Dann ging seinen Eltern das Geld aus, um in der europäischen Open-Wheel-Szene weiterzumachen.

Er interessierte sich sehr für die DTM, aber die erlebte gerade eine unsichere Phase, und so kehrte Herta in die USA zurück und ist jetzt ein Star in der IndyCar.

Es war daher keine Überraschung, als Michael Andretti vergangene Woche verkündete, dass Herta für mindestens zwei weitere Jahre bei Andretti Autosport bleiben wird und dass seine Form Gainbridge überzeugt hat, Sponsor zu bleiben.

Im Zuge dessen fragte Motorsport.com den Rennstallbesitzer, ob er glaubt, dass die FIA es ernst meint mit dem Versuch, amerikanische Fahrer anzulocken.

"Nun, sie haben noch nichts gezeigt, was darauf hindeutet, dass sie es versuchen", sagt er. "Also glaube ich nicht, dass die amerikanischen Fahrer in dieser Hinsicht Hilfe bekommen werden. Ich denke, es wird ein Team brauchen, das es versuchen will."

"Ich habe gesehen, dass mein Vater Coltons Namen in den Raum gestellt hat. Ich sagte: 'Was machst du da, Dad?! Ich will, dass er bei uns bleibt!' Deshalb haben wir ihn ganz schnell unter Vertrag genommen. Aber im Ernst, ich denke, Colton wird Angebote bekommen - das sollte er jedenfalls."

"Er ist gegen die jungen Kerle gefahren, die jetzt in der Formel 1 richtig gut aussehen. Er war Teamkollege von Lando und hat gezeigt, dass er ihn schlagen kann. Also hat er das Talent, es zu schaffen. Also ja, vielleicht bekommt er eines Tages die Chance, die er verdient, mit einem guten Team dort drüben."

Andretti, der der einzige IndyCar-Teambesitzer ist, der konstant ein Team in den Nachwuchsformeln der Road To Indy betreibt, betonte, dass er nicht verstehe, warum europäische Teambesitzer nicht anerkennen, dass USF2000, Indy Pro 2000 und Indy Lights starke Trainingsplätze für Renntalente sind.

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Colton Herta ist 21 und wird von Experten als mögliches Formel-1-Talent gelobt Zoom Download

"Sie haben eine seltsame Art, die Dinge zu betrachten", zuckt er mit den Schultern. "Road To Indy hat einige großartige Rennen und Qualität setzt sich durch, so wie es in jeder Einheitsklasse der Fall ist, richtig? Aber Colton hat schon gezeigt, wie gut er auch in den Junior-Formeln in Europa war."

"Wie gesagt, er war Teamkollege von Lando. Sie haben sich jedes Wochenende um die Poleposition duelliert, und so ist er durch dieses System hochgekommen und war extrem stark. Unglücklicherweise sahen er und Bryan (Coltons Vater und jetzt Teampartner bei Andretti; Anm d. R.), dass er es nicht schaffen würde, ohne in ein Nachwuchsfahrer-Programm zu kommen, weil die Budgets so verrückt sind."

"Er kam hierher zurück, wo die Budgets Sinn machen - und er hat die richtige Entscheidung getroffen. Klar, dass ich das sage. Er fährt für uns und er ist ein Gewinner. Aber wissen Sie, auf einem Toplevel zu gewinnen ist das, was ein Topfahrer tun will. Also denke ich, dass er hier in der IndyCar glücklich ist. Gleichzeitig bin ich mir sicher, dass er aufhorchen würde, wenn ein gutes Formel-1-Team auf der Suche wäre."

Doch die Formel-1-Autos und die IndyCars sind weit voneinander entfernt sind, was das Tempo angeht. Hinzu kommt, dass Rookies nur wenig Testtage in der Formel 1 zur Verfügung stehen. Würde Herta oder jemand mit ähnlichem Potenzial dann wirklich sein Bestes geben können, wenn er diese Wechsel antreten würde?

Zwei Tage in Abu Dhabi am Ende des Jahres und drei oder vier Tage in der Vorsaison klingen nicht nach genug Zeit, um sich anzupassen, egal wie gut der Simulator ist. "Nun, ich weiß, dass zweieinhalb Tage nicht genug sind, denn das war alles, was ich '93 mit McLaren hatte!", lacht Andretti. "Ja, vielleicht ist doppelt so viel gut!"

