• 06. Juli 2018 · 20:54 Uhr

"Debakel": Teams begehren gegen drei Rennen in drei Wochen auf

Hohe Transportkosten, unattraktive Fahrerlager und vor allem müdes Personal - Die Teams treten geschlossen gegen eine Wiederholung des "Triple Header" auf

(Motorsport-Total.com) - Es gehört in jeder Formel-1-Saison zu einer der größten Herausforderungen für die Teams: die sogenannten Back-to-Back, bei denen ein Rennwochenende auf das nächste folgt. In diesem Jahr hat es mit Le Castellet, Spielberg und Silverstone zum ersten Mal gleich drei Rennen direkt hintereinander gegeben. Was für den Fan Non-stop-Action bedeutet, ist für die Teams eine große Belastung - finanziell wie physisch. Die kleinen Teams schlagen daher Alarm. Und selbst bei Mercedes hat man seine Zweifel.

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Ausgepowert: Die Teams sind im Auf- und Abbau gerade äußerst geübt Zoom Download

"Ich hoffe, wir werden aus diesem Debakel lernen", schimpft etwa Force Indias Betriebsdirektor Otmar Szafnauer. "Wenn etwas nicht gut ist, sollte man es nicht wiederholen." Er prangert außerdem an, dass es überhaupt so weit gekommen ist: "In der Zukunft sollte man unsere Meinung einholen, bevor man solche Entscheidungen fällt. Das sollte nicht nur eine Person entscheiden, sondern vielleicht vorher eine Auswahl aus Top-, Mittelfeld- und kleineren Teams befragt werden."

Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff hält zwar dagegen: "Man muss auch Liberty Medias Idee dahinter verstehen: Es findet nun einmal gleichzeitig eine Fußball-Weltmeisterschaft statt, also musste der Kalender komprimiert werden." Er betont aber auch: "Ich glaube, das tun sie uns auch nicht gerne an. Es ist der pure Stress und manche von unseren Mitarbeitern werden ihre Familien kaum zu Gesicht bekommen."

Das Fahrerlager ist nicht das Gleiche

Drei verschiedene Orte in drei Wochen ist allein schon ein logistisches Drama für die Teams - angefangen bei den in Europa sonst so beeindruckenden Hospitalities. Die größte davon ist die Red-Bull-Energy-Station, die es nicht zu allen Rennen geschafft hat. Beim Heimspiel in Spielberg konnte man auf bestehende Gebäude zurückgreifen. Das Glück hat nicht jeder: Williams reiste mit dem abgespeckten Motorhome an, dass sie sonst nur für die Wintertestfahrten benutzen.


Fotos: Grand Prix von Großbritannien


"Ich denke, das war auch für die österreichischen Promoter nicht schön anzusehen", so Claire Williams. "Aber an so etwas denkt man vielleicht auch nicht, wenn man so eine Entscheidung trifft." Szafnauer ergänzt: "Wir haben keine zwei Motorhomes und auch nicht die Kapazität, ein weiteres zu mieten. Wir haben nur den Vorteil, dass unseres in sieben Container passt - einige brauchen 22. Wir können schneller auf und abbauen. Aber selbst dafür mussten wir in dieser Zeit Kompromisse eingehen."

Probleme entstehen aber nicht nur vor Ort, sondern auch unterwegs. Zischen Frankreich, Österreich und Großbritannien konnte man in den vergangenen Wochen viele Team-Trucks auf den Autobahnen begegnen. "Es sind gerade auch noch Schulferien", spricht Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost dabei eine Schwierigkeit an. "Das bedeutet viel Verkehr und es gibt Probleme an den Grenzen. Ich denke, wir sind hier absolut ans Limit gekommen und ich hoffe, dass es in der Zukunft nicht mehr dazu kommen wird. Denn die Leute arbeiten bei uns wirklich Tag und Nacht in diesen drei Wochen."

Probleme entstehen auch unterwegs

Die Transportfirma von Force India musste gar die doppelte Belegschaft in Rechnung stellen, weil man in Europa nur acht Stunden am Stück fahren darf, die Trucks aber weit über die Nacht hinaus unterwegs waren. "Das sind zusätzliche Kosten, die wir sonst nicht hätten", so Szafnauer. "Das müssen wir selbst bezahlen." Einen Ausgleich dafür bekommen die Teams nicht.


