• 08. August 2012 · 07:58 Uhr

Toto Wolff: Interview mit dem neuen "Mister Williams"

Der Williams-Großaktionär "unplugged": Warum er selbst nie Formel 1 testen wird, was einen guten Fahrer ausmacht und wie sich seine Rolle seit 2009 verändert hat

(Motorsport-Total.com) - Bereits vor zwei Jahren haben wir prophezeit, dass er der neue "Mister Williams" werden könnte, und je mehr Zeit vergeht, desto mehr hält das "System Toto Wolff" beim Traditionsteam in Grove Einzug. Zunächst nur reiner Finanzinvestor (und sehr darauf bedacht, die Rolle in der Öffentlichkeit möglichst klein zu halten), ist der Österreicher inzwischen zweitgrößter Einzelaktionär nach Frank Williams und obendrein geschäftsführender Direktor.

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Torger Christian Wolff kennt im Formel-1-Paddock jeder nur als "Toto" Zoom Download

Wolff stellt sich gut mit Formel-1-Geschäftsführer Bernie Ecclestone, auf dessen Wunsch hin der lange Zeit geplante Williams-Vorstandschef Adam Parr entlassen wurde. Und Wolff schart seine eigenen Leute um sich: Sein früherer Rennfahrer-Konkurrent und langjähriger Freund Alexander Wurz ist Fahrermentor und empfiehlt sich mit seiner analytischen Herangehensweise für höhere Aufgaben, Landsmann Christian Klien darf regelmäßig im Simulator Daten sammeln und Ehefrau Susie Wolff soll als Entwicklungsfahrerin im Herbst erstmals im Williams-Cockpit sitzen.

Der 40-jährige Geschäftsmann gilt als charmant, eloquent und intelligent - oder, wie ihn Frank Williams einmal beschrieben hat: "Ein smarter Businessman." Der natürlich seine eigenen Ziele verfolgt, es aber versteht, einen auf dem Weg dorthin als Begleiter mitzunehmen - zumindest nach außen ein sympathischer Kumpeltyp, dem man nicht böse sein kann. Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' spricht der frühere Hobby-Rennfahrer über die Entwicklung des Williams-Teams, seine neu definierte Rolle und das nicht vorhandene Verlangen, einmal selbst Formel 1 zu testen.

Punkte von 2011 schon fast verelffacht

Frage: "Toto, du hast vor Saisonbeginn angekündigt, dass ihr euch von fünf Punkten im Jahr 2011 auf 90 bis 100 Punkte steigern wollt. Jetzt liegt ihr nach elf von 20 Rennen bei 53 Zählern, seid also genau auf Kurs."
Toto Wolff: "Stimmt, aber leider haben unsere unmittelbaren Gegner mehr. Die 100 Punkte waren auf letztes Jahr bezogen, wo vorneweg die üblichen Verdächtigen lagen, mit Red Bull, McLaren und Ferrari. Aber mittlerweile ist es so, dass wir viel mehr Punkte brauchen, um um Platz sechs oder sieben zu kämpfen. Das hat sich ein bisschen verschoben. Inzwischen würde ich mir eher 200 Punkte wünschen als 100..."

"Wir haben einen Sieg mit 25 Punkten, der uns herausreißt, aber wir müssen die Kurve glätten."Toto Wolff
Frage: "Aber ihr kommt von fünf Punkten. Wenn man dann das Ziel einer Verzwanzigfachung der Punkte zu erreichen scheint, ist das doch Grund genug, zufrieden zu sein, oder?"
Wolff: "Auf jeden Fall. Nur: Wir haben einen Sieg mit 25 Punkten, der uns herausreißt, aber wir müssen die Kurve glätten. Es geht darum, konstant zu punkten und die Punkte zu holen, die das Auto hergibt. Dann kann man sich vielleicht auch mal über einen Sieg als außerordentliches Ereignis in dieser Saison freuen. Aber sonst geht es darum, regelmäßig zu punkten."


