• 08. Juli 2019 · 15:59 Uhr

Franz Tost über 25 Rennen: "Die Familien sind mir egal"

"Das interessiert mich null", sagt der Toro-Rosso-Teamchef über die Kritik an seinen kompromisslosen Statements über die Erweiterung des Formel-1-Kalenders

(Motorsport-Total.com) - Franz Tost ist bekannt als Mann der klaren Worte. Mit seinen oft undiplomatischen Aussagen hat er in der Vergangenheit bereits mehrfach für Schlagzeilen gesorgt. Und auch bei der Diskussion um die angedachte Erweiterung des Formel-1-Kalenders auf 25 Rennen und die damit verbundene Mehrbelastung für die Mitarbeiter der Teams kennt er keine Gnade.

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Franz Tost findet, dass sich die Formel-1-Mitarbeiter mal nicht so anstellen sollen Zoom Download

"Die Familien", sagt er, im Rahmen einer FIA-Pressekonferenz darauf angesprochen, "sind mir egal. Wir haben 52 Wochenenden pro Jahr. Da können wir locker 26 Rennen fahren. Wo liegt das Problem? Wichtig ist nur, dass wir das Geld für alle Rennen bekommen. Dann habe ich kein Problem damit."

Ein kompromissloses Statement, das Gegenreaktionen auslöst: "Ein Teamchef hat gesagt, dass ihm die Familien egal sind. Nun, das ist bei McLaren sicher nicht der Fall", meint etwa McLaren-Boss Zak Brown. Und Mercedes-Teamchef Toto Wolff sagt: "Wir müssen respektieren, dass das reisende Rennteam am Anschlag ist. Ich glaube nicht, dass viel mehr als 21 Rennen gehen."

Denn mit 25 Rennwochenenden, die für viele Mitarbeiter der Teams nicht nur von Donnerstag bis Sonntag dauern, sondern von Montag bis Montag, ist es nicht getan. Dazu kommen auch noch die Testfahrten im Winter. Und obendrein gibt's in der Fabrik zu Hause, abseits der Grands Prix, genug Arbeit.

Wolff: Nicht jeder Mitarbeiter ist austauschbar

Bei 25 Rennen "musst du mit einem zweiten Team arbeiten", erklärt Wolff, denn: "Wir haben schon begonnen, das Personal ein bisschen rotieren zu lassen. Aber die hochrangigsten Mitarbeiter kannst du ja nicht einfach austauschen."

Insofern gibt er Tost in einem Punkt recht: "Wenn wir mehr Rennen fahren, dann ist meine Meinung, dass das Hand in Hand gehen muss mit mehr Einnahmen und spektakulären neuen Strecken oder Märkten, denen wir uns öffnen. Das wäre wirklich wichtig."

In einem Interview für den Formel-1-Podcast 'Starting Grid' haben wir Tost Gelegenheit gegeben, seine kompromisslosen Kommentare in den richtigen Kontext zu setzen. Doch für Mitarbeiter, die ihm seine PK-Aussagen übelnehmen und um mehr Freizeit bitten, hat er kein Verständnis: "Das interessiert mich null. Dann sage ich: 'Geh in Pension oder verschwinde!'"


Toro Rosso 2018: Der Teamchef

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"Die Leute, die in der Formel 1 arbeiten dürfen, müssen das als Privileg sehen. Das heißt ja nicht, dass bei Toro Rosso die Leute nicht ihre Freizeit haben. Die Mechaniker sehe ich nach einem Rennen bis Donnerstag oder Freitag nicht. Da sind sie ja bei ihren Familien. Es ist ja nicht so, dass die Leute nicht zu ihren Familien dürfen!"

"Aber wenn es der Rennkalender vorsieht, dass 22, 23 Rennen sind, dann erwarte ich mir, dass sie hundertprozentigen Einsatz bringen. Denn das wissen sie ja im Vorfeld - der Kalender kommt ja nicht von heute auf morgen. Wenn einer zu mir kommt und sagt: 'Du, tut mir leid, aber das akzeptiere ich nicht. Ich kündige jetzt.' Dann okay, gut, damit habe ich kein Problem."

