• 24. April 2018 · 11:35 Uhr

2017: Ein Aserbaidschan-Grand-Prix für die Ewigkeit

Mit der Ricciardo-Show, Vettels Blackout und Strolls Märchen bot Baku 2017 mehr Stoff als manche Saison: Wieso Stroll noch heute meint, er hätte siegen können

(Motorsport-Total.com) - Der Grand Prix von Aserbaidschan ist nur ein Jahr alt, aber er ist jetzt schon ein Rennen für die Ewigkeit. Weil er so viele Geschichten und Höhepunkte aufwies, wie so manche ganze Grand-Prix-Saison nicht: der sensationelle Sieg von Daniel Ricciardo, die Kollision zwischen Lewis Hamilton und Sebastian Vettel inklusive Rammstoß - oder gar der Podestplatz für Williams-Rookie Lance Stroll. Heute sagt der kanadische Milliardärssohn, dessen dritter Platz von vielen als Glücksfall angesehen wurde: "Ich hätte dieses Rennen wahrscheinlich gewinnen können."

Foto zur News: 2017: Ein Aserbaidschan-Grand-Prix für die Ewigkeit

Lance Stroll glaubt noch heute, den Sieg beim dritten Restart verloren zu haben Zoom Download

Doch wie ist es dazu gekommen? Schon ein Rennen vor Baku - also beim Heimspiel in Montreal - musste sich der 18-Jährige einiges anhören. "Er ist mehr als eine Sekunde langsamer als Teamkollege Felipe Massa. Das ist eine der schlechtesten Rookie-Leistungen in der Geschichte der Formel 1", tönte Landsmann und Ex-Weltmeister Jacques Villeneuve gegenüber dem 'ORF'.

Eine Attacke, die saß, denn der Kanadier war den Vorschusslorbeeren bis dahin überhaupt nicht gerecht geworden und gab erst bei WM-Lauf Nummer sieben in Montreal mit seinen ersten zwei WM-Punkten ein Lebenszeichen von sich. Dass die Aussage des Enfant terribles, das 1996 ebenfalls bei Williams in der Formel 1 debütiert hatte, aber gleich beim ersten Rennen die Pole holte, bei Claire Williams nicht gut ankamen, zeigte die Reaktion: Villeneuve erhielt bei seinem Ex-Team Hospitality-Verbot.

Wieso Red Bull in Baku plötzlich schnell war

Doch nicht nur Stroll war unter Druck, sondern auch Red-Bull-Pilot Ricciardo. Obwohl der Blick auf den WM-Stand etwas anderes erahnen ließ: Der "Aussie" lag vor Baku zwölf Punkte vor seinem Stallrivalen Max Verstappen auf dem fünften WM-Rang und war mit dem nach dem schwachen Saisonstart immer besser gewordenen RB13 drei Mal in Folge auf das Podest gefahren.

Intern wusste man aber: Ricciardo hatte vom Pech Verstappens profitiert und war regelmäßig langsamer als der Senkrechtstarter gewesen, hatte die vergangenen drei Qualifying-Duelle gegen den Youngster verloren. Eigentlich ging das einstige Weltmeisterteam als Außenseiter in das Wochenende, doch schon beim Freitag-Training auf dem High-Speed-Stadtkurs mit winkeligen Passagen in der historischen Altstadt überraschte Red Bull mit guten Zeiten: Verstappen entschied beide Sessions für sich und war auch bei den Longruns auf dem Niveau von WM-Spitzenreiter Sebastian Vettel, der im Klassement zu diesem Zeitpunkt nur noch zwölf Punkte vor Hamilton führte.


Fotostrecke: F1 Backstage: Baku

Aber wie war das möglich? Gerade auf der Power-Strecke in Baku hatte niemand damit gerechnet, dass Red Bull besser als Mercedes sein könnte. Das Geheimnis: Das Team aus Milton Keynes hatte gepokert und als einziges Team den flachen Monza-Heckflügel nach Baku gebracht, um auf den Geraden nicht so verwundbar zu sein. Und nachdem sich die Windkanaldaten zu Saisonbeginn nicht auf der Strecke widergespiegelt hatten, brachte Adrian Newey den RB13 in kleinen Schritten immer näher an die Spitze heran. Von Verbesserungen im Bereich von einer Sekunde seit dem Saisonstart war in Baku die Rede.

