• 18. April 2014 · 17:07 Uhr

Früher war alles besser, oder?

Erleichtert die neue Technik den Einstieg für Nachwuchsfahrer, oder konnte man den Sprung in die Formel 1 früher besser schaffen - Drei Generationen berichten

(Motorsport-Total.com) - In einer Zeit, in der die modernste Technik dafür genutzt werden kann, einen Formel-1-Boliden so abzustimmen, wie man es gerne hätte, fällt der Einstieg für einen Nachwuchsfahrer immer leichter, findet Jenson Button. Früher konnte man sich einfach ins Auto setzen und losfahren, ohne sich große Gedanken machen zu müssen, sagt Niki Lauda. Und als Einsteiger hast du ohne Geld sowieso keine Chance, findet James Calado. Der Generationenkonflikt wirft die Frage auf: Welcher Weg führt zum Erfolg? Das pure Fahren, die Technik oder doch das liebe Geld?

Foto zur News: Früher war alles besser, oder?

Jenson Button findet, Neueinsteiger haben es heutzutage leichter Zoom Download

Als Michael Schumacher 1991 sein Debüt in der Königsklasse gab, konnte er sofort mit Talent, Präzision und vor allem Mut überzeugen. Das waren die Tugenden der damaligen Zeit, und Schumacher verstand es auf Anhieb, sich auf der Strecke nicht vor den großen Namen des Sports zu verstecken. Das ließ ihn auch das ein oder andere Mal mit den Topfahrern aneinander rasseln, weswegen sich Ayrton Senna den Jüngling schon mal zu Brust nahm. Dieser ließ sich jedoch nicht einschüchtern. Respekt ja, Angst nein.

Dieser Respekt vor den Spitzenpiloten des Sports spielt heute sowieso kaum noch eine Rolle. Die wirklichen Platzhirsche gibt es nicht mehr, es herrscht einheitliche Harmonie im Fahrerlager. Und auch die Ehrfurcht vor den schnellen Autos ist gesunken. Der junge Fahrer weiß schon im Voraus, worauf er sich einlässt.

Button erinert sich: Als es noch keine Simulatoren gab

Jenson Button erinnert sich an seinen Formel-1-Einstig 2000 und wie schwierig es damals war, sich nicht von dem unbekannten PS-Monster, das er über die Strecke jagen sollte, einschüchtern zu lassen: "Die Jungs, die neu in den Sport kommen, machen heute einen großartigen Job. Vor zehn oder 15 Jahren lief das noch ganz anders", erzählt er der 'Marca'. "Wir waren schnell, aber wie hatten keine Ahnung, wie man ein Auto weiterentwickelt. Heute bekommen sie alle Informationen, sind vorher schon zwei, drei Jahre dabei, bekommen Hilfe und arbeiten schon live mit; trainieren und essen in der Formel 1."

Foto zur News: Früher war alles besser, oder?

Jenson Button stieg 2000 bei Williams ein Zoom Download

Die Technik macht's möglich. Wie sich das Auto verhalten wird, kann oft schon am Computer abgelesen werden, und der Fahrer kann sich darauf einstellen, weiß Button: "Sie wissen alles über Aufhängungen, wann man in der Kurve Gas geben muss, welche Temperatur die Reifen haben müssen. Ich sage nicht, dass sie es einfacher haben, aber mit mehr Informationen kannst du schneller lernen."

Der heutige McLaren-Fahrer und Weltmeister von 2009 musste sich im zarten Alter von 20 Jahren mehr auf sich selbst verlassen: "Als ich zu Williams kam, hatte ich keine Erfahrung mit dem Auto", erinnert er sich. "Wir hatten keinen Simulator, kaum Informationen über die Temperaturen der Reifen in den Kurven. Das musste ich mir alles selbst beibringen, was sehr schwierig war. Aber ich habe das genossen. Ich habe damals viele Fehler gemacht, wahrscheinlich mehr, als sie heute machen, aber die haben mich zu dem gemacht, der ich heute bin."

Geschichten von ganz früher: Niki Lauda erzählt

Button glaubt, dass der Anspruch an einen Rookie über die Jahre gesunken ist: "Die Autos sind heute auf jeden Fall einfacher zu fahren, 20 bis 30 km/h langsamer in den Kurven. Vor zehn Jahren ging es noch darum, wie mutig du in die Kurve gehst. Heute geht es mehr um das Auto, das Verhalten der Reifen, Unter- und Übersteuern und sowas. Das war damals schwieriger."

"Wir mussten mit der Hand schalten und es gab auch keine Servolenkung."Niki Lauda
Noch einmal 30 Jahre weiter in die Geschichte kann Niki Lauda ein Lied von diesen Schwierigkeiten singen, denn in den 1970er-Jahren konnte man sich ausschließlich auf die Manpower verlassen. Das bekam auch der Fahrer zu spüren: "Wir mussten zur damaligen Zeit härter im Auto arbeiten", erzählt er. "Wir mussten mit der Hand schalten und es gab auch keine Servolenkung."

