• 14. März 2017 · 16:08 Uhr

Formel-1-Sound: Auch 2017 wird es nur "marginal" lauter

Red-Bull-Berater Helmut Marko ist enttäuscht vom Sound der aktuellen Boliden - Technikexperte Peter Schöggl erklärt, welche Lösung funktionieren könnte

(Motorsport-Total.com) - Die Regeländerung 2017 hat bewirkt, dass die Formel-1-Boliden wieder aggressiver und bulliger aussehen. Die fetten Walzen von Pirelli runden das neue Erscheinungsbild ab. Während die Optik wieder an Attraktivität gewonnen hat, fehlt es allerdings nach wie vor bei der Akustik. Der Sound der aktuellen Autos ist "einfach traurig", meinte Lewis Hamilton erst unlängst. Auch Red-Bull-Berater Helmut Marko ist nicht überzeugt. "Ich bin immer noch enttäuscht vom Sound", gab der Österreicher gegenüber 'Formula1.com' zu. Doch was kann gegen den schnurrenden Staubsauger-Sound (Zitat Sebastian Vettel), der durch die Einführung der V6-Turbo-Motoren 2014 in der Formel 1 den Ton angibt, unternommen werden?

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2016 wurde der Auspuff abgeändert, um den Sound zu verbessern Zoom Download

Zwar ist der Sound "marginal" besser geworden, so Marko, trotzdem kann man diesen nicht mit den vergangenen V10- oder V12-Biestern vergleichen. "Ich kann mich gut an den Sound der Vergangenheit erinnern, das ist so ein wichtiger Teil der Formel-1-Erfahrung für die Fans", so der Grazer. "Hoffentlich werden wir uns Schritt für Schritt verbessern." Im Interview mit 'ServusTV' legt der 73-Jährige nach: "Es (die aktuellen Motoren; Anm. d. Red.) hat nichts mit dem Sound eines Acht- oder Zwölfzylinders in der Vergangenheit zu tun. Ich glaube, dass ein Teil des Desinteresses des Publikums auf das zurückzuführen ist."

Peter Schöggl, Chef des Geschäftsbereichs Motorsport beim österreichischen Antriebsstrang-Spezialisten AVL, erklärt gegenüber 'Motorsport-Total.com', wo das Grundproblem begraben liegt. "Ich würde nicht den Turbo als den Bösen markieren, aber es liegt an der derzeitigen Anordnung mit einem Turbolader. Das ist das Problem." Der Steirer betont dennoch: "Durch die Leistungssteigerung werden die Motoren automatisch etwas lauter. Es erhöhen sich dabei sowohl die Verbrennungsdrücke, als auch die Verbrennungsgeschwindigkeit. Dadurch werden die Motoren lauter. Das ist ein marginaler Wert. Es klingt deswegen nicht anders, nur lauter." Er schätzt, dass zirka die Hälfte der Fans an der Strecke einen Unterschied hören wird.

Könnte ein Biturbo das Soundproblem lösen?

Trotzdem schließt Schöggl aus, dass man mit dem aktuellen Hybridantriebsmodell einen kernigen Sound vergleichbar mit einem V10- oder V12-Sound hinbekommen werde. "Das hat man im Reglement falsch gemacht damals, das muss man im Nachhinein sagen", merkt er im Interview bei "Sport und Talk im Hangar 7" auf 'ServusTV' an. Sein Lösungsvorschlag: Statt nur einem Turbolader, einen Biturbo zu verwenden. "Eine Lösung wären zwei Turbolader, dann hätten wir sofort beim V6 einen super Sound. Wenn man sich zurückerinnert, die V6 in den Achtzigerjahren mit dem Biturbo, die haben sehr gut geklungen. Es liegt eher daran, dass ein Turbolader so viel schluckt. Bei zwei Turboladern bleiben die Frequenzen der Verbrennung viel besser erhalten", analysiert der Experte.


Fotostrecke: Formel-1-Technik 2017: Highlights der Tests

Nicht nur das Geräusch wäre besser, auch die Nähe zur Serienproduktion wäre eher gegeben, glaubt Schöggl. Er verweist jedoch auch darauf, dass die Entscheidung 2014 auch durch eine Abwägung der Kostenfrage beeinflusst wurde. Denn an den Turbolader ist in der aktuellen Power Unit der Elektromotor (MGU-H) gekoppelt. "Da ist die Drehzahl limitiert auf 125.000 Umdrehungen pro Minute. Wenn man zwei kleinere Turbolader eingebaut hätte, dann hätte man die Drehzahl wahrscheinlich erhöhen müssen, weil ein kleinerer Turbolader höher dreht als ein großer. Das wäre sehr stark auf die Kosten des Elektromotors gegangen", erklärt der Österreicher. Aus Kostengründen hat man sich also für einen Turbolader entschieden. "Was man dabei nicht bedacht hat, war das Thema Sound. Das war ein Fehler."

Derzeit werden einzelne Lösungen diskutiert, allerdings möchte man keinesfalls eine künstliche Soundsteigerung erzeugen. Soundgeneratoren wären auch für Helmut Marko der falsche Weg: "Das ist illusorisch, dass man dem Publikum mittels Lautsprecher irgendwas suggeriert", kritisiert er bei 'ServusTV'. "Das nimmt einem keiner ab. Es gehören richtige Motoren her, wo die Leistung und die brachiale Gewalt deutlich über den Lärm sichtbar werden und wo auch die Fahrer entscheiden - und nicht die Ingenieure."