Stroll schon am Freitag stark

Foto zur News: 2017: Ein Aserbaidschan-Grand-Prix für die Ewigkeit

Ricciardo und Stroll: Beide zeigten schon am Freitag ihr Potenzial Zoom Download

Und dann war da noch das Motoren-Update von Renault. Die neuen Motoreneinstellungen im Bereich der Zündung und der Einspritzung brachten laut Red Bulls Motorsportkonsulent Helmut Marko einen "signifikanten Fortschritt". Laut Renault handelte es sich um zwei Zehntelsekunden.

Auch bei Stroll, der bis Baku stets Probleme hatte, sich auf neue Kurse einzuschießen, konnte man am Freitag bereits erkennen, dass ein gutes Ergebnis in der Luft liegt. Der Kanadier hatte auf seiner schnellsten Runde nur sieben Zehntel auf Vettel verloren und seinen Williams auf den sechsten Rang geschoben - fast eine halbe Sekunde vor Teamkollege Massa.

"Das Auto hat dort wirklich gut funktioniert", erinnert sich Stroll. "Es war von Anfang an sehr konkurrenzfähig. Wir sind nie an unsere Grenzen gestoßen, und das Auto war einfach zu fahren." Und das, obwohl es auf dem Kurs in Baku mit seinem Kompromiss aus schnellen Passagen und engen Ecken alles andere als leicht ist, die richtige Abstimmung zu finden.

Mercedes-Diva: Hamilton im Training von der Rolle

"Wir haben das noch immer nicht ganz entschlüsselt, aber offenbar hat das Streckenlayout einfach zu unserem Auto gepasst", verweist der Williams-Pilot auf den geringen Luftwiderstand des Vorjahres-Boliden, der aber auch nicht gerade bekannt dafür war, in mittelschnellen Kurven (wie es sie in Baku kaum gibt) viel Abtrieb aufzubauen. "Das Auto lag in den Kurven wirklich gut und war natürlich auf den Geraden sehr konkurrenzfähig."

Einen schlechten Auftakt hatte hingegen WM-Herausforderer und Kanada-Sieger Hamilton. Während Teamkollege Valtteri Bottas immerhin Zweiter hinter Verstappen wurde, kam der Brite mit 1,2 Sekunden Rückstand nur auf den zehnten Platz, verzeichnete zahlreiche Verbremser und klagte über seinen zickenden Mercedes: "Wir müssen jetzt ein paar Überstunden machen, um das zu verstehen. Immerhin war Valtteri schnell, was zeigt, dass das Potenzial grundsätzlich vorhanden ist."

Perez-Crash: Sind die Randsteine zu hoch?

Foto zur News: 2017: Ein Aserbaidschan-Grand-Prix für die Ewigkeit

Sergio Perez setzt seinen Force India am Freitag in die Mauer Zoom Download

Bei Sergio Perez fuhr der Kurs seine Krallen noch weiter aus: Der Force-India-Pilot fädelte in der nur acht Meter breiten Engstelle bei der Stadtmauer ein, wodurch das rechte Hinterrad bei seinem Boliden abgerissen wurde. "Diese Stelle ist zu schwierig", forderte der Mexikaner einen Umbau des Randsteins, der seiner Ansicht nach zu hoch war. FIA-Rennleiter Charlie Whiting reagierte tatsächlich und ließ die Stelle über Nacht etwas entschärfen.

Entschärft wurden über Nacht auch die Mercedes-Probleme, wodurch das Qualifying-Ergebnis auf eine Wiederholung des eintönigen Premierenrennens in Baku im Jahr 2016 hindeutete. Hamilton, am Vortag noch der Verzweiflung nahe, war plötzlich um 1,1 Sekunden schneller als der beste Silberpfeil-Verfolger Kimi Räikkönen. Aber auch Bottas fehlten ganze 0,4 Sekunden. Der Grund? "Ich hatte zu viele kleine Fehler in meiner schnellen Runde."