Frage: "Du sprichst sicher auch Pastor Maldonado an, der abgesehen vom Sieg in Barcelona nur einmal Punkte geholt hat, mit Platz acht in Schanghai. Zwischendurch waren Rennen wie Melbourne und Valencia dabei, wo Topergebnisse möglich gewesen wären, die er selbst weggeschmissen hat. Ist es Aufgabe eures Fahrermentors Alexander Wurz, auf ihn einzuwirken?"
Wolff: "Pastor ist ein intelligenter Kerl."

"Er hat sich in allen Kategorien von oben ans Limit angenähert. Ich arbeite lieber mit einem Jungen, der ein außerordentliches Talent und einen Rohspeed hat, um den zu glätten, als umgekehrt. Pastor arbeitet am allermeisten an sich selbst, und wir versuchen ihm rundherum das Umfeld zu schaffen, damit das reibungslos und gut vonstattengeht. Das wird Pastor gelingen, davon bin ich überzeugt - und das schon bald."

Wurz: "Eher Coach als Oberlehrer"

Frage: "Ich wollte eigentlich mehr auf die Rolle von Alexander Wurz hinaus, denn ihr habt für ihn eine einzigartige Position geschaffen. Wie sieht die aus? Spricht er mit den Fahrern auch über diese Dinge?"
Wolff: "Ja, absolut. Alex als Fahrercoach steht nicht nur draußen auf der Strecke und sagt, was er sieht und was ihm auffällt, sondern er versucht natürlich auch über Themen zu sprechen, die er in seiner langen Karriere auch hatte. Dass man vielleicht mal unter Druck ist oder die Situation nicht so überblickt, wie man sollte. Aber eher als Coach denn als Oberlehrer."

"Intelligente Menschen sind in allen Sportarten oder auch im Geschäft empfänglich für Ratschläge."Toto Wolff
Frage: "Guter Punkt, denn Rennfahrer als geborene Egoisten sind wahrscheinlich nicht sonderlich happy, wenn ihnen jemand vor die Schnauze gesetzt wird, der ihnen sagt, was sie zu tun haben..."
Wolff: "Ich glaube, intelligente Menschen sind in allen Sportarten oder auch im Geschäft empfänglich für Ratschläge. Bei uns sind das beide Fahrer. Da mache ich mir gar keine Gedanken, das funktioniert gut."


Frage: "Wie kann man die Aufgabe von Alexander Wurz am besten umschreiben?"
Wolff: "Er ist ein Fahrercoach. Alex war ein außergewöhnlicher Rennfahrer mit unheimlicher Erfahrung. Wahrscheinlich wäre er auch ein sehr guter Ingenieur gewesen. Da wir zwei junge und unerfahrene Piloten haben, ist es wichtig, dass einer von außen mit den Fahrern analysiert, was sie machen und wo es vielleicht Verbesserungspotenzial gibt. Das macht er ganz ausgezeichnet."

"Er sagt: 'Ich sehe dich da draußen, der macht das so und so. Probier doch mal diese Linie, probier mal so zu bremsen.' Oder: 'Was ist deine Prozedur, um die Reifen aufzuwärmen?' Dem, was die Ingenieure ohnehin schon besprechen, gibt er noch den Input der Fahrerseite."

Wurz nie mehr selbst im Cockpit

Frage: "Ist vorgesehen, dass er selbst noch einmal testen wird?"
Wolff: "Nein. Erstens gibt es sehr wenige Möglichkeiten zu testen - da nehmen wir lieber die Stammfahrer. Als Rookie qualifiziert er sich nicht, weil er mehr als zwei Grands Prix gefahren ist."


Frage: "Es gibt noch einen zweiten Österreicher, der für euch arbeitet, nämlich Christian Klien. Was ist seine Aufgabe?"
Wolff: "Christian hilft uns im Simulator, vor allem an den Rennwochenenden. Er checkt, ob das, was wir vor Ort an der Strecke machen, im Simulator zum gleichen Ergebnis führen würde. Da bringt uns sein Erfahrungsschatz auch etwas."


Frage: "Also parallel zum Rennwochenende, mit Live-Datenstream?"
Wolff: "Ja. Oder auch, ob unsere Schritte die richtigen sind."


