• 04. Juli 2015 · 03:20 Uhr

55. Geburtstag: Erinnerungen an Roland Ratzenberger

Interview mit Rudolf Ratzenberger, dem Vater von Roland: Wie er den Tod seines Sohnes live im TV erleben musste und warum er nie nach Schuldigen gesucht hat

(Motorsport-Total.com) - Es ist der 30. April 1994, ein warmer Frühlingstag im Salzburger Land. Rudolf Ratzenberger, 60, Beamter bei der österreichischen Pensionsversicherungsanstalt, und seine Ehefrau Margit kommen gerade frisch aus ihrem Mexiko-Urlaub zurück. Ratzenberger spürt den Jetlag, legt sich ins Schlafzimmer und schaltet den Fernseher ein, den man entweder in Richtung Ess- oder in Richtung Schlafzimmer drehen kann.

Ratzenberger ist kein besonders motorsportbegeisterter Mensch, interessiert sich eher für Kommunalpolitik und da insbesondere für Jugendarbeit, ist sehr engagiert in der sozialdemokratischen Partei. Aber er bleibt bei Eurosport hängen, wo gerade das Formel-1-Qualifying gezeigt wird. Sein Sohn Roland ist Rennfahrer - und hat erst vor ein paar Monaten seiner Ehefrau Margit am Telefon erklärt: "Mama, ich bin jetzt in der Formel 1. Mach dir keine Sorgen, das ist die sicherste Rennserie."

Der 300-km/h-Abflug in der Villeneuve-Kurve wird nicht live von den TV-Kameras übertragen, aber das Replay lässt keine Zweifel: Roland Ratzenberger verliert bei der Anfahrt zur Kurve den Frontflügel, ist von da an nur noch Passagier, kracht in die Betonmauer. Als sein violetter Simtek mit MTV-Logo langsam austrudelt und der Kopf nur noch durch die Bewegungen des Fahrzeugs im Cockpit herumtaumelt, ist fast allen sofort klar: Der Formel 1 sind nach mehr als zehn Jahren die Schutzengel ausgegangen.

Todeskampf während der Werbepause

Die Kommentatoren bei Eurosport, Allard Kalff und John Watson, begreifen das offenbar noch nicht. Während die Rettungskräfte um Ratzenbergers Leben kämpfen und versuchen, diesen zu reanimieren, muss Rudolf Ratzenberger zu Hause in Salzburg den pietätlosen Satz hören: "We're gonna have a break here on Eurosport, and we'll be back shortly with hopefully more action from the Imola circuit for second qualifying for the San Marino Grand Prix." Dann geht's erst mal in die Werbepause.

"Ich habe das Englisch zum Glück nicht so verstanden", sagt Ratzenberger, inzwischen 82 Jahre alt und in Rente, heute. Er spricht gern über Roland, seinen Sohn, gab nach dem schwarzen Wochenende von Imola dutzende Interviews, saß sogar bei Günther Jauch in stern TV. Als wir uns zum Interview verabreden, eingefädelt von einem gemeinsamen Bekannten, dem früheren Senna-Physio Josef Leberer, sagt er am Telefon sofort zu: "Wissen Sie, Herr Nimmervoll, ich habe ein Anliegen. Die Menschen sollen den Roland nicht vergessen."

Rudolf Ratzenberger genießt den Ausblick in Graz, als wir telefonieren, er ist zu Besuch bei einer seiner beiden Töchter, den jüngeren Schwestern von Roland. Er erzählt, dass er inzwischen sechs Enkelkinder hat, und wir möchten beide, dass wir uns persönlich kennenlernen. Leider bleibt dafür vor der Veröffentlichung dieses Artikels keine Zeit mehr. Wir einigen uns darauf, dass alle Fragen gestellt werden dürfen, aber nicht zwangsläufig alle beantwortet werden, sollten diese in einen zu persönlichen Bereich eindringen.