Wieso Hamilton im Qualifying plötzlich haushoch überlegen ist

Wie Mercedes der Schritt gelungen war? Beim F1 W08 waren die Vorderräder am Freitag über die Randsteine zu oft in der Luft gewesen, wodurch die Reifentemperatur bei allen vier Rädern stark varierte. "Es hat unglaublich lange gedauert, bis wir wieder einen Vierradler hatten", ärgerte sich der Aufsichtsratsvorsitzende Niki Lauda gegenüber 'auto motor und sport' darüber, dass ihn seine Ingenieure auf die Folter spannten.

Während Vettel nur Vierter wurde, enttäuschte auch Red Bull: Verstappen, den am Vormittag das Technikpech mit einem Hydraulikleck wieder eingeholt hatte, war auf dem Weg zu Platz drei, ehe in er sich in Kurve 7 verschätzte und dann zu hart über einen Randstein fuhr: Dadurch arbeitete das Getriebe nicht mehr synchron, wodurch er auf der langen Geraden weitere Zeit verlor und nur Fünfter wurde. Ricciardo erging es noch schlimmer: Der "Aussie" ging ans Limit und touchierte in Kurve 6 die Mauer - das bedeutete Endstation.

Der spätere Sieger crasht im Qualifying

"Ich wollte mehr Tempo durch die Kurve mitnehmen, aber dann kam das Heck, und ich schlug ein", schilderte er den Zwischenfall. "Dabei wurde die Felge beschädigt." Die Folge: nur Platz zehn für Ricciardo. Doch für den Red-Bull-Piloten gab es auch einen Hoffnungsschimmer: die tollen Topspeed-Werte, für die sein Team eigentlich nicht bekannt war.

Durch den Monza-Heckflügel und die optimierten Renault-Motoreneinstellungen war Ricciardo am Ende der langen Start-Ziel-Geraden auf eine Höchstgeschwindigkeit von 356,3 km/h gekommen, wodurch er den Spitzenwert erzielte. Ein gutes Zeichen, da er am Sonntag mit einigen Zweikämpfen rechnen musste. Auf seinem "Speiseplan" für das Rennen: unter anderem Williams-Pilot Stroll, der erstmals in seiner Formel-1-Karriere ein Qualifying-Duell gewonnen hatte, auch wenn am Ende nur 0,045 Sekunden im Williams-Duell um Startplatz acht den Unterschied machten.

Finnen-Kollision mit Folgen

Wer am Sonntag eine Prozession erwartete, wurde jedenfalls überrascht: Der Grand Prix, der unter den Augen des aserbaidschanischen Staatspräsident Ilham Alijew gestartet wurde, begann bereits mit einem Knall. Und wieder einmal waren es hinter Hamilton die beiden Finnen Bottas und Räikkönen, die sich in Kurve 2 nicht über die Vorfahrt einig wurden.

Der Ferrari-Pilot attackierte auf der Außenbahn, Bottas wollte Platz lassen, fuhr innen über den Randstein und wurde so in den SF70H Räikkönens katapultiert. Während der Ferrari in die Mauer einschlug und einige Plätze verlor, kam es für Bottas noch dicker: Der Mercedes-Pilot schlich mit kaputtem Reifen an die Box und ließ dort auch seine Frontpartie tauschen. Als er wieder auf die Strecke zurückkehrte, war er nicht nur abgeschlagener Letzter, sondern auch eine Runde zurück. Für den Finnen schien das Wochenende gelaufen.

Doch der Zwischenfall in der ersten Runde hatte weitere Folgen für den Rennverlauf: Red-Bull-Pilot Ricciardo hatte den Start nicht wie erhofft zu einem deutlichen Positionsgewinn nutzen können und steckte an neunter Stelle fest, als auch noch die Temperaturen in seinem Auto in die Höhe schnellten. Schon in der fünften Runde kam er an die Box, wo die Mechaniker eifrig seine Bremsbelüftungen von Trümmerteilen befreiten.

