• 26. September 2017 · 16:23 Uhr

Williams: Wie Paul di Resta sich für 2018 ins Gespräch brachte

Paul di Resta verlor Ende 2013 sein Stammcockpit in der Formel 1 - Nach vier Jahren Pause könnte er nun aber doch noch einmal in die Königsklasse zurückkehren

(Motorsport-Total.com) - In der Formel 1 bewegen sich die dinge so schnell, dass ein Fahrer schnell aus dem Blickfeld verschwindet, sobald er kein Cockpit mehr findet. die Teams sind permanent auf der Suche nach dem nächsten Superstar, und die Chancen, dass ein Fahrer noch einmal zurückkehrt, nachdem er eine Saison ausgesetzt hat, sind sehr gering - sofern es kommerziell nicht erforderlich ist.

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Paul di Resta schöpft Hoffnung auf ein dauerhaftes Comeback in der Formel 1 Zoom Download

Paul di Resta hat seit 2013 keine komplette Formel-1-Saison mehr absolviert. Trotzdem hat der Schotte jetzt eine realistische Chance, 2018 mit Williams zurückzukehren - weil er beim Großen Preis von Ungarn zur richtigen Zeit am richtigen Ort war.

Zunächst einmal gab er sich mit der Rolle des Ersatzpiloten beim Team aus Grove zufrieden. Er übernahm diese Aufgabe Anfang 2016 von seinem ehemaligen Force-India-Teamkollegen Adrian Sutil. Er durfte nicht testen, und genau wie Sutil hätte di Resta wohl nie in einem aktuellen Boliden gesessen - und wäre früher oder später wohl von einem anderen, "aktuelleren" Fahrer ersetzt worden.

Bewährungsprobe in Budapest bestanden

Felipe Massas Ausfall in Budapest brachte ihm allerdings eine Chance ein. Und obwohl alle Umstände gegen ihn sprachen, zahlte es sich für ihn es. Ohne irgendein Training sprang er im Qualifying ins Auto und stand vor einer unlösbaren Aufgabe. Doch gleichzeitig waren die Erwartungen auch niedrig. Er erledigte einen tollen Job und wurde mit jeder Runde schneller. Das Rennen war eine größere Herausforderung. Er fühlte sich im Auto nicht komplett wohl und musste schließlich aufgeben.

Doch es reichte aus, um ihn zu einem ernsthaften und unerwarteten Kandidaten für ein Stammcockpit 2018 zu machen. Bis Ungarn war di Resta in der Hybridära noch kein Formel-1-Auto gefahren. In dieser Hinsicht gibt es viele Fahrer mit deutlich mehr Erfahrung. Die Liste umfasst Namen wie Sutil, Pastor Maldonado, Felipe Nasr, Kamui Kobayashi, Jean-Eric Vergne, Esteban Gutierrez, Max Chiton, Alex Rossi, Will Stevens, Rio Haryanto und Roberto Merhi.

Die Chance, dass irgendeiner dieser Piloten jemals in die Formel 1 zurückkehren wird, erscheint sehr gering. Trotzdem hat di Resta mit seinen 31 Jahren nun eine echte Chance, auf ein Cockpit bei einem der etabliertesten Teams im Geschäft. Am Ende war es dieses eine Qualifying in Ungarn, das den Unterschied ausgemacht hat.

"Ich wurde komplett ins kalte Wasser geworfen"

"Ich wurde komplett ins kalte Wasser geworfen", erklärt er gegenüber 'Motorsport-Total.com' und verrät: "Als ich den Begrenzer am Ende der Boxengasse deaktivierte, fühlte ich mich direkt wohl. In den anderthalb Stunden vorher fühlte ich mich etwas überfordert, aber als ich den Begrenzer ausschaltete, war alles wieder da."


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"Es ist eine natürliche Fähigkeit, man fühlt sich so, als wäre man wieder zu Hause. Ich war an einem Punkt, an dem ich alles nur noch im TV sah. Aber das Selbstvertrauen kommt zurück. Ich habe an diesem Tag nichts Dummes gemacht. Und noch wichtiger: Ich hatte noch einige Reserven. Ich wollte es einfach nur managen. Das war der beste Weg, es zu lernen. Wenn man noch einmal eine Chance bekommt, kann man dann darauf aufbauen ..."

Man vergisst schnell, dass di Resta vor gar nicht so langer zeit als Fahrer mit großem Potenzial gesehen wurde. 2006 gewann er den Titel in der Formel-3-Euroserie-Saison und schlug dabei Piloten wie Sebastian Vettel. Nachdem er von Mercedes in die DTM gebracht wurde, gewann er dort 2010 ebenfalls die Meisterschaft.

