• 18. Mai 2015 · 08:08 Uhr

1984: Ein Monaco-Grand-Prix für die Ewigkeit

Der Beginn einer Fehde: Der junge Senna wird zum tragischen Regenhelden, als Prost auf fragwürdige Art siegt - und sich selbst eines WM-Titels beraubt

(Motorsport-Total.com) - Am 21. April jährte sich Ayrton Sennas erster Grand-Prix-Sieg zum 30. Mal. Es war die Geburt von "Magic" Senna im Regen von Estoril, den der Brasilianer 1985 meisterte wie kein zweiter Pilot. Die Geschichte wäre anders geschrieben worden, hätte am 3. Juni des Vorjahres nicht die Fehde mit einem gewissen Alain Prost ihren Anfang genommen - in den Straßen Monacos. Schon damals regnete es, doch die feuchte Bahn war für Senna die kleinere Hürde als verhasste sportpolitische Spielchen seines Rivalen.

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Ayrton Senna ist im unterlegenen Toleman der Held, aber nicht der Rennsieger Zoom Download

Doch von Anfang an: Von dem historischen Charakter des Rennens ahnt zunächst niemand etwas. Die Schlagzeilen dominiert das McLaren-interne Titelduell zwischen Prost und Niki Lauda, der zwei Jahre nach seinem Comeback erstmals wieder mit Chancen auf die Formel-1-Krone ausgestattet ist. Zum Kreis der Favoriten gehören außerdem die Lotus-Piloten Nigel Mansell und Andrea de Cesaris sowie das Ferrari-Duo Rene Arnoux und Michele Alboreto. Über den Formel-1-Neuling Senna sprechen nur wenige.

Dabei hat sich der damals 24-Jährige im den Topautos technisch unterlegenen Toleman mit zwei Punktresultaten in fünf Rennen durchaus einen Namen gemacht. Als komplett unerfahrener Monaco-Grünschnabel jedoch ist Senna trotz eines Formel-3-Erfolges im Leitplankendschungel Macaos krasser Außenseiter und muss sogar um die Qualifikation für das Rennen bangen: Auf dem engen Straßenkurs ist die Starterzahl auf 20 Piloten begrenzt, allerdings versuchen sich 28 Lenkradartisten.

Ecclestone macht's möglich: Lauda lässt den Tunnel fluten

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Unfall von Martin Brundle: Er wusste nicht mehr, wie er an die Box gekommen war Zoom Download

Größen wie Marc Surer, Thierry Boutsen und Eddie Cheever scheitern trotz Turbomotoren auf der noch trockenen Strecke, während sich Senna als 13. einen Platz auf dem Grid sichert. Die Segel streichen muss auch Martin Brundle im Tyrrell, doch das hat gute Gründe: Der Brite verunfallt in der Tabac-Kurve und überschlägt sich, sprintet zur Box zurück und will in das Ersatzauto hechten. Doch die Mechaniker lassen ihn nicht einsteigen: Brundle kann sich nicht erinnern, wie er es zu seiner Crew geschafft hat. Formel-1-Arzt Sid Watkins stellt eine leichte Gehirnerschütterung fest und erteilt keine Freigabe.

Von allem unbeeindruckt sichert Prost sich die Pole-Position vor Mansell und Arnoux. Für den "Professor" ist Monaco eine große Chance, sich im Titelduell abzusetzen, schließlich kommt Lauda über Rang acht nicht hinaus. Doch die Vorzeichen ändern sich, als am Sonntagnachmittag der Himmel über der Cote d'Azur seine Schleusen öffnet. Der Rennstart verzögert sich, als die Autos schon startbereit sind. Lauda, nach seinem Nürburgring-Unfall 1976 Vorkämpfer für Sicherheit, zitiert Bernie Ecclestone auf die Strecke.


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Sein Wunsch: Der bis dato trocken gebliebene Tunnel soll mit der Hilfe eines Feuerwehrautos gereinigt werden werden, damit Öl von einem Rennen mit historischen Autos am Vortag die Hochgeschwindigkeitspasssage in Verbindung mit der Gischt nicht zur Schmierseife macht. Gesagt, getan. Der Monsun beruhigt sich und mit 45 Minuten Verspätung schaltet die Ampel auf Grün. Prost geht in Führung und setzt sich mit Mansell ab, aber dahinter nimmt in der dichten Gischt das Chaos seinen Lauf.

Michelin-Reifen und Talent pur: Senna fliegt

Arnoux verpasst Renault-Pilot Derek Warwick vor Saint Devot einen Rempler, der daraufhin seinen Teamkollegen Patrick Tambay von der Strecke kegelt. Der Franzose bricht sich das Bein, weil die Aufhängung des Autos das Monocoque durchschlägt. In der neunten Runde setzen Fehlzündungen an Prosts McLaren, der mit einem von Porsche gebauten TAG-Motor ausgestattet ist, ein. Er wird von Überrundungsmanövern sowie dem defekten Brabham Corrado Fabis aufgehalten und touchiert dabei sogar einen Streckenposten, dem jedoch kein Haar gekrümmt wird.