"Nein, im Ernst, ich denke, das ist ein Problemfaktor. Das ist es auch hier: Ein IndyCar-Rookie bekommt nur einen Tag mehr als die Veteranen. Als ich jung war, waren die Tage unbegrenzt: Wir konnten so viel testen, wie wir wollten, so viel, wie sich das Team leisten konnte, und für einen jungen Fahrer sind diese Kilometer so wichtig."

"Es wird immer Anpassungen geben, wenn man von einer Formel zur anderen wechselt. Aber Talent ist Talent, und wenn man daran arbeitet - das Team, das mit dem Fahrer zusammenarbeitet, und der Fahrer, der hart daran arbeitet, sein Potenzial zu maximieren - kann man das umsetzen, egal ob es sich um Testtage oder Simulationszeit handelt."

"Ehrlich gesagt denke ich, das größere Problem ist, ob ein Formel-1-Team die Chance auf einen Amerikaner ergreift. Sie wissen und ich weiß, dass es bei jemandem wie Colton nicht wirklich ein Risiko ist, oder? Wir wissen, dass er gut sein würde."

"Aber wie ich schon sagte: Sie sehen es so, als würden sie ein großes Risiko eingehen, weil sie einfach in diese Denkweise verfallen, dass nur Fahrer, die den europäischen Rennsport kennen, dort wirklich erfolgreich sein können."

"Ich weiß, wenn ich ein Teambesitzer in der Formel 1 wäre, würde ich Colton sofort verpflichten. Er ist sehr schnell, er arbeitet so hart, um besser und besser zu werden, und er ist schlau genug, das Gelernte in die Praxis umzusetzen. Ich kann nicht genug Gutes über ihn sagen."

Die andere Einstellung im europäischen Rennsport

Einer von Hertas aktuellen Teamkollegen, Alexander Rossi, war der letzte Amerikaner, der bei einem Grand Prix startete. Er gewann Rennen in der GP3, der Formel Renault 3.5 Serie und der GP2 und war offizieller Testfahrer für das Formel-1-Team von Caterham, was ihm 2015 schließlich fünf Grand-Prix-Starts bei Marussia einbrachte.

Er schlug sich unter den gegebenen Umständen gut und übertraf seinen erfahreneren Teamkollegen viermal. Aer das Auto war so weit von der Pace selbst des nächst langsameren Teams entfernt, dass Rossis Leistungen nicht in einen größeren Kontext gestellt werden konnten.

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Alexander Rossi schlug sich bei fünf Rennen im unterlegenen Marussia wacker Zoom Download

Jetzt ist er ein etablierter Star in IndyCar, mit sieben Siegen - einschließlich des Indy 500 - und zwei Top-3-Platzierungen in der Meisterschaft. Zum Thema amerikanische Fahrer in der Formel 1 äußert sich Rossi sehr offen.

"Mich stört, wenn ich jemanden von der FIA oder einen Teambesitzer der Formel 1 sagen höre: 'Es gibt derzeit keine amerikanischen Fahrer, die bereit sind, in die Formel 1 zu gehen, aber wir haben ein Interesse daran, dass es passiert. Wir wollen jemanden entwickeln, um es möglich zu machen.' Soweit ich das sehen kann, sind das nur Lippenbekenntnisse."

"Letztendlich muss ein amerikanischer Fahrer, um in die Formel 1 zu kommen, nach Europa gehen. So ist es nun mal. Es hat nichts mit deiner Nationalität zu tun, aber es gibt keinen Formel-1-Fahrer, der nicht die europäischen Nachwuchsklassen durchlaufen hat. Es ist nie wirklich passiert, oder die Male, wo es passiert ist, ist es nicht gut gelaufen."

Verantwortlich dafür macht Rossi die Unterschiede in der dortigen Rennkultur: "Es werden viele politische Spiele gespielt. Es gibt nicht den Sinn für Loyalität und Kameradschaft, den man hier findet, und man kümmert sich nur um sich selbst."

"Wenn man das einmal erkannt hat, ist es in Ordnung, es ist normal, und man konzentriert sich einfach auf das Fahren. Aber wenn du dort hingehst und denkst, dass du nur wegen deines Talents erfolgreich sein wirst und der Kram abseits der Rennstrecke keine Rolle spielt, dann... ist das ein böses Erwachen."

