• 01. Oktober 2014 · 16:54 Uhr

Bernd-Mayländer-Kolumne: Begeisterung pur in Suzuka

Der große Grand-Prix-Check des Safety-Car-Fahrers: Suzuka findet Bernd Mayländer "richtig geil", und das nicht nur, weil er dort seinen eigenen Fanclub hat

(Motorsport-Total.com) - Hallo, liebe Leser,

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Safety-Car-Einsatz in Suzuka 2012: Bernd Mayländer "führt" vor Sebastian Vettel Zoom Download

nach dem Highlight in Singapur und einem Zwischenstopp bei der DTM in Zandvoort folgt am kommenden Wochenende das nächste Highlight, nämlich der Grand Prix von Japan in Suzuka. Ein Rennen, auf das sich jeder freut - auf der schönsten und wahrscheinlich anspruchsvollsten Strecke der gesamten Saison.

Suzuka liegt wunderschön eingebettet ins Hinterland von Nagoya. Der 1962 von Honda nach Plänen des Niederländers Hans Hugenholtz errichtete Kurs (übrigens der einzige neben Singapur mit einer Unterführung, weil in Form einer Acht angelegt) erfordert einen optimalen Abstimmungs-Kompromiss zwischen viel Downforce in den mittelschnellen und schnellen Kurven sowie einem hohen Topspeed auf den Geraden. Trifft man diesen Kompromiss, macht Suzuka aus Fahrersicht richtig Spaß!

Im Vorfeld sprechen immer alle von den "Esses" im ersten Sektor und der 130R im letzten, aber für mich ist schon die erste Kurve eine absolute Mutpassage. Aus der Schikane vor Start und Ziel heraus geht es die längste Gerade der Strecke leicht bergab, Tempo über 300 km/h im siebten Gang, bremst nur ganz kurz auf circa 250 ab, lenkt nach rechts ein und braucht ein richtig stabiles Auto, um möglichst viel Geschwindigkeit mitnehmen zu können. Im Safety-Car muss ich schon deutlich härter bremsen als die Jungs mit ihren Formel-1-Boliden, um die 1,8 Tonnen sicher um die Kurve zu bringen.

Besonders schwierig: Die "Esses"

Aus dieser ersten Passage geht es die berühmten "Esses" hoch, eine Kombination aus fünf ineinanderfließenden schnellen Kurven. Agiler Richtungswechsel, optimale Balance, Vertrauen ins Auto - hier ist das Setup extrem wichtig, man braucht sowohl Downforce wie auch mechanischen Grip. Den Grundstein dafür, die "Esses" gut zu treffen, legt man gleich bei der Einfahrt. Ich sage immer: Wenn man den Eingang richtig trifft, kommt man normalerweise ganz gut durch.


Fotostrecke: FIA-Fast-Facts: Japan

Im letzten Streckenabschnitt fährt man aus der Spoon-Kurve raus und es geht ein Stück weit bergab, bevor der Linksknick 130R kommt. Legendär! Im Formel 1 geht die Kurve (zwar alles andere als locker, aber doch) voll. Im Safety-Car hingegen muss ich dort ganz schön bremsen. Aber eigentlich ist es überflüssig, einzelne Passagen hervorzuheben, denn Suzuka ist wirklich durchgehend eine Riesenherausforderung. In meinem persönlichen Ranking steht die Strecke ganz weit oben, vielleicht sogar auf Platz eins. In zwei Wörtern (verzeiht mir den Ausdruck): richtig geil!

Nach Suzuka kommen alle gern, auch wenn die Anreise lang und beschwerlich ist - wegen des Streiks der Lufthansa-Piloten für viele Kollegen diesmal noch mehr als sonst. Aber das Land der aufgehenden Sonne ist die Reise wert - vor allem wegen des außerordentlich tollen Publikums. Die Formel-1-Begeisterung in Japan ist nach wie vor da und die Fans sind besonders begeisterungsfähig und trotzdem höflich. Menschenfreundlichkeit und Hilfsbereitschaft sind in Japan ganz anders als bei jedem anderen Grand Prix.

