• 09. August 2017 · 15:38 Uhr

"Es reicht!": Wie die Fahrer unter den schweren Autos leiden

Durch Halo steigt das Gewicht der Formel-1-Boliden 2018 auf 733 Kilo: Wieso die Fahrer Alarm schlagen und wie schnell die Autos wären, hätten sie nicht so zugelegt

(Motorsport-Total.com) - Die Formel-1-Autos werden immer schwerer: Durch die Einführung des Cockpitschutzes Halo plant die FIA, für 2018 das Gewichtslimit um weitere fünf Kilogramm auf 733 Kilo anzuheben. Dabei wiegt der Ring aus Titan rund zehn Kilogramm, wodurch die Teams wie schon dieses Jahr Mühe haben werden, das Gewichtslimit zu erreichen. Für Lewis Hamilton ist all das eine Katastrophe. "Man kann Halo nicht ignorieren, wenn es die Sicherheit um 17 Prozent verbessert. Es sieht aber definitiv nicht gut aus und mich als Fahrer stört auch das zusätzliche Gewicht."

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Die Autos sind heute schwerfälliger als zu Fernando Alonsos Anfangszeiten Zoom Download

Die Autos seien bereits jetzt "viel zu schwer", klagt der dreimalige Weltmeister. Grund dafür sind die Hybridsysteme und die neuen Regeln, die die Autos breiter gemacht haben. "Ich hatte gehofft, dass wir das Gewicht irgendwie senken können. Aber so wird alles noch schwerer." Der Vergleich gibt Hamilton recht: Anfang der 1990er-Jahre wogen die Boliden noch 505 Kilogramm, allerdings ohne Fahrer. Um größere und damit schwerere Piloten nicht so stark zu benachteiligen, war der Pilot ab 1995 Teil des Minimalgewichts von 595 Kilogramm. Wegen der TV-Kameras wurde das Gewicht 1998 auf 605 Kilo angehoben, blieb aber dann bis 2010 stabil.

Doch warum sind die aktuellen Autos für die Piloten zu schwer? 'Motorsport-Total.com' fragte bei einem nach, der es wissen muss, weil er den direkten Vergleich hat: Robert Kubica. Der Pole absolvierte den Großteil seiner Karriere mit den leichten Formel-1-Autos, ehe er vor der Saison 2011 seinen schweren Rallye-Unfall hatte. In den vergangenen Monaten tastete er sich in einem 2012er-Auto (640 kg) wieder heran, ehe er zuletzt bei den Ungarn-Tests erstmals ein aktuelles Auto (728 kg) ausprobierte.

Kubicas Rallye-Vergleich

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Kubica fuhr beim Ungarn-Test erstmals die schweren Formel-1-Boliden Zoom Download

"Als ich das letzte so ein Auto gefahren bin, da hatte es inklusive mir 625 Kilo", blickt Kubica zurück. "Es macht einen großen Unterschied, 100 Kilo mehr um die Strecke zu führen." Die aktuellen Autos sind zwar die schnellsten aller Zeiten, aber sie sind auch schwerer als je zuvor. "Darüber spricht aber niemand, denn die Fahrer haben sich wahrscheinlich daran gewöhnt, weil das Gewicht alle zwei Jahre erhöht wurde", glaubt Kubica, der sich erst an das aktuelle Gewicht gewöhnen musste.

Und er bringt einen interessanten Vergleich aus seiner Rallye-Karriere in den vergangenen Jahren. "Wenn man bei einem Rallyeauto das Ersatzrad im Auto hat, das 20 Kilogramm wiegt, dann spürt man es. Und ein Rallyeauto wiegt 1.300 Kilo. Und jetzt überlegt euch, was 100 Kilo bei einem 600-Kilo-Auto ausmachen."

Wie sich das Gewicht auf das Fahrverhalten auswirkt

Einer, der die Auswirkungen auf das Fahrverhalten des Autos hervorragend beschreiben kann, ist Fernando Alonso. Der Spanier absolvierte 1999 seinen ersten Formel-1-Test und hat gab 2001 bei Minardi sein Formel-1-Renndebüt. "Das Auto reagiert heute langsamer und schwerfälliger als damals", steht für den McLaren-Star außer Zweifel. "Das zeigt sich bei den Bremswegen, beim Überfahren der Randsteine und bei der Reaktion des Autos."