Imola 1994: Erinnerungen an Roland Ratzenberger

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26 Jahre danach: Weggefährten wie Gerhard Berger und Karl Wendlinger erinnern sich an das fatale Wochenende in Imola und Roland Ratzenberger Weitere Formel-1-Videos

Doch so weit kommt es nicht. Ratzenberger sen. sagt von sich selbst, dass er "einen sachlichen Umgang" mit dem gefunden hat, was vor 21 Jahren passiert ist. Es muss bizarr sein, sage ich, mit jemandem über den Tod des eigenen Sohnes zu sprechen, den man nie zuvor gesehen hat. "Ich habe damit kein Problem", entgegnet Ratzenberger. "Für meine Frau war und ist das schwieriger. Mein Anliegen war immer, das Andenken an Roland wach zu halten, wenn jemand an mich herangetreten ist. Ich habe dafür keinen Psychiater gebraucht, um seinen Tod zu bewältigen."

Dabei wäre es nur allzu menschlich gewesen, hätte er in jenem April 1994 ein schweres Trauma erlitten. "Ich habe den Unfall mehr oder weniger live miterlebt. Als Roland aus der Kurve rauskam und der Kopf nur noch mit dem Wrack mitging, habe ich gewusst: Es ist aus. Das war mir sofort klar", erinnert er sich. "Meine Frau war in der Küche. Wie sage ich ihr das jetzt? Ich wollte das nicht gleich machen, aber dann kam die Meldung schon im österreichischen Rundfunk, und da hat sie es auch mitbekommen."

Kritik an der Formel 1: "Mörder in der Manege"

In den nächsten Tagen und Wochen dominiert das schwarze Wochenende von Imola die Medienberichterstattung. Niki Lauda muss im "heißen Stuhl" von RTL unter anderem der Grünen-Politikerin Jutta Ditfurth erklären, warum die Formel 1 zwar gefährlich ist, sich dort aber nicht nur "Mörder in der Manage" rumtreiben, wie es der Titel der Sendung suggeriert. Viel Kritik gibt es für die unterkühlten Reaktionen von Michael Schumacher, Nicola Larini und Mika Häkkinen auf dem Podium. Weil sie über ihren persönlichen Erfolg jubeln, statt Mitgefühl auszusprechen, berichtet unter anderem der ORF, sie hätten die Menschenwürde "mit Füßen getreten".

Rudolf Ratzenberger bekam das am Tag nach dem Tod seines Sohnes überraschenderweise mit. "Ich fand es schon merkwürdig, dass sie nicht mehr darauf reagiert haben, aber für die anderen Fahrer war das halt ihr Geschäft. Sollen sie sich hinstellen und weinen? Das würde ich auch merkwürdig finden." Viel mehr geärgert hat ihn eine Reportage im österreichischen Nachrichtenmagazin News, bebildert mit Fotos seines blutüberströmten Sohnes, wie dieser gerade im Sterben liegt.

"Schumacher hat eine wunderschöne Widmung für Roland geschrieben, was für ein besonderer Mensch er war."Rudolf Ratzenberger
Ratzenberger schrieb an den Herausgeber Wolfgang Fellner einen eigenen Angaben nach "bitterbösen Brief", worauf ihm dieser antwortete, das sei bedauerlich, der zuständige Bildredakteur sei dafür verantwortlich. Diese Aussage ist für Ratzenberger bis heute unbefriedigend. Mit Michael Schumacher hat er hingegen seinen Frieden gemacht: "1995 hat eine französische Rennkommissarin von jedem Team Unterschriften für ein Gedenkbuch eingeholt. Schumacher hat eine wunderschöne Widmung für Roland reingeschrieben, was für ein besonderer Mensch er war."

Es wäre ein nur allzu menschlicher Zug, nach dem Tod des eigenen Sohnes, verursacht durch ein technisches Gebrechen, einen Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen zu wollen. Es ehrt die Familie Ratzenberger, dass sie das nicht getan hat. Ratzenberger war schon immer klar, dass die Formel 1 gefährlich ist: "Ich habe nie einen Schuldigen gesucht", sagt er - und ärgert sich vermutlich über jene, die ihm das als menschliche Kälte ausgelegt haben.

"Die italienische Staatsanwaltschaft hat uns aufgefordert, in ein Verfahren einzusteigen", erinnert er sich. "Wir haben das abgelehnt, im Wissen, dass dabei sowieso nichts rauskommt - bei Senna ist ja auch nichts rausgekommen. Das wäre unnötige Aufregung gewesen, wir hätten zig Mal nach Imola und Bologna fahren müssen. Da haben wir gesagt: Nein, danke. Und wir haben auch Nick Wirth von Simtek nie einen Vorwurf gemacht."

