• 25. Juli 2014 · 19:01 Uhr

FIA als Navigationssystem: Teams lassen sich leiten

Heiße Diskussionen um die Schauplätze der Formel-1-Rennen: Teamchefs wagen keine Kritik am Kalender - Christian Horner ist die Fragen nach Moral und Ethik leid

(Motorsport-Total.com) - Das Grand-Prix-Wochenende in Ungarn hat mit zwei wenig spektakulären Trainings und wenig überraschenden Ergebnissen begonnen. Die interessanteste Session des Tages war vermutlich die Pressekonferenz der Teamverantwortlichen am Freitag in Budapest. In der Fragerunde mit Monisha Kaltenborn (Sauber), Claire Williams (Williams), Vijay Mallya (Force India), Marco Mattiacci (Ferrari), Christian Horner (Red Bull) und Eric Boullier (McLaren) ging es phasenweise hoch her.

Die sportlichen Ereignisse in der Formel 1 waren nur ein Randthema. Im Fokus standen die zukünftigen und aktuellen Rennen im Kalender der Königsklasse. An der Rückkehr nach Mexiko gibt es kaum etwas zu kritisieren, aber der geplante Ausflug nach Aserbaidschan (ab 2016) ist ebenso fragwürdig wie der Auftritt in Russland vor dem Hintergrund der aktuellen Ukraine-Krise. Von Politik und Menschenrechten in Bahrain und China ganz zu schweigen.

Die Quintessenz der Pressekonferenz am Freitag: Die Teamverantwortlichen stehlen sich bezüglich der Wahl der Austragungsorte komplett aus der Verantwortung. Die FIA weiß schon, was gut für Teams, Fahrer und die gesamte Szene ist - so lautet das Credo. "Jeden erfüllt es mit Sorge, wenn man sieht, was derzeit in Russland und der Ukraine passiert. Die FIA macht aber unseren Rennkalender", sagt Claire Williams exemplarisch - kollektives Nicken bei den Amtskollegen.

Bahrain ist auch immer gutgegangen...

"Das ist doch ähnlich wie es immer in Bahrain war. Wir haben uns immer an die Ansagen der FIA gehalten. So sollten wir es auch jetzt wieder machen", meint Vijay Mallya mit Blick auf die Ukraine-Krise und die damit verbundenen Zweifel am Formel-1-Debüt in Sotschi. "Wir müssen den Einschätzungen der FIA und des Inhabers der kommerziellen Rechte vertrauen. Die tragen die Verantwortung", stellt Monisha Kaltenborn klar. Mexiko finden alle gut, Russland und Co. mindestens erträglich. Warum etwas ändern?

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Hatte irgendwann keine Lust mehr: Christian Horner nervten die Fragen Zoom Download

"Man muss immer das passende Gemisch aus traditionellen Events und neuen Rennen finden", meint Christian Horner. Da sei es schließlich nur normal, dass für einen womöglich goldenen Auftritt in Baku ein Traditionsrennen wie Monza auf der Kippe stehe. "Monza ist ein populäres Rennen im Kalender. Ich hoffe, dass wir dort noch lange fahren. Es muss aber die Mischung stimmen. Das hat die Formel 1 bisher eigentlich immer gut hinbekommen", so der Red-Bull-Teamchef.

"Die Formel 1 hat in Aserbaidschan keine Tradition, aber so etwas kann sich entwickeln", erklärt Force-India-Teamchef Mallya, der eigentlich bei seinem Heimrennen in Indien aus nächster Nähe gesehen haben müsste, wie schwer es ist, die Königsklasse an Orte zu pflanzen, wo kein nährstoffreicher Motorsport-Boden ist. Der Tenor: Die FIA und Bernie Ecclestone machen alles richtig. Kritik seitens der Teams ist nicht angebracht und wäre angeblich nicht zielführend.

Hockenheim: 50.000 sind nicht viele, aber auch nicht wenige

Der spärliche Besuch beim vergangenen Rennen in Hockenheim sollte ein Warnsignal gewesen sein. Selbst in der großen Autofahrer-Nation Deutschland mit dem derzeit dominierenden Werksteam Mercedes, dem amtierenden Champion Sebastian Vettel, dem aktuellen WM-Leader Nico Rosberg und zwei weiteren Piloten aus eigenen Reihen zieht die Königsklasse in ihrer momentanen Darstellungsform nicht mehr. Aus Sicht der Teamchefs eine Frage der Perspektive: Hockenheim als kleiner Betriebsunfall während einer ausverkauften Tournee.