Gute Verbindungen zu Mercedes

Seine Verbindungen nach Stuttgart halfen ihm dabei, bei Force India unterzukommen. Dort verbrachte er drei Saisons, sammelte viele Punkte, verlor gegen Ende aber das Vertrauen und Ende 2013 auch sein Cockpit.

"Natürlich hätte ich die Dinge anders machen können. Aber damals ... Force India ist ein großartiges Team, aber im Hintergrund waren die Dinge schwierig. Innerhalb des Teams war es nie einfach, und das hat alles etwas schwieriger gemacht. Aber das eigentliche Rennteam, die Leute, mit denen man täglich zu tun hatte, war großartig. Ich denke, dass sie die Erwartungen deshalb auch übertreffen."

Die DTM erwies sich als Sicherheitsnetz, nachdem es in der Formel 1 keine Möglichkeit mehr gab. Aber er hoffte darauf, bei Mercedes zumindest in einer Rolle als Ersatz- oder Testpilot unterzukommen.

Vom TV-Experten zum Ersatzfahrer

"Ich denke, damals war alles etwas anders. Es gab gerade den Wechsel zu dieser neuen Motorengeneration, und die Budgets schossen in die Höhe. Ich wollte aktiv so viel wie möglich involviert bleiben und hoffte darauf, etwas mit Mercedes zu machen."

"Es gab mir die Möglichkeit für einen Reset und die Chance, mir andere Sachen anzusehen. So endete ich bei Sky im TV (als Experte; Anm. d. Red.). Das hat mich natürlich ins Interesse gerückt. Zu Beginn des vergangenen Jahres kam ich mit Williams in Kontakt - kurz vor Saisonstart. Seitdem ist die Beziehung massiv gewachsen. Ich respektiere Claire (Williams) sehr und komme gut mit ihr aus."


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"Wir hätten nicht erwartet, dass die Beziehung so schnell so stark werden würde. Vor zehn Jahren wollte mich Frank schon einmal für Williams verpflichten. Aus verschiedenen Gründen hat es damals nicht geklappt - hauptsächlich, weil ich gerade in der DTM anfing. Es war merkwürdig, wieder zurückzukommen, zehn Jahre nach meinem Treffen mit Frank. Jetzt saß ich mit Claire in einem Raum und schloss einen anderen Deal ab."

Vorbereitung im Simulator entscheidend

Keiner von beiden konnte sich wirklich vorstellen, dass er bald ein ernsthafter Anwärter auf ein Stammcockpit werden würde - doch dank Ungarn ist das passiert. Er war vorher zwar ein bisschen im FW36 von 2014 gefahren, aber eine echte Vorbereitung war das nicht.

"Ich drehte ein paar Runden. Da hilft dann der Simulator. Ich habe ungefähr noch immer so viel Arbeit wie früher (als Stammfahrer). Es sind sogar noch die gleichen Motorenleute. Der Kerl, der sich bei Williams um die Motoren kümmert, ist der gleiche, der früher bei Force India verantwortlich war. Alleine durch die Gespräche beim Mittagessen bleibt man irgendwie auf dem Laufenden. Es ist alles sehr gut gemanagt."

"Ich versicherte dem Team, dass ich alles, was man mir nicht aktiv beibringen kann, lernen würde. Und das habe ich auch. Für alles, was sie mir beibringen konnten, hatte ich ein grundlegendes Verständnis. Im Rennen kam ich deshalb damit klar, als sie mir Anweisungen gegeben haben. Das war der richtige Weg."

Di Resta hungrig wie eh und je

In Ungarn konnte er sich selbst und dem Umfeld etwas beweisen.

"Ich habe meinen Hunger nicht verloren. Je länger ich weg war, desto schwieriger wurde es. Ich glaube, dass ich mir in erster Linie selbst bewiesen habe, dass ich den Job noch erledigen kann - auch wenn ich immer daran geglaubt habe. Vielleicht hat es auch dem Rest der Welt gezeigt, dass das nur ein Vorgeschmack war, wenn ich noch einmal eine richtige Chance bekomme."

Natürlich hat auch Felipe Massa weiterhin eine Chance, und Robert Kubica ist ein weiterer hochkarätiger Kandidat. Allerdings ist es nicht leicht, den Polen im FW36 richtig einzuschätzen. Marcus Ericsson und Jolyon Palmer, die beiden einen starken finanziellen Background haben, haben ihre Hüte ebenfalls in den Ring geworfen. Doch ihre Chancen sind gering. Und dann ist da noch di Resta, der so hart wie möglich arbeitet, um den Job zu bekommen.


