• 28. August 2015 · 17:05 Uhr

Weg zur Formel-1-Revolution: Viel Kabale, wenig Liebe

Bezüglich vereinfachtem Überholen herrscht Uneinigkeit, kleine Teams fühlen sich benachteiligt - Ein CFD-Freifahrtschein der FIA wird daran nichts ändern

(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 bereitet sich auf eine große Regelnovelle vor - mal wieder. Zur Saison 2017 soll die Königsklasse optisch spektakulärer und fahrerisch anspruchsvoller werden. Allerdings ist der Weg dorthin mit Fallstricken gespickt und von unterschiedlichsten Interessen bestimmt. Nur in einem Punkt scheinen alle einig: Überholen soll einfacher werden. Nur wie? Die Vorschläge reichen von einer Erhöhung des Abtriebs bis hin zur Rückkehr des aus den Siebzigerjahren bekannten Ground Effects.

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Neustart für die Formel 1: Fraglich nur, in welche Richtung die Szene dabei abdriftet Zoom Download

Ob genutzte Strömung unter dem Unterboden und mehr Anpressdruck das richtige Mittel in Sachen Action sind, will Felipe Massa nicht bewerten. Der Williams-Pilot fordert aber: "Für mich ist es das Wichtigste, klug vorzugehen. Wenn der Ground Effect hilft, den Abtrieb hinter einem Auto nicht zu verlieren, ist das schön und gut. Aber das müssen wir zunächst überprüfen", warnt der Brasilianer vor einem Bumerang und wittert Klagen über eine Verschlimmbesserung: "Sonst können wir uns das gleich sparen."

Das Gegenmodell, eine vereinfachte Aerodynamik, um die so genannte "Dirty Air" zu reduzieren, betrachtet Chrisitan Horner nicht als Schlüssel zu mehr Action auf der Strecke. "Ich bin mir nicht sicher, ob das sinnvoll wäre", überlegt der Red-Bull-Teamchef und führt technisch simplere, aber mit gleichen Problemen kämpfende Nachwuchsklassen GP2 und GP3 an. "Das größere Problem ist der mechanische Grip. Wenn es mehr Reifenabbau gibt, dann wird es auch abwechslungsreicher und interessanter."

Dank Strategiegruppe: Große Teams schon jetzt im Vorteil?

Egal, was mit der Formel 1 2017 geschehen soll: Monisha Kaltenborn wünscht sich Klarheit über die Maßnahmen. "Eigentlich ist der Stichtag für die Ausformulierung schon vorbei", beklagt sie, dass Regeln weiter diskutiert statt festgezurrt werden, zumal ihre Sauber-Mannschaft bei der Entscheidungsfindung nur eingeschränkt mitwirken kann: "Wir wollen, dass alle den gleichen Zeitraum bekommen, sich mit den neuen Regeln auseinanderzusetzen und sie zu analysieren", so Kaltenborn.


Fotostrecke: Die zehn denkwürdigsten F1-Regeländerungen

Das sei nicht der Fall, wenn die Teams, die in der Strategiegruppe vertreten sind, mehr Daten zur Verfügung hätten. Sie könnten ihre Ideen einbringen und seien direkt am Findungsprozess beteiligt. "Wir sind außen vor und haben einen Nachteil", ärgert sich Kaltenborn und erkennt nicht, dass die Großen auf einen Nenner kämen. "Wenn man sich nicht einigen kann, braucht man eine unabhängige Stelle, die entscheidet. Damit würde man verhindern, dass jeder versucht, seine Interessen durchzusetzen, wie es seit vielen Jahren der Fall ist. Wer gut ist, will Stabilität, wer schlecht ist, will einen Neuanfang samt damit verbundener Chancen", schüttelt sie den Kopf.

FIA erlaubt mehr Freiheiten an Supercomputern

Auch Horner wünscht sich zügig Klarheit: "Es ist wichtig, dass wir die Regeln für das Chassis bald absegnen. Hoffentlich nivelliert das die Unterschiede zwischen den Antriebslieferanten." Geplant sind breitere Front- und Heckflügel, auch die Reifen werden breiter. Mehr Abtrieb soll dadurch generiert werden, dass der Unterboden am Heck abgesenkt wird. Auch über eine Rückkehr des so genannten "Beam Wing" über dem Diffusor wird nachgedacht. Es ist eine große Zäsur, die für viele überraschend kommt.

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Charlie Whiting sitzt zwischen den Stühlen: Er muss in Regelfragen vermitteln Zoom Download

Bei der FIA scheinen Bedenken angekommen. Denn der Automobil-Weltverband will mehr Freiheiten einräumen, wenn es um die durch das Reglement beschränkte Arbeit mit den CFD-Supercomputern geht. "Wir haben die Teams mit einer Art Amnestie ausgestattet, um sich das Aerodynamikkonzept genauer anzusehen. Wir warten nur noch darauf, dass Pirelli uns vernünftige Einschätzungen des Grips auf der neuen Reifengröße zur Verfügung stellt", erklärt Charlie Whiting gegenüber 'Autosport'.

Der FIA-Rennleiter will bis Anfang Oktober die Ergebnisse gemeinsam mit den Teams auswerten. "Das ist der nächste Meilenstein", sagt Whiting und ist sich offenbar darüber im Klaren, dass auch dieses Manöver die Mannschaften bevorzugt, die über mehr Geld, größere Anlagen und mehr Personal verfügen. "Wir haben ihnen zusätzliche Zeit eingeräumt. Ob es die Kapazitäten dafür gibt, variiert von Team zu Team", so Whiting. Somit gehört Sauber nicht zu den Gewinnern der neuen CFD-Freiheit.

Falsches Image: Braucht es mehr Liebesbekundungen?

Weniger kritisch betrachtet der Brite Bedenken, die wegen der Überholmanöver geäußert werden. Er will auf den bisherigen Errungenschaften aufbauen und den umklappbaren Heckflügel zum Ausgleich nutzen - etwa, indem die dafür vorgesehenen Zonen verlängert werden. "Sollte es - wie einige Leute glauben - schwieriger werden, hinter einem anderen Auto herzufahren, dann können wir noch immer noch die Wirkung des DRS verstärken. Ich sehe da kein größeres Problem", meint Whiting.

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Vorbild WEC: Der Weg zu mehr Spaß am Lenkrad und einer besseren Formel 1? Zoom Download

Einen anderen Ansatz vertritt Pascal Vasselon. Der Toyota-Motorsportchef macht die Einstellung der Aktiven zu ihrem Job für die Probleme verantwortlich. "Ich glaube, der maßgebliche Grund für mangelndes Interesse an der Formel 1 ist fehlende Liebe der Fahrer selbst ist", erklärt der Franzose 'Motorsport.com' und vermisst lobende Worte für die Arbeit am Volant. "Wenn die neuen Regeln den Spaß zurückbringen, dann werden ihre Aussagen ganz anders aussehen und vieles wird sich ändern."

Als Beleg für seine These führt er Erfahrungen in der Langstrecken-WM (WEC) an, in der sich zahlreiche Ex-Formel-1-Piloten in LMP1-Boliden messen und dabei nicht ständig auf Sprit- oder Reifenverschleiß achten müssen. "Das ist das komplette Gegenteil von dem, was in der Formel 1 zu tun ist", so Vasselon, der eine Kehrtwende in der Regelpolitik erkennt: Autos sollen nicht langsamer gemacht werden, um das Überholen zu vereinfachen, sondern wieder schneller.

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