• 21. August 2015 · 08:03 Uhr

Die neue Startprozedur und was technisch dahintersteckt

In Erwartung des ersten Rennstarts unter den neuen Voraussetzungen schildern die Formel-1-Piloten ihre Gedanken: Von Unverständnis über Skepsis bis Gelassenheit

(Motorsport-Total.com) - Beim Grand Prix von Belgien an diesem Wochenende sehen sich die Formel-1-Piloten erstmals mit der neuen Startprozedur konfrontiert. Ab sofort müssen sie, ab dem Moment, in dem sie am Sonntag die Box in Richtung Startaufstellung verlassen, den optimalen Schleifpunkt der Kupplung selbst finden. Technische Hilfestellung seitens der Ingenieure, wie es bis zum Grand Prix von Ungarn üblich war, fällt ab sofort weg. Doch sind die Piloten nun an wirklich auf sich allein gestellt, wie es die FIA gerne hätte?

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Auf dem Hungaroring starteten die Piloten noch mit Unterstützung vom Team Zoom Download

"Sobald das Auto in der Startaufstellung steht und man nochmal aussteigt, darf man mit dem Ingenieur sprechen. Er sagt dann auf Grundlage von Griplevel, Reifen und Kupplungstemperatur, welche Einstellung man wählen soll. Der Rest liegt dann in der Hand des Fahrers", bemerkt Force-India-Pilot Sergio Perez und lässt damit anklingen, dass es die eine oder andere Hilfestellung wohl auch weiterhin geben wird - nur eben nicht mehr per Funk und Telemetrie ins Cockpit gesendet.

Valtteri Bottas merkt in diesem Zusammenhang an: "Bei den Informationen, die wir bisher von den Ingenieuren vor dem Start über die Kupplung erhalten haben, ging es nur um die Feinabstimmung. Nun liegt es an uns Fahrern, die Kupplung einzustellen. In der Aufwärmrunde haben wir jetzt etwas mehr zu tun, was die Motoreinstellungen und anders betrifft. Das ist es aber auch schon. Wir haben das schon so oft unter Anleitung der Ingenieure gemacht, dass es automatisch abläuft und man weiß, was zu tun ist. Ich sehe da kein Problem."

Die neue Startprozedur im Detail: Formel 1 ist nicht GP2

Nico Hülkenberg beschreibt die neue Startprozedur im Detail: "Ich rolle am Ende der Formationsrunde in meine Startbox und habe das Getriebe im Leerlauf. Ich schaue dann im Rückspiegel, wie hinter mir - hoffentlich sind das viele - andere Fahrer in ihre Positionen rollen. Wenn sie stehen, lege ich den ersten Gang ein. Dann habe ich die Kupplungswippen: eine voll gezogen, eine so halb. Wenn die erste Ampel angeht, trete ich auf das Gas. Wenn die Lichter ausgehen, lasse ich die erste Kupplung kommen, dann die zweite."

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Sebastian Vettel: "Ich durchschaue nicht, was wir damit erreichen wollen" Zoom Download

Sebastian Vettel kommt angesichts der Regeländerung mitten in der Saison ins Grübeln. "Ich durchschaue nicht, was wir damit erreichen wollen", schüttelt der Ferrari-Pilot den Kopf, glaubt aber nicht, dass es auf lange Zeit betrachtet einen grundlegenden Unterschied zu den Starts der jüngeren Vergangenheit geben wird: "Vielleicht wird es diesen und nächsten Sonntag ein bisschen chaotisch. Es gibt aber genug clevere Köpfe in der Formel 1, denen bewusst ist, dass man jetzt manche Dinge eben in Erinnerung behalten sollte und selbst dran denken muss. Ob das aber wirklich etwas ändert? Ich glaube, in zwei, drei Rennen sieht es genauso aus wie jetzt."

Ganz anders äußerst sich Perez. "Die Prozedur ist nun eine andere, weil sich grundlegend etwas verändert hat. Wir müssen die Kupplung wieder ganz allein von Hand bedienen. Das ist nicht so einfach", sagt der Mexikaner in Diensten des Force-India-Teams und geht gedanklich einen Schritt in der Karriereleiter zurück: "In der GP2 ist die Kupplung nicht so sensibel, wenn es beispielsweise um Temperaturen geht. Daher wäre es schon gut, wenn man eine neue Kupplung konzipieren würde, die für uns besser beherrschbar ist - also beispielsweise nicht derart sensibel auf Veränderungen der Temperatur reagiert."

Lotus-Pilot Pastor Maldonado stimmt zu: "Es läuft jetzt eher so ab wie in der GP2. Der Unterschied ist nur, dass wir nicht die GP2 sind. Das Auto ist komplett anders konzipiert. Das gilt vor allem für die Kupplung." Wie die FIA angekündigt hat, wird man zur Saison 2016 zunächst von zwei Kupplungen auf eine zurückrüsten. Ab der Saison 2017 sollen alle Teams mit einer einheitlichen Kupplung fahren. Doch dies ist noch Zukunftsmusik. Zunächst müssen sich die Piloten mit den aktuellen Gegebenheiten herumschlagen.