Nummer 2 hinter dem Sohn von Jack Brabham

Simtek war damals das kleinste und finanzschwächste Team der Formel 1, geleitet von Nick Wirth, einem begnadeten Bastler, der später bei Benetton große Erfolge feierte und noch später mit seinem virtuellen CFD-Designansatz bei Virgin-Marussia scheiterte. David Brabham, der Sohn des großen Sir Jack Brabham, war bei Simtek die Nummer 1. "Die Wertung war ganz anders zwischen David Brabham und Roland. Aber da jemanden anzuklagen, das wäre falsch", findet Ratzenberger. Mit Jack Brabham, inzwischen verstorben, standen die Ratzenbergers vor zwei Jahren, bei einem Australien-Urlaub, sogar noch persönlich in Verbindung.

"Wenn Rolands Tod einen Sinn hatte, dann den, dass die Sicherheit besser wurde."Rudolf Ratzenberger
"Falsch war, dass die Mauer so nahe an der Strecke stand", sagt Ratzenberger heute. "Aber eines kann man sagen: Der Tod von Senna und von Roland hat bewirkt, dass die Sicherheitsvorkehrungen in der Formel 1 rigoros durchgezogen wurden. Das war nur der Verdienst von Max Mosley. HANS-System, die hochgezogenen Cockpits, das ist alles zurückzuführen auf diese zwei Unfälle. Wenn das nicht geschehen wäre, wären schon einige Fahrer mehr mit den Füßen voran aus dem Fahrerlager getragen worden. Wenn Rolands Tod einen Sinn hatte, dann den, dass die Sicherheit besser wurde."

Roland Ratzenberger hat auf dem Friedhof in Maxglan seine ewige Ruhe gefunden. Auf dem Grabstein steht: "Er lebte für seinen Traum." Rudolf und Margit Ratzenberger besuchen ihren Sohn heute noch regelmäßig dort, finden immer wieder brennende Kerzen vor, brasilianische Flaggen, holländische Windmühlen, die Fans hinterlassen haben. Besonders aus Japan, wo Ratzenberger seine größten Erfolge gefeiert hat, kommen oft Touristen zum Grab.

Ratzenberger muss schmunzeln, wenn er erzählt: "Viele gehen immer noch zum Kommunalfriedhof, der in Salzburg eigentlich der Hauptfriedhof ist. Die Beamten dort sagen mir oft: 'Herr Ratzenberger, es sind schon wieder so viele Japaner da, denen wir erklären müssen, wie sie zum Friedhof nach Maxglan kommen.' Vergessen ist Roland, besonders bei den Ausländern und den Japanern, von denen ja sehr viele nach Salzburg kommen, nicht."

Niki Lauda: Grabrede am Friedhof in Maxglan

Als Roland Ratzenberger am 7. Mai 1994 in Maxglan beerdigt wurde, kamen laut seinem Vater rund 3.000 Menschen. Dabei hatte die Familie die Parte erst im Nachhinein herausgegeben, um einen intimeren Rahmen wahren zu können. Es kam anders: FIA-Präsident Max Mosley war da, Niki Lauda hielt die Grabrede, viele Rennfahrerkollegen reisten aus der ganzen Welt an. Und Ratzenbergers somalische Lebensgefährtin Kadisha (auf die die Familie bis heute nicht gut zu sprechen ist) brachte aus New York eine ganze Reihe Model-Freundinnen mit.

"Wir wollten es ziemlich klein halten, aber im letzten Moment musste die Polizei dann trotzdem den Verkehr regeln", sagt Ratzenberger. Sein Sohn sei "als glücklicher Mensch gestorben. Mit seinen 33 Jahren hat er viel mehr erlebt als manch einer, der, wie ich, 82 Jahre alt ist. Ich möchte, dass ihn die Menschen gut in Erinnerung halten, als sehr fleißigen, ehrgeizigen, zielstrebigen und sympathischen Menschen."


Fotostrecke: Die Karriere von Roland Ratzenberger

"Senna war ein Nationalheld, zurecht. Roland war in der Formel 1 ein Nobody. Beide sind 1960 geboren, beide waren Linkshänder, beide waren nur ein Jahr verheiratet. Sie sind fast gleichzeitig gestorben. Für mich sind sie Zwillinge im Tod. Ganz brutal gesagt: Wäre Senna nicht am Tag danach verunglückt, wäre Roland schon längst in der medialen Versenkung verschwunden, dann würde über ihn kaum noch jemand schreiben."

