• 25. Mai 2014 · 18:41 Uhr

Hamilton am Boden: Von Frust und Freundschaft

Lewis Hamilton und der einstige Freund als Feind im eigenen Lager: Die Monaco-Niederlage als Kriegserklärung? - Streit um die Taktik im Rennen

(Motorsport-Total.com) - Nach dem Monaco-Sieg von Nico Rosberg schiebt dessen Teamkollege Lewis Hamilton reichlich Frust. Der Brite fühlte sich am Samstag im Qualifying von seinem angeblichen Freund aus Kindheitstagen betrogen, als dieser in den letzten Minuten des Qualifyings gelbe Flaggen verursachte und somit einen letzten schnellen Versuch von Hamilton verhinderte. Am Sonntag klagte der Champion von 2008 das Team an, das angeblich per Taktik den Kollegen bevorzugte.

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Auf ein Lächeln wird man warten müssen: Lewis Hamilton ist frustriert Zoom Download

"Warum habt ihr mich nicht eine Runde früher hereingeholt", wunderte sich Hamilton im Funk. Beide Mercedes-Piloten kamen in einer Safety-Car-Phase gleichzeitig zum Stopp. Alle Chancen des Briten, seinen deutschen Widersacher beim Reifenwechsel zu überholen, waren somit zunichte gemacht. "Er hat natürlich darauf gesetzt, dass er nur beim Boxenstopp etwas holen kann. Als beide zusammen hinter dem Safety-Car hereinkommen mussten, war diese Chance dahin. Da war die Luft raus", hat Daimler-Boss Dieter Zetsche Verständnis für den Frust des 29-Jährigen.

"Bei McLaren hatten wir zwei Strategen, und mein Stratege hätte die beste Strategie für mich geplant. Leider haben wir nur einen, der zwar absolut beeindruckend ist, aber leider ist seine Rolle so, dass er für den Ersten das Bestmögliche herausholt - der Zweite kommt erst danach", klagt Hamilton nach dem Rennen. "Ich wusste, dass meine Chance, das Rennen zu gewinnen, gering war. Darum brauchte ich ein Wunder. Die Möglichkeit kam dann, in dieser Runde hereinzukommen."

Bei McLaren wäre das nicht passiert?

"Wäre ich bei McLaren, dann wäre ich in dieser Runde hereingefahren, was mir die kleine Chance gegeben hätte, in der Safety-Car-Phase vorbeizukommen", poltert Hamilton nach der Niederlage gegen Rosberg. "Aber am Ende ist es egal. Das bespreche ich mit dem Team. Sie treffen immer großartige Entscheidungen, an die ich mich halte." Die Regeln sind bei den Silbernen klar definiert: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.

"Bei uns entscheidet nicht der Fahrer, wann er zum Stopp hereinkommt, sondern er wird vom Team zum Stopp gerufen", stellt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff klar. Selbst wenn Hamilton nach dem Sutil-Crash (Auslöser der Safety-Car-Phase) sofort um einen Stopp gebeten hätte, wäre nichts passiert. "Dann hätten wir es trotzdem nicht gemacht, denn die Entscheidung liegt beim führenden Fahrzeug. Nach dieser Regel handeln wir. In der Hitze des Gefechts ist da etwas Frust herausgebrochen, was ganz normal ist", sagt Wolff.

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Wer hat gerade ein Rennen gewonnen? Auf diesem Bild unschwer zu erraten Zoom Download

"Das Team wollte natürlich auch fair sein, denn der Führende hat ja nun einmal das Vorrecht", meint Formel-1-Experte Marc Surer bei 'Sky'. "Da wird es intern bestimmt noch Diskussionsbedarf geben." Auf Gespräche hat Hamilton derzeit keine große Lust: kein Handshake, keine Gratulation, kein Lächeln - und das schon seit Samstagnachmittag. "Wir hatten ein Meeting mit Toto und Niki. Ich habe gesagt, was ich zu sagen hatte, und er, was er zu sagen hatte. Weiter müssen wir gar nicht gehen", sagt der frustrierte Zweite.

"Wir sind keine Freunde. Wir sind Kollegen und wir arbeiten, um dem Team so viele Doppelerfolge und Punkte wie möglich zu bescheren", stellt Hamilton klar. Im "Krieg der Sterne" geht es auch um die Definition des Wortes "Freund". Angesichts der jüngsten Vorfälle würde sich Hamilton offenbar wünschen: Lieber drei anständige Gegner, als einen falschen Freund. "Freunde waren sie nie", meint Sportchef Wolff neuerdings.

Freund oder Feind: Was denn nun?

