• 17. Juli 2017 · 07:53 Uhr

Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat

Klappe halten, liebe Hamilton-Kritiker! Warum der Mercedes-Star in der Woche vor Silverstone trotz der London-Kontroverse alles richtig gemacht hat ...

(Motorsport-Total.com) - Liebe Leser,

es gab am Silverstone-Wochenende gefühlt nur ein einziges Thema. Dass Lewis Hamilton die große Formel-1-Show in London am Mittwoch platzen hat lassen, um mit Freunden auf Mykonos Party zu machen, füllte tagelang die Gazetten. Vor allem die britischen. Und da wiederum vor allen den Boulevard.

Es war die (manchmal etwas zu sensationslüsterne) Daily Mail, die vor dem Silverstone-Wochenende berichtet hat, warum Hamilton nicht nach London kommen wollte. Demnach soll es ein Zerwürfnis mit Toto Wolff gegeben haben. Der nämlich war unmittelbar nach Sebastian Vettels Rammstoß gegen Hamilton in Baku einer der Gäste auf der 30er-Party des Ferrari-Stars. Und dass der Chef quasi "fremdgegangen" ist, soll ihm Hamilton übel genommen haben.

Alles nur eine Trotzreaktion?

Vielleicht. Die fast schon demonstrativ gleichgültigen Partyvideos auf Hamiltons Twitter-Account legen diesen Schluss nahe. Ganz ehrlich: Ich würde es auch nicht toll finden, wenn ich gerade einen Rechtsstreit mit dem Chefredakteur eines anderen Mediums ausfechte, und dann geht mein Geschäftsführer auf dessen Geburtstagsparty.

Erschwerend kommt hinzu, dass Mercedes den Vertrag mit Valtteri Bottas noch immer nicht für 2018 verlängert hat. Weil Wolff wartet, ob nicht noch etwas Besseres daherkommen könnte, wie manche im Paddock munkeln. Max Verstappen zum Beispiel. Oder eben Vettel. Womit Hamilton mutmaßlich wenig Freude hätte.

Vielleicht ist die Erklärung aber auch viel banaler und Wolff war einfach höflich genug, seinen Nachbarn in der Schweiz bei einem wichtigen Anlass zu besuchen. Der Mercedes-Sportchef und der Ferrari-Star leben in unmittelbarer Nähe zueinander. Man kennt sich, man schätzt sich. Und vielleicht haben die beiden ja tatsächlich nur ein unverbindliches Glas Wein miteinander getrunken.

Wolff hat schon recht, wenn er sagt: Im Grunde genommen geht es die Öffentlichkeit nichts an, was er an seinen freien Wochenenden anstellt.

Wie dem auch sei: Ausgelöst von Jonathan McEvoys Story in der Daily Mail hatte Hamilton beim Heimspiel ein schwieriges Wochenende. Ständig die Fragen nach der "No-Show" in London, ständig die Unruhe, unangenehmen Vorwürfen ausgesetzt zu sein. Nicht die beste Vorbereitung, würde man meinen.

Wolff platzte angesichts der negativen Berichterstattung in seiner Medienrunde am Samstag der Kragen. Wie man ausgerechnet den "Local Hero" vor dem Heimspiel so runtermachen könne, sei ihm ein Rätsel, ärgerte er sich. Und das mit den Buhrufen sei maßlos übertrieben dargestellt worden. Stimmt zum Teil: In London gab es die Buhs sehr wohl. In Silverstone überwog die Lewis-Mania.

Hamilton wusste ganz genau, worauf er sich einlässt, als er nach Mykonos geflogen ist. Die Verantwortlichen bei Mercedes haben ihn vorgewarnt, mit welchen Reaktionen er zu rechnen haben würde. Er hat das in Kauf genommen. Und sicher den einen oder anderen Fan enttäuscht, der ihn in London sehen wollte, weil Tickets für Silverstone einfach zu teuer gewesen wären.

Man stelle sich vor, das Rennen in Silverstone wäre irgendwie schiefgegangen. Die Medien hätten geschrieben, dass das kein Wunder ist, wenn der Herr Ex-Weltmeister, noch dazu bei einem "Back-to-Back", lieber Urlaub macht.

Aber es tickt eben nicht jeder gleich. Und Hamilton tickt so, dass er den immensen Druck des WM-Kampfs am besten wegstecken kann, wenn er zwischendurch die Sau rauslässt.

Ich kann das bis zu einem gewissen Grad verstehen. Auch ich glaube, dass man ein Burn-out-Syndrom nicht am effektivsten damit präventiert, sich nach getaner Arbeit gemütlich hinzulegen und es ruhig angehen zu lassen. Für mich ist die beste Erholung, Dinge zu tun, die mir Spaß machen. Das macht den Kopf frei. Zur Not auch mit ein paar Stunden weniger Schlaf.

Wolff findet, es sei eine "Beleidigung", wenn sich Journalisten anmaßen, besser als ein dreimaliger Champion zu wissen, wie sich dieser auf ein Rennwochenende vorzubereiten hat. Er hat wahrscheinlich recht. Und Wolff hat schon vor dem Rennen in Silverstone gesagt: Solange Hamilton seine Leistung abliefert, kann er tun und lassen, was er will.

Und wie Hamilton abgeliefert hat!

Die Pole-Runde am Samstag war so überragend, dass selbst die Ferrari-Ingenieure ins Staunen kamen. Angeblich, so sagt man, hätten sie berechnet, dass nicht der Mercedes um eine halbe Sekunde schneller war als ihr Auto. Sondern Hamilton als die beiden Ferrari-Stars. Und die sind bekanntlich auch keine Nasenbohrer.

Die Performance im Rennen war sowieso genial. Der 32-Jährige ist wieder mittendrin im Titelrennen, und es beschleicht einen fast das Gefühl, dass ihn Konstellationen wie jene vor Silverstone eher anspornen als runterziehen. Hamilton blüht regelrecht auf, wenn er es allen zeigen muss - und er zeigt es dann auch meistens allen. Us against the world: Das kitzelt mindestens zwei, drei Zehntel extra aus ihm raus.

Und so heißt es für alle Hamilton-Kritiker, von denen der eine oder andere letzte Nacht schlecht geschlafen haben dürfte: Klappe halten, nachdenken, die grandiose sportliche Leistung anerkennen!

Nicht falsch verstehen: Ich finde es noch immer nicht toll, dass Hamilton London hat sausen lassen. Der wichtigste Botschafter der Formel 1 sollte beim wichtigsten Event des Jahres nicht fehlen. Vielleicht war es Trotz, vielleicht war es Faulheit. Es spielt gar keine Rolle!

Hamilton wird von Mercedes beschäftigt, um Weltmeister zu werden. Und das macht er ganz hervorragend.

Wer sonst noch schlecht geschlafen hat:


Sebastian Vettel: Als Kimi Räikkönen in der drittletzten Runde langsamer wurde, witterten viele instinktiv eine versteckte Stallorder, um Vettel noch aufs Podium zu hieven. Aber dann platzte auch beim Deutschen der Pirelli-Reifen. Weil er noch eine lange Runde vor sich hatte, ehe er zur Box kommen konnte, fiel er auf Platz sieben zurück. In der WM hat der Ferrari-Star immer noch einen Punkt Vorsprung. Aber angesichts des immer schneller werdenden Silberpfeils ist das kein beruhigendes Polster für die zweite Saisonhälfte.

Ihr Christian Nimmervoll

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