• 01. September 2015 · 18:01 Uhr

Frag Gary Anderson: Mercedes sollte Red Bull Motoren geben

Mercedes kann die eigene Stärke beweisen, wenn man Red Bull mit Antrieben beliefert - Außerdem beleuchtet Gary Anderson geschlossene Cockpits

(Motorsport-Total.com) - Warum sollte Mercedes Konkurrent Red Bull mit Antrieben beliefern? Sollte die Formel 1 geschlossene Cockpits und verkleidete Räder einführen? Sind die großen Kommandostände an der Boxenmauer übertrieben? Mit diesen und anderen Fragen beschäftigt sich Ex-Technikchef Gary Anderson in dieser Woche und steht den Fans Rede und Antwort. Außerdem geht er der Frage nach, warum manchmal Formel-1-Autos "hässlich" sein können.

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Ex-Designer Gary Anderson erklärt Fans die Welt der Formel 1 Zoom Download


Martin Clapham (Twitter): "Wenn du in einer leitenden Position bei Mercedes wärst, würdest du Red Bull mit Antrieben beliefern?"
Gary Anderson: "Ja das würde ich und ich hoffe, dass Mercedes Red Bull mit Motoren ausstatten wird. Wenn man Vertrauen in sich selbst hat, dann ist man erfolgreich, wenn man die Besten besiegen kann. Wenn Red Bull mit Mercedes-Antrieben fährt, dann geht es gegen den besten Chassis-Hersteller der vergangenen zehn Jahre. Wenn man dann Red Bull schlagen und man es nicht auf einen schwachen Motor schieben kann, dann würde ich dafür sein."

"Könnte man Red Bull nicht besiegen, dann müsste man reagieren. Das kann nur dafür sorgen, dass man für die Zukunft besser wird. McLaren hatte im Vorjahr Mercedes-Motorren und Mercedes hat sie in Grund und Boden gefahren. Williams, Force India und Lotus haben nicht die Infrastruktur und auch nicht das Budget, um Mercedes herausfordern zu können. Williams zeigt eine super Leistung, aber sie sind nicht konstant genug. Wenn Mercedes Red Bull mit Antrieben beliefert, dann können sie zeigen, dass sie die Besten sind."


Fotos: Großer Preis von Belgien


Markus Arnsten (Facebook): "Warum gab es in den vergangenen sechs, sieben Jahren vermehrt Unfälle, bei denen Fahrer von Teilen am Helm getroffen wurden? Liegt es an den leichteren Teilen und weil Karbon in viele Kleinteile zerbrechen kann? Früher waren es Reifen, aber diese sind mittlerweile fixiert."
Anderson: "Markus, ich glaube nicht, dass es in den vergangenen Jahren schlimmer geworden ist. Mark Donohue ist vor 40 Jahren an Kopfverletzungen gestorben. Als ich 1973 in der Formel 1 angefangen habe, waren tödliche Unfälle an der Tagesordnung, man hat das erwartet."

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Der Unfall von Justin Wilson hat die Frage nach geschlossenen Cockpits angeheizt Zoom Download

"Wir haben in den vergangenen Jahren viele Fahrer wegen Kopfverletzungen verloren: Donohue, Helmuth Koinigg, Tom Pryce, Ayrton Senna, Henry Surtees, Markus Höttinger, Roland Ratzenberger, Marco Campos, Greg Moore und Jeff Krosnoff waren unter den Opfern. Jetzt hat es Justin Wilson erwischt."

"Das waren alles sehr kompetente Fahrer, die schwer am Kopf verletzt wurden. Dazu gibt es auch viele Fahrer, die sich schwer verletzt hatten. Felipe Massa wurde von einer Feder am Kopf getroffen, Christiano da Matta kollidierte damals in Road America mit einem Hirsch. In der Formel 1 wird mit freistehenden Rädern und offenem Cockpit gefahren. Die Strukturen des Chassis wurden immer stabiler, sie können enormen Kräften standhalten. Aber der Kopf, der verletzlichste Teil des Körpers, ragt immer noch oben aus der Überlebenszelle heraus."

