• 15. August 2017 · 11:29 Uhr

Robert Kubica: Heute ein besserer Fahrer als vor dem Unfall

Intime Einblicke von Robert Kubica: Der Pole verrät, wie hart der Weg zurück in Richtung Formel 1 war und warum er den "Umweg" über den Rallyesport nahm

(Motorsport-Total.com) - 2.369 Tage liegen zwischen dem 6. Februar 2011 und dem 2. August 2017. 2.369 Tage, an denen Robert Kubica nur ein Ziel im Kopf hatte: Die Rückkehr in die Formel 1. Mit seinem erfolgreichen Test im Renault R.S.17 in Budapest, bei dem der Pole trotz seiner körperlichen Einschränkungen mehr als zwei komplette Renndistanzen fuhr, ist Kubica diesem Ziel näher als je zuvor. "Dass ich nach sechs Jahren Pause von der Formel 1 Longruns machen kann, zeigt dass Muskeln und Kraft nicht alles sind", sagt Kubica im Interview mit dem Magazin 'F1Racing'.

"Da stelle ich mir die Frage, ob nicht mein Kopf mir die Grenzen setzt und mein wahres Limit noch darüber hinaus geht", so der Pole weiter. Dieses Limit wurde für den damals 26 Jahre alten Kubica am 6. Februar 2011 neu definiert. Zum Freizeitvergnügen nahm er damals an einer kleinen Rallye in Italien ein - und musste plötzlich um sein Leben und die Fortsetzung seiner Karriere kämpfen.

Bei einem Unfall drang eine Leitplanke in den Fahrgastraum seines Skoda Fabia ein und verletzte Kubica schwer am rechten Arm und Bein. Anfangs war nicht sicher, ob die Ärzte den teilweise abgetrennten Arm würden retten können. Das gelang den Medizinern zwar, doch die Folgen sind bis heute deutlich sichtbar. "Ich habe keine Schmerzen", sagt Kubica. "Die Beweglichkeit ist eingeschränkt, und ich kann den Arm nicht viel trainieren, aber das sind nun einmal die Folgen des Unfalls, die ich nicht ändern kann."

Nach dem Unfall: Erinnerung an Formel 1 hat geschmerzt

Aufgrund der Unfallfolgen war ein Fortsetzung seiner Karriere im Motorsport zunächst nicht zu denken. Und so fiel Kubica erst einmal in ein tiefes Loch. "Die schlimmste Zeit war für mich, als ich morgens aufgewacht bin und nichts zu tun hatte", gibt er zu. "Dann fängt man an Nachzudenken, schaut sich vielleicht alte Grands Prix an und denkt über die Rennen nach, die man mehr als andere vermisst."

"Ich habe gemerkt, dass mich alles traurig macht, was mich an die Formel 1 erinnert."Robert Kubica
Daher stand für Kubica fest, dass er auf jeden Fall wieder in ein Renncockpit zurückkehren will. Für das Comeback wählte der Pole aber ausgerechnet die Disziplin, bei der er sich so schwer verletzt hatte: Der Rallyesport. Diese Entscheidung konnten im Jahr 2012 nicht jeder nachvollziehen. "Vielleicht habe die Leute nicht verstanden, warum ich das gemacht habe. Der Grund war aber recht einfach", sagt Kubica. "Ich habe gemerkt, dass mich alles traurig macht, was mich an die Formel 1 erinnert. Daher brauchte ich einen Tapetenwechsel."

Hinzu kam, dass Kubica dort nicht ständig vorgeführt wurde, wie groß der Nachteil durch seine Behinderung ist. "Ich war vorher nie viele Rallyes gefahren. Daher hatte ich keinen Vergleich und wusste nicht, wie viel ich verliere", sagt er. "Das hat mir geholfen." Und auch die sportlichen Erfolge halfen, im Jahr 2013 gewann Kubica den WM-Titel in der WRC2-Klasse der Rallye-WM.

Rallye-WM von Anfang an nur eine Zwischenstation

Foto zur News: Robert Kubica: Heute ein besserer Fahrer als vor dem Unfall

Spektakulär, aber zuletzt wenig erfolgreich: Robert Kubica in der Rallye-WM Zoom Download

Anschließend geriet sein Comeback in der Top-Klasse der Rallye-WM aber ins Stocken. Statt durch sportliche Erfolge machte Kubica vor allem durch viele Abflüge Schlagzeilen. Dennoch will der Pole das Kapitel Rallye nicht missen, denn für seine fahrerische Entwicklung sei diese Zeit sehr wertvoll gewesen. "Das mag sich vielleicht seltsam anhören, aber in gewisser Weise glaube ich, dass ich jetzt ein besserer Fahrer als vorher bin. Durch den Rallyesport wurde ich etwas feinfühliger, und dem Kopf tut es auch gut, wenn man neue Dinge ausprobiert."

