• 27. März 2017 · 13:09 Uhr

"Erst dann wäre ich besorgt": Wieso Mercedes cool bleibt

Warum das Jahr 2017 für Toto Wolff und Niki Lauda als Meisterprüfung gilt, wo Mercedes Schwächen hat und wieso man trotz der Niederlage (noch) unbesorgt ist

(Motorsport-Total.com) - Die Bilder gingen um die Welt: Sebastian Vettel kommt nach dem einzigen Boxenstopp vor Mercedes-Pilot Lewis Hamilton auf den Albert-Park-Circuit zurück und sorgt für Emotionen auf den Rängen - und an der Box. Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff kann seinen Ärger nicht zurückhalten und donnert mit der Faust auf den Tisch. "Ich war während des Rennens sehr emotional", gibt er nachher zu.

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Ungewohnter Anblick: Mercedes muss zusehen, wie Ferrari entwischt Zoom Download

Kein Wunder, denn das Jahr 1 nach der großen Reglement-Revolution gilt als ganz große Meisterprüfung für das Wolff, der gemeinsam mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Niki Lauda bei Mercedes die Geschicke lenkt. In den vergangenen drei Jahren musste sich die beiden immer wieder den Vorwurf anhören, der große Silberpfeil-Erfolg sei ein Kind der Ära von Ex-Teamchef Ross Brawn, der das Team auf die Reglement-Revolution 2014 einstellte.

Der Brite hatte die Mannschaft umstrukturiert und bereits 2011 eine kleine Projektgruppe auf die Änderungen angesetzt - zudem hatte er zahlreiche Top-Ingenieure von anderen Spitzenteams nach Brackley geholt. Was viele allerdings vergessen: Lauda war es, der beim Konzern eine deutliche Budgetaufstockung durchbrachte, während Wolff die Motivation in Brackley trotz der beispiellosen Erfolgsserie hochhielt. Nur so gelang es, die Silberpfeile nachhaltig an der Spitze zu halten.

Weckruf für Silberpfeile

Doch gelingt es auch 2017, die Spitze zu behaupten, dann hat man den Kritikern endgültig den Wind aus den Segeln genommen. Der Auftakt mag mit den Plätzen zwei und drei für die erfolgsverwöhnte Truppe nicht perfekt gewesen zu sein, doch Mercedes scheint auch dieses Jahr wieder eine hervorragende Basis zu haben.


Fotostrecke: GP Australien, Highlights 2017

"Also für mich ist das eigentlich ein perfektes Resultat für ein erstes Rennen", meint Niki Lauda - und spielt damit auf die Gefahr an, dass man sich in Brackley zurücklehnen könnte. "Aus Mercedes-Sicht sind solche Rennen sehr wichtig, weil man dann gleich sieht, wo es hapert, woran gearbeitet werden muss. Du kannst die Leute damit mehr motivieren, jetzt unser Auto schneller nach vorne zu bringen."

Herkulesaufgabe für Mercedes

Und genau diese Motivation scheint ein Schlüsselfaktor zu sein. Selten ist es Teams in Zeiten von Reglement-Revolutionen gelungen, eine dominante Rolle zu behaupten. 1998, als die Autos schmäler wurden, bereitete McLaren der Williams-Dominanz ein Ende, 2009 waren nicht mehr Ferrari und McLaren an der Spitze, sondern zunächst Brawn und dann über Jahre hinweg das Red Bull. Und 2014 gelang Mercedes der große Sprung nach vorne.

"Wenn ich richtig liege, dann gibt es kein Team, dass so ein Leistungsniveau trotz solcher Reglementänderungen halten konnte", meint auch Wolff, der durch die Verpflichtung von Ex-Ferrari-Mann James Allison als Technikchef frischen Wind brachte. "Das hat uns motiviert, denn man darf nicht davon ausgehen, weiterhin das Team zu sein, das es zu schlagen gilt. In Anbetracht dessen ist uns ein guter Saisonstart gelungen. Wir waren nicht gerade scharf auf diese Regeländerungen, da sich diese negativ auf die Rennen auswirken können, aber als die Entscheidung fiel, gingen wir in den Wettbewerbsmodus, um das bestmögliche Chassis zu bauen."

Verstehen die Mercedes-Ingenieure den F1 W08?