"Die Autos sind rund 150 Kilo schwerer als 2003 und 2004. Und bei Rennbedingungen sind es sogar 250 Kilogramm."Fernando Alonso
Und er bringt einen weiteren Aspekt ein, der oft vergessen wird: die Spritmenge. Durch das Verbot der Tankstopps im Jahr 2010 wiegen die Autos unter Rennbedingungen sogar noch mehr. "Die Autos sind rund 150 Kilo schwerer als 2003 und 2004. Und bei Rennbedingungen sind es sogar 250 Kilogramm", rechnet Alonso. "Das macht einen großen Unterschied. Durch die Weiterentwicklung der Aerodynamik und die aktuellen Reifen haben wir den Nachteil bei der Rundenzeit in unterschiedlichen Bereichen wettgemacht."

Ohne Gewichtsanhebung um vier Sekunden schneller?

Ein interessanter Punkt. Denn nun drängt sich die Frage auf: Wie schnell wären die aktuellen Boliden eigentlich, wäre das Gewicht immer noch im Bereich von vor zehn Jahren? Der Unterschied würde wohl über vier Sekunden betragen. Im Qualifying zum Grand Prix von Österreich wäre damit die Bestzeit möglicherweise im Bereich von einer Minute gelegen, denn Valtteri Bottas kam dieses Jahr auf eine Bestzeit von 1:04,251 Minuten.

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Durch Halo wird das Gewicht 2018 weiter angehoben Zoom Download

Das würde einem "Vollgastier" wie Kimi Räikkönen, der ebenfalls seit 2001 dabei ist, gefallen. "Die Autos sind schneller als je zuvor, aber wir haben über die Jahre dermaßen an Gewicht zugelegt. Man kann sich also vorstellen, um wie viel diese Autos mit dem ursprünglichen Gewicht von über 600 Kilogramm sein würden", trauert er den verlorenen Sekunden nach.

Auch ihm wird der Unterschied zu seiner Anfangszeit bewusst, wenn er die aktuellen Autos im Qualifying und beim Rennstart vergleicht. "Wir fahren die Qualifying-Runde mit leerem Tank und tanken dann den Sprit für das Rennen ein", erklärt er. "Die Autos wirken langsamer und man sieht es auch anhand der Rundenzeiten. Das ist der einzige negative Aspekt des aktuellen Reglements. Die Autos lassen sich durch das Gewicht nicht so gut fahren. Aber was soll man machen? So steht es eben in den Regeln..."

Sainz fordert Maßnahmen von der FIA

Während Routinier Räikkönen also resignative Töne von sich gibt, fordert Toro-Rosso-Pilot Carlos Sainz Maßnahmen von der FIA, um einer weiteren Anhebung des Gewichts vorzubeugen. "Wir haben rund 150 Kilo zugelegt, seit Kimi dabei ist?", schüttelt der 22-Jährige ungläubig den Kopf. "Da kommt man auf ungefähr zehn Kilo pro Jahr. Ich finde, die Formel 1 muss eine Grenze ziehen, was das Gewicht eines Boliden angeht, ohne dabei die Fahrer zu beeinträchtigen."

"Die Formel 1 muss eine Grenze ziehen."Carlos Sainz
Worauf er damit anspielt? Ein niedrigeres Minimalgewicht könnte die Fahrer dazu zwingen abzumagern. So wie es Anfang der Saison zum Beispiel bei Force-India-Pilot Sergio Perez der Fall war. "Wir verdienen es nicht, wegen dieser Autos so schlank wie ein Radfahrer sein zu müssen", findet Sainz.

Doch einen Kampf um das Idealgewicht fürchtet Red-Bull-Teamchef Christian Horner gegenüber 'Sky Sports F1' an allen Fronten, wenn er an die kommende Saison denkt. "Halo kostet zehn Kilogramm, aber bereits dieses Jahr hatten alle Teams Probleme, das Gewichtslimit zu erreichen. Das bringt nun alle unter Druck, und es wird höllische Kosten verursachen, weitere zehn Kilo einzusparen."

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