• 02. Juli 2015 · 18:01 Uhr

Max Mosley: Zwischen Freikarten, Bankrott und Sennas Tod

Wie der Ex-FIA-Präsident es schaffte, ein Team aus dem Boden zu stampfen und sich gegen die mächtigsten Männer des Paddock zu behaupten: Balestre und Ecclestone

(Motorsport-Total.com) - Max Mosley, Autor. Es ist nur eine weitere Bezeichnung für einen Mann, der sich bereits Sohn von Sir Oswald Mosley und Diana Mitford nennen darf. Oder Rechtsanwalt, Rennfahrer, Teambesitzer in der Formel 1, Macher der Königsklasse, enger Vertrauter Bernie Ecclestones, FIA-Präsident und Triebfeder des Euro-NCAP-Crashtests. Mosley ist auch jemand, der sich von den Boulevard-Zeitungen und ihren skrupellosen Methoden in jedem Wortsinn als "ausgepeitscht" bezeichnen darf.

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Max Mosley lässt in seiner Autobiographie bisher unangetastete Themen nicht aus Zoom Download

Zweifellos: Sogar für jemanden mit seinem Intellekt und seiner Eloquenz war es schwierig, eine Autobiographie wie "Formula One and Beyond" zu schreiben. "Wirklich harte Arbeit", bestätigt Mosley. "Wie Leute es schaffen, eine ganze Reihe von Büchern zu verfassen, geht mir nicht in den Kopf. Hätte ich gewusst, wie viel Schufterei das ist, hätte ich es wahrscheinlich nicht gemacht. Aber ich bin glücklich, dass ich es doch getan habe. Niemand aus dem Motorsport hat zuvor darüber aus dieser Warte geschrieben."

Mosley ist überzeugt, dass sein Werk ein Unikum im Sport allgemein ist, denn Vergleichbares gäbe es auch nicht aus den Reihen des IOC oder der FIFA. "Es ist interessant, die Perspektive desjenigen einzunehmen, der die Regeln machen muss", erklärt Mosley, der dabei auf seine Erfahrung als Aktiver, als Führungsfigur und - ganz ursprünglich - als überraschend bekehrter Motorsport-Fan zurückgriff. Denn mit dem Virus angesteckt wurde der Brite nur, weil er Freikarten für ein Rennen in Silverstone bekam.

Alles begann mit zwei Freikarten

Er erinnert sich: "Ich war ziemlich neugierig, aber hätte ich die Tickets nicht bekommen, dann wäre ich wohl nie zu einem Autorennen gegangen. Ich stand auf der Außenseite von Woodcote und in der Minute, als ich das Junior-Formel-Rennen nahen sah, dachte ich nur: 'Oh ja!'" Es sei damals die Geschwindigkeit gewesen, die ihn so beeindruckt hätte und es noch heute tut. "Dieser fast brutale Speed ist der Grund, warum ich in Sachen Sound nicht Bernies Meinung bin. Wenn man vor Ort ist, dann ist es das Tempo."


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"Wenn man nicht vor Ort ist und am Fernseher zuschaut, dann macht die Lautstärke keinen großen Unterschied", fügt Mosley an. Beeindruckt von dem, was er an diesem Tag erlebt hatte, war Mosley fest entschlossen, Teil des Ganzen zu werden. Er fuhr erst Klubrennen und anschließend Formel 2, in der er sich auf Europas Traditionsstrecken mit den großen Namen maß. Es kam die Erleuchtung, als ihn in Zolder der damalige Meister Jochen Rindt überholte, nachdem er zu spät an den Start gekommen war.

"Ich hatte zuvor nicht viel gemacht und eine Saison auf Klubniveau bedeutete kaum mehr als 15 Stunden Wettbewerb. Als ich 1968 mein erstes Formel-2-Rennen gefahren bin, war ich nicht bereit, auf diesem Niveau anzutreten. Heute würde man so etwas überhaupt nicht erlauben", meint Mosley. Der Zolder-Vorfall öffnete ihm die Augen: "Er überholte außen herum und ich sah, dass seine Hände am Lenkrad ganz natürlich wirkten. Er war in einer anderen Liga. Da begriff ich, dass ich nicht das Talent hätte."

Wenig Talent und grün hinter den Ohren

Das Talent, dass es gebraucht hätte, um an die Weltspitze zu gelangen. "Ich war weise genug um zu verstehen, worum es im Motorsport ging und ich war froh mitgemacht zu haben, aber es gab keine Grund, weiterzumachen. Auf Platz zehn zu fahren ist genauso gefährlich wie ganz vorne", weiß Mosley, der auf Umwegen 1969 mit drei Partnern das March-Team formte. Es gab ehrgeizige Pläne und der Bau, der Einsatz sowie der Verkauf von Formel-1-Autos war nicht genug. March gab bekannt, auch Boliden für die Formel 2, die Formel 3 und die nordamerikanische Can-Am-Serie bauen zu wollen.

"Wir wären beinahe erledigt gewesen."Max Mosley über das March-Projekt
Bei einem denkwürdigen Debüt 1972 in Südafrika gelang es zwei March-Ford, die erste Startreihe zu besetzen. Ein March 701 von Ken Tyrrell, gefahren von Jackie Stewart, war in Spanien sogar siegreich. Aber hinter den Kulissen rang Mosley darum, das Geschäft am Laufen zu halten. "Unser Anfang mit March war unklug", rekapituliert er. "Wir sind ohne Geld in ein kapitalintensives Business eingestiegen. Das macht man in seinen Zwanzigern, aber nicht mit etwas mehr Sinn und Verstand."