Fotos: Williams, Großer Preis von Ungarn


Frage: "Ist denkbar, dass er irgendwann bei euch selbst im Renncockpit sitzt?"
Wolff: "Nein, das ist kein Thema. Wenn er aber woanders ein Cockpit finden sollte, wären wir sehr froh, dass wir ihm auf dem Weg dorthin vielleicht geholfen haben."


Frage: "Bleiben wir gleich bei den Fahrern. Ihr habt mit deinem Management-Schützling Valtteri Bottas einen schnellen Testfahrer, der dieses Jahr sogar in mehr Freitagstrainings vor Pastor Maldonado lag als umgekehrt."
Wolff: "Man kann die Freitage nicht vergleichen, denn Valtteri fährt eine Session, auf die er sich konzentrieren kann, und Pastor muss für das Rennen arbeiten. Das sind ungleiche Situationen. Valtteri ist mit Sicherheit sehr talentiert und wir sind happy, dass wir ihn im Team haben, aber es ist zu früh, um über irgendeine Fahrerkonstellation für ihn zu sprechen."

Kein Fahrerwechsel in diesem Jahr

Frage: "Die Freitagstrainings sind beim derzeitigen Reglement die bestmögliche Vorbereitung für einen jungen Fahrer. Glaubst du, dass er schon für Grand-Prix-Einsätze bereit wäre?"
Wolff: "Ich weiß es nicht. Wir testen wenig. Man sieht erst, wie gut jemand an einem Formel-1-Wochenende ist, wenn er tatsächlich fährt - das ist noch einmal etwas ganz anderes. Ich glaube, dass er alles hat, was es braucht. Dann geht es darum, ob er einen Platz bei uns findet oder woanders."


Frage: "Kannst du ausschließen, dass es bei Williams dieses Jahr noch einen Fahrerwechsel geben wird?"
Wolff: "Ja."


Frage: "Definitiv?"
Wolff: "Definitiv."

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Am Gehalt von Valtteri Bottas nascht Toto Wolff fünf Prozent Provision mit Zoom Download

Frage: "Also auch unabhängig von irgendwelchen Sponsorenzahlungen?"
Wolff: "Wenn morgen die Sonne vom Himmel fällt, dann kann sich das auch ändern. Es gibt einen Ersatzfahrer für den Fall, dass jemand ausfällt, aber das sehe ich einfach nicht. Ich hoffe, unsere beiden Fahrer bleiben gesund und brechen sich keinen Fuß. Dann wird sich auch nichts ändern."


Frage: "Aber wenn man einen Fahrer hat, in dessen Management einer der Team-Anteilseigner involviert ist, den man aufbaut, dann muss doch der langfristige Plan sein, diesem jungen Fahrer früher oder später ein Grand-Prix-Cockpit zu geben, oder?"
Wolff: "Nein. Ich will die besten Leute im Auto haben - egal ob ich involviert bin oder nicht. Das muss man unemotional angehen."


Frage: "Valtteri will sicher Rennen fahren..."
Wolff: "Er wird Rennen fahren, ganz sicher."

Fehlt ein routinierter Topfahrer im Cockpit?

Frage: "Nächstes Jahr schon, wo auch immer?"
Wolff: "Ich kann es nicht sagen, denn ich kann nicht beurteilen, wie die Situation in den meisten anderen Teams ist, ob da die Fahrerplätze schon besetzt sind oder nicht. Aber ich würde sagen, dass er es - wie einige andere Junge - sicher verdienen würde, in einem Formel-1-Auto zu sitzen."

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Schnell, aber noch nicht konstant genug: Barcelona-Sieger Pastor Maldonado Zoom Download

Frage: "Wäre dieses Jahr ein erfahrener Pilot nicht besser gewesen, um mehr aus dem sehr guten Auto rauszuholen?"
Wolff: "Ich glaube, das Auto ist sehr gut. Die meisten der Jungs haben im Sommer zu arbeiten begonnen, nur Jason Somerville, unser Aerodynamiker, erst im Herbst. War es zu erwarten, dass das Auto siegt? Nein. Ist das Auto insgesamt gesehen besser als erwartet? Wissen wir nicht, weil wir auch Ups und Downs haben."

