• 25. März 2019 · 17:45 Uhr

Ferrari-Analyse: Diese Faktoren trugen zur Australien-Enttäuschung bei

Unser Technikexperte Matt Somerfiled analysiert Ferraris Schwächen, vom Frontflügel bis zum Antrieb, und erklärt so die enttäuschende Leistung in Melbourne

(Motorsport-Total.com) - Ferrari hat es nicht geschafft, die starke Form der Vorsaisontests in Barcelona auch in Australien auf die Rennstrecke zu bringen. Experten, Fans, aber auch das italienische Team selbst sucht nun nach Gründen für den schwachen Saisonstart mit den Rängen vier und fünf. Eine Woche nach dem Rennen gibt es nun bereits mehrere Erklärungsversuche - Frontflügel, Reifenverschleiß, Set-up-Schwierigkeiten oder auch ein schwacher Motor?

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Sebastian Vettel erlebt einen schwierigen Saisonauftakt in Melbourne mit P4 Zoom Download

Nur wenige glauben, dass der Speed, den Ferrari in den Tests gezeigt hat, nicht real war. Daher geht die Untersuchung in Maranello weiter, um den Grund für die Schlappe gegen Mercedes und Red Bull herauszufinden. Wir schauen uns nun nachfolgend ein paar Faktoren an, die wohl zu dem ernüchternden Ergebnis beigetragen haben.

Die Frontflügel der Generation 2019 wurden im Zuge der Regeländerung so konzipiert, dass der "Outwash" reduziert wird. Damit ist jene Designphilosophie gemeint, die vom Vorderflügel verwirbelte Luft außen am Vorderrad vorbeizuschleusen versucht. Die Autos werden im Sog beim Hinterherfahren dadurch weniger anfällig. Das neue Design soll es den Fahrern ermöglichen, länger näher am Vordermann dranzubleiben, ohne dass die Performance zu stark darunter leidet. Nun sind zwei verschiedene Denkschulen durch diese Regeländerung entstanden.

Ferrari versucht, den "Outwash"-Effekt zu simulieren

Ferrari hat sich dazu entschieden, einen etwas aggressiveren Weg einzuschlagen, um den "Outwash"-Effekt so gut wie möglich zu simulieren, indem man den Luftstrom am restlichen Auto entlang erhöht. Mercedes und Red Bull sind in die konträre Richtung gegangen. Allerdings hat das Team in Australien bemerkt, dass dieses Design für einen welligen Kurs, auf dem mit viel Abtrieb gefahren wird, nicht geeignet ist. Das Team konnte auf der Front nicht genügend Last platzieren, um den SF90 von vorne nach hinten richtig auszubalancieren.

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Der neue Ferrari-Frontflügel mit den größeren Flügeln nach innen gerichtet Zoom Download

Die Anordnung des Ferrari-Frontflügels zeigt, dass nur eine recht kleine Anordnung von Flügeln auch Abtrieb erzeugt (gelb markiert). Die weitere Sektion, die nach außen geht, korreliert mit der Position des Vorderrades, um den Luftstrom um diese Fläche herumzuleiten. Das produziert Outwash, was die Performance des Autos stromabwärts verbessert.

Der innenliegende Teil der zwei ganz oben gelegenen Flügelchen kann angepasst werden, um die Menge an Abtrieb zu regulieren. Diese Änderungen können allerdings nur vorgenommen werden, wenn am Auto stationär gearbeitet wird, was zu einer kritischen Entscheidung führt, abhängig vom Reifen, den der Pilot gerade fährt.

Untersteuern als Folge des Frontflügel-Designs

Bei Alfa Romeos aggressivem Frontflügel ist den beiden verstellbaren Flaps noch ein größerer Flügel zugeteilt, außerdem ist die "Outwash"-Sektion weniger elegant gelöst (mit Pfeilen markiert). Es ist sehr wahrscheinlich, dass Ferraris Probleme in Australien aber nicht nur mit dem Frontflügel zu tun hatten, sondern auch mit den Pirelli-Reifen - nicht nur über eine Qualifying-Runde, sondern über einen ganzen Rennstint.

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Der aggressive Alfa-Frontflügel mit einer schmaleren Konstelation hin zur Endplatte Zoom Download

Da man nicht mehr Winkel am Frontflügel einstellen konnte und die Vorderachse daher nicht griffig genug war, kämpften die Piloten mit Untersteuern. Das wollte man mit reduziertem Abtrieb an der Hinterachse beheben. Aufgrund dieser Probleme wird sich die Scuderia vor allem für weitere Straßenkurse eine neue Lösung an der Front überlegen müssen.