"Nur, weil jetzt mal die Tendenz etwas nach unten ging, muss man nicht gleich großen Alarm schlagen", winkt Mallya ab. "Silverstone war ein großer Erfolg trotz Wimbledon und Fußball-WM. Es gibt Schauplätze, da geht das Interesse über hohe Zuschauerzahlen hinaus. Deutschland hat viele Topfahrer hervorgebracht, auch jetzt sind tolle deutsche Fahrer am Start. Ich bin sicher, dass das Interesse in Deutschland nicht dermaßen in den Keller gegangen ist, dass es alarmierend sein müsste."


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Die Gelassenheit haben nicht alle. "Montreal ausverkauft, Silverstone ausverkauft, Österreich ausverkauft - unzählige Leute haben dort tollen Rennsport gesehen. Wenn in Hockenheim nur 50.000 Fans kommen, dann stimmt dort offenbar etwas nicht", meint Horner. Der Brite ergänzt: "Da geht es um Ticketpreise und um die Promotion, oder vielmehr die Promotion, die nicht ausreichend stattgefunden hat." Horner vergleicht den Grand Prix mit einem Showrun - bei dem die Fans kostenlosen Zugang hatten.

"Wir haben ein Auto in Sebastians Heimatstadt gebracht, die rund 45 Kilometer von Hockenheim entfernt liegt. Da sind 150.000 Menschen gekommen. Da wundert es doch, dass in Hockenheim zum Rennen nicht einmal halb so viele Leute kommen", so Vettels Chef. "Es war das Heimrennen von Mercedes, die gerade auf dem Weg zum Titelgewinn sind. Da dürfte man doch volle Tribünen erwarten. Was läuft also falsch? Man macht sogar Sebastian dafür verantwortlich, was natürlich totaler Blödsinn ist."

Und wenn Bernie nach Nordkorea will?

"Wir glauben, dass die Formel 1 die phänomenale Plattform des Sports ist. Wir haben die richtigen Leute, um die richtigen Schritte einzuleiten. Ich glaube nicht, dass es hilfreich ist, dass wir hier ständig über die Probleme der Formel 1 reden", meint Ferrari-Teamchef Marco Mattiacci, der die Gespräche mit negativen Inhalten bald leid ist. "Es mag Warnsignale geben, aber wir sollten diese Dinge intern diskutieren und Lösungen anbieten."

"Es wird langweilig, hier zu sitzen und diese Fragen ständig beantworten zu müssen. Warum fragt ihr nicht nach dem Rennen am Sonntag, oder danach, was im Qualifying am Samstag passieren wird? Wir sollten hier über Fahrer sprechen, über spektakulären Rennsport. Wir sollten die zurückliegenden Zweikämpfe besprechen, wir sollten darstellen, wie toll die Aufholjagd von Lewis Hamilton war. Aber nein: Alles, was wir tun, ist über negative Dinge sprechen", platzt Horner am Ende der Pressekonferenz regelrecht der Kragen.


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"Fragt diese Fragen doch lieber Herrn Todt oder Herrn Ecclestone. Fragt doch nicht die Teams", meint der Brite und findet Zustimmung bei Vijay Mallya. "Wir sind Rennteams, wir haben Benzin im Blut. Wir fahren Rennen, um zu gewinnen und Freude zu haben", so der Inder. "Die Leitung hat eine internationale Organisation namens FIA. Die FIA muss entscheiden, wo wir fahren sollen. Es darf doch nicht an den Teams liegen, auf etwaige soziale oder politische Probleme aufmerksam zu machen. Die FIA weiß, wo die Formel 1 auftreten sollte und wo nicht."

"Wir trotten nicht Bernie hinterher. Der Inhaber der kommerziellen Rechte und die FIA machen den Kalender. Wir fahren dort, wo die Rennen stattfinden. So einfach ist das", erklärt Mallya auf die provokante Frage, ob man sogar in Nordkorea fahren würde. "Im Oktober oder November kommt ein Kalender. Wir entscheiden dann, ob wir teilnehmen wollen, oder auch nicht. Sobald wir uns einschreiben, verpflichten wir uns zum Start bei allen Rennen", sagt Horner und richtet an die Journalisten: "Die meisten von euch kommen doch auch dorthin. Warum? Weil ihr diesen Sport leidenschaftlich liebt."

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