• 12. April 2016 · 16:33 Uhr

Ein Drink mit Eddie Irvine: "Senna konnte sehr arrogant sein"

Eddie Irvine erinnert sich an Suzuka 1993, als er von Ayrton Senna eine gescheuert bekam: "Senna konnte sehr arrogant sein - er glaubte, alles gehört ihm"

(Motorsport-Total.com) - Eddie Irvine feierte beim Grand Prix von Japan 1993 in Suzuka nicht nur seine Formel-1-Premiere, sondern er wurde auch quasi über Nacht berühmt. Weniger wegen seines hervorragenden sechsten Platzes, sondern vielmehr wegen einer Auseinandersetzung mit dem großen Ayrton Senna. Von dem bekam er nämlich nach dem Rennen eine gescheuert.

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Ayrton Senna verzweifelt in Suzuka 1993 beim Überrunden von Eddie Irvine Zoom Download

Unsere Video-Interviewserie "Ein Drink mit Eddie Irvine", inspiriert von der legendären "Zigarette mit Helmut Schmidt" in der Wochenzeitung 'Die Zeit', ist die perfekte Gelegenheit, den Zwischenfall 23 Jahre später noch einmal aufzuarbeiten. Irvine ist inzwischen 50 Jahre alt, würde sich aber heute nicht anders verhalten als damals - und findet im Übrigen, dass Senna mit seinem Wutanfall in Suzuka 1993 die dunkle Seite seines Charakters preisgegeben hat.

"Senna war einerseits sehr freundlich zu manchen Menschen, aber andererseits konnte er auch sehr arrogant sein. Er glaubte, alles gehört ihm. Er glaubte, Gott gibt ihm das Recht, Rennen zu gewinnen. Ich glaube aber, dass wir alle Gottes Kinder sind!", sagt Irvine in der neuen Folge unserer Serie. "Das habe ich nie ganz verstanden. Sein Gehirn funktionierte da auf geheimnisvolle Art und Weise."

Keine echte Reue bei Senna

Senna entschuldigte sich zwar bei einer Pressekonferenz später dafür, Irvine nach dem Rennen in Suzuka geschlagen zu haben, doch tiefe Reue konnte der damals aufstrebende Jordan-Youngster beim Formel-1-Gott aus Brasilien nie erkennen: "Wir haben uns die Hand gegeben, aber er war nicht verärgert, weil er das getan hatte. Sondern er war sauer, weil er wegen mir so viel Ärger hatte."

Aber was war eigentlich passiert? Die Story ging schon vor dem Rennen los. Im Freien Training ließ Irvine Senna überholen, ging anschließend selbst auf eine schnelle Runde. Der McLaren-Star machte jedoch keine Anstalten, den Neuling vorbeizulassen. "Er hielt mich auf, als wäre ich ein Nobody, den man einfach ignorieren kann. Als wäre er wichtiger als ich", erinnert sich Irvine.

Suzuka war Irvines große Chance

Am Samstag wiederholte sich die Situation, diesmal unter umgekehrten Vorzeichen. Irvine wollte Senna damit sagen: "Ich fahre für mich. Glaub nicht, dass ich dich mit Samthandschuhen anfassen werde, nur weil du Ayrton Senna bist!" Denn für den damals 27-Jährigen stand seine eigene Karriere im Vordergrund: "Ich hatte nur eine Chance, mich zu empfehlen, und Suzuka war meine Chance. Ich war nicht bereit, die für irgendjemanden aufzugeben."


Fotostrecke: Ayrton Senna: Die Karriere einer Legende

Irvine, 1993 eigentlich in der Formel Nippon in Japan aktiv (und ein ausgewiesener Suzuka-Spezialist), war in jener Saison nach Ivan Capelli, Thierry Boutsen, Marco Apicella und Emanuele Naspetti bereits der fünfte Teamkollege von Rubens Barrichello im Jordan. Mit guten Leistungen in Suzuka und Adelaide, so die Ausgangslage, würde er sich für einen Stammplatz in der Saison 1994 empfehlen können.