Beinahe beide Red Bull aus dem Rennen

"Ein Trümmerteil eines Mercedes oder Ferrari hat sich verfangen", offenbarte Teamchef Christian Horner, dass Ricciardo zum Opfer der Kollision zwischen Räikkönen und Bottas geworden war. "Er hätte keine Runde mehr geschafft." Nach dem Mercedes-Piloten schien nun auch der auf Platz 17 zurückgefallene Australier Schachmatt: "Ich hätte mein gesamtes Geld darauf gesetzt, dass ich nicht gewinne."

"Ich hätte mein gesamtes Geld darauf gesetzt, dass ich nicht gewinne."Daniel Ricciardo
Vom frühen Schock durften sich die Red-Bull-Granden nicht lange erholen. Sieben Runden nach Ricciardos Malheur wurde es plötzlich erneut laut am Boxenfunk. Problem mit dem Motor!", brüllte er und musste seinen vierten Platz hinter Hamilton, Vettel und Force-India-Pilot Perez abgeben. Da sich der Öldruck seines Renault-Motors nicht mehr erholte, musste er den Boliden abstellen. Zum vierten Mal im achten Rennen. "Here we go again", klagte der Niederländer verärgert.

Da auch Toro-Rosso-Pilot Daniil Kwjat wegen eines technischen Defekts liefen blieb, entschied sich Rennleiter Whiting, das Safety-Car auf die Strecke zu schicken, wodurch beinahe das gesamte Feld an die Box kam: Nutznießer waren Mercedes-Pilot Bottas und sein Teamkollege Ricciardo: Der Red-Bull-Pilot nutzte die Gelegenheit, um vom Soft- auf den Supersoft-Reifen umzustecken, mit dem der RB13 besonders gut lag. Und Bottas durfte sich endlich zurückrunden, wodurch sich seine Rennchancen deutlich verbesserten.

Vettel-Rammstoß gegen Hamilton als Aufreger

Foto zur News: 2017: Ein Aserbaidschan-Grand-Prix für die Ewigkeit

Vettels Rammstoß gegen Hamilton war die größte Story in Baku, aber nicht die einzige Zoom Download

Der Restart führte aber rasch zu einer erneuten Safety-Car-Phase, als der viertplatzierte Räikkönen weitere Trümmerteile verlor. Dadurch konnte Bottas endgültig zum Feld aufschließen. Und dann passierte der Aufreger des Rennens: Leader Hamilton, der beim ersten Restart zu früh aufs Gas gegangen war und das Safety-Car beinahe eingeholt hätte, beschleunigte in der 19. Runde aus Kurve 15 zur Überraschung von Verfolger Vettel kaum, wodurch dieser dem Mercedes ins Heck fuhr.

"Er hat bei mir einen Brake-Test gemacht! Was zur Hölle passiert hier? Ich denke, dass mein Auto beschädigt ist", schimpfte der Ferrari-Pilot am Funk, fuhr zuerst neben den Mercedes, ehe es nach einem weiteren Lenkmanöver Vettels zur Berührung kam.

Ein Manöver, das bei vielen im Fahrerlager Erinnerungen an Michael Schumachers absichtlichen Rammstoß in Jerez 1997 wach werden ließ. "Er hat in mich reingelenkt", funkte Hamilton. Die FIA leitete sofort eine Untersuchung des Zwischenfalls ein, der später mit einer Zehn-Sekunden-Strafe geahndet wurde.

Force-India-Stallrivalen geraten aneinander

Doch auch hinter den beiden Führenden krachte es kurz nach dem Restart. Im Fokus: die beiden Force-India-Streithähne Sergio Perez und Esteban Ocon, die bereits in Kanada zusammengekracht waren und hinter Hamilton, Vettel und Williams-Pilot Massa auf den hervorragenden Plätzen vier und fünf lagen.

