• 02. August 2017 · 13:36 Uhr

Niki Lauda: "Halo" ist hässlich, lassen wir das bitte sein!

Sicherheit gegen Heldentum, Absicherung gegen Ästhetik: Die Debatte um den für kommendes Jahr geplanten Cockpitschutz reißt nicht ab

(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 bietet in der Saison 2017 ein sportliches Spektakel und rückt sich so prinzipiell in ein positiveres Licht, als in den vergangenen, etwas eintönigeren Jahren. Hört man sich im Fahrerlager um, so könnte dieser Aufwärtstrend aber schon 2018 wieder ein abruptes Ende nehmen. Der Grund zur Sorge: Die geplante Einführung des Cockpitschutzes Halo. Das Gestell, das den Kopf des Fahrers im offenen Cockpit vor herumfliegenden Teilen absichern soll, spaltet weiterhin die Gemüter. Dabei brüllt ein Löwe lauter als der anderer.

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Das sieht Lauda nicht gern: Mercedes testet Halo auch in Budapest Zoom Download

"Wenn man durch das Halo nicht mehr den Helm des Fahrer erkennen kann, wie will man dann wissen, wer überhaupt im Auto sitzt", äußert sich Niki Lauda gegenüber 'Autosport' als einer der größten Halo-Gegner. "Es ist hässlich und bildet eine weitere Barriere zwischen den Fans und ihren Helden. Wir sollten es sein lassen."

Der Aufsichtsratsvorsitzende des Mercedes-Teams muss am Mittwoch zusehen, wie Nachwuchspilot Lando Norris eine weitere Halo-Version am Silberpfeil im Zuge der Budapest-Testfahrten ausprobiert. Für den heute 68-Jährigen dreimaligen Weltmeister, der zu einer Zeit in der Königsklasse gefahren ist, in der Todesfälle an der Rennstrecke keine Seltenheit waren, ist das eine Zumutung.

"Wir werden langsam aber sicher die DNA der Formel 1 zerstören, wenn wir weiterhin Sicherheitsbedenken erfinden", warnt Lauda. "Wenn wir damit zu weit gehen, ist es kein Wunder, dass immer weniger Leute zusehen."

"Mit all den Verbesserungen an den Autos und den modernen Rennstrecken, die so weite Auslaufzonen haben, dass man nirgends mehr anschlägt, ist die Formel 1 heute so sicher wie noch nie", erklärt der Österreicher. "Da stellt sich mir die Frage: Wie weit wollen wir noch gehen? Der Reiz ist in der Formel 1 doch der gleiche wie etwa bei der Skiabfahrt - wie weit kann man mit Sicherheitsvorkehrungen gehen, ohne das Interesse der Leute zu verlieren."

Lauda bringt damit auch die Helden-Frage auf den Tisch. "Die Fahrer wissen, welches Risiko sie eingehen. Andere machen sich über sie mehr Sorgen als sie selbst. Sie müssen selbst entscheiden: 'Will ich dieses Risiko eingehen, oder nicht?' Wenn jemand mit einem einfach zu fahrenden Auto und ohne Risiko 40 Millionen im Jahr verdienen will, dann tut es mir leid - das entspricht nicht der Realität."

Gegenargument: Angstfaktor bleibt

In eine ähnliche Kerbe schlägt auch Ex-Pilot Jacques Villeneuve. "Die Formel 1 muss sich ein gewisses Maß an Risiko und Gefahr erhalten, damit die Fahrer etwas Besonderes bleiben", sagt der Weltmeister von 1997. "Die Leute müssen zu ihnen aufschauen können und denken: 'Wow, was die tun, könnte ich nicht'. Dass Fahrer mit 17 oder 18 Jahren in die Formel 1 kommen können, hat dem Sport geschadet. Es wirkt zu einfach wenn man reinkommt, nur weil man ein wenig Geld und viel im Simulator geübt hat."

Ein anderer Pilot mit Formel-1-Erfahrung hält allerdings dagegen. "Egal ob man durch ein Shield oder ein Halo geschützt ist - durch Eau Rouge zu fahren bleibt genauso angsteinflößend", so Anthony Davidson, der sich als Langstrecken-Pilot auch mit geschlossenem Cockpit den Gefahren des Motorsports aussetzt. "Man weiß genau, dass man das Auto noch immer crashen kann - und das tut auch mit einem Cockpitschutz weh." Seiner Meinung nach "wiegt die Funktion des Halo mehr als die Ästhetik".

Davidson hat als TV-Experte für den britischen Pay-TV-Sender 'Sky Sports F1' auch den Ursprung der Negativspirale entdeckt, in die sich die Formel 1 mit dem Halo bewegt. "Die Ästhetik spielt in der Formel 1 eine große Rolle. Und wenn sich Fahrer dagegen aussprechen, lässt sich so etwas nicht promoten. Sie sind das wichtigste Sprachrohr des Sports. Als es im vergangenen Jahr Probleme mit den Reifen gab, haben sie zum Beispiel nicht gleich die Formel 1 in Frage gestellt. Das ist jetzt anders und die Fans reagieren darauf."

Lohnt der Preis für ein wenig mehr Sicherheit?

Aber auch Team-Verantwortliche, wie der Betriebsdirektor von Force India, machen sich ihre Sorgen um das Projekt Cockpitschutz. "Es spricht sich ja keiner gegen Sicherheit aus", so Otmar Szafnauer. "Aber man muss abwägen, zu welchem Preis man diese Sicherheit gewährleistet und wie viel Sicherheit dabei überhaupt herausspringt. 17 Prozent mehr Sicherheit sind nicht viel. Sicherlich würde es bei herumfliegenden Reifen helfen - aber Reifen fliegen gar nicht mehr herum."

"Es ist keine Kleinigkeit, dass wir das Prinzip eines offenen Cockpits angehen", betont er. "Wenn wir die Formel 1 komplett sicher machen wollen, dann sollten wir ganz aufhören zu fahren. Ich finde, der Preis, den wir mit dem Halo zahlen, ist sehr hoch, die Vorteile hingegen sind gering." Er vergleicht die Entscheidung mit der zwischenzeitlichen Einführung eines neuen Qualifyingformats Anfang 2016. "Das konnten wir schnell zurück entwickeln, aber das geht mit dem Halo nicht."


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Die deutlichsten Worte findet aber noch immer Lauda: "Wir müssen auch mal die Kirche im Dorf lassen und ich befürchte, dass wir es schon übertrieben haben. Das Racing selbst ist noch interessant. Aber man darf den Fahrer-Aspekt nicht vergessen - die riskieren schließlich ihr Leben. Ohne diesen Aspekt, werden immer mehr Leute das Interesse verlieren."

Halo noch in der Entwicklung

"Bei den Geschwindigkeiten, die in der Formel 1 herrschen, bleibt natürlich immer eine Gefahr", hebt er hervor. "Aber mit vollem Respekt: Die DNA sollte erhalten bleiben. Und mit Dingen wie dem Halo geht die FIA zu weit."

Der Cockpitschutz soll in diesem Jahr noch des Öfteren getestet werden. Derweil sitzt man beim Automobilverband noch am Feinschliff des Gestelles. So könnte laut FIA-Sicherheitsdirektor Laurent Mekies beispielsweise die Mittelstrebe des Halo, die derzeit 20 Millimeter breit ist, noch verdünnt werden. "Das werden wir vor dem kommenden Jahr noch testen", sagt er. "Wir versuchen bis auf 16 Millimeter runterzugehen und schauen, wie weit wir das ausreizen können."

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