Fotos: Grand Prix von Österreich


"Ich glaube, es ist einfacher, wenn man die Fracht fliegen kann, als sie auf einen Road Trip zu schicken", überlegt er. "Dann hat man am Sonntagabend den Kopf frei, wenn alles eingepackt ist. Und man muss nur darauf warten, bis es woanders wieder ankommt. Dazwischen muss sich jemand anderes den Kopf zerbrechen."

Auch Red-Bull-Teamchef Christian Horner ist kein Fan des "Triple Headers": "Autos, Ersatzteile und Mitarbeiter drei Wochen lang zu bewegen ist auf jeden Fall teuer. Wir haben noch das Glück, dass das letzte Rennen in Großbritannien ist, wo das Team seine Basis hat. Das Glück haben nicht alle Teams. Es ist ziemlich verrückt, wie viel zu tun ist."

Heimrennen als zusätzliche Belastung

Für sein Team sind es damit aber quasi auch noch zwei Heimrennen gewesen - genau wie für Renault. Deren Technischer Direktor Bob Bell betont, was das für zusätzlichen Stress bedeutet:


Fotos: Grand Prix von Frankreich


"In Paul Ricard hat man gesehen, wie sehr sich Renault marketing-technisch ins Zeug gelegt hat. Auch das übt Druck auf das Team aus. Unter den Ingenieuren versuchen wir das abzuschalten. Wir versuchen zu vergessen, um was für einen Rennen es sich handelt, um nicht noch mehr unter Druck zu stehen, weil es vielleicht das Heimrennen ist. Am Ende sind die Punkte aus Frankreich ja die gleichen wie überall sonst."

Die größte Sorge gilt aber nach wie vor den Mitarbeitern der Teams vor Ort. "Die Jungs und Mädels im Team arbeiten so hart und kommen dabei nicht einmal nach Hause, um ihre Familien zu sehen", sagt Claire Williams. "Wir haben uns deswegen ins Zeug legen müssen, um einige von ihnen wenigsten mal für 24 Stunden nach Hause schicken zu können." Da habe aber wieder zusätzliches Management gebraucht, um die Ausfälle zu kompensieren.

Müde Mitarbeiter - Mehr Fehler?

"Jeder ist müde, jeder versucht, durchzupowern", hat auch McLaren-Boss Zak Brown schon bemerkt. Und Bob Bell gibt zu bedenken: "Das größte Probleme wird die Ermüdung der Ingenieure und Mechaniker sein. Sind sie dadurch anfälliger für Fehler? Und wer könnte ihnen dafür einen Vorwurf machen? Das ist eine ganz schöne Mammutaufgabe für sie."

"Man versucht's natürlich fehlerfrei durchzustehen, aber es ist nicht einfach, wenn du drei Wochen on the road bist", räumt auch Toto Wolff ein. Bei Mercedes hatte es in Spielberg schon ein verheerenden Strategie-Fehler gegeben. Und auch die Technik muss den Reisestress mitmachen: "Die Autos gehen dazwischen nicht mehr in die Fabriken und hier wird am Feld praktisch alles auseinandergenommen, da kann sich schon ein Fehler einschleichen."

Im Fahrerlager scheint man sich also einig: Drei Rennen hintereinander müssen nicht noch einmal sein. Zur Diskussion steht aber auch noch immer eine Expansion des Rennkalenders auf 22 bis 23 Rennen. Die Teams rechnen zwar nicht damit, dass das schon bald der Fall sein wird, machen sich aber dennoch bereits ihre Gedanken. "Aus kommerzieller Sicht ist es natürlich attraktiv, Miami, New York oder ein weiters Rennen in Asien zu fahren", so Zak Brown, der dabei aber eine ähnlich starke Belastung seines Personals befürchtet.

Force-India-Teamchef Vijay Mallya rechnet der FOM gar auf: "Wenn sie das wollen, müssen sie das auch kompensieren. Denn wir brauchten das Anderthalbfache unseres Rennteams, damit diese auch mal frei haben."

"Ich persönlich bin gerne für das Racing unterwegs und drei Rennen hintereinander sind eigentlich großartig", sagt Claire Williams. "Es bedeutet aber auch, dass die Saison schneller vorüber ist." Ist die deswegen eine Befürworterin von mehr Rennen im Jahr? "Vielleicht kann man die Rennwochenenden dann kürzen, damit die Leute nicht solange weg von zuhause sind", schlägt sie vor.

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