• 18. April 2021 · 22:04 Uhr

"Was für eine Theorie": Bottas wehrt sich gegen Russells Vorwürfe

Mercedes-Pilot Valtteri Bottas reagiert nach dem Rennen in Imola auf Vorwürfe seines Unfallgegners George Russell - "Habe meinen Aluhut verloren"

(Motorsport-Total.com) - "Er reitet da ein Manöver, das man im Kampf um den Sieg in der letzten Runde macht", poltert Williams-Pilot George Russell nach seinem heftigen Zusammenprall mit Mercedes-Kollegen Valtteri Bottas über die Fahrweise des Finnen nach dem Grand Prix in Imola. "Was für eine Theorie", kontert der Beschuldigte kühl.

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Bottas hält wenig von der Russell-Theorie nach dem Imola-Crash Zoom Download

In Runde 32 krachte es gewaltig zwischen den beiden Streithähnen. In der Anfahrt auf die Tamburello-Variante wollte der Brite rechts am Mercedes vorbeigehen. Dabei kam er mit zwei Rädern aufs noch nasse Gras, drehte sich und kollidierte mit dem W12.

Die Folge: Zwei schwer ramponierte Boliden, unzählige Trümmerteile auf und neben der Piste und eine verbale Auseinandersetzung samt wilder Mimik und Gestik (Klaps auf den Helm und Stinkefinger). Das Duell schien auch nach dem Rennabbruch abseits der Strecke weiterzugehen.

Bottas scherzt: "Habe wohl meinen Aluhut verloren"

Russell schob Bottas den schwarzen Peter zu, und umgekehrt. Der Brite hinterfragt: "Vielleicht hätte er es nicht gemacht, wenn ich ein anderer Fahrer gewesen wäre." Schließlich ist die Beziehung der beiden allein aufgrund der Tatsache angespannt, dass beide um ein und dasselbe, heiß begehrte Mercedes-Cockpit für kommendes Jahr fahren.

Was denkt der Stammpilot über die Russell-Aussagen? "Entschuldigung, ich habe wohl meinen Aluhut irgendwo verloren. Was für eine Theorie", kontert Bottas und verweist die Erklärung des Nachwuchstalents damit ins Reich der Verschwörungsmythen.

"Ich werde mich egal gegen welchen Fahrer immer verteidigen", hält er im Gegenzug fest. "Ich bin nicht gerade scharf darauf, Positionen zu verlieren. Das war normales Verteidigen. Es hätte auch noch deutlich aggressiver sein können, wenn unbedingt notwendig."

Bottas, der in Imola wieder einmal ein Regenrennen zum Vergessen erlebt, wiederholt außerdem klar und deutlich: "Ich stimme mit all dem überhaupt nicht überein. Egal gegen wen ich mich verteidigt hätte, ich hätte es genau gleich gemacht [wie gegen Russell]."

Der 31-Jährige dreht den Spieß noch einmal um, und beschuldigt Russell wiederholt, den Unfall verursacht zu haben. "Er wusste genau, dass es da draußen [auf dem Gras] noch nass sein würde", meint Bottas, "und das wusste ich auch." Daher sei es nicht gerade eine "Glanzleistung" gewesen, trotzdem diesen Weg einzuschlagen.

Wenige Runden vor dem Crash wechselten alle Piloten (ab Runde 27) auf Trockenreifen, da der Regen allmählich nachließ. In den darauffolgenden Umläufen suchten die Fahrer die Ideallinie, die am schnellsten abgetrocknet war. Neben diesem schmalen Asphaltband war die Strecke allerdings weiterhin feucht.

"Rennunfall": Die Begründung der FIA im Wortlaut

"Er fuhr dennoch raus, das war seine Entscheidung. Ich habe nur meinen Job gemacht, und mich versucht zu verteidigen. Und ich würde sicherlich nicht Platz machen und ihn auf die trockene Linie lassen." Die FIA-Untersuchung, die nach dem Rennen abgeschlossen wurde, gibt Bottas recht.

Die Rennkommissare untersuchten den Zusammenprall auf einen möglichen Verstoß gegen das Internationale Sportgesetzbuch (Anhang L, Kapitel 4, Aritkel 2 d) wegen des "Verursachens einer Kollision" hin. Sie entschieden nach dem Grand Prix aber auf: "No further Action".

Die Begründung: "Der Wagen #63 näherte sich dem Wagen #77 an, um diesen nach der Start-Ziel-Geraden zu überholen, ein paar Runden nach dem Restart, als DRS wieder freigegeben wurde. Auto #77 blieb während des Zwischenfalls auf seiner Linie auf der rechten Seite der trockenen Linie, und ließ zu jeder Zeit zumindest eine volle Autobreite Platz."