"Wir waren immer Freunde und werden es weiterhin sein", sagt Rennsieger Rosberg, wird aber dabei stutzig: "Wobei 'Freund' echt ein großes Wort ist. Sagen wir es so: Wir haben ein gutes Verhältnis, arbeiten gut zusammen, haben aber auch unsere gewissen Momente. Wir arbeiten schon so lange zusammen. Solche Momente gab es immer wieder. Die wurden dann diskutiert und es ging weiter. Wir kennen uns, seit wir 13 Jahre alt sind. Das ist eine gute Basis."

Die beiden Streithähne im Lager der Silberpfeile sind sich nicht sonderlich ähnlich. "Die setzt man nicht wie Schuljungs an einen Tisch, und ich bin nicht der Oberlehrer", so Wolff. "Wir sprechen regelmäßig zusammen, jeden Tag sogar. Wenn es in den Wettbewerb geht, dann gibt es immer einen glücklichen Fahrer und einen, der eben nicht so glücklich ist. Vor zwei Wochen war der Blonde nicht ganz so froh. Unser Job ist es, die Emotionen etwas herunterzufahren. Am Montag müssen alle wieder lächeln."

Ob Hamilton dies gelingen wird, ist derzeit fraglich. Als der Brite vor dem Monaco-Wochenende die Rennen in Malaysia, Bahrain, China und Spanien in Serie gewonnen hatte, konnte sich Rosberg trotz der Niederlagen jeweils noch am Abend des Renntages ein Lächeln abringen. Das ist der große Unterschied. "Ich versuche immer, auch als Zweiter noch zu lächeln. Der zweite Platz ist ja nicht schlecht", sagt Rosberg. "Ich rufe mir dann immer auch ins Gedächtnis: es ist ein Traumjob und im Silberpfeil der Hammer. Dann kann man auch als Zweiter lächeln."

"Man kann den Lewis nicht zufriedenstellen, wenn er nicht gewinnt. Das ist der Grund, warum er so schnell ist", lobt Konzernboss Zetsche seinen britischen Schützling, der die WM-Führung nach dem Monaco-Grand-Prix wieder an Rosberg abtreten musste. "Es knistert heftig. Es geht um die WM, da gehen die natürlich nicht Arm in Arm durch die Boxengasse", ist Zetsche weiterer Zoff im Lager seines Formel-1-Team schon jetzt gewiss.

Freie Fahrt bei Silber: Es bleibt kontrovers

"Der Kampf wird jedes Wochenende immer intensiver. Den Jungs ist klar, dass sie ein Auto haben, mit dem man Weltmeister werden kann. Es wird sicherlich so weitergehen", stimmt Toto Wolff der Vorhersage des Daimler-Vorstandschefs zu. "Die Frage ist, wie weit wollen wir die Jungs denn überhaupt unter Kontrolle haben? Der Sport lebt doch von solchen Duellen. Je höher dies für Entertainment sorgt, umso größer wird vielleicht der Stress im Team."

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Haben am teaminternen Duell ihre Freude: Niki Lauda und Dieter Zetsche Zoom Download

"Niemand will doch, dass wir unsere Fahrer glattschleifen, also sollen sie ruhig mal ein wenig kontrovers sein", zeigt sich der Österreicher angesichts der Missstimmungen gelassen. "Wir lassen sie frei fahren. Das ist von oben so entschieden und wurde heute wieder bewiesen. Das sieht man am Frust des einen und an der Freude des anderen. Besseren Sport können wir nicht bieten", argumentiert Lauda. "Man muss ja nicht unbedingt mit dem Teamkollegen zusammenarbeiten. Lewis kann sein Ding machen", meint Ex-Formel-1-Pilot Anthony Davidson.

"Man muss nicht mit dem Teamkollegen sprechen, sondern mit den Ingenieuren ist es wichtig, um ein möglichst gutes Auto zu bekommen. Das kannte er von McLaren in dieser Form bestimmt nicht. Wahrscheinlich ist es die ehrlichere Art, wie man jetzt bei Mercedes damit umgeht", sagt der Brite, der für Toyota in der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) fährt. "Was deren Freundschaft anbelangt, so ist da sicherlich eine andere Situation als noch in Melbourne."

"Jetzt kommt Kanada, wo er eben jetzt wieder zurückschlagen muss. Es wird im weiteren Verlauf des Jahres immer wieder hin und her gehen", freut sich Johnny Herbert auf weitere Duelle zwischen Rosberg und Hamilton. "Es liegt immer an einem selbst, sich wieder psychologisch in ein Gleichgewicht zu bringen, um siegfähig zu sein. Das ist nicht immer einfach. Aber ich denke: Der Einzige, der Lewis Hamilton schlagen kann, ist Lewis Hamilton selbst", meint Ex-Weltmeister Damon Hill.

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