Womöglich könnte man sich mehr noch an die Alfa-Romeo-Variante herantasten, indem man den "Outwash"-Effekt verringert und demnach mehr Abtrieb erzeugt. Dieses Problem könnte Ferrari in einer Spirale gefangen halten, denn es bedeutet auch, dass man die Reifen nicht in das optimale Arbeitsfenster bringen konnte. Das würde erklären, warum man versucht hat, Mercedes strategisch im Rennen herauszufordern.

Leclerc mit harten Reifen deutlich schneller

Sebastian Vettel kam als erster Pilot der Topteams an die Box, obwohl er zu diesem Zeitpunkt noch in Reichweite von Hamilton lag, nur 3,7 Sekunden zurück. Er hat versucht, mit dem Undercut Positionen gutzumachen. Während dieses Boxenstopps wurde am Frontflügel eine Änderung vorgenommen. Vettel hat veranlasst, den Flügel um einen Klick tiefer zu stellen. Es ist unklar, wie sehr diese Änderung Einfluss darauf hatte, wie er mit dem Medium-Reifen umgegangen ist.

Nach dem Rennen gestand der Deutsche, dass der Hauptgrund für seine langsame Pace war, dass er nicht genügend Grip hatte auf dem Medium. Der C3 hat laut Pirelli ein ähnliches Arbeitsfenster wie der C2, zwischen 105 und 135 Grad Celsius beziehungsweise 110 bis 135 Grad. Das bedeutet auch, das mit beiden Reifenmischungen ähnlich umgegangen werden muss, obwohl der eine Reifen etwas länger hält als der andere.

Wird nun Last vom Frontflügel weggenommen, dann kann das negative Auswirkungen auf die Performance des Autos haben. Ferrari hat daraus gelernt und im Fall von Leclerc anders reagiert. Der Monegasse fuhr einen längeren ersten Stint bis Runde 28, bevor man ihm den harten Reifen anschraubte. Diese Mischung hat einen total anderen Arbeitsbereich (90 bis 120 Grad). Während das Team den harten Reifen gewählt hat, entschied Leclerc eine Stufe beim Frontflügel wegzunehmen. Das schien die richtige Entscheidung gewesen zu sein. Der SF90 wurde plötzlich schneller.

Leclerc konnte im letzten Stint die Reifen beanspruchen und auf seinen Teamkollegen aufschließen. Er war sehr zufrieden mit der Handhabe gegen Rennende. "Wir haben entschieden, harte Reifen beim Boxenstopp zu nehmen und ich muss sagen, ab diesem Zeitpunkt hat sich das Auto deutlich verbessert und ich konnte pushen", gab der Ferrari-Neuling später zu Protokoll.

Das Team wird hoffen, diese Probleme nur auf ähnlich welligen Strecken vorzufinden, auf denen ebenfalls viel Abtrieb gefragt ist, denn auch der Antrieb der Italiener hat für Rätselraten gesorgt. Beide Fahrer fuhren komplett unterschiedliche Rennen aufgrund des Faktors Reifen, wie bereits erwähnt. Allerdings schwammen Vettel die Felle bereits davon, als Leclercs Rennenpace noch gar nicht anzog.

Der Deutsche war nicht in der Lage, früh aufs Gas zu gehen, wohl verursacht durch das Frontflügel-Dilemma. Dies wiederum könnte sich auch auf Ferraris Energierückgewinnungssystem ausgewirkt haben. Onbord-Aufnahmen von Vettels Auto zeigen, wie der Deutsche im zweiten Stint kämpfte. Er musste seinen Fahrstil umstellen und in den Kurven exzessiv Lift-and-Coast betreiben. Das war wohl eher dem Energierückgewinnungssystem geschuldet, und nicht dem Spritsparen.


Fotos: Ferrari, Grand Prix von Australien


Während des Rennens schien Vettel immer größere Probleme zu bekommen. Derates waren deutlich hörbar, da das System die Energie, die von MGU-H und MGU-K gefordert wurde, nicht liefern konnte. Das wiederum wirkt sich auf den Topspeed aus. Das verschlimmerte die Probleme zunehmend, weshalb Vettel in die Fänge von Leclerc geriet.

Jeder Ferrari-Fan fragt sich nun, ob die Probleme von Australien ein Indikator für die bevorstehende Saison sein können. Obwohl klar war, dass Vettels zweiter Stint miserabel war, gibt Leclercs Stint auf dem harten Reifen neuen Mut. Das allein sollte Ängste vertreiben, dass Ferrari ein größeres Problem haben könnte. Es unterstützt eher jene Theorie, die besagt, dass dies ein einmaliger Ausrutscher war. Es zeigt allerdings auch ganz deutlich, dass Ferrari unter gewissen Umständen angreifbar ist und sich auf die nächsten Rennen besser vorbereiten muss.

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