Claire Williams über die Legende: Frank wird nicht Dad genannt
Claire Williams erklärt, weswegen es Formel-1-Teams bei der Sponsorensuche heutzutage schwer haben und weswegen sie Ikone Williams Frank nennt
(Motorsport-Total.com) - In den 1990ern war es normal, Aufnahmen von Frank Williams zu sehen, bei denen der Team-Zampano kritisch das Geschehen auf der Strecke verfolgte. Die Miene verzieht der Brite auch heute noch so selten, dass man den Eindruck hat, dass er in seinem eigenen Formel-1-Team über den Dingen steht. 2015 scheint seine Rolle etwas verändert zu sein. In Detailfragen behält er im Team allerdings nach wie vor die Oberhand. (zu Frank Williams' Lebenswerk)
"Ich denke, dass sich die Stelle des Teamchefs im traditionellen Sinne verändert hat. Man hatte diese eine Ikone im Team, die der Anfang und das Ende von allem war", wirft Tochter Claire Williams einen Blick auf das Geschäft ihres Vaters vor 20 Jahren: "Das hat sich geändert im Zuge der anderen Dimension des Formel-1-Geschäfts und dessen, wo die Teams sich heute finanziell bewegen. Ich denke nicht, dass eine einzige Person ein Formel-1-Team leiten kann. Man braucht eine starke Managementgruppe um sich herum, ob im Vorstand, in der Geschäftsführung oder in anderen leitenden Positionen."
Kaum noch Hauptsponsoren für kleine Teams
"Auch muss man über die politische Landschaft einen anderen Überblick behalten", sinniert die Stellvertretende Teamchefin über einen Sport, der von Jahr zu Jahr teurer wird und der mit einer veränderten Medienlandschaft kämpfen muss, die es Teams zudem noch schwieriger macht, neue Geldquellen zu erschließen: "Ich denke, dass die geschäftliche Herausforderung für den Teamchef schwieriger geworden ist, vor allem weiter hinten in der Startaufstellung."
"Dort versuchen sie, ihre Verantwortung gegenüber Geldgebern zu bedienen. Man steht vor einer finanziellen Herausforderung, wenn man sich das Sponsorenumfeld anschaut. Das betrifft uns alle. Die Tage, in denen man einen Titelsponsor hatte, sind längst vorbei. Heutzutage gibt es nicht so eine große Menge an Sponsoren, die die Formel-1-Teams erreichen können. Ich erinnere mich an die Tage mit BMW und HP, die zehn-Millionen-Beträge um zehn-Millionen-Beträge gezahlt haben. Von solchen Zahlen träumst du heute."
Neue Kommunikationswege als Werbeflächen
Die indirekte Frage beantwortet sich die 39-Jährige selbst: "Während der letzten zwanzig Jahre hat sich das Level, auf dem man um Sponsorengelder streitet, signifikant erhöht. Es gibt so viele unterschiedliche Möglichkeiten die den Unternehmen zugänglich sind, um ihren Namen zu bewerben. Es gibt Möglichkeiten die genauso effektiv und günstiger sind."
Es ist "seltsam, ihn Dad zu nennen"
Um im harten Sponsorengeschäft den Überblick zu behalten, wurde Claire 2012 als Leiterin der Marketing-Abteilung in das Familienunternehmen integriert, stieg ein Jahr später zur Stellvertretenden Teamchefin auf. Zuvor sammelte sie Erfahrung als Pressesprecherin des Grand-Prix-Kurses von Silverstone. Seit sie beim Formel-1-Team ist, tituliert sie ihren Vater anders als bisher.
An der Spitze steht Frank
Frank, der 1999 von der Queen zum Ritter geschlagen wurde, steht immer noch an der Spitze des Teams, aber: "Der Vorstand ist sehr klein und wir leiten dieses Team zusammen. Wie ich bereits gesagt habe: Es ist nicht so, dass nur eine Person das Team leitet. Mike O'Driscoll, Pat (Symonds; Anm. d. Red.) sowie ich arbeiteten sehr eng zusammen. Und dann gibt es unser Exekutivorgan, das sich um IT und personelle Angelegenheiten kümmert", schildert Claire die teaminternen Arbeitsabläufe.
"Frank ist auf einer Art höheren Ebene involviert und alles geht zu ihm hoch, damit er zustimmt. Doch es ist nicht der Fall, dass ich mit allem zu ihm kommen muss und das 'Ja' oder 'Nein' abwarte. So funktioniert es nicht, da er uns sehr viel Raum bei allem gibt." Doch der Input ihres Vaters ist ihr wichtig: "Es kommt vor, dass ich mit ihm über etwas spreche und die Sache nicht so betrachtet habe, wie er das tut."
Fotostrecke: Die Williams-Story
Auf geht's ins Abenteuer Formel 1: Nach zwei erfolglosen Anläufen in der Königsklasse gründen Frank Williams (70 Prozent) und Patrick Head (30 Prozent) ihr eigenes Team. Mit einem March-Chassis steigt man beim Grand Prix von Spanien in die Weltmeisterschaft ein. Fotostrecke
"Manchmal ist es so, dass man denkt, dass alles wasserdicht durchdacht ist, wenn man mit etwas auf ihn zukommt. Dann kommt er mit etwas, woran man schlicht nicht gedacht hat. Dinge, die so erdrückend banal und doch so effektiv sind - wo auch immer das Problem liegt. Jeder weiß, wie brillant Frank und dass er eine Ikone ist. In Verhandlungen kann er gnadenlos sein. Es ist großartig, für ihn zu arbeiten", so Claire Williams über ihren Vater, dessen Team es in der Geschichte der Königsklasse auf neun Konstrukteurs- und sieben Fahrertitel gebracht hat.