Und tatsächlich lieferte er in Suzuka eine tolle Vorstellung ab, fightete gegen Damon Hill im überlegenen Williams um den vierten Platz - als von hinten, wie könnte es anders sein, Senna zum Überrunden daherkam. "Ich ließ ihn auch durch - aber Damon tat das nicht", erinnert sich Irvine. "Also fahre ich hinter Senna, obwohl ich eigentlich Damon überholen möchte. Ich überhole Senna wieder, danach auch Damon."

War Hill eigentlich der Auslöser?

Während es da in Senna schon zu brodeln begann, findet Irvine auch heute noch, dass Hill eigentlich derjenige war, der die anschließende Auseinandersetzung angezettelt hat: "Senna hatte schon recht, dass wir Überrundete waren und ihn durchlassen hätten sollen. Aber eigentlich war das nicht mein Fehler, sondern der von Damon. Ich hatte ihn ja durchgelassen, aber Damon nicht. Auf mich war er halt von den vorangegangenen beiden Tagen noch sauer."


Audio-Mitschnitt: Der Streit vor der Ohrfeige

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Senna stürmt also in Begleitung des damaligen McLaren-Pressesprechers Norman Howell und seines Renningenieurs Giorgio Ascanelli in die Jordan-Hospitality (damals nur ein Container), wo Irvine allein an einem Tisch sitzt. Ebenfalls anwesend sind einige Jordan-Teammitglieder. Senna entdeckt Irvine nicht sofort; der begreift aber die Situation, hebt seine Hand und sagt ohne jede Furcht: "Hier!" Was Senna endgültig zum Explodieren bringt.

Es fallen hässliche Worte wie "fucking idiot", aber Irvine lässt all das von sich abprallen: "Du warst nicht schnell genug, sonst hättest du das Problem nicht gehabt." Woraufhin Senna droht, er werde sich mit dieser Haltung Ärger einhandeln, auch bei der FIA. Und just, als es den Anschein hat, dass der Sieger des Rennens (trotz der Situation beim Überrunden) gehen möchte, dreht er sich noch einmal um und schlägt Irvine mit der linken Hand ins Gesicht.

Senna-Helm in Irvines Wohnzimmer

Irvine stürzt zu Boden und kommentiert das lapidar: "Da sehe ich jetzt einen Versicherungsanspruch!" Aber auf dem Schmerzensgeld hat er nie bestanden. 23 Jahre später sagt er: "Es war kein harter Schlag, aber er kam halt ohne Ankündigung. Das hatte keinen Stil. Es war eine riesige Story. Plötzlich wurde ich vom Nobody über Nacht ziemlich berühmt - aber nicht aus den Gründen, die ich mir gewünscht hätte."

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"Ein Drink mit Eddie Irvine": Die neue Serie bietet viel Abwechslung Zoom Download

Als Senna in den Container kam, war Irvine "Mister Happy. Ich hatte ja gerade meinen ersten Grand Prix als Sechster beendet." Der Jordan-Rookie hatte die Füße auf dem Tisch, sein Stuhl war angewinkelt, er wippte damit. "Senna schrie mich an. Mir war das ziemlich egal." Auch heute würde er sich in der Situation "nicht wirklich" anders verhalten, wenn er noch einmal die Gelegenheit dazu hätte: "Ich fuhr für mich selbst, wie jeder andere Fahrer auch."

Aufmerksamen Usern freilich ist aufgefallen, dass Irvine in der ersten Folge unserer Video-Interviewserie einen gelben Senna-Helm in seinem Wohnzimmer in Miami stehen hatte. "Ich war immer ein Senna-Fan. Ich bin immer noch ein Fan seines Fahrkönnens", erklärt er. "Ich bin aber kein besonders großer Fan seiner Persönlichkeit."

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