Mercedes mit Erfahrungsvorsprung?

"Bremsen wärmen, Reifen wärmen, Motor kühlen - es ist dermaßen viel, was man bis zum Start machen muss", meint Mercedes-Pilot Nico Rosberg und fügt hinzu: "In der Startaufstellung müssen mit Knöpfen verschiedene Einstellungen vorgenommen werden. Ich habe mir das alles zurechtgelegt, damit ich diese Prozedur im Griff habe."

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Ungarn sah nicht den ersten schlechten Mercedes-Start - Hat man bereits geübt? Zoom Download

Von einem Trend schlechter Starts will Rosberg vor dem ersten Start unter den neuen Voraussetzungen nichts wissen: "In Ungarn bin ich gut weggekommen, aber die rechte Seite war einfach langsam. Nur in Silverstone lief es nicht, aber da wissen wir, warum das der Fall war. Da haben wir etwas falsch gemacht. Ich mache mir keine großen Gedanken." Hülkenberg wirft in diesem Zusammenhang die Frage auf, ob Mercedes vielleicht bei den zurückliegenden Rennen schon für die neuen Starts trainiert hat.

Ungeachtet dessen will sich der Force-India-Pilot nicht unnötig verrückt machen lassen: "In der Einführungsrunde haben wir weniger Arbeit, weil wir nichts mehr ändern dürfen. Wir können dann nur hoffen, dass wir die passende Einstellung gewählt haben. Der Start ist für uns alle mit einigen Fragezeichen versehen. Am Sonntag werden wir erstmals so starten. Man kann wenig üben, aber wir bekommen das trotzdem irgendwie hin - müssen wir ja."

"Als Fahrer kann man immerhin noch etwas gegensteuern", setzt Hülkenberg fort. "Man kann die Kupplung länger halten oder früher loslassen, man kann mit dem Gas spielen. Es gibt Möglichkeiten, aber sie sind sehr begrenzt." Romain Grosjean antwortet auf die Frage, wie oft er die neue Startprozedur im Simulator durchgespielt hat: "Gar nicht. Ich bin mir aber sicher, dass man sich in der Fabrik mit dem Thema auseinandergesetzt hat." Der viermalige Weltmeister Vettel bemerkt in diesem Zusammenhang: "Starts zu üben im Simulator ist nicht so einfach, weil man nicht so genau wie im Auto spürt, ob die Hinterräder jetzt durchdrehen oder nicht."

Button: "Wir müssen nun tatsächlich selbst nachdenken"

"Das Ganze erinnert mich an den Beginn meiner Rennfahrerkarriere. Damals hatten wir die Starts auch selbst in der Hand. Es wird sicherlich Überraschungen geben. Andererseits glaube ich nicht, dass die neue Prozedur die Welt auf den Kopf stellen wird", sagt Grosjean. Während sich der Franzose in Diensten des Lotus-Teams also überraschen lässt, was am Sonntag auf ihn zukommt, gibt Teamkollege Maldonado vor, die neue Prozedur das eine oder andere Mal im Simulator durchgespielt zu haben. "Wir haben intensiv geübt, aber nicht auf der Strecke. Hoffentlich haben wir etwas gelernt", sagt der Venezolaner und lässt wissen: "Ich glaube schon, dass es schwieriger wird, vor allem hinsichtlich der Konstanz der Starts. Das einzig Gute daran ist, dass die Situation für alle gleich ist."

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Jenson Button, der erfahrenste Pilot im Feld, sieht die Regeländerung gelassen Zoom Download

Jenson Button, mit 275 Grand-Prix-Starts der erfahrenste Pilot im aktuellen Starterfeld (Formel-1-Datenbank: Rennteilnahmen sortiert nach Aktivitätsstatus), sieht die ganze Sache gelassen. "Ich habe gehört, die Starts sollen nun super kompliziert werden. Wir müssen nun tatsächlich selbst nachdenken. Das macht mir regelrecht Angst", sagt der McLaren-Pilot im Scherz, um ernsthaft anzufügen: "Ich denke, es wird sich nicht viel ändern. Es sei denn, ein Fahrer vergisst, was er zu tun hat. Die Ingenieure dürfen uns per Funk keine Anweisungen mehr geben - endlich Ruhe im Radio! Ernsthaft: Ich glaube wirklich nicht, dass es einen großen Unterschied ausmachen wird."

Für die Saison 2016 rechnet Button angesichts der von der FIA ankündigten weiteren Einschränkungen durchaus mit einer Umstellung. "Jetzt ist es doch so, dass wir in der Anfangsphase nach dem Start kaum Einfluss haben. Wir halten die eine Kupplungswippe in einer Position fest und lassen die andere einfach los. Dann geht es los - vielleicht auch mal mit durchdrehenden Rädern. Als Fahrer hast du das erst später selbst in der Hand, wenn du die zweite Wippe langsam loslässt. Erst im kommenden Jahr wird es lustig, wenn wir wirklich alles per Gaspedal und Kupplung regeln müssen", meint der Formel-1-Weltmeister von 2009.

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