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Alain Prost führt in Monaco vor Nigel Mansell: Dabei bleibt es nicht lange Zoom Download

Von den Turbulenzen profitiert Mansell, der erstmals in seiner noch jungen Formel-1-Karriere einen Grand Prix anführt. Der "Löwe" fliegt und baut anschließend den Vorsprung auf Prost sukzessive aus, er riskiert jedoch zu viel und setzt seinen zwei Sekunden pro Runde schnelleren Lotus in der Casino-Passage in die Leitplanke. Prost hat die Führung wieder inne und während der bis dato fehlerfreie Lauda mittlerweile mit Arnoux um das Podium kämpft, fliegt ein Pilot um den Kurs: Es ist Senna im Toleman.

Auch dank der überlegenen Michelin-Regenreifen, mit denen das Team die Pirelli-Pneus kurz zuvor ersetzt hatte, sind die Rundenzeiten des Paulista erstaunlich. Von Platz 13 gestartet kassiert er nach 16 Runden Arnoux und drei Umläufe später auch Lauda. Vor 140.000 Zuschauern beginn die Jagd auf Prost. Bei 77 geplanten Runden scheint es nur eine Frage der Zeit, wann Senna am Heck des Mannes klebt, der seine Karriere in den kommenden Jahren prägen sollte wie kein Zweiter.

Für den Abbruch verantwortlich ist Jacky Ickx

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Nigel Mansell wirft seine erste Grand-Prix-Führung in die Leitplanke Zoom Download

Prost, der über die Situation informiert ist, droht an der Spitze noch mehr Ungemach. Sein Turbo-Aggregat läuft weiter nicht rund, dazu funktionieren die Kohlefaser-Bremsen des McLaren aufgrund der niedrigen Außentemperaturen nicht richtig. Lauda wird das zum Verhängnis, als er in Runde 24 auf Höhe des Kasinos einen Dreher hat und den Motor abwürgt. Endgültig konzentriert sich alles auf das Duell Prost versus Senna, wobei der Rookie in 1:54.334 Minuten die schnellste Runde des Rennens fährt.

Auf der Strecke hat er nichts mehr entgegenzusetzen und scheint bald nur noch wehrloses Opfer zu sein, doch der "Professor" weiß sich auf seine Art und Weise zu behelfen. Bei der Passage der Start- und Ziellinie fuchtelt und gestikuliert er jedes Mal wild mit den Armen, um zu signalisieren, dass das Rennen abgebrochen werden soll - angeblich auf Grund der Bedingungen, die sich jedoch seit Rennstart kaum verschlechtert haben. Was am Ende der 32. Runde passiert, geht in die Geschichte der Formel 1 ein.

Prost gräbt sich mit dem Abbruch selbst eine Grube

Jacky Ickx, damals Streckendirektor in Monaco, lässt die rote Flagge ohne Rücksprache mit den Rennkommissaren zeigen und beschert Prost den Sieg. Grotesk: Senna fährt beim Abbruch als Erster über die Ziellinie, doch es zählt die vorangegangene Runde. Schnell kursieren Gerüchte, schließlich ist Ickx Vorzeigepilot in Porsches Sportwagen-Projekt und die Zuffenhausener der Konstrukteur des TAG-Aggregats. Auch wenn er seinen Posten im Fürstentum wegen der Sache später los ist: Der Abbruch ist wirksam und Prost siegt, erhält dafür aber nur halbe WM-Punkte, weil keine 75 Prozent der Renndistanz absolviert sind.

"Formel 1 ist Politik und Geld."Ayrton Senna nach dem Monaco-Grand-Prix 1984
Senna ist frustriert und glaubt an Schiebung: Der neue Stern am Himmel findet später frustriert in einem TV-Interview seine Rolle: "Formel 1 ist Politik und Geld." Doch es stellt sich heraus, dass der Brasilianer das Rennen auch dann nicht gewonnen hätte, wenn es nicht abgebrochen worden wäre: Ein schleichender Aufhängungsschaden am Toleman war so gravierend, dass der Wagen nur noch wenige Runden durchgehalten hätte. Doch das weiß zunächst niemand und die erste Fehde zwischen Senna und Prost entbrennt.

Dritter Platz auf der Strecke: Auch Bellof wird zum Helden

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Stefan Bellof: Sein Stern geht auf und der große Enzo Ferrari klopft an die Tür Zoom Download

Obwohl der zu diesem Zeitpunkt noch auf seinen ersten WM-Titel wartende Prost scheinbar alles richtig gemacht hat, erweist sich sein Manöver als kontraproduktiv und kostet ihm am Saisonende 1984 die Krone: Mit einem zweiten Platz und vollen Punkten wären in Monaco sechs Zähler auf seinem Konto gelandet, aufgrund der roten Flagge waren es aber nur 4,5 - trotz des Sieges. Weil in der knappsten WM-Entscheidung aller Zeiten vier Monate später nur ein halber Punkt auf Champion Lauda fehlt, lässt sich mit Fug und Recht behaupten, dass der vermeintliche Coup Prost um einen Titel brachte.

Was im Trubel um die beiden angehenden Formel-1-Legenden fast unbemerkt bleibt: Es geht auch der Stern des Stefan Bellof auf. Im einzigen für das Rennen qualifizierten Auto ohne Turbomotor, einem Tyrrell-Ford, wird der 26-jährige Gießener sensationell Dritter und realisiert zum Schluss sogar die schnelleren Rundenzeiten als Prost und Senna - obwohl er vom 20. und letzten Startplatz losgefahren ist. Bellof darf auf dem Podium feiern und wird fortan von Enzo Ferrari umworben, später wird das Resultat wegen Unregelmäßigkeiten beim Autogewicht jedoch aus den Statistiken gestrichen.

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