• 03. März 2019 · 13:40 Uhr

Macau 1990: War das "Schumis" erster schmutziger Trick?

Wir haben aus den Archiv unseres Schwesterunternehmens Duke Video eine Sequenz hervorgekramt, die legendär ist: Schumacher gegen Häkkinen, Macau 1990

(Motorsport-Total.com) - Michael Schumacher ging vor Mika Häkkinen ein letztes Mal an den alten Boxen vorbei. Der Finne, der nach seinem Triumph in der Britischen Formel 3 auf einer Welle des Erfolgs schwamm, hing direkt im Windschatten des Champions der Deutschen Formel 3. Das, so dachte Häkkinens West-Surrey-Team (WSR), würde dem Finnen ganz sicher reichen, um den Sieg beim Macau-Grand-Prix 1990 einzufahren.

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Mika Häkkinen und Michael Schumacher duellierten sich in Macau um den Sieg Zoom Download

Damals war Macau anders. Die Start-Ziel-Linie war hinter dem Reservoir-Knick - und nicht wie heute davor -, und der Event bestand aus zwei Läufen, die zusammengezählt wurden. Häkkinen hatte nach dem ersten Lauf 2,66 Sekunden Vorsprung auf Schumacher. Er musste also nichts weiter tun, als direkt hinter dem WTS-Boliden zu bleiben. Dann kamen sie in den Yacht-Club-Knick, der heute als Mandarin Oriental bekannt ist.

"In Mandarin verloren wir sie aus dem Blick", erinnert sich WSR-Boss Dick Bennetts und ergänzt: "Plötzlich jubelten die Zuschauer und ich dachte mir: 'Da ist etwas passiert, er ist an Michael vorbeigegangen!' Ich rannte nach oben, denn wir hatten keinen Fernseher an der Boxenmauer. Da sah ich, dass unser Auto in der Leitplanke stand." Häkkinen hatte einen Angriff auf Schumacher gewagt, doch der machte die Tür zu.

Es kam zu einer Berührung und Häkkinen wurde links in die Leitplanke geschleudert, bevor er quer über die Strecke rutschte und rechts zum Stehen kam. Aus dem Ralt-Mugen-Honda stieg ein enttäuschter Fahrer, der mit der Faust gegen die Leitplanke schlug. Der Heckflügel an Schumachers Reynard-Volkswagen war ebenfalls stark beschädigt, doch es war nur noch eine Runde zu fahren und er hielt durch.

Das beste Feld aller Zeiten?

Es war ein berühmter Sieg, der durch die späteren Leistungen der beiden Protagonisten in der Formel 1 zusätzlich an Beachtung gewann. War es möglicherweise das großartigste Juniorenfeld, das je in Einsitzern Platz genommen hat? Häkkinen gegen Schumacher ist ein guter Anfang. Doch in dem 30-köpfigen Fahrerfeld gab es noch weitere spätere Superstars.

Wie schon 1989 holte WSR Eddie Irvine aus der Formel 3000 als Teamkollegen für Häkkinen. Heinz-Harald Frentzen kam ebenfalls aus der Formel 3000 und tat sich bei Alan Docking mit Mika Salo, dem Vizechampion der Britischen Formel 3, zusammen. Rickard Rydell, der in der Britischen Formel 3000 für Aufsehen sorgte, kehrte ebenfalls in die Formel 3 zurück und ging für das von Volkswagen unterstützte Bertram-Schäfer-Team an den Start.


Macau 1990: "Schumis" erster schmutziger Trick?

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Aus dem Archiv von Duke Video: Wie Michael Schumacher in Macau 1990 bei 240 km/h einen Sieg von Mika Häkkinen verhindert hat Weitere Formel-1-Videos

Der spätere Tourenwagen-Superstar Laurent Aiello wechselte von seinem eigentlichen Arbeitgeber in Frankreich zum britischen Bowman-Team, wo die aktuellen Formel-3-Bosse Trevor Carlin and Anthony "Boyo" Hieatt (Double R) zum Team gehörten. Alex Zanardi, Spitzenpilot der Italienischen Formel 3, fuhr seinen regulären RC-Dallara, und weiter hinten im Feld lauerte Olivier Panis in seinem KTR-Reynard.

Dazu kamen Formel-3-Spitzenpiloten wie Philippe Adams und Steve Robertson von Bowman und fünf weitere Champions in Form von Roberto Colciago (Italien), Eric Helary (Frankreich), Naoki Hattori (Japan), Fredrik Ekblom (Schweden) und Jo Zeller (Schweiz). Langsam beginnt man zu verstehen, wie hart es gewesen sein muss, das Fahrerfeld auszuwählen.

Aufstieg der deutschen Piloten

"Damals war die Auswahl viel größer. Wir holten immer die Besten, die wir bekommen konnten", erklärt Barry Bland von Motor Race Consultants, der das prestigeträchtige Juniorenevent von 1983 bis 2015 organisierte. "Damals gab es viel mehr Autos und es war eine Priorität, zunächst einmal alle Meister der Serien zu bekommen. Anschließend kamen die anderen."