Der F1 W08 ist mit seinen komplexen Windabweisern ambitioniert, aber auch kompliziert. Während es Vettel im Ferrari gelang, Hamiltons Mercedes zu folgen, hatten beide Silberpfeile Schwierigkeiten, sich an Rivalen heranzusaugen und diese zu überholen. Luftverwirbelungen sind Gift für die raffinierte Aerodynamik des Mercedes-Boliden.

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Der F1 W08 gibt selbst der Mercedes-Truppe noch einige Rätsel auf Zoom Download

Zudem scheint das Team den neuen Boliden noch nicht ganz verstanden zu haben. Das zeigte sich schon bei den Testfahrten. "Dort lief es nicht wie erwartet", gibt Wolff zu. "Es war nicht nur ein Aspekt, sondern es gab unterschiedliche Bereiche, die wir verbessern mussten - so ein bisschen wie in Singapur vor zwei Jahren. Deswegen hatten wir in den zwei Wochen zwischen Test und Saisonstart extrem viel zu tun."

Was dem Team nicht gelang: das Mindestgewicht zu erreichen. Der F1 W08 ist nach wie vor um fünf Kilogramm zu schwer. Das ergibt zwei Zehntelsekunden pro Runde. Außerdem setzte laut dem Team aus Gründen der Gewichtsersparnis auch die umstrittene Wunder-Radaufhängung nicht ein, wodurch man einen weiteren Vorteil erlangen könnte. Man spürt: Mercedes hat noch Luft nach oben. Obwohl Wolff ergänzt: "Es gibt diese Wunderlösung in der heutigen Formel 1 nicht mehr."

Unerwartete Reifenprobleme

Der Österreicher fordert nun aber Überstunden und eine gründliche Analyse des Melbourne-Wochenendes. "Wir müssen jeden Stein umdrehen und schauen, ob wir uns irgendwo verbessern oder optimieren können", sagt er gegenüber 'sky.de'. "Es fehlen ja keine Welten. Im Qualifying hatten wir noch das schnellste Auto. Wir müssen die Reifen noch verstehen. Es sind viele Kleinigkeiten."

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Neue Regeln: Für Wolff und Lauda hat 2017 eine besondere Bedeutung Zoom Download

Im Rennen haderten die Mercedes-Piloten - wie übrigens auch Ferrari-Pilot Kimi Räikkönen - mit der Ultrasoft-Mischung. "Da müssen wir uns verbessern", fordert Hamilton. Der Plan von Mercedes, ab Runde 8 das Tempo um rund eine halbe Sekunde zu steigern und Vettel so abzuhängen, ging nicht auf. Stattdessen kam der Ferrari sogar ein bisschen näher heran, weil bei Hamilton die Reifen überhitzten.

Der frühe Stopp in Runde 17 war die Folge, um einen Ferrari-Undercut zu verhindern, doch während Hamilton hinter Verstappen Zeit verlor, hielt Vettel das Tempo und brannte niedrige 1:28er-Zeiten in den Asphalt. Durch den späteren Stopp des Ferrari-Piloten hatte Hamilton auch um sechs Runde ältere Pneus. Das Rennen war gelaufen.

(Noch) keine Nervosität bei Mercedes

Deswegen setzte man Hamilton auf Schongang. "Es war der Plan, sich ein bisschen hinter Sebastian zurückfallen zu lassen, um die Reifen nicht so sehr zu beschädigen", bestätigt Wolff, obwohl der Brite eigentlich hätte schneller fahren können. "Wir hatten aber am Anfang schlicht nicht genug Tempo, aber nach dem Boxenstopp es gepasst."

Die Schwäche auf der Ultrasoft-Mischung könnte auch etwas mit dem Wetter zu tun haben. "Es war viel heißer, und wir waren nicht so gut wie bei den Longruns am Freitag." Während die Asphalttemperatur am Freitag im zweiten Freien Training nicht über 30 Grad ging, waren es am Sonntag an die 36 Grad.

Bei Mercedes ist man nach der Niederlage jedenfalls keineswegs entmutigt. "Für mich ist jetzt interessant, was in Schanghai passieren wird", meint Lauda. "Dabei handelt es sich um eine andere Rennstrecke, auf der andere Dinge wichtig sind - und dann gehen wir nach Bahrain. Wenn der Ferrari auch bei den kommenden Rennen vorne ist, dann würde ich mir Sorgen machen. Sonst nicht." Wolff ergänzt: "Die Entwicklungskurve wird dieses Jahr steiler sein als in den vergangenen Jahren, als das Reglement stabil war. Wir haben also jetzt eine Momentaufnahme, und das könnte sich in den kommenden 20 Rennen ändern."

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