Ein "unvergessliches Erlebnis" war 2014 die Gedenkfeier zum 20. Todestag von Senna und Ratzenberger in Imola. "Wann immer von Senna die Rede ist, wird Roland auch miteinbezogen", sagt Ratzenberger sen. und meint damit besonders die italienischen Fans. Diesen Stellenwert hatte sein Sohn in der Heimat nie: "In Österreich ist Roland mehr oder weniger unbekannt. Man muss nur bei Facebook reinschauen: Da gibt es zig Fotos von ihm, aber auf 'Gefällt mir' klicken fast keine Österreicher, sondern man findet fast nur ausländische Namen."

Roland Ratzenberger wurde am 4. Juli 1960 in Salzburg geboren. "Unser Haus lag an einem Berg, vis-a-vis von der Werkstatt von Walter Lechner, und man konnte von dort aus auf die Salzkammergut-Straße hinunterschauen", erinnert sich der Vater an die Kindheit des späteren Formel-1-Fahrers. "Roland hat immer beim Fenster rausgeschaut und hat schon als Kind erkannt, ob ein Auto ein Mercedes oder ein Porsche oder ein VW ist. Er war von Kind auf ein Autonarr."

Erstes Rennfahrer-Training im VW Käfer

Noch bevor Ratzenberger jun. 18 Jahre alt wurde und den Führerschein machen durfte (inklusive LKW), kaufte er sich gemeinsam mit einem Freund einen ausrangierten VW Käfer: "Er hat damit auf einer privaten Strecke nahe des Salzburgrings trainiert. Ein Bauer hat ihm eine Strecke zur Verfügung gestellt, natürlich eine nicht asphaltierte Straße." Und selbst beim Bundesheer, das er in jener Zeit absolvierte, meldete er sich ans Steuer eines Pinzgauer-Militärfahrzeugs.

Ratzenberger schmiss die Schule, eine Höhere Technische Lehranstalt, im vierten von fünf Jahren, begann beim Nachbarn Walter Lechner als Schrauber, fuhr für eine Salzburger Bäckerei Brötchen aus, verdiente sich so das Geld für seine ersten Renneinsätze. Wie ein Besessener arbeitete er Tag und Nacht, um den Traum vom großen Motorsport am Leben zu halten. Dass die Eltern für ihn eigentlich andere Pläne hatten, ist aus ihrer Sicht verständlich.


Erinnerungen an Roland Ratzenberger (Teil 1)

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"Ich war nicht happy, als Roland aus der Schule ausgestiegen ist", gibt Ratzenberger zu. "Ich hätte mir gewünscht, dass er die HTL fertig macht, dann weiter studiert und vielleicht Ingenieur wird. Aber das wollte er nicht. Roland wollte nur Rennfahren. Es wäre sinnlos gewesen, zu versuchen, ihn davon abzubringen. Schon als kleiner Bub mit vier Jahren war er davon überzeugt, dass er Rennfahrer wird. Er war diesbezüglich ein Fanatiker, der sich auch überall alleine durchgebissen hat."

Ratzenbergers Besessenheit ging so weit, dass er seine Mutter nach Hause schickte, wenn sie ihm zur Jause ein paar Brötchen bringen wollte - schließlich war das Elternhaus gleich gegenüber der Lechner-Werkstatt. "Das war eine harte Schule", erinnert sich sein Vater heute. "Die einzige Unterstützung, die er je von uns bekommen hat, waren die Autos, die wir nicht mehr selbst gebraucht haben. Die haben wir ihm geschenkt, unter anderem einen VW Passat, mit dem er einige Jahre in England gefahren ist."

"Roland wollte nie Unterstützung. Mich zu fragen, ob ich ihm Geld schicken kann, wäre ihm nie eingefallen. Dabei hat er sich in Deutschland in manchen Phasen wirklich nur mit Leberkäsesemmeln durchgehungert, wie uns erst viel später seine Freunde erzählt haben - obwohl seine Oma immer zu ihm gesagt hat: 'Bub, hättest du doch was gesagt, dann hätte ich dir etwas mit der Post geschickt!' Seine Oma hat Roland heiß geliebt."