"Wir sind rund um Platz zehn im Schnitt - einmal Sechster, einmal Zwölfter. Das ist am besseren Ende der Erwartungen. Ist das das Auto für einen ausgereiften Topfahrer? Vielleicht noch zu früh. Sind Pastor oder Valtteri oder Bruno in Zukunft Topfahrer? Glaube ich schon."

"Es passt vielleicht gerade zum Auto, auch wenn es für uns schwierig zu verstehen ist, ob der Pilot außerordentlich ist, wie es Pastor mit Sicherheit in Barcelona war, oder ob das Auto außerordentlich ist. Das kann man zum jetzigen Zeitpunkt schwer sagen, das wird sich in unserer langfristigen Planung alles zusammenfügen. Aber: Wissen wir heute, wie gut der Ferrari ist? Ist der Ferrari so gut wie Massa oder so gut wie Alonso? Oder legt Alonso gerade nur das drauf, was das Auto besser macht? Ich weiß es nicht."

Maldonado: Schnell und millionenschwer

Frage: "Pastor Maldonado bringt euch dieses Jahr 29,4 Millionen Britische Pfund (umgerechnet 37 Millionen Euro; Anm. d. Red.) der venezolanischen Mineralölgesellschaft PDVSA. Dieses Sponsoring ist in Venezuela zum Politikum geworden, es hat eine parlamentarische Anfrage gegeben. Gibt es da irgendwelche Neuigkeiten?"
Wolff: "Nein. Pastor hat allen gezeigt, dass er ein außergewöhnlicher Rennfahrer ist und einen Grand Prix gewonnen hat, fair and square vor einem zweimaligen Weltmeister. Pastor ist in Venezuela eine Sportikone. Das war der Plan. Über alles andere müssen wir uns keine Gedanken machen, denn wenn ich jetzt zu politisieren anfange, bin ich fehl am Platz."


Frage: "Ihr geht also davon aus, dass der Fünfjahresvertrag eingehalten wird?"
Wolff: "Alles beim Alten, ja."


Frage: "Du hast immer gesagt, du siehst die Formel 1 als reines Investment, wirst dich nie an den Kommandostand drängen und lieber im Hintergrund halten. Jetzt wird deine operative Rolle immer größer. Was hat dich zu diesem Meinungsumschwung bewogen?"
Wolff: "Ich bin nach dem Weggang von Adam Parr ein bisschen in die Rolle reingerutscht. Ich arbeite mit Frank sehr gut zusammen, wir haben eine außergewöhnliche Partnerschaft."

"Ich glaube, dass wir uns sehr gut ergänzen: Er als Leader des Teams, und ich versuche Williams als Team so gut es geht zu unterstützen, und natürlich auch das Gesamtunternehmen - vielleicht mehr, als ein Aufsichtsrat das machen würde. Deswegen haben wir uns alle gemeinsam entschlossen, mir eine exekutivere Funktion zu geben, dass ich offiziell mehr Zeit für das Team aufwende. Das hat sich mit Sicherheit verändert, denn das war nicht der Plan."

Kein Rütteln am Stuhl von Frank Williams

Frage: "Wie würdest du deine veränderte Rolle in einfachen Worten erklären?"
Williams: "Teamchef und damit Gottoberster im Team ist Frank Williams. Das wird er auch auf Lebenszeit bleiben, denn Williams ist Frank und Frank ist Williams. Der Unterschied für mich in der neuen Rolle ist wie zwischen einem Aufsichtsrats-Vorsitzenden und einem Vorstand. Es ist eine operativere Funktion. Wir sind - das ist auch Frank sehr wichtig - Partner, sind beide Shareholder, wobei er der kontrollierende Shareholder ist."

"Wir treffen strategische Entscheidungen gemeinsam und besprechen alles, so wie wir es auch im Vorstand tun. In diesem Vorstand werden die großen Entscheidungen gemeinsam getroffen, und auf Gesellschafterebene mache ich das mit Frank. Wir sind eigentlich ein Duo, wobei ich vielleicht eine operative Tagesfunktion habe und er das Team repräsentiert, auch aus der Historie heraus."

