• 17. September 2014 · 08:04 Uhr

Rennvorschau Singapur: Sagt Mercedes allen "Gute Nacht"?

Der körperlich forderndste Grand Prix kennt nur einen Favoriten und viele Teams, die sich um das Podium streiten - Funkt die Straßenbahn den Hybridautos dazwischen?

(Motorsport-Total.com) - Seit Anbeginn der Motorsport-Moderne galt Monaco als Glitzer-Grand-Prix der Formel 1. Mit der Rennpremiere von Singapur in der Saison 2008 wurde jedoch klar, dass nirgendwo so viel gefunkelt wird wie auf dem Marina Bay Circuit. Damals das erste und einzige Nachtrennen des Kalenders, haben sich mit Abu Dhabi und Bahrain mittlerweile zwei weitere Spätschichten hinzugesellt. Die Kulisse vor der strahlend illuminierten Skyline des Stadtstaates bleibt jedoch ein Unikum in der Königsklasse.

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Singapurs Skyline bildet die spektakuläre Kulisse für das 14. Rennen der Saison Zoom Download

Das gilt auch für die Tagesabläufe der Piloten. Nach der Ankunft aus Europa stellen sie ihren Schlafrhythmus nicht um, sondern nutzen die Zeitverschiebung, um optimal für den abendlichen Rennbetrieb vorbereitet zu sein. Für viele der Aktiven ist es ein Luxus, an einem Grand-Prix-Wochenende unbeschwert einen Hauch Nachtleben genießen und entspannt ausschlafen zu können. Dennoch ist es für den menschlichen Körper eine verwirrende Situation. Dieser funktioniert grundlegend so, dass er bei Tageslicht wach bleiben möchte. Vorhänge und Rollläden helfen.

Kleine Schwächen können in Singapur teuer werden - und die Rede ist nicht von dem ikonischen Kaugummi, der fast sinnbildlich für die Sauberkeit der 5,3-Millionen-Einwohner-Metropole steht. Konzentration und körperliche Fitness sind in den Tropen von besonderer Bedeutung. Die 5,065 Kilometer lange Bahn besitzt 23 Kurven und lässt in 61 Runden kaum Zeit, sich auszuruhen. In Sachen Nettofahrzeit zählt das Rennen regelmäßig zu den längsten der Saison und kratzt teilweise auch im Trockenen an der Zwei-Stunden-Marken.

Überholen nicht ohne Risiko und Flügelsalat

Zwar sind die Mauern an den meisten Stellen weiter von der Fahrbahn entfernt als in Monaco, dennoch werden Fahrfehler härter bestraft als auf anderen modernen Anlagen, die wegen ihrer asphaltierten Auslaufzonen gerne mit "Parkplätzen" vergleichen werden. Auch wenn die bei den ersten Ausgaben als Sprungschanzen verschrieenen Randsteine entschärft wurden, gibt es auf dem Marina Bay Circuit weiter viele Gelegenheiten für Fehler und havarierte Autos - aber auch zum Überholen.


Fotostrecke: Triumphe & Tragödien in Singapur

Harte Bremspunkte vor den zahlreichen 90-Grand-Kurven laden zum Ausbremsen ein, erfordern aber ein gut traktierendes Auto und einen Gegner, der die Tür nicht um jeden Preis zuzuwerfen versucht - schließlich sind die Geraden meist sehr kurz. Windschatten zu fahren lohnt sich fast nur auf dem Raffles Boulevard, wo sich neben der Start- und Zielgeraden eine von zwei DRS-Zonen befindet. Nichtsdestotrotz setzte sich bei vier von sechs Ausgaben derjenige durch, der das Rennen von der Pole-Position begonnen hatte.

Eine besondere Herausforderung präsentiert das Klima: Bei einer Luftfeuchtigkeit von 70 Prozent und mehr sowie Temperaturen um die 30-Grad-Marke zählt körperliche Fitness in Verbindung mit der pausenlos anspruchsvollen Bahn mehr als auf jedem anderen Kurs. "Bei diesen Bedingungen ein knapp zwei Stunden langes Rennen zu fahren, geht an die Kondition", weiß Williams-Pilot Valtteri Bottas. Am kommenden Wochenende winkt vielleicht eine besondere Hürde: Erste Prognosen sagen üblichen Bedingungen und leichten Niederschlag voraus, den es an einem Rennwochenende zuvor nie gab.

Knickt die Elektronik wegen der Straßenbahn ein?

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Die Brücke könnte 2014 mit Hybridpower für massive Probleme sorgen Zoom Download

Eine Belastungsprobe stellt der Marina Bay Circuit auch für die Technik dar. Auf keiner anderen Bahn setzten die Boliden so stark auf, woran auch eine neue Asphaltdecke nichts geändert hat. Ästhetisch ist der Funkenschlag bei Nacht allerdings allemal. Eine Strafversetzung in der Startaufstellung, etwa infolge eines Tauschs der vielfach am Ende ihrer Laufzeit ihrer Laufzeit befindlichen Antriebskomponenten, wäre wegen der Schwierigkeiten beim Überholen bitter. Dazu ist jeder Kilometer Fahrpraxis äußert wertvoll.