Als sich Russell schließlich im Knick vor Kurve 1 mit "signifikantem Geschwindigkeitsüberschuss" an Bottas auf der rechten Seite vorbeidrängen wollte, habe sich laut der FIA-Begründung der Platz auf der rechten Fahrbahnseite "verringert". Die Kommissare halten auch fest: "Zu keinem Zeitpunkt hat eines der beiden Fahrzeuge ein fehlerhaftes Manöver durchgeführt."

Zwar schien die Strecke nicht mehr besonders nass zu sein, dennoch erwischte Russell auf der rechten Seite eine "besonders feuchte Stelle", wodurch das Auto ausbrach. Dabei müsse man bedenken, dass das Auto zu jenem Zeitpunkt über wenig Abtrieb im Heck aufgrund des DRS verfügte.

Die Kommissare kommen zu dem Schluss, "dass es sich bei dem Zwischenfall um einen Rennunfall" handelt. Daher werden nachträglich auch keinerlei Strafen ausgesprochen.

Bottas antwortet lieber mit dem Stinkefinger: "Exakt"

Die Erklärung der FIA deckt sich mit der Erfahrung, die Bottas im Rennwagen gemacht hat. Er rekapituliert die Szenen: "Kurz vor der Runde war das DRS wieder verfügbar und ich hatte Probleme mit dem Warm-up der Trockenreifen."

Dadurch bekam Russell überhaupt erst die Gelegenheit, den Mercedes zu attackieren. "Er kam immer näher und hat sich für ein Überholmanöver an einer Stelle entschieden, wo es nur eine trockene Linie gab. Ich habe die Wiederholung gesehen, da gab es definitiv Platz für zwei Autos."

Bottas zeigt sich enttäuscht vom jungen Briten. Als er auf die Szenen unmittelbar nach dem Crash angesprochen wird, als Russell wütend auf das Mercedes-Wrack zustürmte und ihm einen Klaps auf den Helm gab, meint er nur: "Ich habe gar nichts gehört, [was er zu mir gesagt hat]."

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In Bahrain 2020 waren Bottas und Russell kurzzeitig Teamkollegen Zoom Download

Er hat also nur mit seinem Finger - dem Stinkefinger - geantwortet? "Exakt." Eine äußerst unübliche Geste für den sonst so kühlen, reservierten Nordländer. Wie beschreibt er seine Beziehung zum Mercedes-Nachwuchspiloten nach diesem einschneidenden Erlebnis?

"Ich habe nie wirklich eng mit ihm zusammengearbeitet, ehrlich gesagt. Er ist natürlich immer wieder dabei gewesen, weil er der Reservefahrer ist und ein paar Tests und Simulatorsessions gefahren ist. Ich kenne ihn daher ein bisschen", erzählt Bottas.

Doch spätestens seit Russell im Vorjahr in Bahrain für den an Corona erkrankten Lewis Hamilton einspringen durfte und Bottas mit seiner Leistung im Rennen in den Schatten stellte, scheint sich die Lage angespannt zu haben. "Es gab nie Probleme und nein, nichts hat sich in Bahrain geändert", hält Bottas entgegen.

Bottas: "Würde nicht sagen, dass wir Freunde sind"

Der Zwischenfall nun in Imola werde aber wohl kaum dabei helfen, das Verhältnis der beiden zu entspannen. "Natürlich bin ich nicht glücklich, wie das ausgegangen ist. Aber ich bin ein lockerer Typ, es gibt keine Probleme. Aber ich würde nicht sagen, dass wir Freunde sind."


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Bottas fügt an: "Ich kann nicht sagen, dass ich mit den meisten oder überhaupt einem Fahrer befreundet bin. Also keine Probleme. Aber das war heute natürlich nicht ideal, weil er dafür gesorgt hat, dass ich viele Punkte verliere. Und ich glaube, dass war sein Fehler."

Die Schuldfrage treibt auch Mercedes-Teamchef Toto Wolff um. Der Österreicher wehrt sich dagegen, sich klar zu positionieren. Er betont aber, dass Russell noch "vieles lernen" müsse und nicht dort überholen hätte sollen, wo er es versucht hat.

Nach dem Rennen führte Bottas Gespräche mit Wolff und auch Russell. "Mein Gefühl sagt mir einfach, dass ich für den Crash nicht verantwortlich bin. Ich möchte nichts über die privaten Diskussionen mit Toto sagen. Aber ich habe das Gefühl, dass es nicht meine Schuld war."

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