Das Projekt schlitterte mehrmals am Ruin vorbei und wurde nur von Ford-Mann Walter Hayes gerettet, der den March-Machern den Tipp gab, ihr Chassis statt für 6.000 für 9.000 Pfund Sterling abzugeben. "Sonst wären wir erledigt gewesen", meint Mosley. Die Formel 1 brachte ihn in Kontakt mit dem damaligen Brabham-Besitzer Bernie Ecclestone, der zu verstehen begann, welches enorme finanzielle Potenzial in der Königsklasse schlummert. Die Vereinigung der Formel-1-Konstrukteure (FOCA) entstand.

FISA-FOCA-Krieg als Grundlage der Macht

Ihr Gegner der ersten Stunde war FISA-Präsident Jean-Marie Balestre. Mosley suchte mit ihm die Konfrontation, es entwickelte sich ein Bluff-Spiel, welches darin gipfelte, dass die FOCA ein nicht zur WM zählendes Rennen in Südafrika Anfang 1981 durchführte. Tatsächlich wurde der im Fernsehen übertragene Lauf ein Erfolg, doch in Wahrheit robbten die FOCA-Teams auf Knien. "So schlimm war es wirklich", unterstreicht Mosley. "Wenn Balestre auch nur drei weitere Wochen durchgehalten hätte, dann wäre die Messe gelesen gewesen. Und er in der Lage, die Spielregeln zu bestimmen."

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Max Mosley & Jean-Marie Balsestre: Sie entwickelten sich zu erbitterten Feinden Zoom Download

Die FOCA sei nahe dran gewesen an der "bedingungslosen Kapitulation", doch Südafrika und Ecclestone mit Reifen hätten sie kurzzeitig gerettet. "Ein weiteres Glück war, dass Long Beach anstand und ein US-Rennen zwang Renault (nicht Mitglied der FOCA und Balestre-Unterstützer; Anm. d. Red.) dazu, teilzunehmen. Das war der springende Punkt. Balestres Ruf war angekratzt." Rückblickend sei es ein Vergnügen gewesen, damals aber alarmierend, weil der Erfolg fragwürdig war und Jobs auf dem Spiel standen.

Die Position der FIA änderte sich, als Mosley 1991 das Amt des Präsidenten übernahm. Auf diese Zeit blickend beschreibt er die Monate nach dem San-Marino-Grand-Prix 1994 als prägend. "Mit den Folgen des Todes von Roland Ratzenberger und Ayrton Senna umzugehen - das war wirklich schwierig", pustet Mosley durch. "Aber es entwickelte sich daraus etwas Positives in Form der Verbesserungen in Sachen Sicherheit. Auch Indianapolis 2005 (der Michelin-Skandal; Anm. d. Red.) war knifflig."

Mit Ecclestone selten einig, Ideengeber für Todt

Heute sei ihm klar, was er hätte tun müssen. Damals jedoch hätte das Gerede von einer Schikane und vielen anderen mehr oder weniger sinnvollen Vorschlägen geradewegs ins Desaster geführt. "Was ich unternommen habe, war komplett richtig", ist sich Mosley sicher. Der Indy-Skandal zeigte jedoch: Mosley und Ecclestone waren sich nicht so einig wie landläufig angenommen. "Wirklich nicht", betont der Ex-FIA-Präsident. "In Tagen der FOCA spielten wir gut zusammen und waren uns nach ein paar Diskussionen einig darüber, was zu tun wäre."

"Als ich Präsident wurde, verstand Bernie es genau, was im FIA-Interesse, aber nicht in seinem liegt. Es gab Konflikte, aber nur sehr selten öffentlich - auch wenn ich jetzt in meinem Buch von ihnen erzähle", so Mosley. Neben seiner Tätigkeit als Autor verfolgt er heute interessiert, was sein Nachfolger Jean Todt unternimmt und welche Kritik auf ihn hereinprasselt. "Mir ist klar, dass Jean nachgesagt wird, er würde nicht viel für die Formel 1 tun." Er hätte mit Todt vor seiner Wahl über Sicherheit gesprochen.


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Mosley will dem Franzosen klargemacht haben, welchen Stellenwert es hat: "Man kann in der Formel 1 und im Rallye-Bereich noch so hart arbeiten - und man rettet jedes Jahr vielleicht ein Leben. Auf den Straßen sterben weltweit 3.000 Menschen. Jeden Tag. Ein FIA-Präsident ist in besserer Position als jeder andere, dagegen etwas zu unternehmen. Bewegt man ein Zehntel eines Prozents, dann bedeutet das drei Menschenleben am Tag - und nicht einen Menschen in einem ganzen Jahr."

"Was der FIA wirklich etwas bedeuten sollte, ist Sicherheit im Straßenverkehr. Nichts anderes tötet so viele Menschen im Alter zwischen 15 und 24. Jean hat das auf dem Schirm. Er widmet dem seine Energie und das mag den Eindruck erwecken, als spiele die Formel 1 eine Nebenrolle. 'Sie werden schon in der Lage sein, das Ding ohne mich zu schaukeln'", stärkt Mosley seinem Nachfolger den Rücken.

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