• 23. Januar 2017 · 17:11 Uhr

Formel-1-Zukunft: Libertys nächste Schritte sind entscheidend

Formel-1-Journalist Dieter Rencken erklärt, warum die nächsten Schritte von Liberty Media, die neuen Rechteinhaber der Formel 1, entscheidend sein werden

(Motorsport-Total.com) - Die letzte Hürde ist genommen. Die FIA hat dem Wechsel der Kontrolle über die kommerziellen Rechte zugunsten der neuen Eigentümer, der Liberty Media Group, zugestimmt. Deren nächsten Schritte werden das Tempo und den Maßstab der Veränderungen, die die Formel 1 so dringend bräuchte, vorgeben.

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Wie sieht die Zukunft der Formel 1 mit Chase Carey und Bernie Ecclestone aus? Zoom Download

Wenn der Ausgang des außerordentlichen Treffens des Motorsport-Weltrates, der über den Machtwechsel an der Spitze der kommerziellen Rechte der Formel 1 von CVC (Mutterfirma hinter Delta Topco) zur Liberty Media Group beraten sollte, in Genf vergangenen Mittwoch vorhersehbar war - der Deal wurde einstimmig genehmigt -, dann ist die Wortwahl in der Pressemitteilung besonders in den letzten drei Punkten sehr vielsagend.

Während die FIA-Führung stolz auf ihre Geschlossenheit ist - kein Wunder bei einer der bestimmendsten Präsidentschaften seit der Gründung 1904 -, ist die Tatsache, dass alle 26 Weltratsmitglieder zugestimmt haben ein Zeichen dafür, dass sie von den scheidenden Rechteinhabern CVC Capital Partners, welche die Formel-1-Dachfirma Delta Topco kontrolliert haben, enttäuscht sind.

Schlechte Bilanz für CVCs elfjährige Herrschaft

Aus gutem Grund: Bei jeder Gelegenheit haben sie der Formel 1 jeden Penny aus der Tasche gezogen, da sie Anteilseigner an der Börse in Singapur locken wollten. Glücklicherweise kam das nicht zustande, allerdings nur durch die Intervention der globalen Wirtschaftskrise, und aufgrund des Münchner Bestechungsprozesses von Bernie Ecclestone, Geschäftsführer der Formula One Group, die operative Tochtergesellschaft von Delta Topco.


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Während CVCs elfjähriger Herrschaft sind die TV-Quoten um über 30 Prozent eingebrochen, die Hälfte der Rennstrecken, die seit 2006 neu zum Kalender hinzugekommen sind, haben das ebenfalls zu spüren bekommen und die Hälfte der Teams kämpfen ums Überleben, all das aufgrund der ungerechten Strukturen, die den Unabhängigen als Folge des geplanten Börsengangs aufgedrückt wurden.

Die unwirksame Strategiegruppe und die verrückte Verteilungsstruktur, beides von CVC auferlegt, stehen als Warnsignale für CVCs Kurzsichtigkeit. Deren Vorsitzende können sich mit den Milliarden rühmen, die sie im Auftrag der Anteilseigner aus der Formel 1 geholt haben, aber ehrlich gesagt sollten sie sich für den derzeitigen Zustand, in dem sich der Sport befindet, schämen. Wundert sich nun noch jemand, warum die Wahl einstimmig ausgefallen ist?

Die FIA im Interessenkonflikt?

Tatsächlich liefert dieser Absatz der FIA-Pressemitteilung Grund zur Hoffnung nach einer Dekade voller Schwarzmalerei: "Liberty, die Formula One Group und die FIA beabsichtigen gut zusammenzuarbeiten, um eine konstruktive Beziehung aufzubauen, die anhaltenden Erfolg und langfristige Entwicklung der Formel-1-Weltmeisterschaft gewährleistet."

Ebenso vielsagend ist der letzte Absatz, worin die FIA die umstrittene Frage nach dem einen Prozent Anteil an Delta Topco adressiert. Im July 2013 war dieser Anteil ein Teil des Concorde Implementation Agreement mit der Formula One Group. Widersacher der FIA und deren früherer Präsident Max Mosley haben diesen Beteiligungsbesitz lautstark kritisiert, da die FIA kommerzielles Interesse an der Formel 1 habe.

Was nun? Viele verweisen auf das Dekret der EU-Kommission aus dem Jahr 2001, worin die kommerziellen Rechte der Formel 1 ausgegliedert wurden, daher muss sich die FIA auf ihre Rolle als Regelhüterin beschränken - "ohne jeglichen kommerziellen Interessenkonflikt" -, und argumentieren, dass dem Weltverband ein Anreiz geschaffen wurde, Entscheidungen nachteilig dem besten Interesse für den Motorsport zu treffen.