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"Sie kennen mich jetzt gut genug. Ich bin seit mehr als anderthalb Jahren hier. Ich habe versucht, hier so aktiv wie möglich zu sein - und das werde ich auch weiterhin. Als ich die Chance bekam, hat sich gezeigt, wie wichtig das war. Ich kenne alle sehr gut, und das hat einen Unterschied gemacht. Man muss immer aufmerksam sein und sich so gut wie möglich integrieren."

"Ich kombiniere das mit meiner Arbeit fürs Fernsehen. Es ist also eine ziemlich harte Arbeit. Es ist sehr zeitintensiv, wenn ich am Wochenende arbeite. Aber es war wichtig, dass ich mich zum Beispiel mit der Steuerung auskenne, sobald ich einmal die Chance bekommen würde, ins Auto zu steigen. Mit der Zeit habe ich klar gemacht, dass es ein Traum wäre, einmal in dieses Auto zu steigen."

"Neben meiner Beschäftigung fahre ich auch noch in der DTM, aber für mich ist es natürlich das Größte, hier zu sein. Als ich das Auto gefahren bin, bekam ich vom ganzen Fahrerlager eine gute Rückmeldung - und vor allem auch von Williams. Ich denke auch, dass ich ein gutes Alter habe."

Positive Reaktionen auch von den Kollegen

"Außerdem habe ich aus meinen Fehlern gelernt. Ich kann versuchen, diese zu berichtigen. Aber es ist auch ein Geduldsspiel. Ich versuche einfach, so viel wie möglich zu machen, um mich selbst in eine gute Position zu bringen. Die Chance ist da, und für das Team ist es ebenfalls eine wichtige Zeit."

In dieser Phase kann er lediglich abwarten. Das Team kennt seine Qualitäten. Jetzt muss das Team seine verschiedenen Optionen beurteilen.

"Das ist wohl so. Ich kenne das Team gut genug, ich bin jedes Wochenende dabei. Ich esse mittags und abends mit allen und mache alles, was ich auch normalerweise (als Pilot) tun würde. In der Garage sind alle tolle und bodenständige Kerle. Sie machen einen großartigen Job in dem Sport, den sie lieben. Ich mache momentan vielleicht nur den halben Job, den ich gerne machen würde!"

Ruhepol Familienleben

Paul di Resta ist ein anderer Mensch als 2013, als seine Beziehung zum Management von Force India teilweise unterkühlt war. Mit der Zeit und dem Zuwachs in seiner Familie hat er sich eine etwas entspanntere Einstellung im Job und im Leben insgesamt zugelegt. Wenn man sich mit der Karriere nach der Formel 1 beschäftigt, weiß ein Fahrer erst, wie glücklich er sich schätzen kann, dabei gewesen zu sein.

"Ich habe mich weiterentwickelt. Man entwickelt sich immer weiter, weil man älter und weiser wird. Ich hatte dort drei Jahre (in der Formel 1), und seitdem hat sich mein Leben stark verändert. Ich habe geheiratet und zwei Kinder bekommen. Das ändert aber nichts daran, wie ambitioniert ich in meinem Job bin. Ich glaube, dass sie auch vollstes Verständnis dafür haben."

"Besonders meine Frau. Als es passierte, war sie ruhiger als ich. Sie sagte: 'Du musst es einfach machen. Dein Bestes ist normalerweise gut genug Paul. Warum machst Du Dir also Sorgen? Schau einfach, wie es läuft. Du kannst dabei eigentlich nicht verlieren.'"

Freude über Lob von Toto Wolff

"Ich fühle mich noch immer jung. Mit meiner Familie habe ich natürlich auch viel Verantwortung auf meinen Schultern. Aber das ändert nichts daran, dass ich den Job erledigen will, den ich liebe. Sie stehen hinter allem, was ich getan habe und was ich tue. Ich versuche dafür, meine Zeit so einzuteilen, damit sie eine perfekte Balance bekommen."

Ungarn hat ihn außerdem bei anderen Teams auf die Liste als potenziellen dritten Fahrer gebracht. Mehrere Teams reisen ohne qualifizierten Ersatz zu den Rennwochenenden, und mit ein bisschen Geschick bei den Verhandlungen, könnte er theoretisch auch woanders fahren. Toto Wolff hat in Ungarn angedeutet, dass Mercedes jetzt weiß, wen man im Zweifelsfall anrufen kann.

"Ich weiß nicht, ob das so ist. Natürlich war es ein tolles Kompliment von Toto. Wir kennen uns bereits seit vielen Jahren, und ich habe seine ganze Reise miterlebt. Er hat auch meine Telefonnummer! Ich habe an nicht anderes gedacht als die Position, die momentan verfügbar ist. Die möchte ich haben. Der Rest ist momentan nur zweitrangig, nicht wahr?"

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