"Wenn sie es also ernst meinen, einen amerikanischen Fahrer zu haben, wegen des Interesses, das in den USA besteht, und weil dies der größte Markt für die Verkäufe von Mercedes-Benz, Ferrari, McLaren und so weiter ist, dann müssen sie etwas Ähnliches tun, wie es Red Bull getan hat."

"Sie müssen nach sehr jungen, talentierten Fahrern suchen und die nötigen Mittel und Unterstützung bereitstellen, um sie aus Amerika nach Europa zu locken. Ich hatte das große Glück, dass meine Familie bereit war, buchstäblich alles zu ändern, um mich zu unterstützen und es mir zu ermöglichen, nach Übersee zu gehen und mein Leben dem Rennsport zu widmen und in Europa zu leben."

"Das ist offensichtlich eine ziemlich seltene Sache - nicht nur finanziell, sondern weil es einfach seltsam ist, oder? Sein junges Kind in ein anderes Land ziehen zu lassen."

"Man muss also die Unterstützung der Hersteller oder des Marketings haben, und ich denke, Red Bull hat das sehr, sehr gut gemacht. Auch die FIA und die Formel-1-Teams haben Möglichkeiten. Wenn sie also sagen: 'Oh ja, wir hätten es gerne, wir müssen etwas tun', dann sind das nur Worte, bis jemand es tatsächlich umsetzt, und zwar auf eine strukturierte Weise."

"Das Interesse an der Formel 1 hat hier in den USA wegen der Netflix-Serie einen Höhepunkt erreicht, und es gibt offensichtlich eine Nachfrage nach der Formel 1 hier, denn es wird ein zweites Rennen geben, in Miami. Aber ich glaube nicht, dass hinter dem Vorstoß für einen amerikanischen Fahrer wirklich viel Gewicht steckt. Ich werde es nicht glauben, bis ich sehe, dass etwas passiert."

Denn noch immer gebe es Leute, "die sich offen gesagt den Mund fusselig reden und sagen, dass es hier keine qualifizierten Rennfahrer gibt, die in der Formel 1 antreten könnten", weiß Rossi. "Das ist lächerlich. Ich habe es aus erster Hand erfahren, und dann kann man sich jemanden wie Josef (Newgarden) oder Colton ansehen und weiß, dass sie mehr als qualifiziert sind, um Formel 1 zu fahren."

"Schaut man sich einige der Formel-1-Fahrer an, die zu IndyCar gewechselt sind, oder einige der Leute, die aus den Junior-Formeln in Europa kommen, um hier zu fahren, ist es nicht so, dass sie ankommen und den Boden mit den Amerikanern aufwischen. Es gibt genügend Talente in der IndyCar, die mehr als fähig sind, ein Formel-1-Auto zu fahren."


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"Wäre es ein zu großer Kulturschock, wenn man umsteigt? Möglicherweise - ich könnte dieses Argument durchaus nachvollziehen. Aber das ist der Grund, warum die FIA oder die Besitzer der Formel-1-Teams auf Kinder schauen müssen, die aus dem Kartsport kommen, und Geld in die Hand nehmen müssen, um ihrer Ambition, amerikanische Fahrer in der Formel 1 zu haben, auch Taten folgen zu lassen."

US-Fahrer in europäischen Nachwuchsserien fördern

Einige mögen die Stirn runzeln, wenn Rossi behauptet, dass ein amerikanisches Nachwuchstalent in den europäischen Juniorkategorien auf den Formel-1-Starstatus vorbereitet werden muss, aber seine Argumentation ist begründet.

"Wie ich schon sagte, die Kultur ist sehr unterschiedlich", erklärt er. "Du wirst nicht als 21-jähriger Amerikaner rübergehen und bei irgendeinem Team unter Vertrag genommen werden und erwarten, dass du die gleiche Menge an Upgrades bekommst wie ein etablierter Fahrer. Man muss also in der Lage sein, das politische Spiel abseits der Rennstrecke zu spielen, um damit umzugehen."

"Wir haben gesehen, wie Fernando Alonso in die Formel 1 zurückgekehrt ist, und selbst als zweifacher Weltmeister ist er nicht die Nummer eins bei Alpine, und das macht einen Unterschied."