"Solange in der Formel 1 daran festgehalten wird, dass das Cockpit offen bleibt, werden solche Unfälle passieren. Frustrierend finde ich, dass die Fahrer nach Konsequenzen fordern, aber gleichzeitig sagen, sie hätten Angst im Cockpit gefangen zu sein. Sehen wir uns die Langstrecken-WM an. Es gibt offene und geschlossene Cockpits. Mark Webber und Nico Hülkenberg sind die geschlossenen Autos gefahren und hatte keine Angst, darin gefangen zu werden."

"Muss etwas getan werden, um das Risiko von Kopfverletzungen zu minimieren? Die Antwort ist ja. Kann es bewerkstelligt werden? Auch diese Antwort lautet ja. Aber egal was unternommen wird, man wird das Risiko von Kopfverletzungen nie ausschließen können. Ein Beispiel dafür ist der Unfall von Jules Bianchi. Bei ihm war es vor allem die Hirnverletzung, die durch die massive Verzögerung entstanden ist."


Rob Harland (E-Mail): "Wie siehst du eine standardisierte Sicherheitszelle für die Formel 1? Das könnte die Kosten reduzieren und auch für andere Formel-Serien angewendet werden."
Anderson: "Das ist eine gute Idee, weil es den Teams viel Geld sparen würde. Es gibt bereits Standardvorschreibungen für den seitlichen Aufprallschutz. Ich habe mich auch lange für einen Standardschutz für vorne und hinten ausgesprochen."

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Eine standardisierte Sicherheitszelle würde den Teams viel Geld kosten Zoom Download

"Alle Teams entwickeln ihr eigenes Design und stehen dann vor dem Druck, die individuellen Crashtests zu bestehen. Das ist sehr teuer, denn man kann ein Chassis im Wert von rund 200.000 Euro verlieren. In der Vergangenheit gab es im Reglement eine Lücke, aber das ist derzeit nicht der Fall. Wenn man die 3D-Modelle der Teams zusammenlegen würde, käme man auf ein definitives Einheitschassis."

"Zusätzlich zu den Crashstrukturen vorne, hinten und von der Seite könnten die Teams dann ihr eigenes Bodywork entwickeln, um eine eigenständige Aerodynamik zu erhalten. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das nicht gegen die Formel sprechen würde. Das würde ich persönlich viel lieber sehen als Kundenautos. Wir können uns aber sicher sein, dass so ein sensibles Thema nie passieren wird."

Sollte man freistehende Räder verkleiden?

Jim Holden (E-Mail): "Warum ist die Formel 1 so emotionell mit freistehenden Rädern verbunden? Würde man die Reifen verkleiden, wären die Autos sicherer. Man scheint sich schon in Richtung geschlossener Cockpits zu bewegen. Warum verkleidet man auch nicht gleich die Reifen? Das würde die komplexen Frontflügel auch überflüssig machen."
Anderson: "Die Frage nach dem offenen Cockpit habe ich weiter oben ausführlich beantwortet. Die Frage nach den freistehenden Rädern ist mehr eine philosophische Debatte. Nicht nur die Formel 1 fährt damit. Wir können die Formel 1 nicht isoliert betrachten und verändern, während man alle anderen Serien belässt. Die Sicherheit muss in allen Rennserien betrachtet werden."

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Der Mercedes W196 aus dem Jahr 1954 mit verkleideten Rädern Zoom Download

"Schon in den Einstiegsklassen sind Autos mit freistehenden Rädern die Norm. Wenn man die Reifen verkleidet, würde man das Risiko minimieren, dass sich zwei Autos mit den Rädern verhaken. Wenn man das aber in allen Serien macht, würde es die Formel 1 nicht mehr geben und man hätte eine Karriereleiter für die verschiedenen LMP-Autos."


Bas van der Wiel (Twitter): "Laut Lotus brach bei Pastor Maldonado die Kupplungskontrolle in Raidillon, aber dort gibt es keine hohen Randsteine. Wie ist das möglich?"
Anderson: "Ich bin mir sicher, dass man in Raidillon etwas finden würde, dass Pastor Maldonado treffen hätte können. Es könnte auch weit neben der Ideallinie sein, aber irgendwo muss es sein. Ernsthaft: Lotus sagt, dass es einen vertikalen Druck von 17g gab. Dadurch versagte irgendetwas bei der Kupplungskontrolle. Die große Frage ist, muss diese Komponente bei diesen Kräften ausfallen?"