In Italien Bodyguards das Abdrängen beigebracht

Noch in relativ jungen Jahren übersiedelte Ratzenberger dann nach Italien, um bei der Jim-Russel-Racing-School in Monza, die von Walter Lechner übernommen worden war, als Instruktor zu arbeiten. Dort brachte er nicht nur angehenden Rennfahrern die Grundlagen am Steuer bei, sondern auch "Bodyguards von reichen Menschen", wie es in einem alten Zeitungsartikel heißt. Der Vater bestätigt die Story und lacht: "Ein Auto schnell wenden, ein anderes Auto abdrängen, das hat Roland den Bodyguards auf der Rennstrecke in Monza beigebracht."

Zeit, den Kontakt zur Familie aufrechtzuerhalten, fand Ratzenberger in jenen Jahren kaum. Als er später als Toyota-Werksfahrer nach Japan ging, in einer Zeit, in der es noch kein Facebook und kein Skype gab, waren die Berichte des Journalisten Gerhard Kuntschik von den Salzburger Nachrichten die einzige regelmäßige Verbindung der Familie zu ihrem Sohn. Bei Kuntschik meldete sich Ratzenberger laufend, um von seinen Erfolgen im fernen Japan zu berichten.


Erinnerungen an Roland Ratzenberger (Teil 2)

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"Roland hatte in Japan sehr gute Kontakte und war sehr populär. An den Tankstellen sind Plakate von ihm gehangen", weiß Ratzenberger erst heute. "Und dann gab es einen Sponsor, der ihm 1991 in die Formel 1 verhelfen wollte, im Team von Eddie Jordan, aber das ist dann leider schiefgegangen. Er war nicht glücklich darüber, dass er in Österreich und Europa keinen großen Anklang gefunden hat. 1993 hat er zu mir selbst gesagt: 'Für mich ist die Formel 1 gestorben. Ich gebe keinen Schilling mehr dafür aus.'"

Ratzenberger war inzwischen ein renommierter Rennfahrer, wurde als erster Europäer Toyota-Werksfahrer in Japan, trat bei den 24 Stunden von Le Mans an, war Testfahrer in der amerikanischen CART-Serie, verdiente gutes Geld. Er besaß Appartements in Monaco, Japan und Salzburg, im Stadtteil Maxglan, wohin er eines Tages, nach der internationalen Karriere, zurückkehren wollte. Heute leben seine Eltern in der Wohnung.

Dank Gönnerin späte Chance in der Formel 1

Irgendwann traf Ratzenberger jun. in Monaco auf Barbara Behlau, eine inzwischen verstorbene Betreiberin einer Sport- und Kulturagentur mit Interesse an der Formel 1. Behlau legte eine nicht näher Bekannte Summe Geld auf den Tisch und finanzierte Ratzenberger damit fünf Rennen im Simtek-Team. Weil Nick Wirth von den Leistungen des inzwischen sehr erfahrenen Salzburgers mehr als zufrieden war, hatte er die Zusage für ein sechstes Rennen schon in der Tasche.

"Durch glückliche Umstände war er in Monaco zur richtigen Zeit am richtigen Ort", sagt Ratzenberger sen. über die Begegnung seines Sohnes mit Behlau. Glückliche Umstände bedeutet in diesem Zusammenhang auch: Ratzenberger, mit 33 nicht gerade ein Formel-1-Küken, machte sich manchmal um zwei Jahre jünger und gab sich als Jahrgang 1962 aus - wie das zum Beispiel auch Damon Hill tat. Zwischen der Familie Ratzenberger und der österreichischen Geschäftsfrau Behlau entstand bis zu deren Tod im Jahr 2006 übrigens ein gutes Verhältnis.

Foto zur News: 55. Geburtstag: Erinnerungen an Roland Ratzenberger

Margit und Rudolf Ratzenberger bei der 20-Jahr-Gedenkfeier in Imola 2014 Zoom Download

Rudolf und Margit Ratzenberger haben nie ein Formel-1-Rennen ihres Sohnes live gesehen. "Richtig begriffen, was Roland geleistet hat, habe ich erst 1995, als ich von Bernie Ecclestone zum Grand Prix in Imola, ein Jahr danach, eingeladen wurde. Da habe ich das ganze Ambiente der Formel 1 kennengelernt", sagt Ratzenberger. Davor war er nur einmal bei einem Autorennen seines Sohnes, nämlich 1985 in der Formel Ford.