"Es ist nicht so, dass es immer die Absicht gibt, einen Nummer-eins-Fahrer und einen Nummer-zwei-Fahrer in einem Team zu haben. Es ist ein so spezialisierter Sport, und du arbeitest immer gegen deinen Teamkollegen. Ohne die Beziehungen zu haben, gibt es ein Unterbewusstsein unter den Teammitgliedern, das gegen dich arbeiten kann."

"Ich denke, wenn du als Amerikaner von der IndyCar zur Formel 1 kommst, wirst du als Außenseiter gesehen. Wenn man hingegen seine Zeit und sein Geld in Europa in Junior-Formeln investiert hat und die europäische Kultur vier oder fünf Jahre lang verinnerlicht hat, ist man Teil der Szene. Ich weiß, dass ich mich so gefühlt habe."

"Ich wurde nicht als Amerikaner oder Außenseiter angesehen. Ich war einfach einer der jungen Kerle aus einer beliebigen Anzahl von Nationen, die versuchen, in die Formel 1 zu kommen."

"Der andere große Faktor, den man berücksichtigen muss, ist das Lernen der Strecken. Mir ist klar, dass Colton in einer etwas einzigartigen Situation ist, weil er zwei Jahre in Europa war und auf vielen Strecken gefahren ist, aber für jeden Amerikaner, der dorthin geht, gibt es so viel zu lernen."

"Man würde auch nicht erwarten, dass Romain nächsten Monat sofort dabei ist, wenn wir nach Detroit fahren und er gegen eine Reihe von Fahrern antritt, die dort schon seit 15 Jahren Rennen gefahren sind."

"In der Formel 1 gibt es Fahrer, die in Silverstone, Barcelona und Spa gefahren sind, seit sie zwölf Jahre alt waren, und dieser Vorteil darf nicht unterschätzt werden. Denn es gibt Nuancen auf all diesen Strecken. Und egal, wie talentiert du bist, wenn du gegen jemanden antrittst, der auf dieser Strecke gefahren ist, seit er 14 Jahre alt war, in der Formel Renault, und jetzt ist er 26 und in der Formel 1, wird er die Oberhand haben."

Eine weitere Sorge, so könnte man vermuten, sind die Parameter, die bei einem auf Kosteneffizienz ausgelegten Auto wie einem IndyCar verändert werden können und die einen Fahrer kaum auf eine technologieorientierte Formel wie die Formel 1 vorbereiten, wo das Auto besser auf den Einzelnen zugeschnitten werden kann.

"Hmmm, ich weiß nicht, ob das so ein Faktor ist", sagt Rossi. "Ich würde fast sagen, dass die Formel 1 einfacher ist, weil sie so ein fortschrittliches Lernsystem und optimierte Set-ups haben. Ich erinnere mich aus meiner Zeit dort, egal ob man in einem Mercedes oder einem Caterham saß, das Auto fühlte sich grundsätzlich gut an."

"die Balance war überall neutral, unabhängig von den Szenarien, weil die Simulationen der Teams so gut sind, dass sie genau wissen, was das Auto für die jeweils gegebenen Parameter braucht. Es geht dann nur noch darum, ob dein Auto mit 15 Meilen pro Stunde schneller durch eine Kurve fahren kann als das andere Auto. Oder ob es in der Lage ist, 50 Fuß später zu bremsen, und schon hast du deine Rundenzeit."

"Ich würde also sagen, dass die Einheitsserien tatsächlich eine größere Herausforderung sind, um Feedback zu geben und das zu entwickeln, was man kann. Im Laufe eines Rennwochenendes in der Formel 1 ändert man vielleicht die Spureinstellung der Räder, den Winkel des Frontflügels und möglicherweise die Fahrhöhe; der Rest ist, wie er ist."

"Man ändert keine Federn, Aufhängungsgeometrien, Gewichtsverteilung und solche Dinge. Also habe ich ehrlich gesagt das Gefühl, dass es für die Fahrer weniger zu beachten gibt, was die technische Seite der Dinge in der Formel 1 angeht - zumindest im Verlauf eines Rennwochenendes."

Was ist das perfekte Alter für den Einstieg?

