• 01. Dezember 2015 · 13:34 Uhr

Red Bull & Mercedes: Ein Handschlag mit Folgen

Neue Hintergründe zum angeblichen Zerwürfnis zwischen Toto Wolff und Niki Lauda - Daimler-Chef Dieter Zetsche stellt sich hinter die beiden Österreicher

(Motorsport-Total.com) - Ein immer klareres Bild zeichnet sich Monate später über das Scheitern der Verhandlungen zwischen Red Bull und Mercedes bezüglich einer Motorenlieferung für 2016. Denn beim Saisonfinale der Formel 1 in Abu Dhabi verdichteten sich Indizien dafür, dass Mercedes gegenüber Red Bull entgegen bisheriger Darstellung tatsächlich signalisiert haben könnte, Motoren zu liefern.

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Niki Lauda und Helmut Marko pflegen seit vielen Jahren ein enges Verhältnis Zoom Download

Red-Bull-Teamchef Christian Horner bittet um Verständnis für die Enttäuschung von Dietrich Mateschitz über die aktuelle Situation in der Formel 1, die zu mehreren Ausstiegsdrohungen geführt hat: "Vereinbarungen, von denen er dachte, dass sie getroffen wurden, haben sich doch anders herausgestellt. Da entsteht unweigerlich Frust und man stellt unweigerlich die Teilnahme am Sport in Frage."

Bereits in der Teamchef-PK am Freitag hatte Horner ein Verschulden von Mercedes angedeutet. Aufgrund von Umständen, "die außerhalb unserer Kontrolle liegen", könne er derzeit nicht genau sagen, wie das Red-Bull-Programm in der Formel 1 2016 aussehen wird. Nachsatz: "Vielleicht kann es euch Toto sagen." Mercedes-Sportchef Toto Wolff, ebenfalls im Raum, verdutzt: "Kann ich?"

Was steckt hinter dem Handschlag?

Die Geschichte begann im Juli, als Red-Bull-intern die Entscheidung getroffen wurde, aufgrund der sportlichen Enttäuschungen ab 2016 trotz eines bestehenden Vertrags nicht mehr mit Renault zusammenzuarbeiten. Mercedes-Motoren sollten her, zur Not "getarnt" als Aston Martin. Es kam zu einem persönlichen Treffen zwischen Mateschitz und Mercedes-Boss Niki Lauda, bei dem die beiden Hände schüttelten. Mateschitz empfand das offenbar als Kooperationszusage.

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Dietrich Mateschitz war von einer Einigung mit Mercedes offenbar ausgegangen Zoom Download

Doch bei einem Mediengespräch am Rande des Grand Prix der USA in Austin, das eigentlich Ecclestone initiiert hatte und zu dem spontan auch Wolff und Lauda hereingebeten wurden (die dachten, sie kämen zu einem persönlichen Meeting mit dem Formel-1-Boss), stellte Mercedes das Treffen mit Mateschitz vor Journalisten anders dar. Ja, der Handschlag habe stattgefunden, doch Lauda habe sich damit nur verabschieden wollen. Als Signal einer Zusage sei das nicht gemeint gewesen.

Im Paddock in Abu Dhabi wurde die Situation von Insidern dann anders dargestellt. Lauda habe sehr wohl ein Signal einer Zusage geben wollen, war grundsätzlich dazu bereit, Red Bull 2016 Motoren zu liefern. Dagegen soll jedoch Wolff im Nachhinein gemeinsam mit dem Konzernvorstand sein Veto eingelegt haben, was Lauda gegenüber Mateschitz in Verlegenheit brachte - angeblich der Grund für ein ernstes Zerwürfnis zwischen Wolff und Lauda, von dem britische Tageszeitungen in Abu Dhabi berichteten.

Lauda bestätigt: Er wollte Red Bull beliefern

Wolff und Lauda reagierten auf diese Gerüchte mit Humor und gingen demonstrativ händchenhaltend durch den Paddock, um Geschlossenheit zu symbolisieren. "Einige der Gerüchte, die am Wochenende verbreitet wurden, waren fast lächerlich, sodass wir fanden, wir sollten darauf mit einem genauso lächerlichen Foto reagieren", erklärt Wolff am Rande der Petronas-WM-Feier in Kuala Lumpur im Interview mit 'Motorsport-Total.com'.

Fast gleichzeitig erschien in der 'Welt am Sonntag' ein Interview mit Lauda, in dem der Österreicher sagt: "Dass ein konkurrenzfähiges Team wie Red Bull keinen Formel-1-Motor findet, ist ein Treppenwitz. Dass Mercedes ihnen keinen Motor geliefert hat, war nicht meine Idee. Es ist ungeschickt und entspricht nicht meinem Konkurrenzdenken, nach dem jeder im Sport jeden besiegen sollte und muss. Aber es gab und gibt andere Meinungen. Das habe ich akzeptiert."