Ratzenberger fuhr damals für das Team von Alois Roppes, "ein reicher Steinbruchbesitzer, der unbedingt wollte, dass sein Sohn Rennfahrer wird". Ratzenberger organisierte für Roppes das Team und brachte dem Junior die Grundlagen des Rennfahrens bei, bekam im Gegenzug auch selbst die Saison finanziert. Zum Heimspiel auf dem Salzburgring kamen erstmals auch seine Eltern - die damals noch wenig begeistert von der Rennfahrerei waren.

Er und seine Frau seien "mit einem fürchterlichen" Gefühl auf der Tribüne gesessen, erinnert sich Ratzenberger: "Einmal und nie wieder! Irgendein Teil von seinem Auto ist weggeflogen. Im Nachhinein hat sich herausgestellt, es war nur das Rücklicht, aber das hat uns Angst gemacht. Und die Reifen waren auch schon unterm Hund. Trotzdem hat er mit diesen schlechten Reifen auch das nächste Rennen noch gewonnen."

Karriere 1984 beinahe beendet

Bereits 1984 war Ratzenberger mit einer schweren Verletzung aus Zandvoort nach Hause gekommen. "Dass es gefährlich ist, haben wir immer gewusst", sagt der Vater. "Ein Verwandter meiner Frau war Primararzt am UKH Salzburg. Er hat erkannt, dass der Kahnbeinbruch von Roland in Zandvoort total falsch behandelt wurde. Dadurch stand es knapp davor, dass er die Hand nicht mehr hätte verwenden können. Aber Dr. Möseneder ist es zu verdanken, dass Roland nach sechs Monaten wieder Autofahren konnte."

Auch während seiner Japan-Zeit wurde es für Ratzenberger einmal brenzlig, allerdings nicht auf der Rennstrecke, sondern in einer Diskothek. Kollege Heinz-Harald Frentzen wurde von einem Mann mit einem Messer attackiert, der Österreicher ging dazwischen und schlichtete. Zu Hause erzählte er davon kein Wort, "aber wir haben es irgendwann einmal vom Frentzen erfahren. Roland hat sich immer gern für andere eingesetzt, und er war ein sehr direkter und offener Mensch." Und passte damit eigentlich so gar nicht ins Selbstdarsteller-Haifischbecken der Formel 1.

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Formel-1-Pilot Roland Ratzenberger aus Salzburg: 4. Juli 1960 bis 30. April 1994 Zoom Download

Dem steht Rudolf Ratzenberger heute "sachlich gegenüber". 2014 besuchte er zum zweiten Mal in seinem Leben ein Formel-1-Rennen, mit einer normalen Stehplatzkarte auf dem Red-Bull-Ring. Dieses Jahr bat er seinen alten Bekannten Burghard Hummel um Paddock-Pässe ("Was ich normalerweise nicht tue") für sich und ein australisches Ehepaar, das eine Facebook-Seite für Roland betreibt und das die Ratzenbergers vor zwei Jahren im Australien-Urlaub kennengelernt haben.

Rudolf Ratzenberger hat mit der Formel 1 keine Berührungsängste; es gibt keine offenen Wunden, die noch nicht verheilt wären. "Nur eins tue ich nicht gern, nämlich an Rennfahrer heranzutreten, die betroffen sind. Da habe ich immer das Gefühl, wenn ich Ratzenberger sage, dann denken sie an die Tragik und sind nicht sehr positiv beeindruckt. Ich suche daher keinen Kontakt zu Leuten wie Frentzen oder Brabham", sagt er. "Aber Josef Leberer zum Beispiel habe ich später auch noch getroffen. Ein ausgesprochen lieber Kerl."

Derzeit dreht ein Bekannter aus Nürnberg ein privates Video über das Leben von Roland Ratzenberger, er hat dafür schon zig Leute interviewt. Auch in Spielberg. Und Ratzenberger sen. sucht nach dem 1994er-Simtek, der ihn "einfach interessieren" würde: "Von kaufen kann keine Rede sein. Wir haben eine Spur, die in die Schweiz führt. Ich bin aber noch nicht dazu gekommen, das weiter zu verfolgen." Vielleicht kann dieser Artikel ja dabei helfen, einen Kontakt herzustellen...

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