"Der Bundeskanzler ist mehr für das Geschäft zuständig, der Bundespräsident ist mehr der Repräsentant nach außen."Toto Wolff
Frage: "Ein bisschen wie Bundeskanzler und Bundespräsident also?"
Wolff: "Das ist ein gutes Beispiel, ja. Der Bundeskanzler ist mehr für das Geschäft zuständig, der Bundespräsident ist mehr der Repräsentant nach außen, der aber trotzdem das letzte Wort hat. Gutes Beispiel."


Frage: "Nehmen wir die Fahrerfrage als Beispiel. Ihr legt eine Entscheidung vor - und dann sagt Frank Williams ja oder nein. Kann man sich das so vorstellen?"
Wolff: "Nein. Da ist viel mehr Diskussion dahinter. Die Fahrerfrage ist etwas, was Frank immer sehr wichtig war und wo er auch viel Know-how hat, das mir sicher fehlt. Wenn du über 40 Jahre lang Fahrer kommen und gehen gesehen hast, dann ist das etwas, was dir liegt."

"Ich wiederum habe die ganzen Juniorformeln sehr gut im Griff, wer da raufkommt und wer sich wie wo entwickelt hat. Da tauschen wir die Meinungen aus und bilden eine gemeinsame Meinung. Frank und ich gehen immer mit einer Meinung in den Vorstand, und dann diskutieren wir mit dem Vorstand. Dort entscheidet das kollektive Gremium."

Großer Spaß an der Aufgabe Williams

Frage: "Hat die Aufgabe nun auch einen emotionalen Faktor, den sie am Beginn deines Investments noch nicht hatte?"
Wolff: "Emotional insofern, als es natürlich ums Gewinnen geht. Es ist schön, dass man in einer und mit einer Firma arbeiten kann, wo es auch um eine sportliche Leistung geht. Das ist sicher anders als bei anderen Investments. Und es ist emotional. Williams ist mit Sicherheit etwas, was mir sehr großen Spaß macht, und dafür muss man sehr dankbar sein, dass man die Möglichkeit hat, da näher dran zu sein."

"Vom Charakter her würde ich mir wünschen, dass mich die Formel 1 nicht so vereinnahmt, wie sie das vielleicht bei anderen tut."Toto Wolff
Frage: "Man sagt, die Formel 1 verändert die Menschen. Hat sie dich verändert?"
Wolff: "Bis jetzt nicht, hoffe ich, und ich hoffe, dass das auch in Zukunft so bleibt - oder dass sie mich gescheiter macht, wenn überhaupt. Aber vom Charakter her würde ich mir wünschen, dass mich die Formel 1 nicht so vereinnahmt, wie sie das vielleicht bei anderen tut."


Frage: "Es gibt die klassischen Teamchefs der alten Schule: Frank Williams, Ron Dennis. Vor zwei Jahren hätte ich gesagt: 'Toto Wolff kann ich mir in dieser Rolle nicht vorstellen.' Kannst du es inzwischen?"
Wolff: "Nein, das ist sicherlich viel zu früh. 'Bis der Tod uns scheidet' habe ich meiner Frau erklärt und will ich niemandem anderen sagen. Mir macht es jetzt großen Spaß, aber was in drei Jahren ist, weiß kein Mensch - und in zehn Jahren noch weniger."


Frage: "Williams ist ja nicht dein einziges Investment, du besitzt auch Anteile an der Mercedes-DTM-Schmiede HWA und an einem österreichischen Rallye-Team. Aber wie viel von deiner Zeit widmest du ungefähr Williams?"
Wolff: "80 Prozent."

Mehr England statt der Schweiz

Frage: "Du lebst ja eigentlich am Bodensee. Bedeuten 80 Prozent deiner Zeit für Williams, dass du nach England umziehen wirst, wie du am Hungaroring angedeutet hast?"
Wolff: "Nein. Richtig umziehen werde ich nicht, aber ich verbringe mehr Tage in England, als ich es davor gemacht habe, und das in einem regelmäßigeren Umfang."