Zuerst gelang es Perez nicht, an Massa vorbeizugehen, dann wollte Ocon die Situation ausnutzen und rasierte mit seinem rechten Hinterreifen den Frontflügel des Mexikaners ab, dessen Spurstange ebenfalls brach, wodurch beide zu langsamer Fahrt gezwungen waren. Erneut waren die beiden nicht die einzigen Opfer: Räikkönen zog sich beim Überfahren der Wrackteile ebenfalls einen Reifenschaden zu und lenkte seinen Boliden an die Box.

Die Folge: Rennabbruch. Inzwischen hatten sich die späteren Helden in Position gebracht. Hinter Hamilton und Vettel lag zwar noch Massa, doch der spätere Ausfall des Brasilianers war bereits besiegelt: Beim Überfahren der Randsteine war es zu einem Dämpferdefekt gekommen, wodurch seine Hinterradaufhängung einrastete und der Williams wie wild wackelte. "Wir hätten das auch in der Pause nicht beheben können", gab Technikchef Paddy Lowe später zu.

Das Manöver des Rennens: Ricciardo überholt drei Rivalen

Hinter Massa lagen Teamkollege Lance Stroll, Renault-Pilot Nico Hülkenberg und der inzwischen wieder auf Platz sechs liegende Ricciardo in Lauerstellung. Die Unterbrechung erlaubte es allen Piloten, die Reifen zu wechseln. Perfekt für Ricciardo und Stroll, die noch frische Supersoft-Pneus zur Verfügung hatten. Aber auch die havarierten Boliden von Räikkönen, Bottas und Perez konnten repariert werden.

Als es in Runde 24 wieder losging, sorgte Ricciardo für das Manöver des Rennens: Der Red-Bull-Pilot nutzte die Schwäche des wie ein Bock springen Massa-Williams aus und beim Anbremsen der ersten Kurve mit dem Brasilianer, Hülkenberg und Stroll an drei Rivalen gleichzeitig vorbei. "Er ist über seine Gegner hergefallen", schwärmt Teamchef Horner.

Stroll: So hätte ich gewinnen können

Und Stroll weiß heute: In diesem Moment hatte er den möglichen Sieg verspielt. "Wenn ich gewusst hätte, dass er von so weit hinten reinstechen würde, dann hätte ich mich gegen ihn in Kurve 1 mehr verteidigt und die Tür zugemacht. So habe ich aber früher gebremst, weil bei den Restarts ohnehin so viel passierte und alle Probleme mit den kalten Reifen hatten. Ich wusste nicht, dass er da ist, aber als ich ihm im Spiegel kommen sah, da konnte ich nichts mehr machen, sonst hätte es gekracht."

Stroll glaubt übrigens bis heute nicht, dass Ricciardo sonst locker an ihm vorbeigekommen wäre: "Nein, nein, nein! Ich wusste, dass ich ihn hätte halten können, denn er hatte glaube ich Probleme mit der Überhitzung, musste also an mir vorbeikommen. Und ich hatte einen sehr guten Topspeed. Außerdem konnte er sich nie mehr als um vier Sekunden absetzen."

Nach Massas Aufgabe dünnte das Feld an der Spitze noch weiter aus: Während Vettel das Abbüßen seiner Strafe hinauszögerte, wurde plötzlich bei Leader Hamilton die Nackenstütze locker, was auch ihn zu einem Boxenstopp zwang. Ohne die Unterbrechnung wäre die Panne wohl nicht passiert, denn in diesen 23 Minuten war der Schaumstoff-Schutz der prallen Sonne ausgesetzt gewesen, wodurch er sich möglicherweise aufblähnte und nicht mehr perfekt in die Halterung passte.

Perez als Ursache: Hamilton fällt hinter Vettel zurück

Dass Vettel, der zwei Runden später hereinkam, ausgerechnet vor Hamilton auf Platz sieben auf die Strecke zurückkam, hatte aber noch einen anderen Grund: Der Brite steckte in der Runde nach dem Stopp eine Runde lang hinter Perez fest, was ihn einige Sekunden kostete. Auch für Hülkenberg hätte es mit dem ersten Podestplatz der Karriere ein großer Tag werden können, doch der Renault-Pilot küsste die Mauer, knickte dabei ein Rad ab und verschwand unauffällig im Notausgang.