Dass mehr Rennen bedeuten, dass das Personal noch mehr Tage im Jahr unterwegs ist, sei "richtig", stellt Tost gar nicht erst in Abrede. Aber: "Ich habe auch dazugesagt, die Einnahmen müssen adäquat sein. Das heißt, wenn wir mehr Rennen haben, müssen wir auch mehr Umsatz haben. Dann werden die Teams auch neue Mittel und Wege finden."

"Vielleicht muss man eine zweite Mannschaft aufbauen, oder wie auch immer. Es wird da Wege geben. Aber zu sagen: 'Nein, nein, wir können nicht so viele Rennen fahren, weil die Leute bei der Familie zu Hause sein müssen.' Dann sage ich: 'Tut mir leid, aber dem stimme ich nicht zu.' Das sage ich ganz deutlich, und zu dem stehe ich auch."

Racing Point: Junge Crew liegt an der anstrengenden Reiserei

Einer, der das Thema Reisebelastung für seine Mitarbeiter nicht ganz so drastisch bewertet wie Tost, ist Otmar Szafnauer. Der Racing-Point-Teamchef wurde kürzlich von einem seiner VIP-Gäste darauf angesprochen, dass das Rennteam in der Box extrem jung sei. Was nicht zuletzt, so erklärt er im Interview mit 'Motorsport-Total.com', auf den Formel-1-Kalender zurückzuführen sei.

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Formel-1-Mechaniker zu sein, bedeutet viel Reisen und lange Nachtschichten Zoom Download

"Wenn du eine Familie hast, willst du nicht mehr reisen", erklärt Szafnauer. "Und wenn ich sage reisen, bedeutet das für viele ja Montag bis Montag. Einige von uns sind da ein bisschen privilegierter. Wir kommen am Donnerstag an und fliegen am Sonntagabend nach Hause. Das ist schon viel weniger hart als Montag bis Montag."

"Bei einem Back-to-Back", sagt er, "sind unsere Jungs drei Wochen unterwegs. Wenn du eine junge Familie hast, geht das nicht. Wir dürfen nicht vergessen: Die verpassen die Geburtstage ihrer Kinder und Frauen. Sowas kannst du nicht so einfach wiedergutmachen." Und er lacht: "Bei 25 Rennen pro Saison verpasst du nicht nur den Geburtstag deiner Frau, sondern auch den deiner Freundin!"

Aber die Formel 1, daran lässt Tost keinen Zweifel, muss mit der Zeit gehen - und dem Ruf des Geldes folgen: "Die ewig Gestrigen würden heute noch in Zolder [...] fahren", sagt er und fordert: "Wir müssen raus in diese Märkte. Die Formel 1 ist ein Global Player. Vietnam ist ein Zukunftsmarkt. Da müssen wir hin. Leider sind wir nicht mehr in Indien."

"Global Player heißt, dass wir in möglichst vielen verschiedenen Ländern fahren - und vielleicht weniger in Europa. Die Wurzel der Formel 1 ist Europa. Das wissen wir alle, das müssen wir respektieren. Die Highlights in Europa wird es immer geben. Aber wir müssen raus, wir müssen internationale Märkte erschließen. Weil das wichtig ist für die Zukunft der Formel 1."

So gesehen wäre es unfair, den Schwarzen Peter nur dem Rechteinhaber zuzuschieben. Auch die Teams selbst verdienen an mehr Rennen mit: "Wir fordern Liberty immer dazu auf, mehr Einnahmen zu generieren", gibt Wolff zu. "Mehr Rennen sind dafür der beste Hebel." Aber er schränkt ein: "Es ist meiner Meinung nach ein schmaler Grat, auf dem wir uns da bewegen ..."

Übrigens: Das ausführliche 'Starting-Grid'-Interview mit Franz Tost (Spieldauer 1:22 Stunden) gibt's zum Nachhören im Radioplayer auf 'Motorsport-Total.com' (Ausgabe "Im Gespräch: Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost" vom 25. Juni), direkt bei unserem Kooperationspartner 'meinsportpodcast.de' oder via kostenlosem iTunes-Abo, zum Beispiel für die nächste längere Autofahrt.

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