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Michael Schumacher (ganz links) und Heinz-Harald-Frentzen (ganz rechts) 1990 Zoom Download

"Die Qualität war sehr hoch, und das lag vielleicht daran, dass es mehr Meisterschaften und viel mehr Autos gab. Wir hatten teilweise 60, unter denen wir auswählen mussten. Da ist es keine Überraschung, dass die Mehrheit der Piloten später große Erfolge feierte", so Bland. Häkkinen und Schumacher wurden als Formel-3-Rookies auch bereits im Jahr zuvor für das Event ausgewählt.

Häufig wird dabei vergessen, dass Schumacher das Rennen 1989 nur mit sehr viel Pech nicht gewonnen hat. Weil in Deutschland die Sport- und Tourenwagen mehr Anklang fanden, galt die Formel 3 dort im Vergleich zu den Serien in Großbritannien, Italien und Frankreich als schwächer. Doch WTS-Mitgründer Willi Weber (das "W" in WTS) hatte mit Schumacher ein seltenes Talent entdeckt und ihn unter Vertrag genommen.

Ingenieur Klaus Trella (das "T" im Teamnamen, während das "S" für Stuttgart steht) setzte Schumacher 1989 in der Formel 3 ein. Dort verpasste er den Titel nach einem Kampf mit Frentzen und dem späteren Champion Karl Wendlinger nur knapp. Alle drei bildeten 1990 das Mercedes-Juniorteam in der Gruppe C, doch zuvor glänzten Frentzen und Schumacher in Macau. Das war der Beweis, dass die Deutsche Meisterschaft nun mindestens gleichwertig war.

1989: Schumacher lässt Talent aufblitzen

"Heinz-Harald lag vorne und Michael dahinter", erinnert sich Trella an den ersten Lauf des Macau-Grand-Prix 1989. "Heinz-Harald flog ab und so gewannen wir das erste Rennen. Im ersten Lauf hatte Michael ältere Reifen, während er im zweiten neue hatte (es gab insgesamt 14 am Wochenende; Anm. d. Red.). Daher dachten wir, dass es kein Problem sein würde, den zweiten Lauf zu gewinnen."

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Zu Beginn läuft noch alles nach Plan: Häkkinen führt vor Irvine und Schumacher Zoom Download

"Nach der ersten Runde hatte er schon einen großen Vorsprung, und in der zweiten Runde auch. In der dritten wurde der Vorsprung dann kleiner. Ich könnte nicht erkennen, was das Problem war. Ich sah nur, dass das Auto auf der Geraden nicht so schnell war. Im Stadt-Abschnitt war es okay, aber auf der Geraden fehlte ihm Topspeed. Er verlor Positionen und kam nach der achten Runde an die Box."

"Er sagte: 'Ich habe keine Gänge mehr, nur noch den ersten und fünften.' Sie waren kaputt. Am Ende der zweiten Runde hatte er keinen dritten Gang mehr und musste vom zweiten in den vierten gehen. Darum verlor er auf der Geraden Zeit. Am Monitor konnte ich das nicht sehen", so Trella. Ein Jahr später gewann Schumacher den Titel in der Deutschen Formel 3.

Häkkinen treibt "Schumi" zu Höchstleistungen

Doch es war vermutlich der Gaststart von Häkkinen beim Saisonfinale in Hockenheim, der es dem WTS-Star ermöglichte, die nötige Pace für seine Aufgabe in Macau zu finden. Häkkinens Pole-Zeit auf dem alten, "echten" Hockenheimring war 1,01 Sekunden schneller als die Zeit von Schumacher, obwohl dieser bereits deutlicher schneller war als bei seiner Pole-Position im ersten Rennen auf der gleichen Strecke zuvor in der Saison.

"Damals war es ein sehr langer und schneller Kurs", erklärt Trella und verrät: "Mika war sehr schnell, und ich glaube, dass Michael durch diese Situation noch einmal zwei Sekunden schneller geworden ist." Doch er war noch immer nicht schnell genug. Am ersten Qualifying-Tag in Macau war Schumacher 0,38 Sekunden schneller als Otto Rensing bei seiner Pole-Position 1989 - aber 1,12 Sekunden langsamer als Häkkinen.


Fotostrecke: Belgien 1991: Schumachers Formel-1-Debüt

"Ich glaube, dass viele Fahrer zu angespannt und aggressiv sind", sagte Häkkinen an jenem Abend. Bennetts erklärt: "Wir sagen immer: 'Fahr am ersten Tag vorsichtig und steigere deine Pace langsam. Mika wusste gar nicht, was das Wort 'langsam' bedeutet, und gab direkt alles. Das Problem damals war, dass es - im Gegensatz zu heute - keine ordentlichen Datenaufzeichnungen gab. Mikas Feedback war schwierig zu interpretieren. Aber er hatte dieses unglaubliche Talent."