Und so war alles für den Schluss-Showdown angerichtet: Während Ricciardo vor Stroll das Rennen anführte, war Bottas bereits Sechster und machte nun auch mit Fernando Alonso, Kevin Magnussen und Esteban Ocon kurzen Prozess. Die große Frage: Würde er in den verbleibenden elf Runden noch an Ricciardo und Stroll herankommen?

Wie Bottas Stroll vor dem Ziel knackte

Der Finne zog alle Register und pulverisierte die 13,6 Sekunden Rückstand. Wenige Sekunden vor dem Rennende saugte sich der Mercedes an den Williams an überholte 115 Meter vor der Ziellinie. Mit 0,105 Sekunden Vorsprung war es der knappste Vorsprung der gesamten Saison. Der Geschwindigkeitsunterschied betrug satte 34 km/h. Und das, obwohl der Williams auf eine gute Höchstgeschwindigkeit ausgerichtet war. "Valtteri war einfach so viel schneller als ich. Ehrlich gesagt habe ich mich auch gewundert, dass das nur vom DRS gekommen sein soll", meinte Stroll nach der Zieldurchfahrt.

Wie es dazu kommen konnte? Red Bulls Motorsportkonsulent Helmut Marko bezichtigt Mercedes, das Kundenteam bewusst schlechter behandelt zu haben: "Die Hardware mag die gleiche sein, aber da ist wohl klar, dass das nicht mit der gleichen Software passiert." Williams-Technikchef hat übrigens eine andere Erklärung: "Lance hat seinen Elektrovorrat im ersten Teil der Runde benutzt, weil er Bottas aus dem DRS-Bereich halten wollte. Es hätte fast geklappt. Am Messpunkt haben nur zwei Zehntel gefehlt. Ohne DRS hätte Bottas uns nie gekriegt."

Doch dann ging der Mercedes-Motor in den Lademodus, wodurch die Motorleistung fehlte. Auch Bottas spricht Stroll frei: "Er kam gut aus der letzten Kurve, ist sie ganz innen auf der kürzesten Linie gefahren und hat auch sauber rausbeschleunigt. Ich hätte nichts anders gemacht."

Frust pur: Verstappen schwänzt Interviews

Dennoch war es für Stroll ein großer Tag. Beinahe hätte er den Rekord als jüngster Podestbesucher aufgestellt, doch Verstappen war bei seinem Triumph in Barcelona 2016 ebenfalls 18 Jahre alt, aber um zwölf Tage jünger. Während der Niederländer nach dem vierten Ausfall in acht Rennen die TV-Interviews schwänzte und dafür eine Strafe von 25.000 Euro akzeptierte ("Ich weiß, wie ich reagiere, wenn ich sauer bin. Dann sage ich Dinge, die ich später bereue") und die Formel 1 über Vettels Rammstoß diskutierte, feierte Ricciardo auf dem Podest seinen fünften Grand-Prix-Sieg - mit der bereits legendären Shoey-Zeremonie.

Foto zur News: 2017: Ein Aserbaidschan-Grand-Prix für die Ewigkeit

Nächster Triumph für Ricciardo: Lance Stroll trinkt aus dessen Shuh Zoom Download

Auch Stroll bekam einen Schluck Champagner aus Ricciardos verschwitztem Rennfahrerschuh. Und sagt heute: "Ich weiß nicht, ob ich es wieder tun würde. Ich denke, das nächste Mal ist Daniel dran. Er soll aus meinem Schuh trinken." Eine große Feier gab es im Hause Stroll übrigens nicht, wie er offenbart: "Wir sind noch am selben Abend nach London geflogen, und am Montagabend war ich mit ein paar Freund Abendessen, aber nichts Besonderes."

Vettels späte Reue

Überraschend cool gab sich übrigens nach dem Rennen Hamilton, der bis zum Schluss nicht an Vettel vorbeigekommen war und nur Fünfter wurde. "Ich hoffe, dass kein Formel 2-, GP3-Pilot oder ein anderer Youngster seine Aktion gesehen hat", mimte er den fairen Sportler. "So verhält man sich nicht auf der Rennstrecke." Und Mercedes bewies über die Daten, dass Hamilton nicht gebremst hatte, wie von Vettel vorgeworfen.