In Singapur fahren die Autos außerdem über eine Brücke, die magnetisch ist, weil darunter immense Stromkabel verlaufen. Besonders stark sind die Leitungen für die Straßenbahn. Dadurch entstehen zahlreiche elektrische Störungen. Dies kann zu Aussetzern der Datensysteme führen und sogar Fahrzeugkomponenten beeinflussen. Pirelli liefert wie gewohnt weiche und superweiche Reifen. Wie sich in Monaco gezeigt hat, sollte dies keine Schwierigkeiten bereiten. Wegen den belastenden Kurven und der abtriebsreichen Abstimmung jedoch besteht ein Überhitzungsrisiko.

Sagt Mercedes allen anderen "Gute Nacht"?

Die Favoritenfrage für Singapur ist schnell beantwortet: Nachdem Mercedes sich auf sämtlichen Strecken in Sachen Tempo keine Blöße gab, können sich die Silberpfeile auch auf dem Stadtkurs nur selbst schlagen. Neben der nach wie vor anfälligen Technik kommt dafür ein erneutes Teamduell zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton infrage. Der Deutsche hatte nach dem Rennen in Monza bereits angedeutet, dass die Aufforderung zur Zurückhaltung im Zweikampf mit der Zeit an Wirkung verlieren könnte.

Trotz eines 22-Punkte-Polsters kündigte Rosberg außerdem an, bei jeder Gelegenheit weiter voll auf Sieg fahren zu wollen. Das muss auch für Hamilton gelten, der einer von nur drei Piloten im Feld ist, die den Singapur-Grand-Prix bereits gewannen. Rosberg erzielte bei der Premiere 2008 im Williams als Zweiter sein bestes Ergebnis und holte bei fünf von sechs Auftritten WM-Punkte. Mercedes wird den Getriebejoker ziehen - die einzige Möglichkeit, die zu Saisonbeginn festgelegte Übersetzung zu verändern. Aus gutem Grund: Der achte Gang war abgesehen von Monza für alle anderen Strecken zu lang übersetzt. Im Antrieb schlummert also noch mehr Potenzial.

Vettel: Neues Chassis, alte Probleme

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Die Straßen von Singapur sind immer wieder ein spektakulärer Anblick Zoom Download

Es sind beunruhigende Nachrichten für Red Bull. Die Österreicher, die unter dem Power-Defizit des Renault-Aggregats leiden, hatten sich im Kurvenlabyrinth Singapurs Siegchancen ausgerechnet. Schließlich war es Sebastian Vettel, der in den vergangenen drei Jahren mit teils erdrückend dominanten Vorstellungen gewann. In diesem Jahr soll ihm ein ladenneues viertes Chassis der Saison helfen, das Teamduell mit Daniel Ricciardo endlich zu seinen Gunsten zu entscheiden. In Monza schlug der junge Australier Vettel zum elften Mal ein Schnippchen und klassierte sich vor dem Teamprimus.

Für Ferrari ist es das erste Rennen nach dem Rücktritt Luca di Montezemolos. Sein Nachfolger Sergio Marchionne wird wahrscheinlich nicht in Singapur aufschlagen, die Vorzeichen sind unabhängig davon düster. Fernando Alonso und Kimi Räikkönen dürfen zwar darauf hoffen, dass ihr Nachteil in Sachen Antrieb sich nicht so stark auswirkt wie noch beim Heimspiel in Monza. Weil der F14 T aber immer mehr zur Dauerbaustelle mutiert, geht die Scuderia nicht als Favorit im Kampf um den dritten Rang in der Kontrukteurswertung auf den Asphalt.

Viel Spannung im Mittelfeld - Deutsche mittendrin

Diese Rolle gebührt eher der mit 15 Punkten im Vorteil liegenden Williams-Mannschaft, die sich in den vergangenen sechs Rennen fünf Pokale abholte. In Italien platzte auch für Neuzugang Felipe Massa der Knoten, die Briten etablierten sich vor McLaren und Force India als zweite Kraft im Mercedes-Lager. Im Blickpunkt stehen dürfte in diesem Zusammenhang auch Kevin Magnussen, der nach seinen harten Manövern gegen Bottas in Monza teils harsche Kritik einstecken musste. Mika Häkkinen bezeichnete das Zweikampfverhalten des Dänen als "Unverschämtheit".

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Adrian Sutil und Nico Hülkenberg haben sich unterschiedliche Ziele gesteckt Zoom Download

Die übrigen Deutschen im Feld verfolgen ganz unterschiedliche Ziele: Für Nico Hülkenberg und Force India dürfte die zweite Hälfte der Top 10 wieder das Ziel sein, nachdem die Truppe bei der Autoentwicklung sukzessive ins Hintertreffen geraten ist. Nur noch um Schadensbegrenzung geht es dagegen für Adrian Sutil und Sauber. Zwar lagen die Schweizer in Italien deutlich vor Lotus, auf dem kurvenreichen Kurs von Singapur dürfte insbesondere Romain Grosjean jedoch wieder eine Gefahr darstellen.

Chaos und die auf dem Straßenkurs häufigen Safety-Car-Phasen stellen jedoch eine Chance dar, die ersten WM-Punkte der Saison einzufahren. Das gilt ebenso für Hinterbänkler Caterham, der sich mit einem definitiven Bekenntnis zum zweiten Fahrer neben Marcus Ericsson mal wieder viel Zeit lässt. Klar ist nur: Mit Manfredi Ravetto feiert ein neuer Teamchef sein Debüt. Der Italiener folgt auf den zurückgetretenen Christijan Albers.

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