Wenn Rossi glaubt, dass ein amerikanischer Fahrer auf der europäischen Juniorenleiter empor klettern muss, um es in die Formel 1 zu schaffen, in welcher Altersgruppe sollte die FIA dann nach amerikanischen Talenten suchen? Sicherlich ist es zu früh, direkt aus dem Kartsport zu kommen, denn es gibt viele Kart-Asse, die ihre Fähigkeiten nicht ganz ins Auto übertragen können.

"Diese Fahrer müssen früh geholt werden, sagen wir, mit 13 oder 14", sagt Rossi. "Dann haben sie fünf oder sechs Jahre Zeit, um sich in der Formel Renault, Formel 3, Formel 2... zu beweisen, Zeit für ein paar Saisons in jeder dieser Klassen."


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Wenn er recht hat, an welchem Punkt wird Colton Herta - immer noch 21 Jahre alt - "zu alt" sein, um als ernstzunehmender Kandidat zu gelten? "Ja, ich weiß. Colton könnte zu 100 Prozent in die Formel 1 gehen und in einem konkurrenzfähigen Auto genauso gut sein wie sein Teamkollege", sagt Rossi.

"Ich denke nicht, dass es eine Frage des Talents der Fahrer in der IndyCar ist. Es wird einfach immer eine kulturelle Diskrepanz zwischen dem amerikanischen und dem europäischen Rennsport geben, und deshalb müssen Zeit und Geld investiert werden, um junge Fahrer früh in Europa fahren zu lassen."

"Verdammt, ich würde gerne sehen, dass Colton eine Chance bekommt, weil er die USA sehr, sehr gut repräsentieren würde... aber ich weiß nicht, ob sie ihn mit 21 schon für zu alt halten, oder ob er genau an der Schwelle dazu steht - mit einem oder vielleicht zwei Jahren in ihrem Zeitfenster - bevor sie anfangen, sich woanders umzusehen."

"Es ist einfach so, wie es immer war - sie schauen immer über das hinaus, was sie gerade haben, um das nächste Ding zu finden, und sobald man aus dem Fenster fällt, das sie für optimal halten, ist es egal, was man macht. Es sei denn, man ist ein Champion. Natürlich ist das ärgerlich. Scott Dixon ist 40 und er ist fit genug, talentiert genug, um rüberzukommen und den Job trotzdem zu erledigen."

Und Rossi fügt hinzu: "Natürlich hat Max Verstappen es für alle ruiniert! Er kommt direkt aus der Formel 3, debütiert mit 17, holt seinen ersten Sieg mit 18... Das hilft uns Jungs in den späten 20ern nicht weiter!"

Jeder würde von US-Rennfahrern in der Formel 1 profitieren

Rossis Zynismus über Domenicalis Kommentare rührt nicht daher, dass sein eigener Formel-1-Traum geplatzt ist, noch hat er das Gefühl, dass er besondere Unterstützung für diesen Traum verdient hätte.

Er ist eher frustriert über die Einstellung, die seiner Meinung nach unter den Teambesitzern vorherrscht, die jemanden wie Herta daran hindern würde, den Wechsel zu vollziehen. Und er möchte auch, dass die FIA nicht nur darüber redet, Amerikaner angemessen auf die Formel 1 vorzubereiten, sondern tatsächlich etwas dafür tut.

"Ich hoffe, dass es passiert, das tue ich wirklich. Das muss es", betont er. "Ich glaube, die Hersteller würden es annehmen, weil sie wollen, dass die Fangemeinde es annimmt. Die Hersteller erkennen, dass zwei amerikanische Grands Prix - in Austin und Miami - einen oder zwei amerikanische Fahrer in guten Autos brauchen, um ihr Potenzial auszuschöpfen und möglichst viele Zuschauern in ihren größten Märkten anzuziehen."

"Wie ich schon sagte, gibt es bereits ein oder zwei offensichtliche Kandidaten im richtigen Alter. Aber wenn die zuständigen Leute nicht über die Alterssache hinwegsehen können, dann müssen sie sofort ein Programm für 13- und 14-jährige Amerikaner mit Potenzial starten, die während ihrer prägenden Jahre auch rübergehen und Europäer sein wollen!"

"Im Grunde wäre das Endergebnis ein Gewinn für alle. Niemand würde verlieren, wenn die Formel 1 hier eine proaktive Haltung einnimmt und es möglich macht."

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