• 06. Mai 2015 · 15:26 Uhr

Bernd Mayländer: Anekdoten aus Spanien

Wenn ein Formel-1-Star ohnmächtig im Wohnzimmer liegt, man mit dem König den Bodyguards davonrast und sich ein Rennen im Nachhinein schön trinkt...

(Motorsport-Total.com) - Hallo, liebe Leser,

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Bernd Mayländer mit dem Safety-Car auf dem Circuit de Catalunya-Barcelona Zoom Download

bevor ich euch meine Anekdoten zum Spanien-Grand-Prix auftische, mit dem am Sonntag die Europa-Saison der Formel 1 beginnt, möchte ich euch auf eine kleine Zeitreise mitnehmen, die ich am Wochenende nach Bahrain absolviert habe. Genauer gesagt eine Zeitreise ins Jahr 1955, als Legenden wie Juan Manuel Fangio, Stirling Moss und Hans Herrmann für Mercedes-Benz die Mille Miglia bestritten haben. Das ist heute ziemlich genau 60 Jahre her.

Zwei der drei Legenden sind noch am Leben und wurden von Mercedes-Benz eingeladen, ein paar Originaletappen von damals, von Florenz in Richtung Bologna, in ihren Autos von damals zu fahren. Juan Manuel Fangio ist leider 1995 verstorben. Seinen Platz im Mercedes-Benz 300 SLR durfte ich einnehmen. Eine riesige Ehre für mich und ein phänomenales Gefühl, in einem der legendären Silberpfeile den echten Hans Herrmann in einem weiteren legendären Silberpfeil im Rückspiegel zu haben!

Zeitreise ins Jahr 1955

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Stirling Moss im Mercedes 300 SLR auf dem Weg zum Mille-Miglia-Sieg 1955 Zoom Download

Gewonnen hat die Mille Miglia 1955 Stirling Moss mit einem Siegerschnitt von 160 km/h. Hans ist ausgeschieden. Natürlich hat er mir an dem Wochenende vom damaligen Rennen erzählt. Er wusste ganz genau, dass Moss ziemlich forsch mit den Bremsen umgeht und im letzten Renndrittel ein Problem bekommen könnte. Hans war vor Moss auf der Strecke (bei der Mille Miglia wurde in Intervallen gestartet) und achtete zunächst nur darauf, den Abstand in einem akzeptablen Rahmen zu halten.

Dann Boxenstopp in Rom, unter anderem Benzin nachtanken. Dabei wurde der Tankdeckel falsch zugeschraubt und beschädigt. Auf einem Pass in Richtung Bologna ist der Verschluss ganz kaputt gegangen, und von da an lief ständig Benzin über Hans und seinen Beifahrer Hermann Eger. Er hat mir erzählt, dass es enorme Schmerzen verursacht, wenn du Benzin im Kreuz hast, und die Autos hatten damals ja riesige 200-Liter-Tanks. Man muss schon ein harter Knochen sein, um das überhaupt auszuhalten.

Irgendwann mussten sie aufgeben, weil es zu gefährlich wurde und sie befürchteten, dass das Auto Feuer fangen könnte. Aber diese Geschichte zeigt: Damals wurde bis zum Allerletzten gekämpft! Das Risiko war extrem groß, und die Fahrer wussten das. Übrigens: Moss bekam tatsächlich Bremsprobleme, aber weil sein härtester Gegner ausgeschieden war, konnte er relativ vorsichtig ins Ziel fahren. Wobei "vorsichtig" relativ ist: zehn Stunden, sieben Minuten und 48 Sekunden - und mehr als eine halbe Stunde Vorsprung auf den zweitplatzierten Fangio.

Hans Herrmann plaudert aus dem Nähkästchen

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Stirling Moss und Lewis Hamilton im Mercedes W196 in Monza Zoom Download

Fangio, Moss, Herrmann: Das sind Legenden aus einer Zeit, die für uns heute kaum noch vorstellbar ist. Wenn man mit solchen Persönlichkeiten spricht, erzählen sie einem, wie sich der Motorsport in den vergangenen 60 Jahren verändert hat. Sie sagen, dass man damals freundschaftlicher miteinander umgegangen ist. Weil in der Startaufstellung jeder gewusst hat: Möglicherweise wird nach dem Rennen einer nicht mehr leben. Hat mir Hans Herrmann so erzählt. Das ist heute nicht mehr so. Zum Glück!

