• 01. April 2021 · 02:07 Uhr

"Track-Limits": Masi erklärt, was Mercedes falsch verstanden hat

FIA-Rennleiter Michael Masi erklärt, warum Toto Wolffs Aussagen nach dem Formel-1-Saisonauftakt in Bahrain missverständlich waren

(Motorsport-Total.com) - Beim letztendlich rennentscheidenden Thema "Track-Limits" in Kurve 4 herrschte nach dem Formel-1-Saisonauftakt am Sonntag in Bahrain Verwirrung. Auch bei Toto Wolff: "Am Anfang des Rennens haben sie uns gesagt, dass 'Track-Limits' in Kurve 4 nicht sanktioniert werden. Und dann im Rennen hieß es auf einmal: 'Wenn ihr da weiter drüberfährt, könnten wir das als unfairen Vorteil betrachten und so eine Strafe verursacht werden.'"

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Michael Masi und Toto Wolff haben einander in Bahrain missverstanden Zoom Download

Auf den ersten Blick erscheint die Verwirrung des Mercedes-Teamchefs nachvollziehbar. FIA-Rennleiter Michael Masi hatte in Punkt 21.2.a seiner "Event-Notes" festgehalten, dass ein Überfahren der weißen Linie an der Stelle im Rennen nicht geahndet wird ("Track limits at the exit of Turn 4 will not be monitored with regard to setting a lap time [in the race]").

Gezählte 29 Mal fuhr Hamilton im Rennen an der Stelle über die "Track-Limits" - vermeintlich völlig legal. Trotzdem meldete sich Masi während des Rennens bei Wolff und Mercedes-Sportchef Ron Meadows, um dazu aufzufordern, Hamiltons wiederholtes Überfahren der Streckenbegrenzung außen in Kurve 4 ab sofort zu unterlassen.

Auch Max Verstappen konnte sich auf die Widersprüche erstmal keinen Reim machen: "Sie haben mir reingefunkt, dass andere Fahrer drüberfahren, ich das also auch tun soll, weil man so natürlich schneller ist. Dann haben sie gefunkt, dass ich es nicht mehr tun soll. Im Qualifying wurden dafür Zeiten gestrichen. Ich weiß nicht, warum es im Rennen auf einmal ohne Verwarnung ging."

Version 2: "Event-Notes" am Freitag korrigiert

Um die Verwirrung zu verstehen, muss man etwas ausholen. Zu Beginn des Rennwochenendes hatte es Version 1 der "Event-Notes" gegeben. Darin stand, dass die "Track-Limits" in Kurve 4 nicht überwacht werden (genau wie im letzten Bahrain-Rennen 2020). Daraufhin fuhren die Piloten im ersten Freien Training in vollem Bewusstsein über die Linie, was nicht in Masis Sinne war.


Kontroverse Bahrain-Entscheidung: "Ist Blödsinn!"

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Er wollte nur vermeiden, dass jeder kleine Fahrfehler, bei dem jemand unbeabsichtigt über die "Track-Limits" rutscht, sofort sanktioniert werden muss. Also kam es zu Version 2 der "Event-Notes", in der stand, dass die Rundenzeiten zwar in den Trainings gestrichen werden, Kurve 4 aber während des Rennens wiederum nicht überwacht wird.

Demnach sollte es eigentlich kein Problem sein, dass Hamilton 29 Mal über die "Track-Limits" gefahren ist. Aber Masi präzisiert Punkt 21.2.a seiner "Event-Notes" gegenüber 'Motorsport-Total.com': "Das bedeutet nicht, dass die Fahrer die Begrenzung der Strecke komplett ignorieren können."

Warum wurde Hamilton im Rennen ermahnt?

Dazu muss man wissen: Punkt 21.2.b der "Event-Notes" verweist auf Artikel 27.3 des Sportlichen Reglements, und in dem steht glasklar: "Der Fahrer muss jede zumutbare Anstrengung unternehmen, um jederzeit auf der Strecke zu bleiben, und darf die Strecke ohne einen gerechtfertigten Grund nicht verlassen."

Außerdem regelt Artikel 27.3 den berühmten "lasting Advantage", der Max Verstappen zum Verhängnis wurde: "Sollte ein Fahrer die Strecke verlassen und wieder auf diese zurückfahren, darf das nur erfolgen, wenn es sicher ist und ohne dabei einen anhaltenden Vorteil zu ziehen."

Hier spießen sich also die "Event-Notes" und das Sportliche Reglement, die in Widerspruch zueinander stehen. Was Wolff nach dem Rennen aber nicht dazugesagt hat: Masi hat darüber im Fahrerbriefing am Freitag referiert und Hamilton & Co. den Unterschied zwischen "Track-Limits" aus Gründen der Kulanz nicht zu überwachen und bewusst und wiederholt drüberzufahren erklärt.

Das erklärt die Zurechtweisung von Hamilton während des Rennens. Masi: "Wir hatten in der Rennleitung zwei Funktionäre sitzen, die Kurve 4 mit HD-Kameras überwacht haben, und das Auto mit der Nummer 44 war das einzige, das dort wiederholt rausgefahren ist. Als klar war, dass Artikel 27.3 nicht eingehalten wird, haben wir das Team angewiesen, dem Fahrer mitzuteilen, er möge damit aufhören, die Strecke bewusst zu verlassen."

Verwirrung der Teams für Masi nicht nachvollziehbar

Masi erklärt seine Kompromissregelung als "praktische und pragmatische Herangehensweise basierend auf der Erfahrung vergangener Jahre und dem direkten Feedback der Fahrer und Teams, und das wurde genau so im Fahrerbriefing am Freitag erörtert." Dort habe man den Fahrern "ganz klar" gesagt, dass die Position zurückgegeben werden muss, wenn man beim Überholen außerhalb der "Track-Limits" gerät.

Die Entscheidungen der Rennleitung am Sonntag sind dementsprechend völlig regelkonform erfolgt. Fraglich bleibt allerdings, ob die Regeln die richtigen sind: "Die Regeln, die ausgegeben werden, müssen konstant bleiben", fordert Wolff. "Die müssen klar sein und heilig - und nicht ein Shakespeare-Roman, den man einmal so und einmal so interpretieren kann."


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Bei Mercedes bleibt man verwirrt zurück, trägt's aber mit Fassung: "Sie haben mitten im Rennen ihre Ansicht geändert, und auf einmal darfst du nicht mehr außerhalb der weißen Linie fahren", sagt Hamilton. "Für mich kein Problem. Mir hat's letztendlich sogar geholfen, weil mich das dazu gezwungen hat, die Reifen zu schonen. Ich bin dankbar. So konnte mich Max nicht neben der Strecke überholen."

Was freilich an Hamiltons Aussage nur bedingt Sinn ergibt: Über die "Track-Limits" zu fahren ist nicht nur schneller als innerhalb der Begrenzung zu bleiben, sondern natürlich auch reifenschonender. Die Lateralkräfte, die auf die Pirellis wirken, sind höher, wenn das Auto auf Biegen und Brechen in eine Linie gezwungen wird als wenn man das Lenkrad aufmachen und den Druck verringern kann.

Auf eins können sich jedoch vermutlich alle Beteiligten einigen: "Die Lektion, die wir daraus ziehen müssen, ist, dass die Regeln so einfach wie möglich gehalten sein sollten, damit sie jeder versteht", sagt Wolff. "Es kann ja nicht sein, dass die Fahrer einen Haufen Dokumente ins Auto mitnehmen müssen, um zu verstehen, was erlaubt ist und was nicht."

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