Am zweiten Tag konnte Schumacher die Lücke schließen. Er setzte sich im Kampf um die erste Reihe gegen Aiello durch. Allerdings war das Qualifying in zwei Gruppen unterteilt, und Häkkinens Session wurde von Öl auf der Strecke beeinträchtigt. Außerdem stand Frentzens havarierter Ralt im Maternity-Knick, und weil es damals keine roten Flaggen gab, wurde die Ideallinie davon beeinflusst. Häkkinen hatte das Gefühl, er hätte eine Sekunde schneller sein können.

Der Finne will zu viel...

Den ersten Lauf gewann Häkkinen, der in der letzten Runde - zum Ärger von Bennetts - vom Gas ging und so etwas von seinem Vorsprung im zweiten Lauf einbüßte. "Ich sagte: 'Mika, was habe ich gesagt? Gewinn mit dem sichersten und größten Vorsprung, den du herausholen kannst. So hast du für das zweite Rennen einen Vorsprung, falls du da ein Problem hast", verrät Bennetts.

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Doch während sich Schumacher am Ende von Willi Weber und Co. feiern lässt... Zoom Download

"Natürlich ging Michael im zweiten Rennen an ihm vorbei und ... Ich hatte es Mika vorher erklärt, denn damals hatten wir keinen Funk in den Autos: 'Wenn Michael dich überholt, dann gewinnst du trotzdem, solange du nicht weiter als eine Sekunde zurückfällst", so Bennetts. Doch Häkkinen wollte auch auf der Strecke gewinnen. Die Pace der beiden war unglaublich.

Häkkinen setzte eine schnelle Runde, die sogar noch schneller war als seine Pole-Zeit und ganze vier Sekunden schneller als David Brabhams Bestzeit bei seinem Sieg im vorangegangenen Jahr. Doch sein Wunsch nach dem Sieg hatte furchtbare Konsequenzen: "Als er zurückkam, da weinte er. Und ich machte dem armen Kerl dann auch noch eine Ansage", erinnert sich Bennetts. "Er hatte es einfach weggeworfen."

Weiter hinten in der Boxengasse jubelte man bei WTS. Schumachers Reynard 903 wurde in Großbritannien eigentlich als schlechtes Auto betrachtet - aber es hatte einen sehr schnellen Volkswagen-Motor. "Mika hatte ein besseres Auto, etwas schneller", erklärt Trella. "Es war kein Problem, uns zu überholen. Das Problem war, dass Mika nach links schaute und Michael erst nach links und dann nach rechts zog. Da war es zu spät."

...und das hat einen Grund

"Er berührte Michaels Heckflügel mit seinem Frontflügel und crashte. Auch Michaels Auto war hinten an der rechten Seite beschädigt. Die linke Seite war okay, aber der Flügel hing in einem 30-Grad-Winkel." War Trella überrascht, dass Schumacher trotzdem ins Ziel kam? "Es war kein Problem", winkt er ab. "Zum Auto dahinter gab es eine sehr große Lücke. Es waren zwischen fünf und acht Sekunden - auf einer Runde kein Problem."

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...ist Häkkinen zu Tode betrübt - Er hat den Macau-Sieg leichtfertig verspielt Zoom Download

"Es war verrückt", sagte Schumacher unmittelbar nach dem Rennen. "Niemand überholt auf der letzten Runde einen anderen kampflos. Ich habe das ganze Rennen über gedacht, dass er gewinnen wird. Daher bin ich jetzt noch glücklicher." Häkkinens Reaktion: "Ich bin von seinem Manöver enttäuscht. Bei fast 240 km/h war das schockierend. Ich war sehr überrascht, als er die Linie wechselte. Ich hatte eine exzellente Gelegenheit, aber er schob sich vor mich. Ich dachte, dass ich sterben würde."

Bennetts hatte kein Mitleid: "Anschließend gab es einen großen Streit", verrät er. "Ich sagte: 'Mika, du hättest ihn nicht überholen müssen.'" Bland erinnert sich: "Es gab anschließend eine Menge Diskussionen darüber, ob er (Schumacher) etwas vom Gas gegangen war. Andernfalls wäre ihm Häkkinen nicht ins Heck gekracht. Aber Häkkinen hätte einfach sein Gehirn benutzen sollen."

Bennetts verrät: "Erst als wir (beim folgenden Event) im Hotel in Fuji eincheckten, verstand ich es. Mika bekam ein Fernschreiben, und ich sagte, dass ich es ihm aufs Zimmer bringen würde. Ich sah, dass es vom Lotus-Formel-1-Team kam, und dann fiel der Groschen. Er stand mit ihnen in Kontakt und wollte sie beeindrucken, indem er beide Rennen in Macau gewinnt und Schumacher schlägt."

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