Eine Anekdote von Hans hat sich bei mir besonders eingeprägt. Mercedes-Benz hat 1955 viel mit dem W196 getestet, ob Stromlinie oder doch mit offenstehenden Rädern. Es gab noch keine Windkanäle, also sind sie auf Rennstrecken oder auf gesperrten Autobahn-Abschnitten gefahren. Hans hatte mal einen schweren Testunfall in Hockenheim, als die Strecke noch in den Ort hineingeführt hat. Er hat das Auto außer Kontrolle verloren, konnte sich noch selbst befreien.

Das Nächste, was er weiß, ist, dass er im Wohnzimmer einer alten Dame wieder zu sich kam. Sag ich zu ihm: "Aber du kannst doch nicht einfach ins nächstbeste Haus reinlaufen!" Und er: "Da stand die Tür offen, da bin ich reingelaufen, da stand ein Sofa." Auf dem wurde er dann ohnmächtig. Die alte Dame kommt also nach Hause und hat einen ohnmächtigen Rennfahrer auf dem Sofa, das muss man sich mal bildlich vorstellen! Richtig zu sich gekommen ist er dann erst im Krankenhaus. Heute völlig undenkbar.

Silberpfeil-Historie in Monza

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Stirling Moss und Lewis Hamilton: Gegenseitiger Respekt unter Champions Zoom Download

Nach unserer Mille-Miglia-Zeitreise waren wir tags darauf noch in Monza. Ich habe Taxi-Rides mit meinem Safety-Car von 2009 auf der Grand-Prix-Strecke gemacht, Stirling Moss ist mit seinem W196 Stromlinie von 1955 über die alte Steilkurve gebrettert, Lewis Hamilton mit der Version mit freistehenden Rädern. Lewis ist gut drauf momentan - und er hat auch allen Grund dazu. Das habe ich auch in Monza gespürt.

Faszinierend war, Lewis und Stirling Moss gemeinsam zu beobachten. Welcher beidseitige Respekt zwischen zwei solchen Champions vorhanden ist, wie freundschaftlich sie miteinander umgehen. Und obwohl Moss nie Weltmeister war und Lewis schon zweimal, hatte ich das Gefühl: Lewis empfindet für die Legenden von damals fast mehr Bewunderung als umgekehrt. Als er aus dem W196 ausgestiegen ist, meinte er: "Unglaublich, wie schnell die mit diesen Dingern gefahren sind!" Man konnte seine Augen richtig leuchten sehen. Selbst für einen Lewis Hamilton ist das etwas Besonderes.

Leuchtende Augen hatten aber auch Stirling Moss und Hans Herrmann. Das sind zwei ältere Herren über 80, Hans hatte eine Hüftoperation, ist dann bei einem Sturz nochmal auf seine eh schon kaputte Hüfte gefallen. Aber sobald diese Herren in ihre Autos von damals steigen, sind sie mit einem Schlag um 30 Jahre jünger und spüren keine Wehwehchen mehr. Und so fahren sie auch! Das ist wie bei allen Rennfahrern: Die können noch so alt sein, aber Autofahren können sie noch immer. Und am Steuer haben sie das gleiche Spitzbuben-Gesicht wie vor 60 Jahren.

Man kann sich Rennen auch schön trinken...

So, jetzt aber Barcelona. Ich erinnere mich noch gut an ein Rennen, da hatte einer der Formel-1-Stars nach Rennende akuten Durst auf ein Frust-Bier. Berechtigt, denn unter normalen Umständen hätte er mit Sicherheit gewonnen. Also sind wir in einen Shuttlebus gestiegen, Koffer für die Heimreise gleich dabei, und sind mit ein paar Mechanikern und Ingenieuren nächtens durch die Stadt gezogen. Stundenlang, quasi um sich das Rennen schön zu trinken.


