• 20. Juni 2018 · 13:46 Uhr

Ein Jahr Teamchef: Wie Frederic Vasseur Sauber verändert hat

Frederic Vasseur erklärt im exklusiven Gespräch, warum er den Honda-Vorvertrag aufgekündigt hat und wie die Alfa-Romeo-Partnerschaft zustandekam

(Motorsport-Total.com) - Rund ein Jahr ist er nun im Amt: Frederic Vasseur. Nach einem Jahr als Teamchef bei Renault wechselte der Formel-2-Teamgründer im Juli 2017 zum Schweizer Sauber-Team. Nach mühsamen Jahren am Ende des Feldes mausert sich das Team unter der Führung des Franzosen langsam zum Punktehamster. Im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' verriet Vasseur, was er als erste Amtshandlung in Hinwil gemacht hat und wo die größten Schwierigkeiten bisher lagen.

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Sauber-Teamchef Frederic Vasseur im Gespräch mit Charles Leclerc Zoom Download

"Von außen betrachtet sieht ein Formel-1-Team wie ein sehr komplexes Wesen aus. Man realisiert erst, wie komplex es eigentlich ist, wenn man Teil davon wird", schildert der 50-Jährige. "In den ersten Rennen habe ich die Chance ergriffen, die Leute kennenzulernen und das Team zu erkunden, das ich - zugegebenermaßen - im Vorfeld nicht wirklich kannte. Am Ende des Jahres hatte ich ein besseres Bild vom Team", erklärt er seine ersten Taten im neuen Amt.

Er erkannte sofort große Unterschiede zu seinem vorherigen Arbeitgeber Renault: "Sauber ist nicht im Besitz eines Autoherstellers, daher gibt es auch keine Trägheit bei der Entscheidungsfindung, außerdem gibt es keinen Konstrukteur, der in die finanziellen Aspekte involviert ist. Aus diesen Gründen ist die Situation eine ganz andere", erklärt Vasseur. "Was ich hier mache, passt zu meinem Profil und Interessen, da ich im Herzen immer ein Geschäftsmann war."

Schritt von Formel 2 in die Formel 1 "fast unmöglich"

Im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' gibt er zu, dass er schon immer ein Formel-1-Team leiten wollte. "Als Wettkämpfer möchte ich gegen die Besten in dem Business antreten, aber als Geschäftsmann ist es viel schwieriger, weil der Schritt von einer Serie zur anderen ziemlich groß ist." Vasseur kennt die Nachwuchsserien durch sein eigenes Team ART Grand Prix nur zu gut. 2004 stieg Nicolas Todt, Sohn von FIA-Präsident Jean Todt, in die Talenteschmiede ein, die mit Nico Rosberg, Lewis Hamilton, Nico Hülkenberg oder auch Stoffel Vandoorne die GP2 gewinnen konnte.

"Als Rennteam von der Formel Renault in die Formel 3 oder Formel 2 zu gehen, das ist machbar, da die Teams etwa die gleiche Größe besitzen. Der Schritt zwischen der Formel 2 und der Formel 1 ist hingegen fast unmöglich", so Vasseur. 2010 gab es bei ART Überlegungen, in die Formel 1 einzusteigen, als die FIA die Voraussetzungen lockerte. Nach einer ersten Begutachtungsphase kam man aber zu dem Entschluss, nicht in die Königsklasse aufzusteigen.

Vasseur schaffte den Sprung als Einzelperson dennoch, 2016 übernahm er die Führung des Renault-Rennstalls, nachdem die Marke als Werksteam zurückkam. Allerdings gab es zu Saisonende Uneinigkeit über den Führungsstil, daher verließ der Franzose nach nur einem Jahr die Mannschaft. Im Juni 2017 wurde er schließlich als Nachfolger von Monisha Kaltenborn bei Sauber präsentiert. Das Schweizer Team hat unter seiner Ägide schließlich eine deutliche Wandlung hingelegt.

Honda-Vorvertrag aufgekündigt: "War schwierig, das umzusetzen"

Mit einer engeren Ferrari-Kooperation und Alfa Romeo als Partner hat sich die Truppe deutlich besser aufgestellt. Allerdings ist der Umstrukturierungsprozess noch nicht abgeschlossen. "Das Hauptproblem bei Sauber ist, dass das Team sehr lange unter finanziellen Schwierigkeiten gelitten und daher viele Leute verloren hat. Ein Formel-1-Team umzubauen ist sehr schwierig und benötigt Zeit. Man muss neue Leute einstellen, die meisten müssen aber eine Übergangsfrist abwarten. Es dauert also, bis die anfangen können", gibt Vasseur zu bedenken. Er glaubt daher: "Wir werden die Resultate erst in einem Jahr oder so sehen, in der Formel 1 muss man geduldig sein - so funktioniert das hier."

Einen Vorvertrag mit Motorhersteller Honda hat Vasseur aufgekündigt, und infolgedessen einen neuen Ferrari-Vertrag ausgehandelt. "Aus verschiedenen Gründen war es sehr schwierig, das umzusetzen. Wir hatten nicht die Kapazitäten, um ein eigenes Getriebe zu produzieren, wir hätten uns daher auf McLaren verlassen müssen, die aber Honda verlassen würden - das war nicht einfach", schildert er. "Das war kein reibungsloser Ablauf." Mit Ferrari verbindet Sauber schließlich eine gute, solide, historische Partnerschaft, betont der Teamchef.

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2016 stieg Vasseur bei Renault ein: Nach nur einem Jahr verließ er das Team Zoom Download

Im Zuge des Ferrari-Motorendeals kam auch die Idee mit Alfa Romeo auf. "Zum ungefähr gleichen Zeitpunkt wollte Mister Marchionne Alfa Romeo in die Formel 1 zurückbringen, daher haben wir eine Übereinkunft beschlossen." Gemeinsam mit der Ferrari-Nachwuchshoffnung Charles Leclerc konnte das Team bereits zehn WM-Punkte einfahren. Mit dem Monegassen, den Vasseur bereits aus den Nachwuchskategorien kennt, ist er zufrieden. Allerdings müsse er noch viel lernen, fügt er lächelnd hinzu. Derzeit stellt man bei Sauber bereits die Weichen für das kommende Jahr. "Wir haben bereits viel Fokus auf das 2019er Auto gelegt, da uns die neuen technischen Regularien eine gute Möglichkeiten geben, um gut abzuschneiden."

1968 wurde Frederic Vasseur in einer Vorstadt von Paris geboren. Er studierte Luftfahrtechnik und Ingenieurskunst, bevor er seine Karriere im Formelsport begann. Er startete mit ASM sein eigenes Team, das 2004 in ART Grand Prix umgewandelt wurde, als Nicolas Todt, Sohn des FIA-Präsidenten Jean Todt, einstieg. 2016 folgte schließlich der Schritt zum Renault-Werksteam, als Teamchef blieb er aber nur ein Jahr, da er zum Schweizer Sauber-Team wechselte.

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