Vettel verteidigte seine Aktion am Sonntagnachmittag in Baku, machte aber später einen Rückzieher - womöglich auch, weil ihm von FIA-Boss Jean Todt Konsequenzen angedroht wurden. Die Entschuldigung Vettels bei Hamilton kam am Montag nach dem Rennen per Telefonanruf.

"Ich hatte im Auto den Eindruck, dass Lewis auf die Bremse gestiegen war. Heute weiß ich, dass ich falsch lag", zeigte er später Reue. "Ich weiß auch, dass in dem was Lewis gemacht hat, keine böse Absicht lag. Es war unvernünftig von mir neben ihn zu fahren und ihn dann an den Rädern zu treffen. Ich habe überreagiert und bedaure das. Könnte ich es ungeschehen machen, würde ich es tun. Das ist leider nicht mehr möglich."

Aktuelles Top-Video
Foto zur News: Newey weg! Zerfällt nun Red Bull?
Newey weg! Zerfällt nun Red Bull?

Adrian Newey hat nach unseren Informationen seine Kündigung eingereicht und...

Fotos & Fotostrecken
Foto zur News: Formel-1-Mittelfeld-WM: So spannend wäre es  2024 ohne die fünf Topteams ...
Formel-1-Mittelfeld-WM: So spannend wäre es 2024 ohne die fünf Topteams ...
Foto zur News: Schanghai: Die Fahrernoten von Marc Surer und der Redaktion
Schanghai: Die Fahrernoten von Marc Surer und der Redaktion

Foto zur News: Alle Sieger von Sprintrennen in der Formel 1
Alle Sieger von Sprintrennen in der Formel 1

Foto zur News: F1: Grand Prix von China (Schanghai) 2024
F1: Grand Prix von China (Schanghai) 2024
Samstag

Foto zur News: Formel-1-Qualifying: Modus im Wandel der Zeit
Formel-1-Qualifying: Modus im Wandel der Zeit
Folge Formel1.de
Videos
Foto zur News: Newey weg! Zerfällt nun Red Bull?
Newey weg! Zerfällt nun Red Bull?
Foto zur News: Stroll & Seargant fahren F1, Mick nicht: Ist das unfair, Ralf Schumacher?
Stroll & Seargant fahren F1, Mick nicht: Ist das unfair, Ralf Schumacher?

Foto zur News: Charlie Wurz: Der nächste Österreicher in der Formel 1?
Charlie Wurz: Der nächste Österreicher in der Formel 1?

Foto zur News: Würde Red Bull auch mit dem 2023er-Auto gewinnen?
Würde Red Bull auch mit dem 2023er-Auto gewinnen?
Top-Motorsport-News
Foto zur News: WRC Rallye Kroatien 2024: Reifenpoker - Neuville führt knapp vor Evans
WRC - WRC Rallye Kroatien 2024: Reifenpoker - Neuville führt knapp vor Evans

Foto zur News: Remy Gardner beste Yamaha: Warum das erste WSBK-Podium so spät kam
WSBK - Remy Gardner beste Yamaha: Warum das erste WSBK-Podium so spät kam

Foto zur News: Türkischer Sim-Racer Cem Bölükbasi bekommt Chance in der Formel 2
F2 - Türkischer Sim-Racer Cem Bölükbasi bekommt Chance in der Formel 2

Foto zur News: mcchip-dkr kriegt kein GT3-Auto: "Fühle mich verarscht"
NR24 - mcchip-dkr kriegt kein GT3-Auto: "Fühle mich verarscht"
f1 live erleben: hier gibt's tickets
Miami
Miami
Hier Formel-1-Tickets sichern!

Emilia-Romagna
Imola
Hier Formel-1-Tickets sichern!

Monaco
Monte Carlo
Hier Formel-1-Tickets sichern!
Anzeige motor1.com