Fotostrecke: FIA-Fast-Facts Spanien

Wir haben mehrere Lokale durchprobiert, wurden zum Glück kaum wo erkannt. Das ist mit einem Formel-1-Fahrer in der Gruppe in einer Stadt wie Barcelona ziemlich ungewöhnlich, aber wir waren natürlich froh darüber. Jedenfalls haben wir das eine oder andere Glas getrunken und nach ein paar Stunden doch wieder lachen können. Und ich weiß noch, dass ich mehr oder weniger direkt zum Flughafen gefahren wurde. Wer der Pechvogel von damals ist? Verrate ich nicht, sorry! ;-)

Juan Carlos am Beifahrersitz: Von Bodyguards belagert

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Bernd Mayländer mit seinem Safety-Car für die Formel-1-Saison 2015 Zoom Download

Ebenfalls in Barcelona hatte ich einen der berühmtesten Beifahrer für meine Taxifahrten, nämlich König (damals war er es noch) Juan Carlos von Spanien. Wenn du so jemanden ins Safety-Car bekommst, wirst du natürlich gründlich gecheckt, ob du ein Messer oder andere Waffen dabei hast - ich könnte den König ja entführen. Ich habe seinen Bodyguards nur gesagt, sie sollen zügig hinterherfahren. Wir haben sie trotzdem ziemlich schnell aus dem Rückspiegel verloren.

Ich kannte Juan Carlos davor schon von den Laureus-Awards, für die er sich immer engagiert hat. Bernie Ecclestone hat die Aktion organisiert, und dann nimmt also der König neben dir Platz und sagt: "Bernd, jetzt zeig mal, wie schnell ein Safety-Car hier rumfährt!" Und dann ging's auch schon ab, alles ganz unkompliziert. Ich habe es auch fliegen lassen, schließlich weiß ich, was ich tue - und was soll schon passieren, bei so viel Security? ;-) Angst konnte man ihm keine ansehen. Ein echter Staatsmann eben.


Das Safety-Car 2015

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Ich persönlich freue mich riesig auf Barcelona. Wir sind zurück in Europa, ich reise erst am Donnerstag an (und habe noch ein bisschen Zeit, meine Grippe auszukurieren) und bin gleich wieder zu Hause, ohne stundenlangen Flug mit Umsteigen. Noch dazu ist es eine tolle Stadt, ein Touristenmagnet, mit viel Flair. Durch die Olympischen Spiele 1992 hat sich in Barcelona viel bewegt. Es gibt dort heute so viele tolle Restaurants und Clubs, das würde den Rahmen dieser Kolumne sprengen.

Opium in Barcelona: Miniröcke erwünscht!

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In Barcelona geben normalerweise die Fernando-Alonso-Fans den Ton an Zoom Download

Eine Location möchte ich trotzdem erwähnen, nämlich das Opium. So einen Club habe ich sonst noch nirgendwo in Europa gesehen. Es heißt ausdrücklich: Miniröcke erwünscht! Der billigste Tisch, den man reservieren kann, fängt bei 350 Euro an, und das hört irgendwo bei 15.000 Euro auf. Ich war einmal als "Strandbürger" dort, ganz unauffällig an der Bar - und habe meine Blicke ein bisschen durchs Publikum schweifen lassen. Eine tolle Location auf mehreren Etagen, richtig was zum Abrocken. Kann ich nur empfehlen!

Was das Sportliche angeht, bringen wahrscheinlich fast alle Teams umfangreiche Updates nach Barcelona. Sicher kann es kleine Verschiebungen geben: Schafft Force India doch den Anschluss, kann Sauber die Performance der ersten Rennen halten? Aber ganz vorne erwarte ich keine Revolution. Mercedes ist Favorit, Ferrari und Williams kommen dahinter. Und mal sehen, ob Red Bull und Renault ihre Probleme langsam besser in den Griff bekommen.

Eine weitere Frage ist, ob Nico Rosberg endlich aus dem Schatten von Lewis Hamilton treten kann. Das aktuelle Punktesystem ist so, dass man sicher noch nicht von einer WM-Vorentscheidung sprechen kann, aber Lewis macht momentan einen sehr relaxten Eindruck. Ich habe das Gefühl: Er musste bisher noch gar nicht all seine Karten ausspielen. Er hat alle Trümpfe in der Hand. Da sind Nico und auch Sebastian Vettel gefordert. Denn wenn's noch ein paar Rennen in der Tonart weitergeht, kann man irgendwann sehr wohl von einer Vorentscheidung sprechen...

Euer Bernd Mayländer

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