Mosley erachtet FIA-Beteiligung als "problematisch"

Der 'Economist' zitierte Mosley in der Vorwoche, dass die Beteiligung "wohl konträr" zum EU-Dekret und "problematisch" sei. Er streicht außerdem hervor, dass der Anteil (für den die FIA 450.000 US-Dollar bezahlt hat, der nach der Übernahme von Delta Topco durch Liberty jedoch auf 75 Millionen US-Dollar Wert geschätzt wird) "gleichwertig zu einem Jahresumsatz der FIA" ist, als er deren Präsident war.

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Anwalt und Ex-Rennfahrer Max Mosley war von 1993 bis 2009 FIA-Präsident Zoom Download

Wenn überhaupt bestätigen solche Argumente des früheren Rechtsanwalts, der nun als Teil seines Kampfes für mehr Privatsphäre für drakonische Pressestandards kampagnisiert, den lang gehegten Glauben des Autors, dass die Mosley-Führung der FIA einen massiven Schaden angerichtet hat, indem man die kommerziellen Rechte an der Formel 1 auf 113 Jahre für drei Prozent des eigentlichen Werts an Ecclestone, einem seiner engen Freunde seit über 30 Jahren, verkauft hat.

Aus Gründen, die man selbst am besten kennt, blieb die FIA konstant stumm bei der Frage nach ihrem Anteil. Man betonte nur, dass man aufgrund der unwesentlichen Größe keinen Konflikt darin sah - kaum groß genug, um CVCs Kontrolle über den Sport zu beeinflussen. Die FIA reagierte gelassen auf den Beitrag im 'Economist'. Ein Insider tat den Artikel mit jenen Worten ab: "Viel Lärm um nichts."

Nach FIA segnet auch Liberty die Übernahme ab

Zusätzlich betonte man in der Pressemitteilung zur Weltratssitzung: "Die FIA wird zu den selben Konditionen wie CVC und all die anderen Anteilseigner im Verkaufsprozess mitgeschleift." Das bedeutet, dass Liberty das Recht besitzt, andere Teilhaber hinauszudrängen, sollte Liberty aussteigen, gewöhnlich unter den gleichen Konditionen. Außerdem gibt es bestimmte, nicht näher beschriebene "Marktabstimmungs- und Lock-up-Klauseln".

Klar ist, dass die EU allerdings in Kenntnis über das eine Prozent ist. Gleichermaßen sind andere Sportorganisationen Teilhaber in Meisterschaften - obwohl die kommerziellen Strukturen nicht direkt vergleichbar sind, denke man an die FIFA oder das IOC - und entscheiden sich dafür, nicht zu handeln. In der Tat wird die EU Libertys Übernahme von Delta Topco preisen, trotz der zeitgleich laufenden Ermittlung im Fall der Beschwerde von Force India und Sauber.

Der Tag in Genf, wo der Vorstand von Libertys Formel-1-Investment Chase Carey deren Strategie den Mitgliedern des Weltrates präsentiert hat, war gefolgt von einem Teilhabertreffen in Englewood, Colorado, wo die hundertprozentige Übernahme, Vergabe und Namensänderung von Delta Topco in Formula One Group von der Liberty Media Group, eine Tochterfirma der Liberty Media Corporation (LMCK), genehmigt wurde.

Übernahme an viele Bedingungen geknüpft

Ein warnender Absatz in der Bekanntgabe lautet: "Der Abschluss der Übernahme ist Gegenstand bestimmter Bedingungen, inklusive des Erhalts von: (i) bestimmten Freigaben und Zustimmungen von kartellrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Behörden in verschiedenen Ländern, (ii) bestimmte Zustimmungen von Dritten, inklusive jener der FIA und (iii) die Zustimmung von Liberty Medias Aktionären über die Ausgabe der LMCK-Aktien in Zusammenhang mit der Übernahme und der Namensänderung der Liberty Media Group in Formula One Group, und wird erwartungsgemäß im ersten Quartal 2017 abgeschlossen."

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Der Mann mit dem Schnauzbart: Chase Carey wird neuer Formel-1-Boss Zoom Download

Nebenbei bemerkt wird im Statement bezeichnenderweise auf "4,1 Milliarden US-Dollar an Formel-1-Schulden und 0,7 Milliarden an Geld" hingewiesen. Warum sollte ein Unternehmen mit 1,8 Milliarden US-Dollar Umsatz pro Jahr (Netto-Verdienst von 450 Millionen) Schulden in der Höhe von 250 Prozent der Einnahmen oder das Zehnfache des Gewinns anhäufen? Um die Dividenden der Fondbesitzer zu bezahlen.

Es gibt viel Material, um auf einen Zusammenbruch der ersten Diskussionspunkte hinzuweisen, und der Brief des Autors an Chase Carey hat die vielen Herausforderungen der Übernahme skizziert. Aber was bedeutet die Übernahme für die Formel 1, und was liegt für die Fans drin? Erstens, (zum Leidwesen vieler) ist die Formel 1 CVC nicht losgeworden, nur die direkte Kontrolle. Die Firma behält eine 65-prozentige Präsenz - Liberty hält ungefähr 35 Prozent, mit der entscheidenden vollen Kontrolle - durch die Repräsentation anderer Anteilseigner, und wird einen Sitz im rekonstituierten Vorstand haben.