Bereits 2016 kleine Verbesserung durch das Wastegate

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Am Toro Rosso sind die zwei kleinen Röhrchen am Auspuff gut erkennbar Zoom Download

Mercedes hatte bereits 2014 das Megafon-Auspuffendrohr getestet, jedoch konnte der Lärmpegel auch damit nicht signifikant gesteigert werden. Auch der AVL-Experte stimmt seinem Landsmann zu: "Was man nicht machen möchte, ist einen synthetischen Sound zu erzeugen. Mit irgendwelchen Lautsprechern oder so, das will man nicht und das würde auch nicht gut ankommen beim Publikum." Nachdem die FIA bereits 2015 eine Arbeitsgruppe zum heiklen Thema gebildet hat, wurde 2016 zumindest ein kleiner Fortschritt erzielt.

Zum Auspuffendrohr wurden zwei kleinere Röhrchen ergänzt - der Gasaustritt aus dem sogenannten Wastegate. Dieses dient dazu, dass Gase ins Freie strömen können, wenn der Abgasgegendruck vor dem Turbolader zu groß wird. Über ein Ventil, das sich dann öffnet, strömen Abgase also nicht über den Turbolader durch das große Endrohr, sondern über die zwei Seitenrohre. Da allerdings das MGU-H ebenfalls Abgasenergie über den Turbo abgreift, hat das Wastegate an Nutzen verloren. Dieses öffnet sich nur kurz in den Kurven, wenn die Piloten beschleunigen. "Da sitzen die Leute auf den Tribünen, da hört es sich schon besser an seit 2016", ergänzt Schöggl.


So funktionieren Turbolader und Wastegate

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Einfach erklärt: Dieses Video zeigt, wie ein Turbolader funktioniert und was es mit dem Wastegate auf sich hat Weitere Formel-1-Videos

Solche Einzelheiten könnten auch in Zukunft verändert werden. "Man kann immer Kleinigkeiten machen. Diese beeinflussen die Verbrennung selbst nicht, aber das Geräusch. Man darf sich aber trotzdem nicht erwarten, dass das wie ein alter V12 klingt", betont der Experte. Er macht aber auch deutlich, dass die Richtungsentscheidung nun von den neuen Rechteinhabern Liberty Media abhängt. Die Teams halten derzeit Meetings mit den neuen Bossen ab und beraten über kurz- und mittelfristige Lösungen.

Liberty & FIA müssen Entscheidung treffen

Auch Schöggl würde eine Änderung zur Verbesserung des Sounds begrüßen, weiß aber: "Es ist keine technische Entscheidung. Die Formel 1 wurde jetzt gekauft, daher werden die neuen Inhaber entscheiden, ob eine kurzfristige Änderung kommt, oder ob man erst 2021 ein neues Reglement macht." Denn bis 2020 ist das Motorenreglement fest vorgeschrieben. "Es gibt derzeit jede Menge Diskussionen. Die Techniker sind immer bereit, eine neue technische Lösung auszuarbeiten."

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Purer Sound: Jacques Laffite im Ligier JS17 Matra im Jahr 1981 Zoom Download

Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost bestätigt: "Das ist die Entscheidung der Hersteller und der FIA. Ich würde gerne einen V12 oder einen V10 hören, aber das ist meine persönliche Meinung, wenn es um den Sound geht. Vielleicht werden wir diese Motoren aber auch noch 2021 fahren oder es gibt eine andere Lösung. Das wird in der nahen Zukunft diskutiert werden."

Der Österreicher schwelgt in Formel-1-Erinnerungen, die unweigerlich auch mit dem Sound der Fahrzeuge verbunden sind: "Persönlich würde ich gerne den Matra-V12-Sound wieder hören. Als Jaques Lafitte mit dem Ligier in Monza durch die erste Lesmo gefahren ist, konnte man ihn schon in der Parabolica hören. Jetzt leben wir aber in einer anderen Zeit. Der Sound der Motoren ist nicht so schlecht. Es ist okay", relativiert er.

Tost fordert: Konzentration auf die Show

Tost bestätigt, dass auf dem Gebiet der Akustik immer noch Bestrebungen angedacht sind: "Es ist noch nicht abgeschlossen. Es gab kleine technische Lösungen. Der Sound ist gut, man kann die Autos hören, aber natürlich ist es kein V12 oder V10." Der Toro-Rosso-Teamchef betont allerdings auch, dass der Sound nicht das derzeitige Hauptthema in der Formel 1 sei.

Im Gegensatz zu Marko glaubt er, dass das Desinteresse hauptsächlich durch die langweilige Show entstanden ist: "Das Wichtigste ist, dass wir gute Rennen haben und die Leute unterhalten. Das bedeutet Kämpfe, Überholmanöver und drei oder vier Teams involviert im Titelkampf. Das wollen Leute sehen. Wenn 20 Autos fahren, kann man sie auch mit dieser Technik gut hören. Es ist nicht schlimm, es ist ein guter Sound."

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