Wolff dementiert Gerüchte um Zwist mit Lauda

Ein Zitat, das die Paddock-Theorie stützt: Lauda (ein zumindest guter persönlicher Bekannter von Red-Bull-Motorsportkonsulent Helmut Marko) wollte, Wolff nicht. Letzterer will das aber so nicht stehen lassen: "Die Niki-Story ist Blödsinn. In jeder erfolgreichen Organisation gibt es immer unterschiedliche Standpunkte und Ansichten. Unterm Strich verfolgen wir das gleiche Ziel, nämlich das Team so erfolgreich wie möglich zu machen."

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Die Mercedes-Bosse Dieter Zetsche und Thomas Weber in Abu Dhabi in der Box Zoom Download

Dass es den Handschlag beim Treffen zwischen Mateschitz und Lauda gegeben hat, hat Wolff nie bestritten. Die Bedeutung des Handschlags sieht er aber anders, als die Red-Bull-Seite das jetzt darstellt: "Meines Wissens hat Niki nicht über einen Deal die Hände geschüttelt. Das ist nicht die Art und Weise, wie man so etwas machen würde." Und er betont: "Wir sind nie in richtige Vertragsverhandlungen eingetreten."

Über die Belieferung eines weiteren Teams können die beiden Österreicher ohnehin nicht autonom entscheiden, sondern sie müssen den Daimler-Konzern einbinden. Konzernchef Dieter Zetsche räumt ein, dass es in diesem Zusammenhang intern abweichende Standpunkte gab: "Dass man sich in Sachthemen manchmal aus unterschiedlichen Startpositionen hineinbegibt und am Ende zu einer gemeinsamen Position findet, ist ganz normal und ganz klar."

Zetsche stellt sich hinter das Teammanagement

"Natürlich sind das Themen, über die wir uns miteinander abstimmen, aber sicherlich hat zu keinem Zeitpunkt die Zukunft der Zusammenarbeit in Frage gestanden", wischt er gegenüber 'Sky' Gerüchte über einen Lauda-Ausstieg vom Tisch. "Ein besseres Team als wir hier haben, kann man sich überhaupt nicht vorstellen, und wir wären ja mit dem Klammersack gepudert, wenn wir das in Frage stellen würden."

"Die beiden zusammen sind das Beste, was einem Rennteam passieren kann."Dieter Zetsche
Der Zeitpunkt für einen Lauda-Ausstieg (er hält zehn Prozent am Mercedes-Team, Wolff 30) wäre günstig: Sportlich lassen sich die vergangenen beiden Jahre nicht mehr überbieten, und auch der Wert seiner Anteile ist vermutlich auf dem Höhepunkt. Doch seitens des Daimler-Konzerns besteht offenbar kein Wunsch nach Veränderung: "Die beiden zusammen sind das Beste, was einem Rennteam passieren kann", beteuert Zetsche.

Red Bull steht indes immer noch ohne verbindliche Motorenzusage da. Die wahrscheinlichste Variante ist ein Renault-Antrieb unter der Markenbezeichnung Nissan. Aber auch das ist ein Politikum. Rein technisch gesehen läuft dem Team die Zeit davon: "Wir haben vier verschiedene Varianten designt. Unweigerlich bedeutet das einen kleinen Rückstand", räumt Horner ein, ergänzt aber, dass das stabil bleibende Reglement in diesem Zusammenhang hilfreich sei.

Wolff begründet Absage an Red Bull

Auf Mercedes-Seite fühlt man sich für die prekäre Situation, in der sich Red Bull jetzt befindet, nicht verantwortlich: "Wir haben sehr lange darauf gewartet, da hinzukommen, wo wir jetzt stehen. In normalen Jahren ist die Formel 1 ein Sport der marginalen Abstände. Wir haben viele Jahre hart gearbeitet und Frust über uns ergehen lassen. Es ist ja nicht nur die Antriebseinheit, es sind auch die Entwicklungen rundherum, die Interaktion mit dem Auto, es ist die Kühlung, die Elektronik, die Hydraulik."


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"Es ist so viel geistiges Eigentum reingeflossen, dass wir fanden, wir wollen das nicht jemandem geben, der entschieden hat, dass seine Antriebseinheit und seine Partnerschaft nicht mehr die beste war, der aber die beste haben möchte. Es kam fast so rüber, als hätten sie das Recht auf die beste Antriebseinheit, aber so arbeitet Mercedes nicht. Was wir haben, haben wir entwickelt, als die Antriebseinheit nicht ganz oben stand, nämlich 2010, 2011, 2012, 2013. Aber wir haben es einfach gemacht", sagt Wolff.

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