Keine rasche Veränderung durch Liberty Media möglich

Zweitens ist Carey ein Liberty-Unterhaltungsmann, wenn auch fokussiert auf den Gewinn. Eine Passage in der FIA-Mitteilung lautet: "Die Entscheidung des Weltrats bestätigt den Glauben der FIA, dass Liberty als namhafte Medienorganisation mit Expertise im Sport und in der Unterhaltung gut positioniert ist, um die fortgesetzte Entwicklung ihres Aushängeschilds zu gewährleisten." Das konnte über CVC nicht gesagt werden.

Allerdings gibt es keinen Zweifel daran, dass es Veränderung in der Formel 1 geben wird. Dazu gibt es drei Fragen: Wie? Was? Wann? Die letzte ist die am einfachsten zu beantwortende Frage. Aufgrund der legalen und gültigen Verträge zwischen der FOG und verschiedenen Teilhabern, einige davon laufen noch weitere acht Jahre, kann es keine schnellen Lösungen geben, außer Anreize werden offeriert. Das würde ohne Zweifel zu einer Zeit Kosten verursachen, zu der Liberty Media die Anteilseigner bei Laune halten muss. Es können also keine Schnellschüsse geschehen, da allein die Verträge mit den Teams bis 2020 laufen.

Dass Manor Insolvenz anmelden musste, just als Liberty die Delta-Verträge fertiggestellt hat, zeigt ein weiteres Problem auf, das mit oder ohne EU-Intervention gelöst werden muss: Die Frage nach (unabhängiger) Rentabilität der Teams. Wieder könnte das der FOG viel kosten.

Ecclestones Geschäftsmodell bremst den Wandel

Dann muss sich Liberty Gedanken über die Austragungsorte machen: In den vergangenen sechs Monaten haben gleich drei Rennstrecken (Silverstone, Singapur und Sepang), die jährlich geschätzte 100 Millionen US-Dollar in die FOG-Koffer spülen, ihre Absicht kundgetan, die Formel 1 nicht mehr austragen zu wollen. Deutschland bleibt außerdem ein ewiges Problem. All das sind kleine Mikrokosmen eines Makrobildes.

Liberty wird als Medienunternehmen natürlich darauf schauen, die Formel-1-Medieninhalte zu maximieren und zu monetarisieren, aber das ist nicht so einfach wie gedacht aufgrund der langfristigen Verträge mit Fernsehstationen. Veränderung wird kosten...und gegnerische Fernsehunternehmen werden einen Konkurrenten nicht schonen.

Wie bereits in den vergangene zehn Jahren klar wurde, war das größte Hindernis für Veränderung nicht CVC, sondern ein gut kontrollierter Mangel an Enthusiasmus für Veränderung, mit Ecclestone an der Spitze, der an einem antiquierten Geschäftsmodell festhält, das das gleiche zweistündige Rennformat immer zur gleichen Uhrzeit an unterschiedlichen Sonntagen beinhaltet.

Wie wird sich Ecclestone verhalten?

Sofern sich dabei nichts ändert, kann es keine fundamentale Veränderung geben. FOGs größte Herausforderung wird es sein, diese Denkweise zu ändern, und im Umkehrschluss auch jene von Ecclestone. Wird er, der am "mein-Weg-oder-kein-Weg"-Prinzip festhält, mitarbeiten und Veränderung einläuten oder sich eingraben, wie viele vermuten?

Man vergleiche die unterschiedlichen Botschaften in den Statements von Carey und Ecclestone in der Folge der Übernahme und komme zu seiner eigenen Schlussfolgerung. Carey sagte: "Ich bin begeistert, die Rolle als Vorsitzender der Formel 1 zu übernehmen und die Möglichkeit zu haben, gemeinsam mit Bernie Ecclestone, CVC, und dem Liberty-Media-Team zu arbeiten. Ich bewundere die Formel 1 als einzigartiges, globales Sport-Unterhaltungsfranchise, das hunderte Millionen Fans jede Saison auf der gesamten Welt anzieht. Ich sehe großartige Möglichkeiten, der Formel 1 bei der fortführenden Entwicklung zum Nutzen des Sports, der Fans, den Teams und Investoren zu helfen."

Ecclestone hingegen: "Ich möchte Liberty Media und Chase Carey in der Formel 1 willkommen heißen. Ich freue mich darauf, mit ihnen zu arbeiten." Die nächsten zwei Monate bis zum Saisonauftakt in Australien werden sich als entscheidend für die unmittelbare Zukunft der Formel 1 erweisen. Wie Carey, der übrigens mehr Grands Prix und Formel-1-Treffen in fünf Monaten besucht hat als sein Vorgänger in vielen Jahren, die Situation unter Kontrolle hat, wird das Maß und das Tempo von Veränderungen bestimmen, und somit auch was die Fans erwartet.

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