Wiedersehen mit dem Bernd-Mayländer-Fanclub

Ich habe dort übrigens seit 1996 einen eigenen Fanclub. Der wurde gegründet, als ich ITC, FIA-GT und das 1.000-Kilometer-Rennen gefahren bin, später dann natürlich auch das Safety-Car. Meistens warten schon am Flughafen ein paar Fans mit Bernd-Mayländer-Shirts und Bernd-Mayländer-Kappen. Inzwischen gibt's die Mitglieder in zweiter Generation, denn einige meiner Fans der ersten Stunde haben Kinder bekommen und bringen die auch immer mit.

Es freut mich sehr, Fans und alte Bekannte persönlich zu treffen, und wenn ich abends aus dem Paddock komme, versuche ich jedes Mal, mir ein paar Minuten für eine Plauderei hinter der Haupttribüne Zeit zu nehmen. Ganz einfach ist das nicht, denn ein paar von denen sprechen Englisch, aber eher gebrochen, und um mein Japanisch ist es auch nicht besser bestellt. Dafür schreiben wir uns während der Saison immer mal wieder über Facebook. Dieser direkte Kontakt zu den Fans ist mir wichtig und macht mir auch Spaß.

Sportlich scheint sich das Blatt zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton seit Silverstone ein bisschen gewendet zu haben. Silverstone war Nicos erster Ausfall, Singapur der zweite - zweimal durch einen technischen Defekt. Andererseits ist Lewis schon dreimal ausgeschieden und hat trotzdem drei Punkte mehr auf dem Konto. Die beste Antwort von Nico wäre jetzt ein Sieg. Sollte Lewis auch in Suzuka gewinnen, wird es für Nico immer schwieriger.

Und dann ist da ja auch noch Daniel Ricciardo, der jedes Mal zugeschlagen hat, wenn es eine Chance für ihn gab. Der ist nicht ungefährlich. 60 Punkte klingen nach viel, sind es aber nicht, wenn insgesamt noch 150 zu holen sind. Mercedes hat - das steht für mich völlig außer Frage - die klarsten und eindeutig besten Chancen, den Titel zu holen, wenn sie sich das Leben nicht gegenseitig schwer machen. Aber das werden sie, denn für beide geht es um eine Riesenchance.

Mercedes: Vorsprung etwas geschrumpft?

In den letzten fünf Jahren hat viermal Red Bull gewonnen, viermal Sebastian Vettel. Der einzige Ausreißer war Jenson Button auf McLaren 2011. Theoretisch ist Suzuka also eine Red-Bull-Strecke. Mercedes war in Singapur zumindest im Qualifying nicht so dominant wie auch schon mal, im Rennen war Lewis dann aber eine Klasse für sich. Das war der Beweis, dass sie noch Reserven haben. Trotzdem glaube ich, dass der Vorsprung nicht größer, sondern eher eine Spur kleiner geworden ist.

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Vor dem Start 2013: Bernd Mayländer im lockeren Plausch mit Niki Lauda Zoom Download

Wen habe ich sonst noch auf der Rechnung? Sicher Valtteri Bottas, der nach seiner Nullnummer in Singapur hoffentlich wieder stark sein wird. Williams insgesamt und damit natürlich auch Felipe Massa. Fernando Alonso ist immer eine Hausnummer, ein absoluter Kämpfer, auch wenn der Ferrari nicht das beste Auto ist. Aber er holt auch aus schlechten Autos mehr raus, als eigentlich drinsteckt. Trotzdem glaube ich, dass es unterm Strich ein Duell zwischen dem Favorit Mercedes und dem Außenseiter Red Bull wird.

Einen Taifun wie 2004, als das Qualifying auf Sonntag verschoben werden musste, soll es dieses Jahr nicht geben. Ich erinnere mich noch gut zurück: Wir durften am Samstag nicht auf die Strecke, also bin ich Schwimmen gegangen, in die Sauna, war mit ein paar Fahrern bowlen und am Nachmittag ziemlich lang bei einem Italiener - ein richtiger Wellness-Tag halt. Und dann ist der Taifun am Ende eh knapp an uns vorbeigezogen! Böse war deswegen aber keiner, sondern alle haben das mit Humor genommen. Für das Wetter kann schließlich keiner was.

Euer Bernd Mayländer

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