• 19. September 2016 · 10:30 Uhr

Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat

Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene am Tiefpunkt: Zu langsam, zu schlecht organisiert - und in Singapur wäre er beinahe im Gefängnis gelandet...

(Motorsport-Total.com) - Liebe Leser,

Maurizio Arrivabene hat schon bessere Zeiten erlebt. In Singapur nicht auf dem Podium zu stehen, ist für Ferrari ein Grund, schlecht zu schlafen. Ausgerechnet dort, wo Sebastian Vettel vor genau einem Jahr die bisher letzte Pole und den letzten Sieg für die Scuderia geholt hat. Ferrari hatte gehofft, auch dank der jüngsten Updates, gerade auf dem Stadtkurs vielleicht sogar siegfähig zu sein. Aber davon waren sowohl Vettel als auch Kimi Räikkönen meilenweit entfernt.

Während Vettel mit einer sauber exekutierten Strategie eine tadellose Aufholjagd hinlegte und immerhin noch Fünfter wurde, war Räikkönen nach dem Rennen stinksauer. Als wäre es nicht genug, dass sein Ferrari zu langsam war, um Mercedes und Red Bull auf der Strecke zu schlagen, unterlief seiner Boxencrew ein weiterer Strategiefehler, der ihn gegen Lewis Hamilton den dritten Platz kostete.

Egal ob Speed oder Rennorganisation, Ferrari ist momentan in keinem Bereich so stark, wie man das von einem so finanzstarken Team erwarten würde. Und auch hinter den Kulissen mangelt es an Manpower. Mattia Binotto hat noch nie den Bau eines kompletten Formel-1-Autos verantwortet, und Paddy Lowe wird wenn überhaupt, dann frühestens 2017 kommen. James Allison noch ein Weilchen länger an Bord zu haben, hätte Ferrari gut getan.

Es spricht nicht für Arrivabene, dass er Allisons Abschied in Ungarn noch auf das Schärfste dementiert hat, dieser aber ein paar Tage später offiziell bekannt gegeben wurde.

Für diese kuriose Entwicklung gibt es zwei Erklärungen. Die erste ist, dass es Arrivabene in Wahrheit besser wusste, den Journalisten aber ins Gesicht log. Die zweite (wahrscheinlichere) ist, dass er in Ungarn tatsächlich noch an Allisons Verbleib glaubte, teamintern aber jemand anders entschieden hat. Oberboss Sergio Marchionne zum Beispiel.

Arrivabene wirkt seit Wochen angespannt. Einst als cooler "Marlboro-Man" mit lockeren Sprüchen angetreten, zu allen freundlich (man möge ihn doch "Maurizio" nennen und nicht "Mister Arrivabene"), tritt er Journalisten gegenüber inzwischen mitunter patzig auf. Wer unter Druck steht, gibt den Druck weiter. Das ist menschlich nachvollziehbar, aber letztendlich unprofessionell.

Es passt ins Bild, dass der Ferrari-Teamchef am Samstag beinahe im Gefängnis gelandet wäre. Ein Polizist hat ihn auf offener Straße mit einer Zigarette erwischt - in der blitzsauberen Metropole Singapur ein schweres Vergehen. Letztendlich konnte die Angelegenheit mit 1.000 Dollar Geldstrafe geregelt werden.

Wenn es mit Ferrari nicht bald aufwärts geht, wird Arrivabene bald Geschichte sein. Er wäre nach Marco Mattiacci der zweite Kurzzeit-Teamchef bei den Italienern. Vielleicht braucht es doch wieder einen Briten oder Franzosen, um zurück auf die Überholspur zu finden. Denn mit den Italienern ist Ferrari zwar am authentischsten, aber nicht unbedingt am erfolgreichsten...

Wer sonst noch schlecht geschlafen hat:

Lewis Hamilton: Nico Rosbergs Siege in Spa und Monza konnte Hamilton noch relativ locker wegstecken. Dort war er der schnellere Mann, aber der unglücklichere Dritte beziehungsweise Zweite. Singapur hätte sein Rennen werden sollen. Doch es kam ganz anders. Rosberg deklassierte ihn im Qualifying, und auch im Rennen hatte er nicht den Funken einer Chance auf den Sieg. Dass er zumindest Dritter wurde, hat er dem Unvermögen von Kimi Räikkönens Strategieteam zu verdanken.


Romain Grosjean: Ein Wochenende wie aus einem Albtraum. Kein Wunder, dass Grosjean am Samstag lamentierte, der Haas sei das schlechteste Formel-1-Auto, das er je gefahren ist. Der Franzose ist ein netter Kerl, wenn es gut läuft. Wenn nicht, kann er zu seinem Team ganz schön ruppig sein. In letzter Zeit rückt Esteban Gutierrez immer näher an ihn heran. Sein großer Traum, einmal für Ferrari zu fahren, ist in weite Ferne gerückt.

Bernie Ecclestone: Es war ein Bild mit Symbolkraft: Chase Carey, von Journalisten belagert, trifft sich mit den wichtigsten Teamchefs, begleitet von CVC-Boss Donald Mackenzie. Für Ecclestone interessiert sich dagegen kaum noch jemand. Die Ära des Gebrauchtwagenhändlers in der Formel 1 geht zu Ende. Liberty Media will eine neue Geschäftskultur einführen. Ecclestone darf nur noch interimistisch bleiben - und seine Macht als starker Mann im Paddock beginnt zu bröckeln. Man darf gespannt sein, welche Geschichten ans Licht kommen, wenn er einmal nicht mehr lebt...

Ihr Christian Nimmervoll

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