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von bolfo » 07.08.2014, 01:39
Ich glaube einfach nicht so recht, dass der Zuschauerrückgang mit dem Motorengeräusch zu tun hat. Vielmehr ists doch so, dass für immer mehr Geld gleich viel oder sogar weniger geboten wird.
Ich mag mich noch gut an 1999 erinnern: Samstag- und Sonntags-Ticket für Monza, samstags konnte man damit (mit einem Sitzplatzticket) auf jede Tribüne, die man wollte. Egal ob Variante Ascari, Parabolica oder Variante della Roggia: Überall hatte man Zutritt, konnte ausprobieren, wo man das nächste Jahr das Rennen anschauen wollen würde. Heute geht das auf den meisten Strecken nicht mehr. Selbst samstags hat man fix seinen Platz, selbst wenn die Tribünen halb leer sind.
Ich bin dann auch von 1995-2000 jährlich in Monza gewesen. Bis die Preise einfach derart hoch waren, dass ich mich frage musste, ob ich denn noch bereit wäre, so viel zu bezahlen. Und als dann im Jahr 2000 gefühlt das halbe Rennen lang nach der Startkollision das SC draussen war (jaja, es waren nur 11 von 53 Runden) und gefühlt die Hälfte der F1-Fahrzeuge weg war (es waren 7 Ausfälle von 22 Fahrzeugen), fühlte ich mich schon etwas betrogen. Immerhin wollte ich das Rennen sehen, und nicht eine lange SC-Phase, der anschliessend ein Rennen mit gerade noch 15 Fahrzeugen folgte. Wobei ich ohnehin etwas stossend finde, dass man das Rennen angesichts des tragischen Ereignisses von damals nicht zumindest mal unterbrochen hat.
Dies war dann jedenfalls das letzte Mal, dass ich dort war.
Zu der Situation in Deutschland sehe ich 3 Probleme. Erstens die Ticketpreise, die in astronomische Höhen gestiegen sind, und zweitens Michael Schumacher. Als der 1991 einstieg und schnell für Furore sorgte, gabs einfach einen riesigen Hype. Jeder wollte dabei sein. F1 war für sehr viele deutsche Fans "Neuland" (im Gegensatz zum Internet...), und jeder wollte an diesem Ereignis teil haben. Es war etwas aussergewöhnliches, dass sich abspielte. Seit Graf Berghe von Trips war da kein Deutscher mehr, der diese Rennserie aufmischen konnte, und plötzlich war da Schumacher. Da wuchs das Interesse in Deutschland eben immens, und wie gesagt, ein richtiggehender Hype entstand.
Das brachte aber eben auch etwas anderes mit sich: Dass viele Deutsche der "nächsten Rennfahrergeneration" nachkamen. War zunächst nur Frentzen mit dabei, kamen dann plötzlich R. Schumacher, Heidfeld, Hülkenberg, Sutil, Vettel, Glock und Rosberg. Plötzlich wars nichts mehr "Besonderes", sondern völlig normal, dass Deutsche da mitmischten. Und der Hype flachte eben ab. Dennoch blieben bis Ende 2006 die meisten Fans der ersten Stunde Schumacher-Fans. Und dieser ist nicht mehr dabei. Die neuen Fahrer? Wohl in den Augen vieler seiner Fans langweilig.
Selbiges erlebten wir hier doch auch in der Schweiz: Lange Zeit war der Motorradsport nicht mehr so aktuell. Bis plötzlich Tom Lüthi kam und um den Titel fahren konnte. Und plötzlich war eine Hysterie da. Jeder berichtete darüber, jeder wollte daran teilhaben, und selbst ich schaute mir die 125 ccm Rennen an. Mittlerweile ist auch dieser Hype vorbei. Oder noch besser: Skispringen. Kaum beachtet, ein Schattendasein gefristet, bis Simon Ammann kam und Doppelolympiasieger wurde. Von da weg gabs kaum mehr eine Sportsendung, in der der Junge nicht aufgetreten ist, und plötzlich wollte fast jeder Junge Skispringer werden. Heute ist auch dieser Hype weitgehend abgeflacht.
Dies sehe ich auch in Deutschland als Problem. Schumachers Taten wurden als einzigartig angesehen, weils neu war, sowas hat man vorher noch nicht gesehen in Deutschland; Vettel hingegen fährt nun in der "Normalität", die die Deutschen dem F1-Sport zuordnen. So wirklich neu ists eben nicht mehr, eigentlich hat man das alles ja schon mal gesehen, und Dauersiegen wird eben jedem einmal langweilig. Erst recht, wenns eben nicht mehr der grosse Pionier ist, der siegt.
Der dritte Punkt ist, dass sich die F1 immer weiter vom Publikum entfernt, mit dem sie gross geworden ist. Rennplätze in Europa werden vernachlässigt, es zieht einem immer mehr in Staaten wie Bahrain, Abu Dhabi oder nun wohl auch Aserbaidschan. Staaten, zu denen der durchschnittliche Europäer keinen Bezug hat und die er nicht mal auf der Weltkarte finden würde. Auf Rennstrecken, die oftmals keinen Charakter haben. Am Ende spielt eben Tradition doch auch eine Rolle. Und dann muss man sich eben auch als Motorsport-Fan fragen, was man davon halten muss, wenn Rennstrecken wie Spa-Franchorchamps, Monza oder Silverstone fast immer wieder auf der Kippe stehen und teilweise übergangen werden. Dafür gibts dann einen GP in der Türkei oder einen GP von Südkorea, die keine Leute anziehen und die alsbald wieder aus dem Kalender geschmissen werden.
Am Ende glaube ich jedoch nicht, dass es an leiseren Motoren oder an langweiligen Rennen liegt. Die Rennen sind heuer verdammt gut im Vergleich zu vielen Schumacher-Jahren, wo man die Überholmanöver an einer Hand abzählen konnte. Und die Motorengeräusche mögen bestenfalls für die Fans vor Ort eine Ausrede sein, vorm TV machts aber ebenfalls nicht einen grossen Unterschied, da man dort den echten Lärm ohnehin niemals zu hören kriegte.
Never argue with an idiot. They bring you down to their level and beat you with experience.