"Es waren hohe Kräfte, aber ich habe das auch schon in der Vergangenheit gesehen. Abgesehen von kleinen Schäden am Chassis, oder dass einem Fahrer eine Zahnfüllung herausgefallen ist, war das Auto in Ordnung. Ich bin mir sicher, dass sich Lotus für die Zukunft darum kümmern wird. Man lernt immer etwas, wenn das Auto die Garage verlässt."

Datenaustausch mit Fabrik sollte verboten werden

Fik Geuens (Facebook): "Ist es wirklich notwendig, dass die Teams ein riesiges Kontrollzentrum an der Boxenmauer haben?"
Anderson: "Aus meiner Sicht sollte das so bleiben. Dafür sollte man es meiner Meinung nach reduzieren oder eliminieren, dass die Teams Daten an die Fabrik senden. Dann erhalten sie von der Fabrik Vorschläge für die Abstimmung oder die Boxenstopps. Wenn man Teil eines Rennstalls ist, ist es wie ein großer Kampf. Man muss alle Eventualitäten abgedeckt haben, bevor es losgeht. Man muss dann auch für alles vorbereitet sein."

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Die wichtigsten Entscheidungen sollten direkt an der Strecke getroffen werden Zoom Download

"Darüber nachzudenken und etwas aus dem Hut zu zaubern, ist die Befriedigung im Rennsport. Zumindest sollte es darum gehen. Wenn eine Gruppe an Leuten in einem klimatisierten Raum in der Fabrik sitzt, ist das für mich kein Rennsport. Einer der letzten Siege eines meiner Autos fand in Brasilien 2003 bei schrecklichen Wetterbedingungen statt."

"Als das Rennen begann, waren wir komplett durchnässt und ärgerten uns. Trotzdem hat jeder seinen Job gemacht, als wären wir in einem sonnigen Paradies. Das nenne ich gutes Teamwork. Wenn wir damals in der Fabrik Leute gehabt hätten, die trocken waren und einen Kaffee in den Händen hielten, hätten wir das Rennen nicht gewonnen. Man muss vor Ort sein und Entscheidungen treffen, wenn der Regen zunimmt oder nachlässt."


Niall O'Toole (Facebook): "Wird es in der Formel 1 wieder so ein schönes Auto wie den Jordan 191 geben?"
Anderson: "Ich hoffe nicht! Nur ein Scherz... Ich denke, die Schönheit eines Auto muss man anhand des Reglements beurteilen. Die Performance ist die oberste Priorität bei einem Design. Persönlich wollte ich aber nie ein Auto deswegen hässlich bauen. Das Reglement und wie man das Optimum aus dem Reglement herausholt, bestimmt das Aussehen des Autos. Als die Stufe in der Nase beschlossen wurde, warnten einige Teams die FIA, dass die Autos hässlich aussehen werden. Es wurde aber nichts dagegen unternommen."

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In den USA sind die sogenannten "Jet Drier" regelmäßig im Einsatz Zoom Download

@Dan1Ra1kkonen (Twitter): "Würdest du wie in der NASCAR Turbinen verwenden, um eine nasse Strecke zu trocknen?"
Anderson: "NASCAR ist ganz anders als die Formel 1. Die meisten Rennen finden auf Ovalen statt. Dort wird nur mit Slicks gefahren, also ist eine trockene Strecke essenziell. Selbst bei einem leichten Regenschauer können sie nicht fahren. Auf Rundkursen fahren auch sie im Nassen. Da sie aber diese Autos mit Turbinen haben, verwenden sie sie dort auch."

"Die Formel 1 ist komplett anders und die meisten Strecken entsprechen den besten Standards. Es sollte exzellente Drainage-Systeme geben. Wenn nicht, dann gibt es die Regenreifen und die Intermediates. Sie sollten mit den meisten Bedingungen zurechtkommen. Im Fernen Osten gibt es oft starke Regenfälle, die ein Rennen unterbrechen können. Ich bezweifle aber, dass diese Turbinen bei solchen Umständen einen Einfluss hätten."

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