Frage: "Bei Williams findet ein Umbruch statt: Patrick Head hat sich aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen, Frank Williams kommt nicht mehr zu allen Rennen, Adam Parr ist ganz weg. Gleichzeitig übernehmen Leute wie Claire Williams, Alexander Wurz und du mehr Verantwortung. Ist das die Garde der Zukunft?"
Wolff: "Ich glaube, es ist immer gefährlich, wenn die Garde der Zukunft darüber spricht, dass sie die verdiente alte Garde ablöst. Immer dann passiert es genau nicht."

"Die alte Garde ist nach wie vor in leitender Funktion, sie hat die Kontrolle. Das macht sie sehr gut, und davon sind wir noch weit entfernt. Frank als Leader dieses Teams ist etwas, was man sich nur wünschen kann, genauso wie Ecclestone in der Formel 1. Ich sehe niemanden, der diese Rolle übernehmen kann, alleine schon wegen der Erfahrung und des langjährigen Erfolgs."


Frage: "Ihr habt momentan keinen Teamchef in der ursprünglichen Form, der selbst am Kommandostand sitzt."
Wolff: "Ich glaube auch ganz ehrlich, dass das eine veraltete Struktur ist. Es gibt halt das Klischee: 'Wer den Ton angibt, sitzt am Kommandostand.' Am Kommandostand werden die Entscheidungen getroffen, die das Rennen betreffen. Die Leute, die dort vorne sitzen, sind mit dem unmittelbaren Geschehen des Rennens konfrontiert, aber nicht mit dem globalen Bild. Ich glaube daher, das muss man trennen. Der operative Chef am Kommandostand ist bei uns Mark Gillan. Er hat die Gesamtübersicht vorne."

Kein klassischer Teamchef vorgesehen

Frage: "Das heißt, es wird den klassischen Teamchef bei euch auf absehbare Zeit nicht geben?"
Wolff: "Nein. Ich glaube, die Aufgaben sind geteilt. Wir sind in unserer Struktur mehr 'corporate' als andere Unternehmen, da wir die Aufgaben zwischen den einzelnen Abteilungen sehr schön aufteilen."


Frage: "Was braucht Williams, um langfristig wieder ganz nach vorne zu kommen? Einen neuen Designer?"
Wolff: "Nein. Nachhaltige Punkte. Wir müssen uns im Klaren sein, dass wir punkten müssen. Unsere unmittelbaren Gegner, um weiter nach vorne zu kommen, sind Force India und Sauber. Das sind in diesem Jahr die realistischen Ziele."

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Angekommen im "Club der Großen": Toto Wolff bei einem Teamchef-Meeting Zoom Download

"Diese Gegner können wir schlagen, meine ich, und damit würden wir im Fahrerlager zwei Plätze nach vorne rücken. Das wäre der beste Fall, den ich im Moment für dieses Jahr sehe, und das wäre auch das ausgesprochene Ziel. Dazu braucht es regelmäßige Punkte beider Fahrer. Das Potenzial dazu ist bei beiden Fahrern da - und auch das Auto hat das Potenzial."


Frage: "Wenn man den Faden weiterspinnt, wollt ihr sicher wieder Weltmeister werden, nicht wahr?"
Wolff: "Ja, das ist natürlich der Anspruch."


Frage: "Muss man dafür etwas ändern, braucht es dafür ein Designgenie? Oder ist das mit dem aktuellen Team möglich?"
Wolff: "Ich glaube, dass man diesen Weg mit diesem Team gehen kann. Ich glaube, dass wir junge Leute haben, die sehr gut sind, und ich glaube, dass es den finanziellen Background braucht. Das ist eine stetige Entwicklung, das geht nicht von einem Jahr aufs andere."

"Mit einem fünften Platz verdienst du nicht das Gleiche wie mit einem dritten Platz und ziehst auch nicht den gleichen Fahrer an. Wir brauchen Nachhaltigkeit, die Leute müssen lange miteinander zusammenarbeiten. Wir brauchen einen guten Motorenhersteller. Das muss sich alles wie ein Puzzle fügen, aber das passiert nicht von einem Jahr aufs andere. Aber um auf die Frage zurückzukommen: Ich glaube, dass die wesentlichen Entscheidungen getroffen worden sind."