Doch für Kubica war die Zeit in der Rallye-WM, wo er zuletzt Fahrer und Teamchef in Personalunion war, immer nur eine Zwischenstation. Denn seine Sehnsucht nach der Formel 1 war ungebrochen. Doch seine Leidenschaft verstellte dem ruhigen Polen nie den Blick dafür, was möglich ist und was nicht. "Vor zwei oder drei Jahren wäre es noch zu früh gewesen. Ich wollte mir nicht wehtun", erklärt Kubica. "Ich hätte es zwar machen können und hätte auch Spaß dabei gehabt. Aber ich hätte auch gewusst, dass ich für mehr nicht bereit bin."

"Vor zwei oder drei Jahren wäre es noch zu früh gewesen."Robert Kubica über Formel-1-Comeback
Das änderte sich Anfang 2016. Da nahm Kubica das Projekt "Formel-1-Comeback" konkret in Angriff. Ohne freilich öffentlich darüber zu sprechen. "Ich habe mich bedeckt gehalten, habe mit dem Rallyesport aufgehört und bin nur vereinzelt Rennen gefahren", sagt Kubica, der im vergangenen Jahr unter anderem Sportwagen-Rennen im Renault-Markenpokal fuhr.

In kleinen Schritten zurück in die Formel 1

"Im Hintergrund liefen aber alle möglichen Untersuchungen, denn mein Ziel war es immer, wieder in ein Formel-1-Auto zu steigen", sagt Kubica. Bei einem WEC-Test in Bahrain gewöhnte er sich wieder an hohe Geschwindigkeiten, Anfang 2017 kehrte er am Steuer eines GP3-Boldien in ein Formelauto zurück. "All die kleinen Tests dienten dazu, mich Schritt für Schritt an die körperliche Belastung zu gewöhnen."


Robert Kubica über F1-Test: "Ich war überrascht!"

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Robert Kubica stieg nach sechs Jahren im Juni 2017 wieder in ein Formel-1-Auto ein. Der Pole testete den Renault E20 in Valencia - und war überrascht Weitere Formel-1-Videos

Dabei ging der Pole aber mit Bedacht vor und wollte nicht um jeden Preis in ein Renncockpit zurück. "Ich hatte viele Anfragen für verschiedene Kategorien, aber ich wollte immer einen Tag testen, bevor es zum Rennen geht. Manchmal war das nicht möglich, und ich hatte den Eindruck, dass einige Leute das als Ausrede angesehen haben", sagt Kubica.

Doch auch durch dieses Misstrauen ließ er sich nicht von seinem Weg abbringen und arbeitete im vergangenen Jahr hart an seiner körperlichen und geistigen Verfassung. "Ich habe langsam abgenommen - ich wog mal 14 Kilogramm mehr als heute - und habe meine Fitness Schritt für Schritt verbessert", erzählt Kubica. "Ich habe auch mental Schritt für Schritt an mir gearbeitet. Es bestand das Risiko, dass ich in meiner Situation mental ausbrenne, und das war das Letzte, was ich wollte: Mich psychisch fertigmachen."

Mentale Vorbereitung genau so wichtig wie Fitness

Vor allem diese mentale Vorbereitung sei vor seiner Rückkehr in die Formel 1 sehr wichtig gewesen. Denn Kubica musste erst den Glauben daran gewinnen, dass er trotz seiner Behinderung den Anforderungen gewachsen ist. "80 Prozent macht der Kopf aus. Wenn man einmal glaubt, dass man seine Ziele erreichen kann, dann ist das schon die halbe Miete", sagt er.

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Die Folgen des Unfalls sind Robert Kubica bis heute anzusehen Zoom Download

Am 6. Juni dieses Jahres hatte Kubica ein wichtiges Zwischenziel erreicht: In Valencia testete er für Renault ein Auto des Vorgängerteams Lotus aus der Saison 2012 und schlug sich dabei mehr als achtbar. Nach einer weiteren erfolgreichen Probefahrt im "Gebrauchtwagen" folgte dann der viel beachtete Test Anfang August in Ungarn. Und auch mit dem aktuellen Auto von Renault kam Kubica gut zurecht.

"Die Formel 1 ist wegen der Servolenkung für mich vielleicht noch am einfachsten zu fahren", erklärt er. Auch die Bedienung des Lenkrads, bei dem für ihn beide Schaltwippen auf die linke Seite verlegt wurden, machte ihm trotz seiner Behinderung keine Schwierigkeiten. "Ich habe gezeigt, dass ich nichts verlernt habe, auch wenn mich meine Hand beim Blick in den Spiegel jeden Morgen daran erinnert, was vor sechs Jahren passiert ist", stellt Kubica mit Genugtuung fest. "Natürlich hätte ich gerne zwei Arme, die ich zu 100 Prozent benutzen kann. Das ist aber nun einmal nicht der Fall, und deshalb muss ich härter arbeiten als zuvor", so der Pole zu 'F1Racing'.

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