Für den heutigen Aufsichtsrats-Vorsitzenden des Mercedes-Teams ist die aktuelle Formel 1 eine neue Welt: "Ich könnte mit den heutigen Autos nichts ausrichten. Ich weiß, dass die jungen Fahrer das Fahren mit diesen Autos besser drauf haben als ich." Der nunmehr 65-Jährige hatte sich 2002 noch einmal selbst überzeugen wollen, was die damalige Generation unter Rennfahren versteht. Lauda war zu der Zeit Teamchef bei Jaguar und testete den eigenen Boliden in Valencia. Doch schon nach ein paar Metern drehte er sich ins Kiesbett. Zuvor hatte er noch verlauten lassen, "jeder Affe" könne nun ein Formel-1-Auto fahren.

"Computerkid" Calado: Ohne Moos nix los

Dass es den Rookies heute leichter fällt, mit der Technik umzugehen, ist für ihn einfach zu erklären: "Wir haben es heutzutage mit der Generation der Computer-Kids zu tun." Abwerten möchte er die jungen Wilden aber nicht: "Trotzdem sind sie schnell und bewegen das Auto am Limit." Seinen eigenen Einstieg in die Formel 1, verdankte er 1972 seinem persönlichen Investment, mit dem er sich einen Platz bei March-Ford sicherte. Er hatte sich sein Cockpit somit also erkauft; ein Thema, das heute unter dem Begriff "Paydriver" aktueller denn je ist.

Foto zur News: Früher war alles besser, oder?

James Calado war noch im vergangenen Jahr Testfahrer bei Force India Zoom Download

Das weiß auch James Calado. Der 25-jährige Brite, der zwei Jahre in der GP2 fuhr, durfte im vergangenen Jahr für Force India testen, bekam aber keine reelle Chance auf einen Stammplatz. Da er weder aus eigener Tasche zahlen konnte noch einen großen Sponsor vorzuweisen hatte, zogen ihn die meistens Teams schon gar nicht in ihre Planung mit ein.

"Mir ist schon klar, warum sie das tun - sie brauchen Geld", stellt Calado resigniert fest. Die Ansprüche an neue Fahrer scheinen vielleicht gesunken, wie Button ja schon erwähnte; dies kann aber nur zustande kommen, indem in die Technik investiert wird. Calado weiß: "Sie haben mehr davon, das Auto weiterzuentwickeln, als davon, einen Fahrer zu fördern. Durch einen neuen Frontflügel kann man mehr Zehntelsekunden gewinnen als durch jemanden, der ein bisschen später in die Kurve bremst."

WEC statt Formel 1

Die Konsequenz daraus ist der andauernde Kampf Talent gegen Geld. "Es hat schon immer Paydriver gegeben, aber heutzutage scheint das Überhand zu nehmen", sagt Calado gegenüber 'Crash.Net' . "Man muss zu viel Geld mitbringen, um in die Formel 1 zu kommen, und es gibt zu viele Leute, die auch dazu bereit sind. Das macht es für junge Fahrer schwierig, sich durchzusetzen."

"Wo soll das Geld denn herkommen, wenn man nicht schon aus finanziell abgesicherten Verhältnissen kommt?"James Calado
Das Talent aus Großbritannien sah sich aufgrund der mangelnden Möglichkeiten gezwungen, erst einmal Abstand von dem Traum von der Formel 1 zu nehmen. Er tritt in diesem Jahr in der WEC an. "Ich würde nicht ausschließen, zurückzukehren", merkt er an. "Es hat im vergangenen Jahr Möglichkeiten gegeben und es wird vielleicht auch in diesem Jahr welche geben. Aber wenn das bedeutet, so unvorstellbar viel Geld mitbringen zu müssen, kann ich darauf verzichten. Wo soll das Geld denn herkommen, wenn man nicht schon aus finanziell abgesicherten Verhältnissen kommt?"

Der Wechsel in die Langstrecken-Disziplin ermöglichte ihm jedoch auch einen Vertrag mit AF-Corse-Ferrari - ein Team, das ihm auch die Tür für die Formel 1 offen halten soll: "Ich möchte in ein Team, das gewinnen kann", betont er. "Umgeben von professionellen Leuten, wo ich nicht eine Menge Geld bezahlen muss, um das zu tun, was ich liebe. Ferrari wäre also perfekt für mich, als Profi-Rennfahrer in einem Auto, das Titel gewinnen kann. Das motiviert mich mehr, als 20 Millionen Dollar zu zahlen, um ein Jahr in der Formel 1 zu fahren."

Fotos & Fotostrecken
Foto zur News: Formel-1-Mittelfeld-WM: So spannend wäre es  2024 ohne die fünf Topteams ...
Formel-1-Mittelfeld-WM: So spannend wäre es 2024 ohne die fünf Topteams ...
Foto zur News: Schanghai: Die Fahrernoten von Marc Surer und der Redaktion
Schanghai: Die Fahrernoten von Marc Surer und der Redaktion

Foto zur News: Alle Sieger von Sprintrennen in der Formel 1
Alle Sieger von Sprintrennen in der Formel 1

Foto zur News: F1: Grand Prix von China (Schanghai) 2024
F1: Grand Prix von China (Schanghai) 2024
Samstag

Foto zur News: Formel-1-Qualifying: Modus im Wandel der Zeit
Formel-1-Qualifying: Modus im Wandel der Zeit
Folge Formel1.de
formel-1-countdown
Formel1.de auf YouTube