Renault langfristig Wunschpartner

Frage: "Ist Renault ein langfristiger Partner?"
Wolff: "Das würden wir uns wünschen. Renault hat sich langfristig dazu bekannt, in der Formel 1 zu bleiben, und die Gespräche sind im Gange. Wir hoffen es."


Frage: "Nächstes Jahr auf jeden Fall?"
Wolff: "Ja."


Frage: "Ist das Reglement 2014 ein Vorteil auf dem Weg zurück an die Spitze, weil alle neu anfangen müssen?"
Wolff: "Ich glaube schon. Ich glaube, dass wir einerseits gute Leute haben. Wir haben jetzt bewiesen, dass wir ein solides Auto bauen können. Am Anfang wird man keine Wunderwerke benötigen, sondern Solidität."

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Hochzeit auf Capri: Toto Wolff mit Ehefrau Susie, Mercedes-Pilotin in der DTM Zoom Download

Frage: "Du selbst bist früher auch Rennen gefahren, wolltest in die Formel 1. Trauert man dem nach, wenn man plötzlich selbst in dieser Welt ist, nur eben auf der anderen Seite der Boxenmauer?"
Wolff: "Das war von 1990 bis 1994 ein Thema, aber mir war dann relativ früh klar, dass mir da wahrscheinlich was fehlt. Ich bin auch gegen Alex gefahren - und da war klar, dass ich nicht auf der gleichen Höhe bin. Das schwingt heute überhaupt nicht mehr mit. Wenn das jemand deswegen macht, dann sollte er lieber zum Psychiater gehen. Es ist günstiger, seine Neurosen in ein paar Sessions behandeln zu lassen, als hier im Formel-1-Paddock rumzuhängen..."


Frage: "Sind diese letzten Hundertstel, die einem dann fehlen, etwas, was man lernen kann?"
Wolff: "Nein, das kann man nicht lernen. Ich glaube, dass ein reicher und mittelmäßig talentierter Bursche heutzutage mit Connections in die Formel 1 kommen kann - aber er wird dieses Auto nie so am Limit bewegen wie jemand, der das von Geburt an mitbekommen hat. Es ist die Auffassungsgabe, die jemand hat, die Intelligenz, wie jemand den Gesamtüberblick im Rennen bewahrt, wie sein Speed ist, wie er den Grip findet und wie er sich steigert. Das ist eine Wissenschaft."

Zukünftige Stars, die keine wurden...

"Es hat schon zukünftige Stars gegeben, die es dann doch nicht geworden sind, und andere, die sich weiterentwickelt haben, waren intelligent genug. Ich glaube, dass ein Fahrer heutzutage sozial intelligent sein muss, wissen muss, welche Leute für einen wichtig sind und welche nicht. Es ist ein extrem komplexer Job."


Frage: "Du bist noch nie einen Formel-1-Wagen gefahren. Reizt es einen da nicht, ein bisschen Geld auf den Tisch zu legen und dann einmal einen Formel-1-Williams zu testen? Wird das irgendwann in deinem Leben stattfinden?"
Wolff: "Nein, aus zwei Gründen: Erstens besteht die Gefahr, dass ich mich zum Narren mache und zehn Sekunden zu langsam bin, oder sieben."


Frage: "Das wäre doch nicht schlimm, oder?"
Wolff: "Doch, das wäre nicht schön. Und zweitens habe ich vor meiner eigenen Leidenschaft Angst, dass ich mich verletze."


Frage: "So wie damals am Nürburgring."
Wolff: "Genau. Deswegen habe ich auch keinen Motorrad-Führerschein. Ich habe einen eigenen Schutzmechanismus, mich nicht in solche Autos reinzusetzen."


Frage: "Und wie sieht's mit Rallyes aus?"
Wolff: "Rallye ist absolut meins, aber auch nicht mit dem Anspruch, Rallyes zu gewinnen, wie ich es früher immer wollte, sondern mit dem Anspruch, mir selbst Freude zu machen."


Frage: "Wird man das dieses Jahr noch erleben?"
Wolff: "Nein, aber nächstes vielleicht."

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